L 1 R 1651/06

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 8 R 1016/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 R 1651/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt, ihr statt einer Altersrente für Frauen eine Rente wegen Schwerbehinderung zu gewähren. Sie ist 1944 geboren und beantragte im März 2004 bei der Beklagten Altersrente für Frauen ab 60 ab 1. Juli 2004. Dem entsprach die Beklagte mit Rentenbescheid vom 23. April 2004.

Am 1. Mai 2004 erlitt die Klägerin ein Unfall, an dessen Folgen sie bis heute leidet. Sie beantragte am 9. Juni 2004 beim zuständigen Landesamt für Soziales und Versorgung das Feststellungsverfahren zur Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises. Mit Bescheid vom 10. Juni 2005 wurde ein Grad der Behinderung von 70 ab 14. Februar 2005 festgestellt. Gestützt hierauf beantragte die Klägerin am 1. Juli 2005 den Wechsel der Rentenart. Ihr sei zwar bekannt, dass ein Wechsel in eine andere Rentenart seit dem 1. Juli 2004 nicht mehr möglich sei. Ihre Behinderung sei jedoch die unmittelbare Folge des tragischen Unfalles vom 1. Mai 2004. Sie bitte, dem Antrag zuzustimmen, da die Gesetzesänderung während des laufenden Feststellungsverfahrens erfolgt sei.

Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 2. September 2005 ab. Nach der bindenden Bewilligung einer Rente wegen Alters sei der Wechsel nach § 34 Abs. 4 Sozialgesetzbuch 6. Buch (SGB VI) in der Fassung des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes, in Kraft seit 1. August 2004 (BGBl I 1791), nicht mehr möglich. Die beantragte Rente könne frühestens am 1. Juli 2005 beginnen. Dieser Zeitpunkt liege nach dem Beginn der Altersrente.

Die Klägerin erhob Widerspruch. Sie bemühe sich derzeit um eine Rückdatierung ihres Schwerbehindertenausweises.

Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 11. November 2005 den Widerspruch zurück.

Mit Bescheid vom 29. November 2005 stellte das Landesamt für Soziales und Versorgung rückwirkend ab 9. Juni 2004 einen Grad der Behinderung fest.

Die Klägerin hat am 12. Dezember 2005 vor dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) (SG) Klage erhoben. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Vorraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches lägen vor. Bei einer gehörig zügigen Bescheidung ihres Feststellungsantrags durch das Versorgungsamt hätte die Klägerin noch rechtzeitig vor dem Inkrafttreten des § 34 Abs. 4 SGB VI von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen können. Es sei fraglich, ob § 34 Abs. 4 SGB VI den vorliegenden Fall überhaupt erfasse, weil der Unfall hier erst nach Bestandskraft des Altersrentenbescheides eingetreten sei. Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass das Versorgungsamt möglicherweise noch gar kein Hinweis hätte geben können, weil das RV-Nachhaltigkeitsgesetz erst am 21. Juli 2004 verabschiedet worden sei. Es wäre Sache der Klägerin gewesen, dem Rentenversicherungsträger den Unfall mitzuteilen.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 23. Juni 2006 abgewiesen. Der Klägerin stehe kein Anspruch auf Umwandlung der bisher gewährten Altersrente für Frauen ab 60 in eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen zu. § 34 Abs. 4 SGB VI sei durch Artikel 1 Nr. 5 des RV-Nachhaltigkeitsgesetz vom 29. Juli 2004 in Kraft getreten und gelte für alle Umwandlungsfälle mit einem Rentenbeginn ab dem 1. August 2004 und damit auch für die Klägerin. Daran ändere auch § 300 SGB VI nichts. Gemäß § 300 Abs. 1 SGB VI seien Vorschriften von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Sachverhalt oder Anspruch auch dann anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden habe. Abzustellen sei dabei jeweils auf das Recht zum Zeitpunkt des Leistungsbeginns. Es komme daher nicht darauf an, wann die Klägerin die Feststellung der Schwerbehinderung beantragt habe, sondern auf die Feststellung durch Bescheid, hier erst am 10. Juli 2005. Erst aufgrund dieser Feststellung hätten ab 1. Juli 2005 alle Anspruchsvoraussetzungen für die Altersrente für schwer behinderte Menschen vorgelegen. Auch § 300 Abs. 2 SGB VI sei nicht einschlägig, da der erste Einzelanspruch auf Zahlung der Altersrente erst zum 1. Juli 2005 entstanden und fällig geworden sei. Ein Anspruch auf Altersrente wegen Schwerbehinderung ergäbe sich auch nicht aus einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch. Es fehle an der Pflichtverletzung durch einen Sozialversicherungsträger weil die Beklagte von dem Unfall der Klägerin keine Kenntnis gehabt habe und auch eine Falschberatung nicht ersichtlich sei.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Es könne nicht zu ihren Lasten gehen, dass der Antrag auf Feststellung einer Behinderung vom Juni 2004 erst ein Jahr später beschieden worden sei und einen Grad der Behinderung erst ab dem 14. Februar 2005 vorsehe. Auch müsse davon ausgegangen werden, dass der Beklagten die Änderung der Verhältnisse aufgrund des Unfalles auch bekannt geworden seien.

