L 11 AS 38/07

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
11
1. Instanz
SG Schleswig (SHS)
Aktenzeichen
S 5 AS 1045/05
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 38/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 8. Mai 2007 insoweit aufgehoben, als es die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verurteilt hat, an den Kläger mehr als 280,00 EUR monatlich an Unterkunftskosten zuzüglich Heizkosten zu zahlen. Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen und die weiter gehende Klage abgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte seiner außergerichtlichen Kosten für beide Instanzen zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, in welcher Höhe die Beklagte dem Kläger vom 1. Juli 2005 bis 31. Januar 2006 Leistungen für Unterkunftskosten zu erbringen hat.

Der Kläger bezieht Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II) seit 2005 von der Beklagten. Er bewohnt in W im Kreis Dithmarschen seit 2001 eine ca. 39 qm große Zweizimmerwohnung, für die er eine Warmmiete in Höhe von monatlich 382,90 EUR (brutto kalt 344,00 EUR) zu entrichten hat. Erstmalig wurden dem Kläger von der Beklagten Leistungen mit Bescheid vom 4. November 2004 von Januar bis Juni 2005 bewilligt. Darin enthalten war der Hinweis, dass die Kosten der Unterkunft nur bis zu einem Betrag von 232,00 EUR angemessen seien. Dieser Höchstbetrag werde gegenwärtig um monatlich 104,54 EUR überschritten. Der Kläger werde aufgefordert, die Unterkunftskosten auf den angemessenen Betrag zu senken. Ab dem 1. Juli 2005 könnten nur noch angemessene Unterkunftskosten berücksichtigt werden. Weiter wurde der Kläger darauf aufmerksam gemacht, wie er die Unterkunftskosten senken könne, u. a. durch einen Wohnungswechsel. Gegen den Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein und führte aus, für W existiere kein Mietspiegel. Die zur Verfügung stehenden Wohnungen seien von der Ausstattung her sehr unterschiedlich. Es könne kein verbindlicher Vergleichswert ermittelt und auch nicht vorgeschrieben werden. Vielmehr sei die Angemessenheit im Einzelfall zu berücksichtigen. Seine Wohnung sei jedenfalls nicht zu teuer. Preiswertere Wohnungen seien in W nicht zu finden. Die Beklagte blieb bei ihrer Auffassung und teilte dieses dem Kläger im Schreiben vom 18. Mai 2005 mit. Die pauschale Behauptung, es gebe keinen geeigneten Wohnraum, reiche nicht. Der Miethöchstbetrag für H sei von der Beklagten anhand der Vorgaben des Verwaltungsgerichts Schleswig aus dem Jahr 1996 und hier aus der Tabelle zu § 8 des damals geltenden Wohngeldgesetzes (WoGG) festgelegt worden. Die Stadt H habe danach die Mietstufe III. Das Gericht habe es für angemessen angesehen, zu diesem Tabellenwert 30 % zur Ermittlung der Miethöchstgrenze aufzuschlagen. Hinzu gekommen sei noch ein weiterer 5%iger Zuschlag. Mit Bescheid vom 19. Mai 2005 erhöhte die Beklagte die Kosten für die Unterkunft. Mit Bescheid vom 24. Mai 2005 reduzierte die Beklagte die Leistungen entsprechend für die hier streitgegenständliche Zeit auf 232,00 EUR monatliche Unterkunftskosten. Auch hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Juni 2005 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 4. November 2004 zurück. Die hiergegen erhobene Klage erklärten die Beteiligten nach Hinweis des Gerichts darauf, dass für die Zeit bis Juni 2005 keine Reduzierung vorgenommen worden sei, für erledigt. Mit Bescheid vom 24. Oktober 2005 änderte die Beklagte ihre Bewilligungsentscheidung für den Zeitraum seit November 2005 bis 31. Januar 2006 um weitere 7,46 EUR