L 6 V 6024/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 1 V 1970/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 V 6024/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 13. November 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob beim Kläger weitere Schädigungsfolgen festzustellen sind und ihm deshalb Beschädigtenrente nach einem Grad der Schädigungsfolgen (GdS - vgl. § 30 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des BVG und anderer Vorschriften des Sozialen Entschädigungsrechts vom 13. Dezember 2007, BGBl. I, S. 2904, 2909; bis 20. Dezember 2007 Minderung der Erwerbsfähigkeit [MdE]) von 50 zu gewähren ist.

Der am 3. Dezember 1923 geborene Kläger bezieht wegen der Folgen einer im August 1944 erlittenen Verwundung seit August 1947 Beschädigtenversorgung. Als Schädigungsfolgen im Sinne der Hervorrufung durch schädigende Einwirkungen gemäß § 1 BVG wurden mit Umanerkennungsbescheid des Versorgungsamts Verden vom 19. Oktober 1951 mit einer MdE um 30 vom Hundert (v.H.) ab 1. Oktober 1950 anerkannt:

"Praktische Erblindung des linken Auges. Granatstecksplitter am linken Oberarm ohne wesentliche Gebrauchsbehinderung".

Im August 1961 machte der Kläger geltend, weitere Splitter in der linken und rechten Wange sowie in der Schulter zu haben. Nach versorgungsärztlicher Untersuchung anerkannte das zwischenzeitlich zuständig gewordene Versorgungsamt Ravensburg (VA) mit Bescheid vom 2. Mai 1962 im Sinne der Hervorrufung durch schädigende Einwirkungen gemäß § 1 BVG als weitere Schädigungsfolgen:

"Zahlreiche kleine Metallsplitter (Drähte) im Bereich des Gesichtsschädels mit reizlosen Narben an der linken Kinnseite, am linken Mundwinkel und an der rechten Augenbraue; drei kleine reizlos eingeheilte Splitter in der linken Schulter, reizlose Narben am rechten Zeige- und Mittelfinger".

Die MdE wurde weiterhin mit 30 v.H. beurteilt. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Widerspruch und machte geltend, die MdE sei mit mehr als 30 v.H. zu bemessen. Er legte ausführlich seine Beschwerden dar und bat um Prüfung eines Zusammenhangs mit seiner Verwundung. Mit Widerspruchsbescheid vom 26. November 1962 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. In dem sich anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Ulm (S 10 V 46/63) machte der Kläger die Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen (Kopfschmerzen, Schmerzen von der linken Schulter bis zum Hals, Beschwerden im linken Arm, Schwäche des rechten Auges, Magenbeschwerden als Folge des Schmerzmittelgebrauchs wegen der Kopfschmerzen) geltend und begehrte die Gewährung von Beschädigtenrente nach einer höheren MdE. Diese Klage war insoweit erfolgreich, als der Beklagte verpflichtet wurde, die Beschädigtenrente wegen der mit Bescheid vom 2. Mai 1962 neu anerkannten Splitter mit einer MdE um 40 v.H. zu bewerten. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen, da die vom verletzten Auge ausgehenden Schmerzen bei der Bewertung der MdE mit 30 v.H. bereits berücksichtigt seien, die Sehstörungen am rechten Auge mit der Verletzung des linken Auges nicht zusammenhingen und die Schulterbeschwerden als solche schon in der Anerkennung der Narben und der seelischen Begleiterscheinungen enthalten seien. Mit Ausführungsbescheid vom 22. März 1965 gewährte das VA dann Beschädigtenrente nach einer MdE um 40 v.H. ab 1. August 1961.

