L 7 AY 3624/08 ER

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 7 AY 2073/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AY 3624/08 ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag des Antragsgegners, die Vollsteckung aus dem Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 23. Juni 2008 - S 7 AY 2073/08 ER - durch einstweilige Anordnung auszusetzen, wird abgelehnt.

Der Antragsgegner hat der Antragstellerin die außergerichtlichen Kosten des Aussetzungsverfahren zu erstatten.

Gründe:

Der mit Schriftsatz vom 28. Juli 2008 (Eingang beim Landessozialgericht (LSG) am 31. Juli 2008) gestellte Antrag auf Aussetzung des Vollzugs des (mit demselben Schriftsatz) mit der Beschwerde angefochtenen Beschlusses des Sozialgerichts Reutlingen (SG) vom 23. Juni 2008 (S 7 AY 2073/08 ER) ist sinngemäß als Antrag nach § 199 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) auszulegen. Nach der genannten Bestimmung kann, wenn ein Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung hat, der Vorsitzende des Gerichts, das über das Rechtsmittel zu entscheiden hat, die Vollstreckung durch einstweilige Anordnung aussetzen. Vollstreckt wird aus einstweiligen Anordnungen (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 SGG).

Die gegen den oben bezeichneten Beschluss des SG vom 23. Juni 2008 eingelegte Beschwerde des Antragsgegners zum LSG (L 7 AY 3596/08 ER-B) hat keine aufschiebende Wirkung; keiner der in § 175 SGG abschließend aufgezählten Gründe liegt hier vor. Der Aussetzungsantrag ist sonach gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 SGG statthaft und zulässig (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. zuletzt Beschluss vom 24. Juni 2008 - L 7 AS 2955/08 ER -; Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 8. Auflage, § 175 Rdnr. 3). Der Antrag ist jedoch nicht begründet.

Zur Entscheidung über die Aussetzung der Vollstreckung bedarf es einer Interessen- und Folgenabwägung, bei der einerseits das Interesse an der Vollziehung, andererseits das Interesse des Schuldners daran, dass nicht vor endgültiger Klarstellung der Rechtslage geleistet wird, gegeneinander abzuwägen sind (vgl. Senatsbeschluss vom 24. Juni 2008 - a.a.O.; Leitherer in Meyer-Ladewig, a.a.O., § 199 Rdnr. 8; Ruppelt in Hennig u.a., SGG, § 199 Rdnr. 20). Die Beteiligten haben die für ihre Interessen bedeutsamen Tatsachen, soweit nicht den Akten entnehmbar, mitzuteilen und glaubhaft zu machen (vgl. Bundessozialgericht (BSG) SozR 3-1500 § 199 Nr. 1; BSG, Beschluss vom 5. September 2001 - B 3 KR 47/01 R - (juris)). Selbst wenn im Rahmen der Interessenabwägung auch die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels ausnahmsweise eine Rolle spielen können (vgl. BSG, Beschluss vom 5. September 2001 - a.a.O.; a.A. BSG SozR 3-1500 § 199 Nr. 1), sind indessen in existenzsichernden Eilverfahren - namentlich in Angelegenheiten nach dem Zweiten und dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch sowie dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) - Besonderheiten zu beachten. Hier hat sich der Vorsitzende im Rahmen der Entscheidung nach § 199 Abs. 2 SGG - gerade mit Blick auf die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur Grundrechtsrelevanz besonders schwerer Beeinträchtigungen (vgl. z.B. BVerfG NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927; NZS 2008, 365) - wesentlich und maßgeblich an den Folgen für die Hilfesuchenden zu orientieren (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. zuletzt Beschluss vom 24. Juni 2008 a.a.O.). Im Streit über existenzsichernde Leistungen ist deshalb regelmäßig davon auszugehen, dass die Nachteile, die dem Antragsteller bei Versagung der erstinstanzlich zugesprochenen existenzsichernden Leistungen entstünden, die Nachteile überwiegen, die einem Leistungsträger durch die vorläufige Gewährung von Leistungen entstehen (vgl. Senatsbeschluss vom 24. Juni 2008 a.a.O.; so auch Bayerisches LSG Breithaupt 2006, 418).

Das ist auch hier der Fall. Durch den vollständigen Entzug der das absolute Existenzminimum darstellenden Leistungen nach dem AsylbLG stehen gravierende Rechtsbeeinträchtigungen der Antragstellerin im Raume. Diese Nachteile überwiegen eindeutig die Nachteile, welche dem Antragsgegner dadurch entstünden, dass die Antragstellerin einer etwaigen späteren Rückzahlungsverpflichtung nicht nachkommen könnte. Dessen ungeachtet sei die Antragsgegnerin darauf hingewiesen, dass das SG der Ungewissheit der Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs im Beschluss vom 23. Juni 2008 insoweit Rechnung getragen hat, als es den Zeitraum der einstweiligen Anordnung auf die Zeit bis längstens den 10. November 2008 begrenzt hat, um der Antragstellerin Gelegenheit zu geben, sich bis dahin intensiv um die monetäre Verwertung des Grundstücks in Bosnien zu bemühen und diese Bemühungen zu dokumentieren. Eine Anordnung der Vollstreckung nur gegen Sicherheitsleistung (vgl. § 199 Abs. 2 Satz 2 SGG) ist deshalb vorliegend nicht angezeigt.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. Da es sich bei dem Verfahren nach § 199 Abs. 2 SGG um ein selbständiges Verfahren handelt (vgl. BSG SozR 3-1500 § 199 Nr. 1), war über die Kosten dieses Verfahrens gesondert zu entscheiden.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar; er kann jederzeit aufgehoben werden (§ 199 Abs. 2 Satz 3 SGG).
Rechtskraft
Aus
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