Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 9 AS 1003/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AS 2488/08 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerden der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 24. April 2008 abgeändert. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, den Antragstellern einstweilen für die Zeit vom 7. Juli 2008 bis zum Abschluss des Widerspruchs- und ggf. eines sich hieran anschließenden Klageverfahrens, längstens jedoch bis zum 31. Oktober 2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von achtzig vom Hundert der jeweiligen Regelleistung zu gewähren.
Im Übrigen werden die Beschwerden der Antragsteller zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin hat die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller in zweiter Instanz jeweils zu einem Viertel zu erstatten; im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Den Antragstellern wird für das Beschwerdeverfahren ab 7. Juli 2008 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsanordnung bewilligt und Rechtsanwalt B., Stuttgart beigeordnet.
Gründe:
Die unter Beachtung der Vorschriften der §§ 172, 173 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG - (in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des SGG und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 (BGBl. I S. 444)) eingelegten Beschwerden der Antragssteller sind zulässig. Dies gilt nicht nur für das Rechtsmittel des Antragstellers zu 1, sondern auch für das der Antragstellerin zu 2, die im Beschwerdeverfahren als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft ihre Beteiligung am Verfahren erklärt hat (vgl. hierzu Bundessozialgericht (BSG) SozR 4-4200 § 22 Nr. 1; vgl. auch den - ebenfalls zwischen den Beteiligten des vorliegenden Verfahrens ergangenen - Senatsbeschluss vom 29. Mai 2008 (L 7 AS 1656/08 ER-B -). Die Antragstellerin zu 2 ist durch den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn (SG) vom 24. April 2008 ebenfalls beschwert. Das SG hätte nach dem "Meistbegünstigungsprinzip" auch sie von Anfang an in das Verfahren mit einbeziehen müssen, denn die Antragstellerin zu 2 war in dem vom Antragsteller zu 1 zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle am 1. April 2008 sinngemäß stellvertretend auch für sie gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, zu dem zur Begründung auf das Antragsschreiben beider vom 16. März 2008 an die Antragsgegnerin verwiesen worden war (vgl. zur Auslegung des Rechtsschutzbegehrens und die Bevollmächtigung auch den Senatsbeschluss vom 29. Mai 2008 a.a.O.), mit gemeint. Die Beschwerden sind aus dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch begründet, im Übrigen jedoch nicht begründet. Nur im Umfang des Beschlussausspruchs liegen die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung vor.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.). Die Anträge nach § 86b Abs. 1 und 2 SGG sind bereits vor Klageerhebung zulässig (Abs. 4 a.a.O.).
Vorliegend kommt, da die Voraussetzungen des § 86b Abs. 1 SGG ersichtlich nicht gegeben sind und es auch nicht um die Sicherung eines bereits bestehenden Rechtszustandes geht (§ 86b Abs. 2 Satz 1 SGG), nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt zunächst die Statthaftigkeit und Zulässigkeit des Rechtsbehelfs voraus. Die Begründetheit des Antrags wiederum hängt von den Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) sowie der Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung aufgrund Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) ab (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - FEVS 57, 72 und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - FEVS 57, 164). Die Anordnungsvoraussetzungen sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. schon Beschluss vom 15. Juni 2005 - L 7 SO 1594/05 ER-B - (juris) unter Verweis auf die Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG); z.B. BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - NVwZ 2005, 927 = Breithaupt 2005, 803). Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind daher in Ansehung des sich aus Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) ergebenden Gebots der Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz sowie des grundrechtlich geschützten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz (vgl. Art. 19 Abs. 4 GG) u.U. nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen; ist im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange der Antragsteller vorzunehmen (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. etwa Beschlüsse vom 13. Oktober 2005 - L 7 SO 3804/05 ER-B - und vom 6. September 2007 - L 7 AS 4008/07 ER-B - (beide juris) im Anschluss an die Rechtsprechung des BVerfG; z.B. Kammerbeschluss vom 12. Mai 2005 - a.a.O.; zuletzt BVerfG, Kammerbeschluss vom 29. November 2007 - 1 BvR 2496/07 - NZS 2008, 365). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. August 2005 a.a.O. und vom 17. August 2005 a.a.O.).
