L 10 R 4328/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 275/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 4328/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 21.06.2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Klägerin erstrebt die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Die im Jahre 1972 geborene Klägerin hat keinen Beruf gelernt und war zuletzt als Reinigungskraft im Glas- und Gebäudereinigungsbetrieb ihrer Mutter und ihres Bruders beschäftigt. Seit dem 07.01.2003 ist sie arbeitsunfähig. Zwischenzeitlich bezieht sie Leistungen der Grundsicherung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Die Klägerin leidet nach nunmehr mit Methadon substituiertem intravenösem Heroinmissbrauch zu Beginn der 90er Jahre im Wesentlichen an einer erstmals im Jahre 1993 diagnostizierten HIV-Infektion im Stadium C 3 (Vollbild AIDS), einer chronischen Bronchitis und einer allgemein reduzierten körperliche Belastbarkeit bei wechselndem Körpergewicht (bei ca. 156 cm Körpergröße zeitweilig Abnahme auf 42 kg im Dezember 2005, dann Zunahme auf 52 kg im November 2006). Bakterielle Lungenentzündungen als Begleiterkrankungen ihrer HIV-Infektion traten nach Wiederaufnahme ihrer antiretroviralen Therapie im Jahre 2003 und damit erzielter Verbesserung ihres Immunstatus (Viruslast unter bzw. leicht über der Nachweisgrenze) nicht mehr auf. Die darüber hinaus bestehende chronische Hepatitis C ist ohne entzündliche Aktivität, eine frühere Hepatitis-B-Infektion zwischenzeitlich abgelaufen.

Im Dezember 2003 beantragte die Klägerin über die AOK R.-N. die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, da sie auf Grund zunehmender Kraftlosigkeit die Tätigkeit als Reinigungskraft nicht mehr ausüben könne. Am 01.06.2004 stellte sie einen Antrag auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. In der Folgezeit legte sie ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) vom September 2003 vor. Darin heißt es, der Klägerin sei die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Putzfrau wegen ihrer Immunschwäche und der leicht reduzierten körperlichen Leistungsfähigkeit nicht mehr zumutbar. Möglich seien allerdings körperlich leichte Tätigkeiten im Sitzen ohne viel Publikumsverkehr. Auch in einer im Dezember 2003 ausgestellten Bescheinigung des HIV-Schwerpunktes mit HIV-Ambulanz der J. W. G.-Universität F., Prof. Dr. St. und Dr. H., wurde eine fortbestehende Arbeitsunfähigkeit attestiert.

Im daraufhin von der Beklagten eingeholten Gutachten kam der Facharzt für Innere Medizin, Sportmedizin und Betriebsmedizin Dr. B. zu dem Ergebnis, das Leistungsvermögen der Klägerin sei mäßiggradig eingeschränkt. Arbeiten mit besonderen Zeitdruck, besonderer psychischer Anspannung, Belastung durch Kälte, Nässe, Zugluft sowie erhöhte Infektionsgefahr sollten nicht abverlangt werden. Unter Beachtung dieser Einschränkungen sei die Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten vollschichtig und für reine mittelschwere Arbeiten dreistündig einsetzbar. Empfohlen werde die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben im weitesten Sinne, wie z. B. die Vermittlung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes. Mit ihrer bisherigen Tätigkeit als Putzfrau sei sie offensichtlich überfordert gewesen.

Die Beklagte lehnte daraufhin den Rentenantrag durch Bescheid vom 12.08.2004 und mit der Begründung ab, bei der Klägerin liege weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung vor. Den hiergegen unter Hinweis auf die bereits vorgelegte Einschätzung von Prof. Dr. St. und Dr. H. erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.12.2004 zurück.

Am 28.01.2005 hat die Klägerin beim Sozialgericht Mannheim Klage erhoben und vorgetragen, sie sei auf Grund der fortschreitenden Schwächung ihres Allgemeinzustandes sowie einer depressiven Erkrankung erwerbsgemindert.

Das Sozialgericht hat schriftliche sachverständige Zeugenaussagen der behandelnden Ärzte eingeholt. Die Fachärztin für Allgemeinmedizin T. hat mitgeteilt, sie könne sich nach ihrem letzten Eindruck nicht vorstellen, dass die Klägerin angesichts ihres psychischen und körperlichen Zustandes auch mit Unterbrechungen sechs Stunden arbeiten könne, da sie nicht in der Lage sei, sich längere Zeit zu konzentrieren. Prof. Dr. St. und Dr. H. haben berichtet, die Klägerin sei auf Grund ihrer körperlichen Schwäche, ihrer vermehrten Infektanfälligkeit und ihrer labilen psychischen Verfassung nur weniger als drei Stunden am Tag arbeitsfähig. Der Facharzt für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. M. hat angegeben, er habe die Klägerin zweimal, im August 2001 und im November 2003, untersucht und eine Zunahme der Belastungsdyspnoe sowie Husten und Auswurf festgestellt.