Am 18. Juni 2003 beantragte der Kläger die Neufeststellung seiner Beschädigtenrente. Zur Begründung trug er vor, es sei ihm erst jetzt der Gedanke gekommen, dass seine Gleichgewichtsstörungen mit seiner im Krieg erlittenen Augenverletzung zu tun haben könnten. Möglicherweise sei durch die schwere Augenverletzung, bei der ein Splitter eingedrungen sei, ein Teil seines Gehirns in Mitleidenschaft gezogen worden und hierdurch die Gleichgewichtsstörungen ausgelöst worden, die sich im Laufe der Jahre und durch die schweren Operationen im April 1990 verstärkt hätten. Nach diesen Operationen sei er von den behandelnden Ärzten im Kreiskrankenhaus Sigmaringen danach befragt worden, ob er auch zuvor Gleichgewichtsstörungen bemerkt habe. Dies habe er zwar immer wieder verneint, wenn er jedoch zurückblicke, so müsse er feststellen, dass ihm aufgefallen sei, dass er nach dem Krieg beispielsweise nicht mehr an einem Abhang habe stehen oder auf schmalem Grat bzw. über einen schmalen Steg habe gehen können, was ihm während seiner Soldatenzeit bis zur Verwundung ohne Schwierigkeiten möglich gewesen sei. Immerhin sei er U-Boot-tauglich gewesen und habe vor Übernahme zur Kriegsmarine u.a. auch eine sportliche Prüfung ablegen müssen. Vermutlich hätten sich die gravierenden Gleichgewichtsstörungen im Laufe der Jahre verschlimmert, könnten aber auch durch die Operation ausgelöst worden sein. In den letzten Jahren vor den Operationen sei er auch auf dem Fahrrad unsicherer geworden. All diese Feststellungen kämen ihm jetzt erst zum Bewusstsein, weil er sich darüber bisher keine großen Gedanken gemacht habe. Es handele sich um seine Vermutungen, die nur ärztlicherseits beurteilt werden könnten. Das VA veranlasste die versorgungsärztliche Stellungnahme der Medizinaldirektorin Köpf vom 11. August 2003, die darauf hinwies, dass der Kläger im Krieg keine Hirnverletzung erlitten habe. Die Splitter befänden sich im Gesichtsschädel. Die Schädigungsfolgen seien nicht geeignet, zu Gleichgewichtsstörungen zu führen. Soweit kernspintomographisch Hirnveränderungen ausgewiesen worden seien, seien diese nicht schädigungsbedingt. Offenbar sei die Hirnschädigung im Jahr 1993 in Verbindung mit lebensbedrohlichen Komplikationen einer gastrointestinalen Blutung aufgetreten, wie sich der Schwerbehindertenakte entnehmen lasse. Hierbei handele es sich um einen versorgungsfremden Nachschaden. Bei den anerkannten Schädigungsfolgen sei mit einer wesentlichen Verschlimmerung nicht zu rechnen. Mit Bescheid vom 22. August 2003 lehnte das VA den Neufeststellungsantrag des Klägers gestützt auf diese Stellungnahme ab. Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger u.a. geltend, die versorgungsärztliche Stellungnahme der Medizinaldirektorin Köpf berücksichtige nur die Splitter im Bereich des Gesichtsschädels, nicht jedoch die praktische Erblindung des linken Auges, die durch einen zwei Zentimeter langen Splitter entstanden sei, der den Augapfel durchdrungen habe. Es könne doch sein, dass dieser Splitter, der operativ mit einem Magneten herrausgeholt worden sei und die Form eines Drahtes gehabt habe, schräg nach oben in den Augapfel eingedrungen sei und das Gehirn in Mitleidenschaft gezogen habe. Nur so könne er sich das vorstellen. Diese Annahme sei mit der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 11. August 2003 nicht widerlegt. Das VA holte die versorgungsärztliche Stellungnahme des Obermedizinalrates Nörenberg vom 4. Dezember 2003 ein, der darlegte, weder in den Originalkrankenblättern noch in den nachfolgenden Untersuchungsgutachten sei von einer Hirnschädigung ausgegangen worden. Demgegenüber belegten die Schwerbehindertenakten, dass insoweit ein schädigungsun-abhängiger Nachschaden vorliege. Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Dezember 2003 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Die dagegen beim Sozialgericht Konstanz (SG) erhobene Klage (S 1 V 54/04) wurde mit Urteil vom 28. Februar 2005 im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, ein Hirnschaden, der Gleichgewichtsstörungen verursachen könne, sei nicht erwiesen. Die dagegen beim Landessozialgericht (LSG) eingelegte Berufung (L 6 V 1294/05) wurde mit Beschluss vom 16. März 2006 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, für eine Verletzung im Bereich des Hirns oder der Hirnnerven durch den in das linke Auge eingedrungenen Metalldraht hätten sich weder bei den früher durchgeführten Untersuchungen Anhaltspunkte ergeben, noch bei späteren Untersuchungen des Kopfraums. Demgegenüber könne aus dem Ergebnis der am 23. April 1996 durchgeführten MRT-Untersuchung geschlossen werden, dass gerade nicht die kriegsbedingte Verletzung Ursache der Beschwerden sei. Denn die seinerzeit objektivierten Veränderungen seien entweder anlagebedingt oder durch die Komplikationen im Rahmen der 1993 durchgeführten Operation entstanden; sie seien jedoch nicht traumatischer Genese. Die dagegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde (B 9a V 10/06 B) verwarf das Bundessozialgericht (BSG) mit Beschluss vom 14. Juli 2006 als unzulässig.