auf eine Leistung von insgesamt 621,00 EUR. Zu seinen Widersprüchen teilte sie dem Kläger unter dem gleichen Datum mit, dass sie bei ihrer Auffassung bleibe. In dem Bewilligungsbescheid vom 24. Mai 2005 seien Kosten der Unterkunft in Höhe von 239,46 EUR zuerkannt worden. Das sei fehlerhaft, da ab 1. Juli 2005 eine Kürzung auf den Höchstbetrag von 232,00 EUR vorzunehmen gewesen wäre. Insoweit berechtige allerdings § 45 des Zehnten Sozialgesetzbuches (SGB X) zur Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes. Aufgrund von Vertrauensgesichtspunkten sei jedoch eine Rücknahme für die Vergangenheit nicht möglich. Mit Zugang dieser Anhörung wisse der Kläger jedoch um die fehlerhafte Berechnung, so dass ab November 2005 eine Korrektur vorzunehmen sei, was mit dem Bescheid gleichen Datums geschehen sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 8. No¬vember 2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Der Kläger hat am 21. November 2005 Klage beim Sozialgericht Schleswig erhoben und zur Begründung sein bisheriges Vorbringen wiederholt. In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht hat er ergänzend ausgeführt, er wohne schon seit 18 Jahren in W und sei ein echter Dithmarscher. Er glaube nicht, dass er den Umzug in eine andere Gemeinde psychisch durchstehe. Seinen ganzen Bekanntenkreis habe er in W ; außerdem wohne seine Mutter dort. In W habe er Wohnungen gesucht, so ca. vier bis sechs Wohnungen. Diese seien fast ausnahmslos zu klein oder so geschnitten gewesen, dass seine Möbel nicht hineingepasst hätten. Die bisherige Differenz zwischen der tatsächlichen Miete und den Aufwendungen, die die Beklagte erstatte, habe er mit ein bisschen Hilfe von Bekannten gezahlt. Vom 15. Mai 2006 bis 1. März 2007 habe er als Maurer in Dänemark gearbeitet und warte aktuell auf weitere Aufträge aus Dänemark. Der Vorteil einer Wohnung in W sei auch, dass während seiner Arbeit in Dänemark seine Mutter in der Wohnung nach dem Rechten sehen könne.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte in Abänderung der Bescheide vom 24. Mai und 24. Oktober 2005 sowie des Widerspruchsbescheides vom 8. November 2005 zu verurteilen, ihm Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende unter Berücksichtigung der tatsächlichen Unterkunftskosten zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat auf eine gerichtliche Verfügung des Schleswig-Holstei¬nischen Landessozialgerichts vom 14. März 2007 in einem anderen (Beschwerde)Verfahren Bezug genommen, den Wohnungsmarkt in der Zeitung und dem Internet überprüft und dabei auch außerhalb der Kreisgrenze gesucht. Sie hat ausgeführt, in der Verfügung habe das Landessozialgericht für B die Städte M , H und L miteinbezogen und auf diese Weise der dünnen Besiedelung und hohen Eigenheimquote im ländlichen Bereich etwas Rechnung getragen. Außerdem könne nur so der Rechtsprechung des BSG weitestgehend hinsichtlich der vergleichbaren Einwohnergröße entsprochen werden, da in ganz Dithmarschen nur 137.000 Menschen lebten. Aus diesem Grund seien Wohnungsangebote aus dem Norden Dithmarschens unter Einbezug von H sowie Eiderstedt herangezogen worden. Danach ergäben sich insgesamt 15 Wohnun¬gen, wobei die Beklagte nicht vollständig die "DLZ" und das Internet habe auswerten können. Berücksichtige man weiter, dass viele Wohnungen "unter der Hand", also durch mündliche Nachmietersuche, Anschlägen an schwarzen Brettern usw. vergeben würden, und diese oftmals besonders günstig seien, erweise sich, dass die Mietobergrenze angemessen und konkret genügend Wohnraum vorhanden sei.

