Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 2 SB 8029/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 1388/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 1. März 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft streitig.
Der 1966 geborene Kläger beantragte am 8. März 2004 beim früheren Versorgungsamt Stuttgart (VA) die Feststellung des Grades der Behinderung (GdB). Als Gesundheitsstörungen gab er einen Zustand nach Bandscheibenoperation am 24. Oktober 2003 mit hieraus resultierenden Schmerzen, einem Taubheitsgefühl im rechten Bein, einer Fußheberschwäche im rechten Fuß sowie nächtlichen Krämpfen im rechten Unterschenkel an, ferner chronisch rezidivierende Gelenk- und Wirbelblockierungen der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule (HWS, BWS, LWS) und chronisch rezidivierende Kopfschmerzen. Das VA zog vom K. S. den Arztbrief vom 18. Oktober 2003 über die stationäre Behandlung des Klägers mit Operation am 24. Oktober 2003 bei, bei dem behandelnden Arzt Dr. M. verschiedene Arztbriefe sowie von der Klinik Bad R. den Entlassungsbericht vom 9. März 2004 über die vom 27. Januar bis 24. Februar 2004 durchgeführte stationäre Maßnahme zur Rehabilitation. Unter Auswertung dieser Unterlagen geL.te Dr. K. in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 21. April 2004 zu einem GdB von 20 für die Behinderungen "operierter Bandscheibenschaden, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule". Mit Bescheid vom 13. Mai 2004 setzte das VA den GdB sodann ab 8. März 2004 mit 20 fest. Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger eine Höherbewertung seiner Beeinträchtigungen mit der Begründung geltend, auch nach der operativen Behandlung habe er erhebliche Rückenbeschwerden mit Sensibilitätsstörungen im rechten Bein. Darüber hinaus sei seither keine Erektion mehr möglich. Weiterhin bestehe ein Engpasssyndrom der linken Schulter und ein ausgeprägtes HWS-Syndrom. Zur Akte geL.ten sodann Arztbriefe des Facharztes für Innere Medizin Dr. L. vom 18. März 2004, des K. vom 19. März 2004, des Urologen Dr. B. vom 6. April 2004 sowie das Attest der Dres. M. vom 3. Mai 2004. Die nunmehr hinzugezogene Dr. M. bewertete in ihrer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 15. September 2004 die bereits berücksichtigten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 30, worauf das VA dem Widerspruch des Kläger mit Teil-Abhilfebescheid vom 14. Oktober 2004 insoweit abhalf, als es den GdB nunmehr mit 30 festsetzte. Mit Widerspruchsbescheid vom 24. November 2004 wurde der Widerspruch im Übrigen zurückgewiesen.
Am 3. Dezember 2004 erhob der Kläger dagegen beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage und machte die Feststellung eines GdB von zumindest 50 geltend. Zur Begründung trug er vor, im Hinblick auf die vorliegende Schmerzsituation rechtfertigten die Beeinträchtigungen von Seiten der Wirbelsäule bereits für sich betrachtet eine höhere Bewertung als den zugrunde gelegten GdB von 30. Gänzlich unberücksichtigt geblieben sei, dass er seit der Operation an einer erektilen Dysfunktion leide und im Hinblick darauf als gebürtiger I. mit verinnerlichten arabischen, muslimischen Weltvorstellungen unter Minderwertigkeitskomplexen leide. Er legte u.a. den Arztbrief der Ärztin für Urologie Dr. M. vom 20. April 2005 vor. Der Beklagte trat der Klage zunächst unter Vorlage seiner Verwaltungsakten und unter Aufrechterhaltung seines bisherigen Standpunktes entgegen, gab nach Durchführung medizinischer Ermittlungen durch das SG unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme des Dr. W. vom 20. September 2005 jedoch mit Schriftsatz vom 25. Januar 2006 ein Teilanerkenntnis dahingehend ab, dass der Gesamt-GdB ab 8. März 2004 unter zusätzlicher Berücksichtigung einer erektilen Dysfunktion mit einem Teil-GdB von 20 mit 40 festgestellt wurde. Dieses Teilanerkenntnis nahm der Kläger zur teilweisen Erledigung des Rechtsstreits an. Das SG hörte Dr. M. unter dem 17. Juni 2005, die Internistin Dr. R. unter dem 21. Juli 2005 sowie den Chirurgen Dr. M. unter dem 28. Juni 2005 schriftlich als sachverständige Zeugen und wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 1. März 2006 im Wesentlichen mit der Begründung ab, die von der LWS ausgehenden Beeinträchtigungen seien mit einem Teil-GdB von 30 angemessen bewertet. Entsprechendes gelte für die erektile Dysfunktion, für die ein Teil-GdB von 20 zugrunde gelegt worden sei. Da im Hinblick auf diese Störung außergewöhnliche psychoreaktive Reaktionen nicht belegt seien, seelische Begleiterscheinungen bei den zugrunde gelegten Werten jedoch bereits berücksichtigt seien, rechtfertige sich insgesamt kein höherer GdB als 40. Außergewöhnliche psychoreaktive Störungen, die eine Höherbewertung rechtfertigen könnten, habe keiner der behandelnden Ärzte erwähnt; auch befinde sich der Kläger nicht in fachärztlicher psychiatrischer Behandlung. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des den Bevollmächtigten des Klägers am 6. März 2006 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Gerichtsbescheids verwiesen.