Das Sozialgericht hat daraufhin ein Gutachten der Chefärztin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Städtischen Klinikums M., Dr. von E., eingeholt. Diese hat eine rentenrelevante depressive Störung ausgeschlossen und ausgeführt, anamnestisch sei von rezidivierenden depressiven Episoden auszugehen, die ohne spezifische Behandlung abgeklungen seien. Allenfalls bestehe eine Grübelneigung bei nicht eingehaltenem Tag-Nacht-Rhythmus. Auf Grund des psychiatrischen Zustandes bestehe keine verminderte Erwerbsfähigkeit. Jedoch betrage die Leistungsfähigkeit der Klägerin aus organischen Gründen weniger als drei Stunden am Tag.

Im ferner eingeholten fachinternistischen Gutachten ist der Sachverständige Dr. Br. zunächst von der Verdachtsdiagnose einer HIV-assoziierten pulmonalen Hypertonie ausgegangen und hat die Klägerin daher für dauerhaft arbeits- und erwerbsunfähig gehalten. Nachdem sich diese Verdachtsdiagnose im Rahmen einer zweimaligen Untersuchung der Klägerin durch die pneumologische Ambulanz der Universität Heidelberg nicht bestätigt hatte (im Bericht über die am 01.12.2006 erfolgte Untersuchung heißt es zusammenfassend: Eingeschränkte Belastbarkeit. Hinweise auf Hyperventilation in Ruhe und unter Belastung, Limitierung am ehesten durch Trainingsmangel) hat der Sachverständige Dr. Br. ausgeführt, es bestehe eine Diskrepanz zwischen den von der Klägerin geschilderten und auf Grund einer während der chronischen Erkrankung erworbenen Fehlhaltung subjektiv empfundenen Leistungseinschränkungen einerseits und den technischen Befunden andererseits. Er sei ebenso wie die behandelnden Ärzte sowie die Sachverständige Dr. E. auf Grund bestehender Erfahrungen zu dem Schluss gekommen, dass die Klägerin nicht mehr in den Arbeitsprozess einzugliedern sein werde. Gestützt auf die objektiven Befunde könne man aber zu keinem anderen Schluss kommen, als dass die Klägerin noch arbeitsfähig sei.

Mit Urteil vom 21.06.2007 hat das Sozialgericht die die Klage abgewiesen. Die Klägerin sei nicht gem. § 43 Abs. 1, Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) erwerbsgemindert, da sie leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes noch in einem zeitlichen Umfang von täglich mindestens sechs Stunden verrichten könne. Rentenrechtlich relevante psychische Gesundheitsbeeinträchtigungen bestünden nach dem Gutachten von Dr. von E. nicht. Auch in organischer Hinsicht liege nach dem Gutachten von Dr. Br. keine quantitative Minderung der Erwerbsfähigkeit vor. Die hiervon abweichende Einschätzung der behandelnden Ärzte beruhe nicht auf objektiven Befunden, sondern auf einer Fehlhaltung der Klägerin sowie ihrem seit Jahren unstrukturierten Alltag und damit auf nicht krankheitsbedingten Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung in eine Berufstätigkeit. Zwar sei eine Tätigkeit als Reinigungskraft wohl nicht mehr zumutbar, jedoch gebe es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, auf den die Klägerin zu verweisen sei, andere Tätigkeiten (z. B. Museumsaufsicht, einfache Pförtnertätigkeiten und einfache Sortierarbeiten), die ihren gesundheitlichen Einschränkungen Rechnung trügen. Diese Entscheidung ist der Klägerin am 11.07. 2007 zugestellt worden.

Am 10.08.2007 hat die Klägerin Berufung eingelegt. Sie beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 21.06.2007 und den Bescheid der Beklagten vom 12.08.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.12.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen Erwerbsminderung ab Antragstellung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten des Senats und des Sozialgerichts Mannheim sowie die beigezogenen Renten- und Rehaakten der Beklagten verwiesen.

II.

Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Die Beteiligten sind hierzu gehört worden.

Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 12.08.2004 sowie der Widerspruchsbescheid vom 27.12.2004 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin daher nicht in ihren Rechten. Denn ihr kann keine Rente wegen Erwerbsminderung gewährt werden. Dies hat das Sozialgericht im Urteil vom 21.06.2007 unter Zugrundelegung der für die Beurteilung des von der Klägerin geltend gemachten Anspruchs maßgeblichen Regelungen des § 43 Abs. 1, Abs. 2 SGB VI ausführlich und zutreffend dargelegt; hierauf wird verwiesen (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). Ergänzend ist auszuführen, dass die Klägerin hinsichtlich der Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung in das Erwerbsleben auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben zu verweisen ist. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht, nachdem die Klägerin ihre Berufung trotz mehrmaliger Aufforderung und gewährter Fristverlängerung nicht begründet hat, zur nichtöffentlichen Sitzung des Gerichts am 28.02.2008 nicht erschienen ist und sich auch auf das Anhörungsschreiben des Gerichts zur beabsichtigten Entscheidung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 SGG nicht geäußert hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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