Das Sozialgericht hat die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 24. Mai und 24. Oktober 2005 und des Widerspruchsbescheides vom 8. November 2005 verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 1. Juli 2005 bis 31. Januar 2006 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende in gesetzlicher Höhe unter Berücksichtigung der tatsächlichen Aufwendungen für die Unterkunft zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt: Es sei dem Kläger innerhalb des streitigen Zeitraums nicht möglich bzw. nicht zuzumuten gewesen, seine Aufwendungen auf das angemessene Maß abzusenken. Voraussetzung für die Zumutbarkeit der Aufnahme von Kostensenkungsbemühungen sei nämlich, dass der Hilfesuchende Kenntnis einerseits bezüglich der Unangemessenheit seiner Aufwendungen und andererseits hinsichtlich der für eine zumutbare Unterkunft angemessenen Aufwendungen habe. Das sei Aufgabe der Kostensenkungsaufforderung nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II a. F. Diese setze die Frist von sechs Monaten dann nicht in Gang, wenn darin der Kläger über die Unangemessenheit der aktuellen Aufwendungen und insbesondere über die Grenze des Angemessenen unrichtig oder unvollständig informiert worden sei. Das sei hier der Fall. Die Kostensenkungsaufforderung der Beklagten gebe die für den Kläger maßgebende Grenze angemessener Aufwendungen für die Unterkunft nicht zutreffend wieder. Maßstab für die Bestimmung der Angemessenheit bilde die nunmehr höchstrichterlich anerkannte so genannte Produkttheorie, wonach es grundsätzlich auf das Produkt aus angemessener Wohnfläche einerseits und angemessenem örtlichen Quadratmeterpreis andererseits ankomme. Der räumliche Vergleichsmaßstab orientiere sich daher nicht strikt am kommunalverfassungsrechtlichen Begriff der "Gemeinde". Insbesondere im ländlichen Raum sei es zulässig, auch größere Gebiete als Vergleichsgebiete zusammenzufassen. Für den Kläger seien dies die Gebiete der Stadt W und der Kirchspielslandgemeinden B , W , Wa und L. Sie repräsentierten in ihrer Gesamtheit das soziale Umfeld des Klägers. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die soziale Siedlungsstruktur sich gerade im ländlichen Raum der schleswig-holsteinischen Westküste in Nachbarorten nicht grundsätzlich unterscheide. Entscheidender als die Wohngemeinde als solche sei für die Erhaltung des sozialen Umfelds vielmehr im Regelfall die Erreichbarkeit des bisherigen Unterzentrums oder ländlichen Zentralorts. Bezogen auf das Referenzgebiet sei es der Beklagten nicht gelungen, eine repräsentative Anzahl von Wohnungsangeboten vorzulegen, die belegten, dass unterhalb der Mietobergrenze hinreichend freier, hilferechtlich angemessener und zumutbarer Wohnraum vorhanden sei. Daraus schließe die Kammer, dass die Mietobergrenze von 232,00 EUR für Einpersonenhaushalte die Angemessenheitsgrenze im maßgeblichen Referenzgebiet nicht zutreffend wiedergebe.

Gegen das ihr am 27. Juli 2007 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, eingegangen beim Schleswig-Hol¬steinischen Landessozialgericht am 20. August 2007. Zur Begründung trägt sie vor: Die Berufung sei zulässig, da es für die Zeit von Juli bis Oktober 2005 um 83,12 EUR monatlich und für die Monate November 2005 bis Januar 2005 um monatlich 90,58 EUR, also insgesamt 604,22 EUR gehe. Vorsorglich werde die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung beantragt. Das vom Sozialgericht herangezogene Referenzgebiet sei zu klein und werde den örtlichen Gegebenheiten Dithmarschens nicht gerecht. Den bisherigen Urteilen des BSG sei eine genaue passende Definition nicht zu entnehmen. Der Wohnort könne hier nicht ausreichen, da es sich bei W um eine Kleingemeinde mit 3.000 Einwohnern handele. Insoweit habe das BSG aber auch ausgesprochen, dass insbesondere im ländlichen Raum ein größeres Gebiet als Vergleichsmaßstab herangezogen werden könne. Das entspreche auch der Rechtsprechung des erkennenden Senats. So habe dieser etwa für die Stadt B H und M (25 bis 30 km Entfernung) als weiteres Umfeld noch berücksichtigt. Damit erstrecke sich das Wohnumfeld für W auch auf die Bereiche bis H , M , F , B und T. Dem Kläger werde mit einem entsprechenden Umzug auch nicht zu viel zugemutet. Zwischenzeitlich