Am 20. März 2006 hat der Kläger dagegen beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und im Wesentlichen seine bisherige Begründung wiederholt, wonach seine Beschwerden bei weitem über die üblichen Beschwerden bei Wirbelsäulenleiden hinausgingen, wodurch der übliche GdB von 30 zu überschreiten sei. Anders als im Normalfall sei die bestehende erektile Dysfunktion gerade vor dem Hintergrund seiner arabischen Herkunft mit viel stärkeren patriarchalischen Machtstrukturen mit einem GdB von mehr als 20 zu bewerten. Andernfalls werde seinem Einzelfall nicht ausreichend Rechnung getragen. Die hierdurch bedingte psychische Erkrankung rechtfertige zudem die Bewertung mit einem Einzel-GdB von 30. Seit 20. Juli 2006 stehe er auch in nervenärztlicher Behandlung bei dem Nervenfacharzt H ...
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 1. März 2006 aufzuheben und den Beklagten unter weiterer Abänderung des Bescheids vom 13. Mai 2004 und des Teil-Abhilfebescheids vom 14. Oktober 2004, diese in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. November 2004, zu verurteilen, den GdB über das Teilanerkenntnis vom 25. Januar 2006 hinaus mit 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für richtig und verweist darauf, dass die Bewertungsmaßstäbe der anzuwendenden "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP) im Geltungsbereich des Neunten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IX) gleichermaßen für alle Behinderten unabhängig von deren Herkunft Geltung beanspruchten. Er hat die versorgungsärztliche Stellungnahme des Dr. G. vom 23. Januar 2007 vorgelegt.
Der Senat hat den Nervenfacharzt H. unter dem 2. November 2006 schriftlich als sachverständigen Zeugen angehört. Dieser verwies auf seinen Arztbrief vom 28. Juli 2006 und berichtete darüber hinaus über sieben Vorstellungen des Klägers seit April 2006; im Vordergrund hätten Potenzstörungen nach der im Oktober 2003 durchgeführten Bandscheibenoperation gestanden. Da sich sichere Hinweise für eine Nervenwurzelschädigung nicht gefunden hätten, sei die Potenzstörung möglicherweise Ausdruck einer unterlagerten larvierten Depression im Rahmen der Lebenssituation. Angesichts der geklagten Nervosität, Konzentrationsstörungen, Vergesslichkeit, inneren Unruhe, Schlafstörungen und Kopfschmerzen sei eine mittelgradige larvierte Depression zu diagnostizieren, die unter Behandlung mit Saroten 75 mg/die eine leichte Besserung gezeigt habe. Die Potenzstörungen, die larvierte Depression und die chronischen Rückenschmerzen rechtfertigten aus nervenärztlicher Sicht eine "MdE von etwa 60-70%".
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten des Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.
Das SG hat die Klage, soweit es nach Abgabe des vom Kläger angenommenen Teil-Anerkenntnisses über sie noch zu entscheiden hatte, zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid des Beklagten vom 13. Mai 2004 in der Gestalt des Teil-Abhilfebescheids vom 14. Oktober 2004 sowie des Widerspruchsbescheids vom 24. November 2004 ist mit dem Inhalt des mit Schriftsatz des Beklagten vom 25. Januar 2006 abgegebenen Anerkenntnisses rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Beklagte hat den GdB beim Kläger danach ab 8. März 2004 zutreffend mit 40 bewertet. Denn die Gesamtheit der beim Kläger vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen rechtfertigt nicht die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft.