Am 5. Oktober 2006 beantragte der Kläger erneut höhere Versorgungsleistungen und machte geltend, das SG, das LSG sowie das BSG hätten ihre Entscheidung auf fehlerhafte medizinische Begutachtungen gestützt und somit Unrecht gesprochen. Bei seiner schweren Augenverletzung, bei der der Augapfel durch einen zweieinhalb Zentimeter langen Splitter durchdrungen worden sei, sei ein Hirnschaden verursacht und damit seine Gleichgewichtsstörungen ausgelöst worden. Mit Bescheid vom 31. Januar 2007 lehnte es das zwischenzeitlich zuständig gewordene Landratsamt Sigmaringen (LRA) ab, den Bescheid vom 22. August 2003 gemäß § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) aufzuheben, da der Kläger keine neuen Gesichtspunkte oder rechtserhebliche Tatsachen vorgebracht habe, die nicht schon bei Erteilung des Bescheides bekannt gewesen seien. Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend, weder die Medizinaldirektorin Köpf bzw. Obermedizinalrat Nörenberg noch sein Hausarzt Dr. Maier, der sich unter dem 18. März 2004 in dem Rechtsstreit S 1 V 54/04 gegenüber dem SG geäußert hatte, seien auf die hier relevante schwere Augenverletzung eingegangen, auf die es allein ankomme und die vermutlich durch eine Hirnbeschädigung die Gleichgewichtsstörungen ausgelöst habe. Dass ein Operationszwischenfall im Jahr 1993 für die Hirnschädigung verantwortlich sein soll, habe Dr. Maier lediglich mit "wahrscheinlich" beantwortet. Demgegenüber habe er, der Kläger jedoch bereits 29 Jahre vor diesem Zwischenfall auf eine eventuelle Hirnschädigung aufmerksam gemacht. Zu Unrecht habe das VA die Regelung des § 1 Abs. 3 BVG, wonach für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs genüge, nicht angewandt. Auch Prof. Dr. Birbaumer, an den er sich mit der vorgelegten E-Mail gewandt habe, habe seine Ansicht bestätigt. Danach sei es denkbar, dass auch bei der Entfernung des Metalldrahtes mit dem Magneten Hirnläsionen im vorderen frontalen Hirnteil aufgetreten seien. Das LRA holte die versorgungsärztliche Stellungnahme der Obermedizinalrätin Dr. Schröder vom 31. Mai 2007 ein, die keine neuen Gesichtspunkte für eine andere Beurteilung sah. Eine Hirnschädigung durch den aus dem linken Augapfel entfernten Metalldraht sei nicht nachgewiesen und hinsichtlich des Ausgangsbefundes auch nicht wahrscheinlich. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 18. Juni 2007 zurückgewiesen.