Der Senat erachtet die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß dem Beschlusstenor erst für die Zeit ab dem 7. Juli 2008 als erfüllt. Eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Übernahme der Leistungen für Unterkunft und Heizung (§ 22 Abs. 1 und 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II)) - wie im Beschwerdeverfahren erstmals verlangt - kam allerdings von vornherein nicht in Betracht, weil die Stadt Heilbronn für die Bewilligung dieser Leistungen allein zuständig ist und insoweit in geteilter Trägerschaft entscheidet; eine Arbeitsgemeinschaft (§ 44b SGB II) ist im Stadtkreis Heilbronn nicht zustande gekommen. Der Senat hat davon abgesehen, die Stadt Heilbronn beizuladen (§ 75 SGG), weil nach Aktenlage deren die Leistungsaufhebung ab 1. Dezember 2007 regelnder Bescheid vom 27. November 2007 bestandskräftig (§ 77 SGG) geworden ist. Hinsichtlich der Kosten der Unterkunft und Heizung sind die Antragsteller sonach gehalten, sich unmittelbar an die Stadt Heilbronn als zuständigen kommunalen Träger zu wenden; hierauf sind diese im Übrigen bereits in der Senatsverfügung vom 26. Juni 2008 hingewiesen worden.
Soweit es die in die Zuständigkeit der Antragsgegnerin fallenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Form der Regelleistung (§ 20 SGB II) betrifft, erscheint hingegen der von den Antragstellern eingelegte Rechtsbehelf des Widerspruchs gegen die Bescheide vom 5. Juni 2008, welche entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nicht Gegenstand des Klageverfahrens beim SG (S 9 AS 164/08) geworden, jedoch als "Zweitbescheide" an die Stelle des Bescheids vom 2. April 2008 getreten sein dürften (vgl. zur Nichteinbeziehung von Folgescheiden BSG SozR 4-4200 § 20 Nr. 1 Rdnr. 30; BSG, Urteil vom 31. Oktober 2007 - B 14/11b AS 59/06 R - Rdnr. 13 (juris); zum Zweitbescheid vgl. Engelmann in von Wulffen, SGB X, § 31 Rdnr. 31), derzeit weder offensichtlich begründet noch offensichtlich unbegründet. In Anbetracht der Komplexität der Sach- und Rechtslage ist dem Senat eine abschließende Aufklärung des Sachverhalts sowie die hieran anschließende rechtliche Prüfung im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes indes nicht möglich. Wegen der Schwere der betroffenen Rechtsgüter ist deshalb im Rahmen der Prüfung des Anordnungsgrundes eine Güter- und Folgenabwägung vorzunehmen, die hier für die Zeit ab 7. Juli 2008 - dem Datum, zu dem die "eidesstattliche Versicherung" der Antragsteller vom 1. Juli 2008 nebst weiteren Kontoauszügen beim Landessozialgericht (LSG) eingegangen war - weitgehend zu Gunsten der Antragsteller ausfällt.
Der Anspruch der Antragsteller auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt weder eindeutig zu bejahen noch kann er bereits verneint werden, weil ihre Hilfebedürftigkeit, die nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II grundlegende Voraussetzung der Leistungsberechtigung von erwerbsfähigen Personen ist, noch nicht feststeht. Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht (1.) durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, (2.) aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält (§ 9 Abs. 1 SGB II). Vorliegend konnten die Antragsteller Zweifel an ihrer Hilfebedürftigkeit, für welche sie die objektive Feststellungs- und Beweislast tragen (vgl. Senatsbeschluss vom 16. Februar 2007 - L 7 AS 117/07 ER-B - Breithaupt 2007, 439; Senatsurteil vom 18. Oktober 2007 - L 7 SO 4334/06 - (juris) (beide m.w.N.)), nach wie vor nicht vollständig ausräumen (vgl. hierzu schon Senatsbeschluss vom 29. Mai 2008). Zwar haben sie in der "eidesstattlichen Versicherung" vom 1. Juli 2008 erklärt, sie hätten in der Zeit von Anfang April bis Mitte Juni 2008 von geliehenem Geld und von Essenspaketen von verschiedenen namentlich genannten Personen und Institutionen sowie von der in Ausführung des Senatsbeschlusses vom 29. Mai 2008 von der Antragsgegnerin geleisteten Nachzahlung von 1.736,80 Euro gelebt; sie haben dazu auch diverse