Das SG hat die rechtlichen Grundlagen des geltend gemachten Anspruchs im Einzelnen dargelegt und hinsichtlich der zu berücksichtigenden Gesundheitsstörungen zutreffende Teil-GdB-Werte ermittelt, die den daraus resultierenden Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers angemessen Rechnung tragen. Unter Anwendung der AHP, die vom Senat im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung in ständiger Rechtsprechung herangezogen werden und nunmehr in der überarbeiteten Ausgabe des Jahres 2008 vorliegen und Berücksichtigung finden, ist auch nach Überzeugung des Senats die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit einem Teil-GdB von 30 und die erektile Dysfunktion mit einem Teil-GdB von 20 angemessen bewertet. Aus welchen Gründen sich im Hinblick auf die Situation im Bereich der Wirbelsäule die vom Kläger begehrte Bewertung mit einem Teil-GdB von 40 nicht rechtfertigen lässt, hat das SG ausführlich begründet und darauf hingewiesen, dass bei den vorliegenden mittelgradigen funktionellen Beeinträchtigungen, die als solche lediglich einen GdB von 20 rechtfertigen würden, der zugrunde gelegte GdB von 30 die geltend gemachten schweren Beeinträchtigungen bereits mit umfasse. Auch die erektile Dysfunktion rechtfertigt, wie das SG zutreffend dargelegt hat, nicht die vom Kläger begehrte höhere Bewertung mit einem GdB von 30. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die entsprechenden Ausführungen des SG in der angefochtenen Entscheidung.
Soweit der Kläger im Berufungsverfahren die Höherbewertung der erektilen Dysfunktion mit seiner Herkunft aus dem arabischen Kulturkreis und den dort herrschenden patriarchalischen Machtstrukturen begründet hat, rechtfertigt auch dieser Gesichtspunkt keine höhere Bewertung. Denn die Bemessung des Ausmaßes der Beeinträchtigung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, wie er im festzusetzenden GdB zum Ausdruck kommt, orientiert sich an der Werteordnung der innerstaatlichen Gesellschaft, nicht jedoch an der Kultur und den im Herkunftsland des behinderten Menschen vorherrschenden Machtstrukturen.
Soweit der Kläger eine psychische Erkrankung geltend gemacht hat, die als Folge seiner Erektionsstörung aufgetreten sei, lässt sich auch hieraus die Schwerbehinderteneigenschaft nicht ableiten. Denn selbst wenn man im Hinblick auf die von dem Nervenfacharzt H. für den Behandlungszeitraum beschriebenen Symptome wie Nervosität, Konzentrationsstörungen, Vergesslichkeit, innere Unruhe und Schlafstörungen entsprechend seiner diagnostischen Einschätzung vom Vorliegen einer larvierten Depression und damit von einer dauerhaften psychischen Störung ausginge, rechtfertigte die daraus resultierende Funktionsbeeinträchtigung unter Zugrundelegung der AHP keinen höheren Teil-GdB als 20, zumal unter Behandlung mit Saroten eine Verbesserung erreicht werden konnte. Auswirkungen auf den Gesamt-GdB gingen von den daraus resultierenden Funktionsbeeinträchtigungen jedoch gleichwohl nicht aus. Denn bei der Bildung des Gesamt-GdB wären erhebliche Überschneidungen sowohl in Bezug auf die Wirbelsäulensymptomatik als auch bezüglich der erektilen Dysfunktion zu berücksichtigen, die im Rahmen einer Gesamtbewertung die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft nicht rechtfertigen würde. Hierauf hat Dr. G. in der von dem Beklagten vorgelegten versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 23. Januar 2007 zutreffend hingewiesen. Ein Gesamt-GdB von 50 könnte allenfalls beim Vorliegen von stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit erreicht werden, wie sie beim Kläger jedoch nicht dokumentiert sind.
Unter Berücksichtigung der Gesamtheit der Einschränkungen wird somit ein Gesamt-GdB von 50 und damit die Schwerbehinderteneigenschaft nicht erreicht. Soweit der behandelnde Nervenarzt H. von einer "MdE von etwa 60-70%" ausgegangen ist, ist diese Einschätzung nicht in Einklang zu bringen mit den in den AHP dargelegten Bewertungen. Nach alledem konnte die Berufung des Kläger keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für die Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft streitig.