habe er in Dänemark gearbeitet, so dass die von ihm vorgetragene psychische Belastung bei einem Wohnortwechsel nicht überzeugend sei. Die vom BSG vorrangig geforderte Produkttheorie sei in Dithmarschen nicht anwendbar. Diese gehe davon aus, dass zu den abstrakten Wohnungsgrößen nach den landesrechtlichen Vorschriften im sozialen Wohnungsbau ein Preis für einfachen Wohnraum ermittelt werden könne. Das sei in Dithmarschen nicht möglich. Es gebe keinen Quadratmeterpreis für Wohnraum im unteren Bereich. Die in der ersten Instanz vorgelegten Wohnungen lägen alle im Umkreis von W von 25 bis 30 km. Eine weitere Kurzauswertung bei immobilienscout24.de habe zum jetzigen Zeitpunkt fünf Wohnungen in M ergeben (Entfernung 19,33 km). Die vorgelegten Wohnungen seien entgegen der Auffassung des Sozialgerichts auch nicht zu klein.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 8. Mai 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten und die Gerichtsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang auch begründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind dahingehend zu ändern, dass dem Kläger für die hier streitige Zeit vom 1. Juli 2005 bis 31. Januar 2006 Unterkunftskosten ohne Heizung in Höhe von 280,00 EUR monatlich zu zahlen sind.

Erwerbsfähige Hilfebedürftige erhalten nach § 19 Satz 1 SGB II als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Allein über die Höhe der Unterkunftskosten streiten die Beteiligten. Gemäß § 22 Abs. 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind (Satz 1). Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf des alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft so lange zu berücksichtigen, wie es dem alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zumutbar ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (Satz 2 bzw. ab 1. Januar 2007 Satz 3). Die tatsächlichen Aufwendungen für die Wohnung des Klägers in W betragen ohne die hier unstreitigen Kosten der Heizung 344,00 EUR monatlich. Die Beklagte hingegen will auf der Basis der von ihr zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Schleswig und der Heranziehung der Tabelle zu § 8 des WoGG, linke Spalte, unter Zugrundelegung der Mietstufe II und einem Aufschlag von 30 % sowie einem Zuschlag von 5 % lediglich 232,00 EUR als angemessenen Betrag erstatten. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Dies folgt bereits daraus, dass die Beklagte entgegen ihren eigenen Ausführungen in dem Schreiben vom 18. Mai 2005 nicht die Mietstufe III mit 180,00 EUR, sondern die Mietstufe II mit 170,00 EUR zugrunde gelegt hat. Außerdem ist der in der linken Spalte aufgeführte "sonstige Wohnraum", da ohne Sammelheizung und Bad oder Duschraum, unangemessen.

Die Prüfung der angemessenen Heiz- und Wohnungskosten erfolgt nach ständiger sozialgerichtlicher Rechtsprechung einschließlich der des BSG auf zwei tatsächlichen Ebenen. Eine erste abstrakte Angemessenheitsprüfung muss die örtlichen Verhältnisse erfassen und beurteilen, damit auf dieser tatsächlichen Grundlage eine Mietpreisspanne für die im unteren Bereich der für vergleichbare Wohnungen am Wohnort des Hilfebedürftigen marktüblichen Wohnungsmieten festgesetzt werden kann. In einer zweiten konkreten Angemessenheitsprüfung ist dann zu prüfen, ob dem Hilfebedürftigen eine andere bedarfsgerecht und kostengünstigere Wohnung konkret verfügbar und zugänglich ist. Maßgebliche Kriterien für die Angemessenheit von Mietaufwendungen für eine Unterkunft sind die Wohnraumgröße, der Wohnort und der Wohnungsstandard. Dabei orientiert sich der Wohnungsstandard im unteren Segment der nach der Größe in Betracht kommenden Wohnungen. Dies folgt aus dem Zweck der Grundsicherung für Arbeitsuchende, nur den notwendigen Bedarf sicherzustellen. Die Größe der Wohnung orientiert sich an den landesrechtlichen Vorschriften zur Wohnraumförderung (BSG, Urt. v. 7. November 2006 B 7b AS 18/06 R, SozR 4 4200 § 22 Nr. 3). Nach Nr. 8.5.1 der Verwaltungsvorschrift zur Sicherung von Bindungen in der sozialen Wohnraumförderung nach Wohnungsbindungsgesetz und Wohnraumförderungsgesetz (VwV-SozWo 2004, Amtsblatt für Schleswig-Holstein 2004, S. 548, 558) gilt für einen Alleinstehenden eine Wohnfläche bis zu 50 qm für angemessen.