Unterlagen sowie Erklärungen vorgelegt. Andererseits sind die Bewegungen auf dem Spar- und dem Girokonto des Sohnes der Antragsteller (Ein- und Auszahlungen in nicht unbeträchtlicher Höhe) nach wie vor aufklärungsdürftig. Hierzu haben die Antragsteller zwar das Schreiben des Antragstellers zu 1 vom 6. Februar 2008 an das SG (S 9 AS 164/08) eingereicht, in welchem dieser die Einrichtung der Konten und die Einzahlungen hierauf sowie die nur geringen Kontobewegungen auf seinem eigenen Konto zu erklären versucht hat, allerdings erscheinen zu dieser Darstellung weitere Beweiserhebungen (u.U. auch durch Zeugenvernehmungen) im Hauptsacheverfahren angezeigt. Insoweit wird den Antragstellern bereits an dieser Stelle nahegelegt, intensiv an der endgültigen Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken. In einem solchen Verfahren wird auch zu klären sein, ob und ggf. inwieweit die zwischenzeitlich erhaltenen Unterstützungsleistungen seitens der von den Antragstellern benannten Bekannten und der Caritas - möglicherweise auch von Verwandten in Tunesien sowie vom Sohn der Antragsteller - diesen anspruchsvernichtend entgegengehalten werden könnte; hierfür dürfte allerdings die Antragsgegnerin die objektive Beweislast tragen (vgl. BSG SozR 4-3500 § 41 Nr. 1 Rdnr. 31; ferner Senatsurteil vom 17. Juli 2008 - L 7 SO 5854/07 -).
Da sonach die Hilfebedürftigkeit der Antragsteller nicht vollständig geklärt ist, ist vorliegend eine Güter- und Folgenabwägung vorzunehmen. Abzuwägen sind insoweit die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Hauptsacherechtsbehelf aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Hauptsacherechtsbehelf dagegen erfolglos bliebe (vgl. Senatsbeschluss vom 6. September 2007 a.a.O.). Im Rahmen dieser Abwägung ist vorrangig zu berücksichtigen, dass mit der Regelleistung das grundrechtlich garantierte Existenzminimum sichergestellt werden soll und darüber hinaus durch den Leistungsbezug auch der Krankenversicherungsschutz hergestellt werden kann (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 2a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch); insoweit kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine Rechtsverletzung nur in Randbereichen drohen würde. Demgegenüber liefe der Nachteil der Antragsgegnerin im Falle einer Rückzahlungsverpflichtung der Antragsteller auf das mögliche Risiko der Uneinbringlichkeit der Forderung hinaus. Andererseits kann auch nicht übersehen werden, dass die Antragsteller bereits nach ihren eigenen Angaben ihren Bedarf jedenfalls vorübergehend und vorläufig über die oben genannten Unterstützungsleistungen von Bekannten und der Caritas decken konnten und auch ärztliche Hilfe zwischenzeitlich nicht in Anspruch genommen haben. In Abwägung der Interessen der Beteiligten erscheint es dem Senat deshalb angemessen, den Leistungsbeginn im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes auf den 7. Juli 2008, dem Tag des Eingangs der "eidesstattlichen Versicherung" der Antragsteller beim LSG, zu begrenzen, andererseits die jeweiligen Regelleistungen im Hinblick auf die noch nicht endgültig geklärte Sach- und Rechtslage auf 80 v. H. zu beschränken. Damit wird den Antragstellern - unter Verringerung der Belastung der Antragsgegnerin - jedenfalls das zum Lebensunterhalt Unerlässliche gewährt (vgl. hierzu auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. Mai 2005 a.a.O.). Im Rahmen des ihm zustehenden freien Ermessens (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 938 Abs. 1 ZPO) begrenzt der Senat ferner den Zeitraum der einstweiligen Anordnung auf die Zeit bis 31. Oktober 2008. Bis dahin dürfte den Beteiligten genügend Zeit verbleiben, ihre Standpunkte mit Blick auf zwischenzeitlich gewonnene Erkenntnisse zu überprüfen. Die Befristung berücksichtigt auch, dass die Leistungen regelmäßig zeitlich für nicht mehr als sechs Monate bewilligt werden sollen (vgl. § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG (vgl. BSG SozR 3-1500 § 1093 Nr. 6).