Der 1966 geborene Kläger beantragte am 8. März 2004 beim früheren Versorgungsamt Stuttgart (VA) die Feststellung des Grades der Behinderung (GdB). Als Gesundheitsstörungen gab er einen Zustand nach Bandscheibenoperation am 24. Oktober 2003 mit hieraus resultierenden Schmerzen, einem Taubheitsgefühl im rechten Bein, einer Fußheberschwäche im rechten Fuß sowie nächtlichen Krämpfen im rechten Unterschenkel an, ferner chronisch rezidivierende Gelenk- und Wirbelblockierungen der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule (HWS, BWS, LWS) und chronisch rezidivierende Kopfschmerzen. Das VA zog vom K. S. den Arztbrief vom 18. Oktober 2003 über die stationäre Behandlung des Klägers mit Operation am 24. Oktober 2003 bei, bei dem behandelnden Arzt Dr. M. verschiedene Arztbriefe sowie von der Klinik Bad R. den Entlassungsbericht vom 9. März 2004 über die vom 27. Januar bis 24. Februar 2004 durchgeführte stationäre Maßnahme zur Rehabilitation. Unter Auswertung dieser Unterlagen geL.te Dr. K. in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 21. April 2004 zu einem GdB von 20 für die Behinderungen "operierter Bandscheibenschaden, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule". Mit Bescheid vom 13. Mai 2004 setzte das VA den GdB sodann ab 8. März 2004 mit 20 fest. Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger eine Höherbewertung seiner Beeinträchtigungen mit der Begründung geltend, auch nach der operativen Behandlung habe er erhebliche Rückenbeschwerden mit Sensibilitätsstörungen im rechten Bein. Darüber hinaus sei seither keine Erektion mehr möglich. Weiterhin bestehe ein Engpasssyndrom der linken Schulter und ein ausgeprägtes HWS-Syndrom. Zur Akte geL.ten sodann Arztbriefe des Facharztes für Innere Medizin Dr. L. vom 18. März 2004, des K. vom 19. März 2004, des Urologen Dr. B. vom 6. April 2004 sowie das Attest der Dres. M. vom 3. Mai 2004. Die nunmehr hinzugezogene Dr. M. bewertete in ihrer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 15. September 2004 die bereits berücksichtigten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 30, worauf das VA dem Widerspruch des Kläger mit Teil-Abhilfebescheid vom 14. Oktober 2004 insoweit abhalf, als es den GdB nunmehr mit 30 festsetzte. Mit Widerspruchsbescheid vom 24. November 2004 wurde der Widerspruch im Übrigen zurückgewiesen.
Am 3. Dezember 2004 erhob der Kläger dagegen beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage und machte die Feststellung eines GdB von zumindest 50 geltend. Zur Begründung trug er vor, im Hinblick auf die vorliegende Schmerzsituation rechtfertigten die Beeinträchtigungen von Seiten der Wirbelsäule bereits für sich betrachtet eine höhere Bewertung als den zugrunde gelegten GdB von 30. Gänzlich unberücksichtigt geblieben sei, dass er seit der Operation an einer erektilen Dysfunktion leide und im Hinblick darauf als gebürtiger I. mit verinnerlichten arabischen, muslimischen Weltvorstellungen unter Minderwertigkeitskomplexen leide. Er legte u.a. den Arztbrief der Ärztin für Urologie Dr. M. vom 20. April 2005 vor. Der Beklagte trat der Klage zunächst unter Vorlage seiner Verwaltungsakten und unter Aufrechterhaltung seines bisherigen Standpunktes entgegen, gab nach Durchführung medizinischer Ermittlungen durch das SG unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme des Dr. W. vom 20. September 2005 jedoch mit Schriftsatz vom 25. Januar 2006 ein Teilanerkenntnis dahingehend ab, dass der Gesamt-GdB ab 8. März 2004 unter zusätzlicher Berücksichtigung einer erektilen Dysfunktion mit einem Teil-GdB von 20 mit 40 festgestellt wurde. Dieses Teilanerkenntnis nahm der Kläger zur teilweisen Erledigung des Rechtsstreits an. Das SG hörte Dr. M. unter dem 17. Juni 2005, die Internistin Dr. R. unter dem 21. Juli 2005 sowie den Chirurgen Dr. M. unter dem 28. Juni 2005 schriftlich als sachverständige Zeugen und wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 1. März 2006 im Wesentlichen mit der Begründung ab, die von der LWS ausgehenden Beeinträchtigungen seien mit einem Teil-GdB von 30 angemessen bewertet. Entsprechendes gelte für die erektile Dysfunktion, für die ein Teil-GdB von 20 zugrunde gelegt worden sei. Da im Hinblick auf diese Störung außergewöhnliche psychoreaktive Reaktionen nicht belegt seien, seelische Begleiterscheinungen bei den zugrunde gelegten Werten jedoch bereits berücksichtigt seien, rechtfertige sich insgesamt kein höherer GdB als 40. Außergewöhnliche psychoreaktive Störungen, die eine Höherbewertung rechtfertigen könnten, habe keiner der behandelnden Ärzte erwähnt; auch befinde sich der Kläger nicht in fachärztlicher psychiatrischer Behandlung. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des den Bevollmächtigten des Klägers am 6. März 2006 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Gerichtsbescheids verwiesen.