Die angemessene Höhe der Unterkunftskosten ergibt sich dann als Produkt aus der für den Leistungsempfänger abstrakt angemessenen Wohnungsgröße und dem nach den örtlichen Verhältnissen angemessenen Mietzins pro Quadratmeter (sog. Produkttheorie). Auch diese Berechnungsweise entspricht der sozialgerichtlichen Rechtsprechung. Warum sie nach der Auffassung der Beklagten in Dithmarschen keine Anwendung finden soll bzw. kann, verschließt sich dem Senat. Eine im Kreis Dithmarschen abweichende Regelung verstieße bereits gegen das Gleichbehandlungsgebot. Allein der Umstand, dass ein Mietspiegel in ländlichen Bezirken nicht vorliegt, schließt die Anwendung der Produkttheorie nicht aus. Ihre Bedeutung liegt vielmehr darin, dass nicht jeder einzelne Faktor wie Wohnungsgröße, Ausstattungsstandard oder Quadratmeterpreis für sich isoliert angemessen sein muss. Entscheidend ist vielmehr das Ergebnis aus der Quadratmeterzahl und der Miete je Quadratmeter, so dass der Hilfebedürftige innerhalb dieses Rahmens einen Spielraum hat, ob er sich eine größere Wohnung mit besonders günstigem Mietzins oder eine kleinere Wohnung mit gehobenem Wohnstandard anmietet, solange die Unterkunftskosten insgesamt noch angemessen sind.

Der Senat sieht sich, ebenso wie das Sozialgericht und letztlich auch die Beklagte, nicht in der Lage, anhand von konkreten Daten einen marktüblichen Mietzins für den Wohnungsmarkt in W und die nähere Umgebung festzusetzen. Örtliche Mietspiegel oder andere Mietdatenbanken existieren naturgemäß bei der ca. 3.000 Einwohner umfassenden Gemeinde W nicht. Die Beklagte ist bisher ihrer Verpflichtung nicht nachgekommen, zum Zwecke der Ermittlung der abstrakt angemessenen Wohnkosten entsprechende Mietspiegel oder Tabellen mit grundsicherungsrelevanten Daten zu erstellen (siehe zu dieser Verpflichtung BSG, a. a. O., Rz. 23). Sie hat sich allein auf die Tabellenwerte des § 8 WoGG hinsichtlich der Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten gestützt. Dies reicht nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats und der weitaus überwiegenden Rechtsprechung der Landessozialgerichte und des Bundessozialgerichts grundsätzlich jedoch nicht aus. Denn wie das BSG in seinem Urteil vom 7. November 2006 (a. a. O., Rz. 17) ausgeführt hat, entspricht ein solches Vorgehen bereits nicht der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und auch nicht dem Sinn und Zweck des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II ist die Angemessenheit des Umfangs der Aufwendungen an den Besonderheiten des Einzelfalles zu messen. In diesem Zusammenhang stellen die Tabellenwerte in § 8 WoGG keinen geeigneten Maßstab für die Angemessenheit dieser Kosten dar (BSG, a. a. O., Rz. 17, m. w. N.). Das folgt insbesondere aus dem mit dem WoGG verfolgten Zweck, der ein anderer ist als die Erstattung der Unterkunftskosten im Rahmen der Grundsicherung nach dem SGB II. Bei der Gewährung von Wohngeld wird von der Wohnung ausgegangen, wie sie der Wohngeldberechtigte angemietet hat, ohne dass im Einzelfall nachgeprüft wird, inwieweit die Wohnung als solche im Sinne eines notwendigen Bedarfs angemessen ist. Außerdem stellt das WoGG nicht ausreichend dar, ob tatsächlich in dem örtlichen Wohnbereich des Betroffenen entsprechender Wohnraum zu erhalten ist. Die alleinige Abstimmung durch die sechs Mietstufen ist in diesem Zusammenhang zu grob (so im Ergebnis auch LSG Baden-Württemberg, Beschl. v. 6. Sep¬tember 2007 - L 7 AS 4008/07 ER B; Hessisches Landessozialgericht, Beschl. v. 5. Dezember 2007 – L 6 AS 234/07 ER und LSG Niedersachsen, Urt. v. 11. März 2008 – L 7 AS 332/07).

Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts kommt der Senat jedoch aufgrund der Fehleinschätzung der Beklagten nicht zu dem Ergebnis, dass in einem solchen Fall stets und im Falle des Klägers die tatsächlichen Unterkunftskosten durch den Leistungsträger zu übernehmen sind. Für den Fall, dass keinerlei zielführende und einer Beweisaufnahme zugängliche Hinweise vorliegen, die es dem Senat ermöglichen, Feststellungen hinsichtlich des örtlichen Wohnungsmarkts für die streitige Zeit vorzunehmen, schließt sich der Senat der Rechtsprechung an, die für den Fall ausnahmsweise doch einen Rückgriff auf die Tabelle zu § 8 WoGG für zulässig erachten (BSG, a. a. O., Rz. 18; LSG Niedersachsen, LSG Baden-Württemberg und LSG Hessen, jeweils a. a. O.) und greift für die Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten auf die rechte Spalte im Bereich der geltenden Mietstufe zurück. Mit der Heranziehung der rechten Spalte trägt der Senat dem oben näher beschriebenen Umstand Rechnung, dass § 8 WoGG grundsätzlich kein geeigneter Maßstab für die Bestimmung der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft im Rahmen des SGB II bildet und über die Aufspaltung in sechs Mietstufen nur sehr grob die örtlichen Wohnungsverhältnisse wiedergibt. Mangels anderer Erkenntnismöglichkeiten und –mittel stellt § 8 WoGG allerdings den alleinigen normativen Ansatzpunkt dar, an den die Angemessenheitsprüfung des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II grob angelehnt werden kann. Entsprechend dieses grundsätzlich ungeeigneten Maßstabs ist zwar, um eventuelle Unbilligkeiten aufgrund der pauschalierenden Regelung zu umgehen, ein Zuschlag zu den Tabellenwerten grundsätzlich vorzunehmen. Insoweit folgt der Senat der zitierten Rechtsprechung, weicht von ihr aber insoweit ab, als dort zum Teil von den Beträgen der rechten Spalte in § 8 WoGG ausgegangen wird und zu diesen noch einen Zuschlag von 10 Prozent vorgenommen wird. Diese Rechtsprechung verkennt nach Auffassung des Senats, dass bereits die Zugrundelegung der rechten Spalte einen nicht unerheblichen Unbilligkeitsausgleich enthält, weil dort nämlich der im Rahmen des WoGG teuerste und damit für den Hilfebedürftigen unangemessener Wohnraum abgebildet wird. Wie aber bereits oben ausgeführt haben Hilfebedürftige lediglich Anspruch auf Wohnungen mit einer Ausstattung, Lage und Bausubstanz, die einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügt und keinen gehobenen Wohnstandard aufweisen (BSG, a. a. O.). Dem entspricht jedoch nicht die rechte Spalte, sondern vielmehr die zweite bzw. dritte Spalte von links, die bis 1965 bzw. bis 1991 bezugsfertigen Wohnraum mit Sammelheizung und mit Bad oder Duschraum darstellen und in ihren Beträgen ca. 20 % unter denen der rechten Spalte liegen. Ausgehend von den Beträgen in der zweiten bzw. dritten Spalte sieht der Senat die Notwendigkeit eines Zuschlages als Unbilligkeitsausgleich. Die Höhe dieses Zuschlages leitet der Senat ab aus den Werten der rechten Spalte, so dass bei Anwendung der für den Kreis Dithmarschen geltenden Mietenstufe II sich hier ein Betrag von 280,00 EUR ergibt, auf den dann allerdings kein weiterer Zuschlag zu gewähren ist. Daraus folgt, dass die Beklagte dem Kläger für die streitige Zeit Unterkunftskosten in Höhe von 280,00 EUR zu zahlen hat.