Die Gewährung von Prozesskostenhilfe ergibt sich aus § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 114, 115, 117, 121 Abs. 2 ZPO, wobei die Bewilligung erst ab 7. Juli 2008 auszusprechen war, weil die Antragsteller erst zu diesem Zeitpunkt ein ordnungsgemäß begründetes und vervollständigtes Gesuch vorgelegt haben.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Im Übrigen werden die Beschwerden der Antragsteller zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin hat die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller in zweiter Instanz jeweils zu einem Viertel zu erstatten; im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Den Antragstellern wird für das Beschwerdeverfahren ab 7. Juli 2008 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsanordnung bewilligt und Rechtsanwalt B., Stuttgart beigeordnet.
Gründe:
Die unter Beachtung der Vorschriften der §§ 172, 173 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG - (in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des SGG und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 (BGBl. I S. 444)) eingelegten Beschwerden der Antragssteller sind zulässig. Dies gilt nicht nur für das Rechtsmittel des Antragstellers zu 1, sondern auch für das der Antragstellerin zu 2, die im Beschwerdeverfahren als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft ihre Beteiligung am Verfahren erklärt hat (vgl. hierzu Bundessozialgericht (BSG) SozR 4-4200 § 22 Nr. 1; vgl. auch den - ebenfalls zwischen den Beteiligten des vorliegenden Verfahrens ergangenen - Senatsbeschluss vom 29. Mai 2008 (L 7 AS 1656/08 ER-B -). Die Antragstellerin zu 2 ist durch den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn (SG) vom 24. April 2008 ebenfalls beschwert. Das SG hätte nach dem "Meistbegünstigungsprinzip" auch sie von Anfang an in das Verfahren mit einbeziehen müssen, denn die Antragstellerin zu 2 war in dem vom Antragsteller zu 1 zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle am 1. April 2008 sinngemäß stellvertretend auch für sie gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, zu dem zur Begründung auf das Antragsschreiben beider vom 16. März 2008 an die Antragsgegnerin verwiesen worden war (vgl. zur Auslegung des Rechtsschutzbegehrens und die Bevollmächtigung auch den Senatsbeschluss vom 29. Mai 2008 a.a.O.), mit gemeint. Die Beschwerden sind aus dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch begründet, im Übrigen jedoch nicht begründet. Nur im Umfang des Beschlussausspruchs liegen die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung vor.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.). Die Anträge nach § 86b Abs. 1 und 2 SGG sind bereits vor Klageerhebung zulässig (Abs. 4 a.a.O.).
Vorliegend kommt, da die Voraussetzungen des § 86b Abs. 1 SGG ersichtlich nicht gegeben sind und es auch nicht um die Sicherung eines bereits bestehenden Rechtszustandes geht (§ 86b Abs. 2 Satz 1 SGG), nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt zunächst die Statthaftigkeit und Zulässigkeit des Rechtsbehelfs voraus. Die Begründetheit des Antrags wiederum hängt von den Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) sowie der Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung aufgrund Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) ab (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - FEVS 57, 72 und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - FEVS 57, 164). Die Anordnungsvoraussetzungen sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. schon Beschluss vom 15. Juni 2005 - L 7 SO 1594/05 ER-B - (juris) unter Verweis auf die Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG); z.B. BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - NVwZ 2005, 927 = Breithaupt 2005, 803). Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind daher in Ansehung des sich aus Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) ergebenden Gebots der Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz sowie des grundrechtlich geschützten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz (vgl. Art. 19 Abs. 4 GG) u.U. nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen; ist im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange der Antragsteller vorzunehmen (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. etwa Beschlüsse vom 13. Oktober 2005 - L 7 SO 3804/05 ER-B - und vom 6. September 2007 - L 7 AS 4008/07 ER-B - (beide juris) im Anschluss an die Rechtsprechung des BVerfG; z.B. Kammerbeschluss vom 12. Mai 2005 - a.a.O.; zuletzt BVerfG, Kammerbeschluss vom 29. November 2007 - 1 BvR 2496/07 - NZS 2008, 365). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. August 2005 a.a.O. und vom 17. August 2005 a.a.O.).