Die Klägerin beruft sich ferner auf das Urteil des BSG vom 29.11.2007 (BSG 13 R 44/07 R), in welchem eine Verpflichtung des Rentenversicherungsträgers zur rückwirkenden Zugrundelegung einer Schwerbehindertenfeststellung aufgrund entsprechender nachträglichen Feststellung durch die zuständige Behörde ausgesprochen worden sei.

Sie beantragt sinngemäß,

unter Aufhebung des Urteiles des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 23. Juni 2006 die Beklagte zu verurteilen, ihr ab dem 1. Juli 2004, hilfsweise ab dem 14. Februar 2005, Altersrente wegen Schwerbehinderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil für zutreffend.

Auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze wird ergänzend Bezug genommen. Der Verwaltungsvorgang der Beklagten hat vorgelegen und war Gegenstand der mündlichen Erörterung.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung kann keinen Erfolg haben. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Auf die zutreffenden Ausführungen im angegriffenen Urteil, insbesondere zum Nichtvorliegen der Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs, wird zunächst nach § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verwiesen.

Mittlerweile hat das Bundessozialgericht (BSG) im Urteil vom 26. Juli 2007 (B 13 R 44/06 R SozR4 - 2600 § 236 a Nr. 1) sogar entschieden, dass das Vertrauen solcher Versicherten, die im Juli 2004 (bereits) als schwerbehinderte Menschen anerkannt worden seien, auf den Fortbestand der Möglichkeit eines Wechsels der bindend festgestellten Rentenart nicht geschützt sei. Es bestünden keine verfassungsmäßigen Bedenken gegen die Neuregelung des § 34 Abs. 4 SGB VI (Randnummer 27). Nach der Grundregel des § 300 Abs. 1 SGB VI seien jeweils neue Vorschriften des SGB VI von ihrem Inkrafttreten an auch auf Sachverhalte und Ansprüche anzuwenden, die vor diesem Zeitpunkt (bereits) vorgelegen hätten. Zum Zeitpunkt des Antrages der Klägerin auf Änderung der Rentenart war eine Umwandlung also bereits nach § 34 Abs. 4 SGB VI neuer Fassung ausgeschlossen.

§ 300 Abs. 2 SGB VI als Ausnahme des Grundsatzes des § 300 Abs. 1 SGB VI ist hier bereits nicht einschlägig, weil die Klägerin nicht - wie von der Vorschrift gefordert - den Umwandlungsanspruch bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach der Aufhebung (hier des alten § 34 Abs. 4 SGB VI) geltend gemacht hat, sondern über ein halbes Jahr später. Hingegen betrifft die von der Klägerin zitierte Entscheidung des BSG 27. 11.2007 (BSG 13 R 44/07 R) eine andere Konstellation. Die dortige Klägerin hatte keinen Umwandlungsantrag gestellt, sondern die Änderung bereits im Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid über die Bewilligung von Altersrente für Frauen beantragt (BSG, a.a.O. Juris Rdnr. 5). Es ging also nicht um den Wechsel einer bindenden Bewilligung, zumal im dortigen Fall der Antrag bereits 2003 gestellt wurde.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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