Dagegen erhob der Kläger am 16. Juli 2007 beim SG Klage und machte geltend, das LRA habe sein Vorbringen nicht widerlegen können. Er legte ausführlich dar, dass er ins Feldlazarett der Wehrmacht im Immaculata in Paderborn operiert worden sei, entsprechende Krankenakten jedoch nicht mehr vorhanden seien. Angesichts dessen sei auch unverständlich, wie die Obermedizinalrätin Dr. Schröder davon ausgehen könne, dass vor der Erstbehandlung des linken Auges bereits äußerlich eine Vorwölbung der Augapfelbindehaut vorgelegen habe und anzunehmen sei, dass es sich um einen unter der Bindehaut liegenden Splitter handele. Völlig unberücksichtigt geblieben sei im Übrigen die Stellungnahme des Prof. Dr. Birbaumer. Solange das LRA nicht in der Lage sei, das Gegenteil zu beweisen, sei seine Vermutung, dass die Gleichgewichtsstörungen und ein eventueller Hirnschaden durch seine Kriegsverletzung entstanden seien, glaubhaft gemacht. Der Beklagte trat der Klage unter Vorlage seiner Verwaltungsakten und unter Aufrechterhaltung seines bisherigen Standpunktes entgegen. Mit Gerichtsbescheid vom 13. November 2007 wies das SG die Klage mit der Begründung ab, es sei nicht erwiesen, dass im Zusammenhang mit der Verletzung des linken Auges auch eine Verletzung im Hirn oder im Bereich der Hirnnerven eingetreten sei, auf die die geklagten Schwindelbeschwerden bzw. Gleichgewichtsstörungen zurückgeführt werden könnten. Neue Gesichtspunkte habe der Kläger im Übrigen nicht aufgezeigt. Wegen der weiteren Begründung wird auf den Inhalt des dem Kläger am 19. November 2007 zugestellten Gerichtsbescheids verwiesen.

Dagegen hat der Kläger am 19. Dezember 2007 beim LSG Berufung eingelegt und geltend gemacht, entgegen der Auffassung des SG habe er neue Gesichtspunkte vorgebracht. Er sei nach wie vor der Meinung, dass seine Angaben gewissenhaft vorgetragen worden seien, das Recht jedoch unrichtig angewandt worden sei. Entgegen der Auffassung des Beklagten könnten die versorgungsärztlichen Stellungnahmen nicht nachvollzogen werden. Zudem sei ihm seit Antragstellung im Jahr 2003 die Krankengeschichte aus der Krankenakte des Reservelazaretts Paderborn vorenthalten worden. Mit der Formulierung "endgültige Krankheitsbezeichnung: durchbohrende Verletzung des linken Auges infolge Fliegerangriffs" bestätige diese Krankenakte aber seine bisherigen Vermutungen. Unzutreffend sei im Übrigen, dass er in der Zeit zwischen 1944 und 1995 nicht über Gleichgewichtsstörungen bzw. Schwindelerscheinungen geklagt habe. Dies werde bestätigt durch die in Kopie vorgelegten Abschriften von Arztbriefen des Praktischen Arztes Dr. Icken vom 17. und 18. Januar 1952.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 13. November 2007 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 31. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Juni 2007 sowie des Bescheids vom 22. August 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Dezember 2003 zu verurteilen, als weitere Schädigungsfolgen Schwindel und Gleichgewichtsstörungen anzuerkennen und ab 1. Juni 2003 Beschädigtenrente nach einer MdE um 50 v.H. zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für richtig und vertritt insbesondere die Auffassung, dass der Kläger mit seinem Vorbringen keine neuen Tatsachen oder Gesichtspunkte geltend gemacht habe. Im Übrigen bestätigten die vom Kläger vorgelegten Berichte des Dr. Icken die Annahme, dass es sich bei den Schwindelbeschwerden bzw. Gleichgewichtsstörungen um eine anlagebedingte Erkrankung handele.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten des Beklagten, der Akten beider Rechtszüge sowie der beigezogenen Akten des Verfahrens S 1 V 54/04 sowie L 6 V 1294/05 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid des Beklagten vom 31. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Juni 2007 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte es abgelehnt hat, den Bescheid vom 22. August 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Dezember 2003 aufzuheben und unter Anerkennung von Schwindel bzw. Gleichgewichtsstörungen als weitere Schädigungsfolge Beschädigtenrente nach einer MdE um 50 v.H. zu gewähren.