Der Senat erachtet die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß dem Beschlusstenor erst für die Zeit ab dem 7. Juli 2008 als erfüllt. Eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Übernahme der Leistungen für Unterkunft und Heizung (§ 22 Abs. 1 und 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II)) - wie im Beschwerdeverfahren erstmals verlangt - kam allerdings von vornherein nicht in Betracht, weil die Stadt Heilbronn für die Bewilligung dieser Leistungen allein zuständig ist und insoweit in geteilter Trägerschaft entscheidet; eine Arbeitsgemeinschaft (§ 44b SGB II) ist im Stadtkreis Heilbronn nicht zustande gekommen. Der Senat hat davon abgesehen, die Stadt Heilbronn beizuladen (§ 75 SGG), weil nach Aktenlage deren die Leistungsaufhebung ab 1. Dezember 2007 regelnder Bescheid vom 27. November 2007 bestandskräftig (§ 77 SGG) geworden ist. Hinsichtlich der Kosten der Unterkunft und Heizung sind die Antragsteller sonach gehalten, sich unmittelbar an die Stadt Heilbronn als zuständigen kommunalen Träger zu wenden; hierauf sind diese im Übrigen bereits in der Senatsverfügung vom 26. Juni 2008 hingewiesen worden.
Soweit es die in die Zuständigkeit der Antragsgegnerin fallenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Form der Regelleistung (§ 20 SGB II) betrifft, erscheint hingegen der von den Antragstellern eingelegte Rechtsbehelf des Widerspruchs gegen die Bescheide vom 5. Juni 2008, welche entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nicht Gegenstand des Klageverfahrens beim SG (S 9 AS 164/08) geworden, jedoch als "Zweitbescheide" an die Stelle des Bescheids vom 2. April 2008 getreten sein dürften (vgl. zur Nichteinbeziehung von Folgescheiden BSG SozR 4-4200 § 20 Nr. 1 Rdnr. 30; BSG, Urteil vom 31. Oktober 2007 - B 14/11b AS 59/06 R - Rdnr. 13 (juris); zum Zweitbescheid vgl. Engelmann in von Wulffen, SGB X, § 31 Rdnr. 31), derzeit weder offensichtlich begründet noch offensichtlich unbegründet. In Anbetracht der Komplexität der Sach- und Rechtslage ist dem Senat eine abschließende Aufklärung des Sachverhalts sowie die hieran anschließende rechtliche Prüfung im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes indes nicht möglich. Wegen der Schwere der betroffenen Rechtsgüter ist deshalb im Rahmen der Prüfung des Anordnungsgrundes eine Güter- und Folgenabwägung vorzunehmen, die hier für die Zeit ab 7. Juli 2008 - dem Datum, zu dem die "eidesstattliche Versicherung" der Antragsteller vom 1. Juli 2008 nebst weiteren Kontoauszügen beim Landessozialgericht (LSG) eingegangen war - weitgehend zu Gunsten der Antragsteller ausfällt.
Der Anspruch der Antragsteller auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt weder eindeutig zu bejahen noch kann er bereits verneint werden, weil ihre Hilfebedürftigkeit, die nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II grundlegende Voraussetzung der Leistungsberechtigung von erwerbsfähigen Personen ist, noch nicht feststeht. Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht (1.) durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, (2.) aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält (§ 9 Abs. 1 SGB II). Vorliegend konnten die Antragsteller Zweifel an ihrer Hilfebedürftigkeit, für welche sie die objektive Feststellungs- und Beweislast tragen (vgl. Senatsbeschluss vom 16. Februar 2007 - L 7 AS 117/07 ER-B - Breithaupt 2007, 439; Senatsurteil vom 18. Oktober 2007 - L 7 SO 4334/06 - (juris) (beide m.w.N.)), nach wie vor nicht vollständig ausräumen (vgl. hierzu schon Senatsbeschluss vom 29. Mai 2008). Zwar haben sie in der "eidesstattlichen Versicherung" vom 1. Juli 2008 erklärt, sie hätten in der Zeit von Anfang April bis Mitte Juni 2008 von geliehenem Geld und von Essenspaketen von verschiedenen namentlich genannten Personen und Institutionen sowie von der in Ausführung des Senatsbeschlusses vom 29. Mai 2008 von der Antragsgegnerin geleisteten Nachzahlung von 1.736,80 Euro gelebt; sie haben dazu auch diverse Unterlagen sowie Erklärungen vorgelegt. Andererseits sind die Bewegungen auf dem Spar- und dem Girokonto des Sohnes der Antragsteller (Ein- und Auszahlungen in nicht unbeträchtlicher Höhe) nach wie vor aufklärungsdürftig. Hierzu haben die Antragsteller zwar das Schreiben des Antragstellers zu 1 vom 6. Februar 2008 an das SG (S 9 AS 164/08) eingereicht, in welchem dieser die Einrichtung der Konten und die Einzahlungen hierauf sowie die nur geringen Kontobewegungen auf seinem eigenen Konto zu erklären versucht hat, allerdings erscheinen zu dieser Darstellung weitere Beweiserhebungen (u.U. auch durch Zeugenvernehmungen) im Hauptsacheverfahren angezeigt. Insoweit wird den Antragstellern bereits an dieser Stelle nahegelegt, intensiv an der endgültigen Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken. In einem solchen Verfahren wird auch zu klären sein, ob und ggf. inwieweit die zwischenzeitlich erhaltenen Unterstützungsleistungen seitens der von den Antragstellern benannten Bekannten und der Caritas - möglicherweise auch von Verwandten in Tunesien sowie vom Sohn der Antragsteller - diesen anspruchsvernichtend entgegengehalten werden könnte; hierfür dürfte allerdings die Antragsgegnerin die objektive Beweislast tragen (vgl. BSG SozR 4-3500 § 41 Nr. 1 Rdnr. 31; ferner Senatsurteil vom 17. Juli 2008 - L 7 SO 5854/07 -).