Am 20. März 2006 hat der Kläger dagegen beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und im Wesentlichen seine bisherige Begründung wiederholt, wonach seine Beschwerden bei weitem über die üblichen Beschwerden bei Wirbelsäulenleiden hinausgingen, wodurch der übliche GdB von 30 zu überschreiten sei. Anders als im Normalfall sei die bestehende erektile Dysfunktion gerade vor dem Hintergrund seiner arabischen Herkunft mit viel stärkeren patriarchalischen Machtstrukturen mit einem GdB von mehr als 20 zu bewerten. Andernfalls werde seinem Einzelfall nicht ausreichend Rechnung getragen. Die hierdurch bedingte psychische Erkrankung rechtfertige zudem die Bewertung mit einem Einzel-GdB von 30. Seit 20. Juli 2006 stehe er auch in nervenärztlicher Behandlung bei dem Nervenfacharzt H ...
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 1. März 2006 aufzuheben und den Beklagten unter weiterer Abänderung des Bescheids vom 13. Mai 2004 und des Teil-Abhilfebescheids vom 14. Oktober 2004, diese in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. November 2004, zu verurteilen, den GdB über das Teilanerkenntnis vom 25. Januar 2006 hinaus mit 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für richtig und verweist darauf, dass die Bewertungsmaßstäbe der anzuwendenden "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP) im Geltungsbereich des Neunten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IX) gleichermaßen für alle Behinderten unabhängig von deren Herkunft Geltung beanspruchten. Er hat die versorgungsärztliche Stellungnahme des Dr. G. vom 23. Januar 2007 vorgelegt.
Der Senat hat den Nervenfacharzt H. unter dem 2. November 2006 schriftlich als sachverständigen Zeugen angehört. Dieser verwies auf seinen Arztbrief vom 28. Juli 2006 und berichtete darüber hinaus über sieben Vorstellungen des Klägers seit April 2006; im Vordergrund hätten Potenzstörungen nach der im Oktober 2003 durchgeführten Bandscheibenoperation gestanden. Da sich sichere Hinweise für eine Nervenwurzelschädigung nicht gefunden hätten, sei die Potenzstörung möglicherweise Ausdruck einer unterlagerten larvierten Depression im Rahmen der Lebenssituation. Angesichts der geklagten Nervosität, Konzentrationsstörungen, Vergesslichkeit, inneren Unruhe, Schlafstörungen und Kopfschmerzen sei eine mittelgradige larvierte Depression zu diagnostizieren, die unter Behandlung mit Saroten 75 mg/die eine leichte Besserung gezeigt habe. Die Potenzstörungen, die larvierte Depression und die chronischen Rückenschmerzen rechtfertigten aus nervenärztlicher Sicht eine "MdE von etwa 60-70%".
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten des Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.
Das SG hat die Klage, soweit es nach Abgabe des vom Kläger angenommenen Teil-Anerkenntnisses über sie noch zu entscheiden hatte, zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid des Beklagten vom 13. Mai 2004 in der Gestalt des Teil-Abhilfebescheids vom 14. Oktober 2004 sowie des Widerspruchsbescheids vom 24. November 2004 ist mit dem Inhalt des mit Schriftsatz des Beklagten vom 25. Januar 2006 abgegebenen Anerkenntnisses rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Beklagte hat den GdB beim Kläger danach ab 8. März 2004 zutreffend mit 40 bewertet. Denn die Gesamtheit der beim Kläger vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen rechtfertigt nicht die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft.