Anspruchsgrundlage für die vom Kläger geltend gemachte Aufhebung des Bescheids vom 22. August 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Dezember 2003 ist § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei dessen Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Denn der Beklagte hat bei Erlass des Bescheids vom 22. August 2003 das Recht weder unrichtig angewandt, noch ist er von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich nunmehr als unrichtig erweist. Die Richtigkeit der damaligen Entscheidung wurde nicht nur durch das Urteil des SG vom 28. Februar 2005 bestätigt, sondern auch durch den Beschluss des LSG vom 16. März 2006, das sich noch einmal eingehend mit dem Vorbringen des Klägers und dem von ihm hergestellten Zusammenhang zwischen der Verletzung des linken Auges und den Schwindelerscheinungen befasst hat. Neue Gesichtspunkte hat der Kläger auch in dem nunmehr anhängigen Verfahren nicht vorgebracht. Er ist vielmehr - wie schon zuvor - weiterhin der Auffassung, dass die Möglichkeit besteht, dass im Zusammenhang mit der Verletzung des linken Auges eine Hirnschädigung eingetreten ist, die in der Folgezeit die aufgetretenen Gleichgewichtsstörungen verursacht hat. Auch ist er weiterhin der Ansicht, dass in den vom Beklagten eingeholten versorgungsärztlichen Stellungnahmen der Sachverhalt nicht zutreffend gewürdigt sei und die von ihm vorgebrachten Gesichtspunkte nicht hinreichend Beachtung gefunden hätten. Insoweit sei insbesondere die vorgelegte E-Mail des Prof. Dr. Birbaumer von Bedeutung, nach der es denkbar sei, dass bei der Entfernung der in das linke Auge eingedrungenen Splitter mit einem Magneten Hirnläsionen im vorderen, frontalen Hirnteil aufgetreten seien, die Gleichgewichts- und Gravitationsstörungen verursachen könnten.