Da sonach die Hilfebedürftigkeit der Antragsteller nicht vollständig geklärt ist, ist vorliegend eine Güter- und Folgenabwägung vorzunehmen. Abzuwägen sind insoweit die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Hauptsacherechtsbehelf aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Hauptsacherechtsbehelf dagegen erfolglos bliebe (vgl. Senatsbeschluss vom 6. September 2007 a.a.O.). Im Rahmen dieser Abwägung ist vorrangig zu berücksichtigen, dass mit der Regelleistung das grundrechtlich garantierte Existenzminimum sichergestellt werden soll und darüber hinaus durch den Leistungsbezug auch der Krankenversicherungsschutz hergestellt werden kann (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 2a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch); insoweit kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine Rechtsverletzung nur in Randbereichen drohen würde. Demgegenüber liefe der Nachteil der Antragsgegnerin im Falle einer Rückzahlungsverpflichtung der Antragsteller auf das mögliche Risiko der Uneinbringlichkeit der Forderung hinaus. Andererseits kann auch nicht übersehen werden, dass die Antragsteller bereits nach ihren eigenen Angaben ihren Bedarf jedenfalls vorübergehend und vorläufig über die oben genannten Unterstützungsleistungen von Bekannten und der Caritas decken konnten und auch ärztliche Hilfe zwischenzeitlich nicht in Anspruch genommen haben. In Abwägung der Interessen der Beteiligten erscheint es dem Senat deshalb angemessen, den Leistungsbeginn im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes auf den 7. Juli 2008, dem Tag des Eingangs der "eidesstattlichen Versicherung" der Antragsteller beim LSG, zu begrenzen, andererseits die jeweiligen Regelleistungen im Hinblick auf die noch nicht endgültig geklärte Sach- und Rechtslage auf 80 v. H. zu beschränken. Damit wird den Antragstellern - unter Verringerung der Belastung der Antragsgegnerin - jedenfalls das zum Lebensunterhalt Unerlässliche gewährt (vgl. hierzu auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. Mai 2005 a.a.O.). Im Rahmen des ihm zustehenden freien Ermessens (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 938 Abs. 1 ZPO) begrenzt der Senat ferner den Zeitraum der einstweiligen Anordnung auf die Zeit bis 31. Oktober 2008. Bis dahin dürfte den Beteiligten genügend Zeit verbleiben, ihre Standpunkte mit Blick auf zwischenzeitlich gewonnene Erkenntnisse zu überprüfen. Die Befristung berücksichtigt auch, dass die Leistungen regelmäßig zeitlich für nicht mehr als sechs Monate bewilligt werden sollen (vgl. § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG (vgl. BSG SozR 3-1500 § 1093 Nr. 6).
Die Gewährung von Prozesskostenhilfe ergibt sich aus § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 114, 115, 117, 121 Abs. 2 ZPO, wobei die Bewilligung erst ab 7. Juli 2008 auszusprechen war, weil die Antragsteller erst zu diesem Zeitpunkt ein ordnungsgemäß begründetes und vervollständigtes Gesuch vorgelegt haben.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
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