Das SG hat die rechtlichen Grundlagen des geltend gemachten Anspruchs im Einzelnen dargelegt und hinsichtlich der zu berücksichtigenden Gesundheitsstörungen zutreffende Teil-GdB-Werte ermittelt, die den daraus resultierenden Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers angemessen Rechnung tragen. Unter Anwendung der AHP, die vom Senat im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung in ständiger Rechtsprechung herangezogen werden und nunmehr in der überarbeiteten Ausgabe des Jahres 2008 vorliegen und Berücksichtigung finden, ist auch nach Überzeugung des Senats die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit einem Teil-GdB von 30 und die erektile Dysfunktion mit einem Teil-GdB von 20 angemessen bewertet. Aus welchen Gründen sich im Hinblick auf die Situation im Bereich der Wirbelsäule die vom Kläger begehrte Bewertung mit einem Teil-GdB von 40 nicht rechtfertigen lässt, hat das SG ausführlich begründet und darauf hingewiesen, dass bei den vorliegenden mittelgradigen funktionellen Beeinträchtigungen, die als solche lediglich einen GdB von 20 rechtfertigen würden, der zugrunde gelegte GdB von 30 die geltend gemachten schweren Beeinträchtigungen bereits mit umfasse. Auch die erektile Dysfunktion rechtfertigt, wie das SG zutreffend dargelegt hat, nicht die vom Kläger begehrte höhere Bewertung mit einem GdB von 30. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die entsprechenden Ausführungen des SG in der angefochtenen Entscheidung.
Soweit der Kläger im Berufungsverfahren die Höherbewertung der erektilen Dysfunktion mit seiner Herkunft aus dem arabischen Kulturkreis und den dort herrschenden patriarchalischen Machtstrukturen begründet hat, rechtfertigt auch dieser Gesichtspunkt keine höhere Bewertung. Denn die Bemessung des Ausmaßes der Beeinträchtigung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, wie er im festzusetzenden GdB zum Ausdruck kommt, orientiert sich an der Werteordnung der innerstaatlichen Gesellschaft, nicht jedoch an der Kultur und den im Herkunftsland des behinderten Menschen vorherrschenden Machtstrukturen.
Soweit der Kläger eine psychische Erkrankung geltend gemacht hat, die als Folge seiner Erektionsstörung aufgetreten sei, lässt sich auch hieraus die Schwerbehinderteneigenschaft nicht ableiten. Denn selbst wenn man im Hinblick auf die von dem Nervenfacharzt H. für den Behandlungszeitraum beschriebenen Symptome wie Nervosität, Konzentrationsstörungen, Vergesslichkeit, innere Unruhe und Schlafstörungen entsprechend seiner diagnostischen Einschätzung vom Vorliegen einer larvierten Depression und damit von einer dauerhaften psychischen Störung ausginge, rechtfertigte die daraus resultierende Funktionsbeeinträchtigung unter Zugrundelegung der AHP keinen höheren Teil-GdB als 20, zumal unter Behandlung mit Saroten eine Verbesserung erreicht werden konnte. Auswirkungen auf den Gesamt-GdB gingen von den daraus resultierenden Funktionsbeeinträchtigungen jedoch gleichwohl nicht aus. Denn bei der Bildung des Gesamt-GdB wären erhebliche Überschneidungen sowohl in Bezug auf die Wirbelsäulensymptomatik als auch bezüglich der erektilen Dysfunktion zu berücksichtigen, die im Rahmen einer Gesamtbewertung die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft nicht rechtfertigen würde. Hierauf hat Dr. G. in der von dem Beklagten vorgelegten versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 23. Januar 2007 zutreffend hingewiesen. Ein Gesamt-GdB von 50 könnte allenfalls beim Vorliegen von stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit erreicht werden, wie sie beim Kläger jedoch nicht dokumentiert sind.
Unter Berücksichtigung der Gesamtheit der Einschränkungen wird somit ein Gesamt-GdB von 50 und damit die Schwerbehinderteneigenschaft nicht erreicht. Soweit der behandelnde Nervenarzt H. von einer "MdE von etwa 60-70%" ausgegangen ist, ist diese Einschätzung nicht in Einklang zu bringen mit den in den AHP dargelegten Bewertungen. Nach alledem konnte die Berufung des Kläger keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für die Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung.
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