Dieses Vorbringens des Klägers nimmt der Senat zum Anlass, nochmals ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass allein die Möglichkeit eines Zusammenhangs zwischen der Verletzung des linken Auges und den Gleichgewichtsstörungen - den auch der Kläger, wie er stets ausdrücklich betont hat, lediglich vermutet - nicht ausreicht, die in Rede stehenden Gesundheitsstörungen (Gleichgewichtsstörungen, Schwindelerscheinungen) als Schädigungsfolgen anzuerkennen und bei der Bemessung der MdE zu berücksichtigen. Gemäß § 1 Abs. 1 BVG erhält zwar derjenige, der u.a. durch eine militärische Dienstverrichtung eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen dieser Schädigung Versorgung, jedoch setzt dies voraus, dass sowohl das schädigende Ereignis als auch die dadurch eingetretene gesundheitliche Schädigung und die darauf beruhende Gesundheitsstörung (Schädigungsfolgen) erwiesen sind. Gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 BVG ist lediglich für die Frage des ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem schädigenden Ereignis und der gesundheitlichen Schädigung einerseits und den darauf beruhenden Gesundheitsstörungen andererseits die Wahrscheinlichkeit ausreichend, aber auch erforderlich. Der ursächliche Zusammenhang ist vor allem nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Wahrscheinlich ist diejenige Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt, d.h. dass unter Berücksichtigung der herrschenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen den behaupteten ursächlichen Zusammenhang spricht. Ist ein Sachverhalt nicht beweisbar oder ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich zu machen, so hat nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) der Beteiligte die Folgen zu tragen, der aus dem nicht festgestellten Sachverhalt bzw. dem nicht wahrscheinlich gemachten Zusammenhang Rechte für sich herleitet.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist aber gerade nicht hinreichend wahrscheinlich, dass die beim Kläger aufgetretenen Gleichgewichtsstörungen auf die Verwundung im Jahr 1944 zurückzuführen sind, anlässlich derer er zahlreiche Splitterverletzungen erlitten hat, wobei ein solcher auch in das linke Auge eingedrungen ist. Denn es ist nicht festzustellen, dass dieser in das linke Auge eingedrungene Splitter überhaupt zu einer Verletzung des Hirns oder eines Hirnnerven geführt hat. Eine solche Verletzung geht aus keinen der seinerzeit gefertigten medizinischen Unterlagen hervor. Allein der Kläger hat einen derartigen Zusammenhang hergestellt. Anlässlich seiner Antragstellung im Juni 2003 hat er diesen Zusammenhang noch als Vermutung seinerseits bezeichnet, die er ärztlicherseits beurteilt wissen wollte. Ärztlicherseits hat jedoch keiner der mit der Angelegenheit befassten Ärzte einen entsprechenden Zusammenhang für wahrscheinlich erachtet. Auch Prof. Dr. Birbaumer, auf den der Kläger sich in erster Linie bezieht, hat sich lediglich dahingehend geäußert, dass es denkbar sei, dass bei der Entfernung des Splitters mit einem Magneten Hirnläsionen aufgetreten seien. Er hat damit auch nur eine Möglichkeit aufgezeigt. Keinesfalls lässt sich seinen Ausführungen jedoch entnehmen, dass er ein derartiges Geschehen für überwiegend wahrscheinlich hält und diesem gegenüber jeder anderen Möglichkeit der Verursachung ein deutliches Übergewicht zukommt. Eine derartige Abwägung hat Prof. Dr. Birbaumer im Übrigen auch nicht treffen können, da ihm vom Kläger ganz offensichtlich lediglich eine konkrete Frage vorgelegt wurde. Damit war er aber schon von vornherein nicht in die Lage versetzt, anhand der kompletten Krankengeschichte des Klägers weitere Ursachen mit in die Beurteilung einzubeziehen. Demgegenüber hat sich das LSG im Rahmen des anhängig gewesenen Verfahrens L 6 V 1294/05 umfassend auch mit möglichen anderen Ursachen der Gleichgewichtsstörungen auseinandergesetzt und aus den ausgewerteten medizinischen Unterlagen auch für den Senat überzeugend geschlossen, dass der am 23. April 1996 durch eine MRT-Untersuchung objektivierte Hydrocephalus internus und die Hernien im Sinne einer Arnold Chiari Malformation, welche anlagebedingt oder durch die Komplikationen im Rahmen der Operation 1993 entstanden sind, ursächlich für die geklagten Beschwerden sind. Eine mögliche anlagebedingte Ursache hat im Übrigen auch bereits Dr. Icken in Betracht gezogen, wie seinem vom Kläger vorgelegten Schreiben vom 18. Januar 1952 entnommen werden kann. Dieser hatte seinerzeit die Schwindeligkeit als von der Mutter ererbte migränoide Anfälle gedeutet und das damalige Auftreten im Rahmen einer beruflichen und privaten Überlastung gesehen.

Soweit der Kläger im Hinblick auf die zwischenzeitlich in Augenschein genommene Krankenakte des Reservelazaretts Paderborn (Bl. 52 der Verwaltungsakten) geltend gemacht hat, seine bisherigen Vermutungen würden durch den entsprechenden Inhalt bestätigt, vermag der Senat diese Einschätzung nicht zu teilen. Denn soweit darin von einer durchbohrenden Verletzung des linken Auges die Rede ist, wird damit gerade nicht bestätigt, dass hiermit gleichzeitig auch eine Hirnverletzung verbunden war. Eine derartige Interpretation lässt der Begriff "durchbohrende Verletzung" nicht zu. Denn damit wird lediglich die Art der Verletzung an dem betroffenen Auge beschrieben, nicht aber an sonstigen Organen.

Da die Berufung des Klägers nach alledem keinen Erfolg haben konnte, war sie zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für die Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
Saved