Entgegen der Auffassung des Klägers hat dieser nicht nachgewiesen, dass es für ihn unmöglich ist, eine Wohnung zu einem geringeren Mietzins anzumieten. Zutreffend hat das Sozialgericht nämlich ausgeführt, dass es für eine Beschränkung der Wohnungssuche auf die Gemeinde W keine Rechtsgrundlage gibt. Bei der Bildung des räumlichen Vergleichsmaßstabs ist es wie hier im ländlichen Raum zulässig, auch größere Gebiete als Vergleichsmaßstab zusammenzufassen. Ob in diesem Zusammenhang dieser Vergleichsmaßstab auf die Gebiete der Stadt W und der Kirchspielslandgemeinden B , W , Wa und L zu erstrecken ist, wie das Sozialgericht meint, oder darüber hinaus auch H und F heranzuziehen sind, braucht der Senat letztlich nicht zu entscheiden. Auch die Beklagte hat für den von ihr weiter gefassten Referenzbereich nicht den Nachweis erbracht, dass dem Kläger günstigerer als der von ihm bisher angemietete Wohnraum zur Verfügung stand. Zwar umfassen die mit Schriftsatz vom 27. April 2007 vorgelegten Mietangebote mit 15 Wohnungsangeboten grundsätzlich eine Anzahl, aus der sich Rückschlüsse auf einen entsprechenden Wohnungsmarkt ziehen lassen können. Zutreffend hat jedoch bereits das Sozialgericht bemängelt, dass ein Großteil der dort aufgeführten Wohnungen entweder nicht angemessen im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II ist oder entsprechende Rückschlüsse nicht gezogen werden könne. So fehlen bei vier Wohnungen (Bl. 40 bis 42 der Gerichtsakte) Angaben über die Größe der jeweiligen Wohnungen. Darüber hinaus befinden sich in der Auflistung insgesamt fünf Wohnungen mit einer Größe von unter 33 qm, die auch nach dem eigenen Vortrag der Beklagten in dem Schriftsatz vom 11. Juni 2008 unter der von ihr zugrunde gelegten Grenze von 35 bzw. 34 qm liegen. Eine weitere von der Beklagten angegebene Wohnung (Bl. 38 der Gerichtsakte) liegt mit 285,00 EUR oberhalb der dem Kläger von der Beklagten gewährten Unterkunftskosten. Damit verbleiben lediglich fünf Wohnungen in La , Ha , N und F. Eine so geringe Anzahl von Wohnungen reicht nicht aus, um der Darlegungslast der Beklagten zu genügen. Dabei ist zum einen zu berücksichtigen, dass selbst bei intensiver Bemühung zur Erlangung einer angebotenen Wohnung, wenn nicht seitens der Beklagten eine konkrete Wohnung für den Kläger für eine bestimmte Zeit vorgehalten wird, immer eine gewisse Unsicherheit besteht, ob derjenige, der sich um eine Wohnung bemüht, diese auch erhält. Zum anderen muss es für den eine solche Wohnung Suchenden, wenn auch grundsätzlich eingeschränkt, möglich sein, nach seinen persönlichen Verhältnissen oder denjenigen der Bedarfsgemeinschaft auszuwählen, welche Wohnung er anmieten möchte. Daher muss eine gewisse Anzahl von Wohnungen vorhanden sein, um dem eine günstige Wohnung Suchenden eine realistische Aussicht zu geben, auch eine solche zu erhalten. Bei fünf Wohnungsangeboten unter der Höchstgrenze der angemessenen Wohnung bestehen diese Möglichkeiten nach Auffassung des Senats nicht (vgl. Beschlüsse des Senats vom 5. März 2008 – L 11 B 588/07 AS PKH – und vom 13. März 2008 – L 11 B 302/08 AS ER -). Im Übrigen spiegeln die vorgelegten Mietangebote den Wohnungsmarkt (teilweise) im März 2007, nicht jedoch für die hier streitige Zeit wider.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz und orientiert sich an dem Obsiegensanteil des Klägers.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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