L 9 U 3318/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 7 U 2016/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 3318/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 26. Februar 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Feststellung eines Bandscheibenvorfalls und von Wirbelsäulenveränderungen als Unfallfolgen sowie die Gewährung von Rente.

Der 1952 geborene Kläger rutschte bei seiner Tätigkeit als Kraftfahrer am 7.3.2005 gegen 8:00 Uhr aus, als er auf dem Sattelauflieger stehend Stahlmaterial ablud. Der Orthopäde Dr. V.diagnostizierte beim Kläger am selben Tag nach Ende der Arbeitszeit um 17:30 Uhr eine schwere Prellung der rechten Hüfte und des rechten Oberschenkels. Die Röntgenuntersuchung der rechten Hüfte und des rechten Oberschenkels ergab keine Knochenverletzung. Die Ultraschalluntersuchung über dem schmerzhaften Bereich zeigte keine Hämatomansammlung und einen normalen Muskeltextus. Zum Unfallhergang gab der Kläger laut H-Arzt-Bericht vom 8.3.2005 an, er sei auf der Ladefläche ausgerutscht und auf die rechte Hüfte, den rechten Oberschenkel und das rechte Knie gefallen. Ein MRT der Lendenwirbelsäule (LWS) vom 16.3.2005 ergab eine Osteochondrose L 4/5 mit Knochenmarksveränderung i. S. v. Modic II sowie eine rechtsbetonte und mediolaterale Vorwölbung der Bandscheibe L 5/S 1 mit Kompression bzw. Verlagerung des Duralsacks. Der sequestrierte Bandscheibenprolaps wurde am 19.4.2005 in der Neurochirurgischen Klinik des Klinikums M. operativ behandelt. Im Fragebogen vom 2.4.2005 teilte der Kläger zum Unfallhergang mit, er sei beim Entladen von Stahlmaterial auf der Ladefläche ausgerutscht und mit der rechten Körperhälfte aufgeschlagen, wobei er sich die rechte Hüfte und das rechte Bein verletzt habe. Nach einem Arbeitsversuch am 20.6.2005 wurde beim Kläger am 22.6.2005 der Verdacht auf einen Rezidivprolaps geäußert (Arztbrief des Neurologen und Psychiaters Dr. S. vom 24.6.2005 und Bericht des Radiologen Dr. F. vom 22.6.2005).

Die Beklagte beauftragte den Chirurgen Dr. K. mit der Begutachtung des Klägers. Ausweislich des Gutachtens vom 27.7.2005 gab der Kläger zum Unfallhergang an, er sei auf dem nassglatten Boden des Sattelaufliegers plötzlich ausgerutscht. Er habe versucht, sich an der ca. 50 cm hohen Bordwand festzuhalten; dies sei jedoch nicht gelungen und er sei mit Gesäß und unterer LWS auf einer ca. 10 x 10 cm messenden und ca. 2 m langen Querverstrebung aus Holz und Stahl aufgeschlagen. Er sei aufgestanden und habe zunächst nur ein kurzes Kribbeln im rechten Bein verspürt. Äußere Verletzungszeichen hätten nicht bestanden; später sei allerdings der Rücken angeschwollen und das rechte Bein taub geworden. Im August 2005 solle er erneut operiert werden. Dr. Kopp gelangte zum Ergebnis, der Unfall vom 7.3.2005 habe zu einer Prellung einer vorgeschädigten Wirbelsäule geführt; unfallunabhängig hätten Bandscheibenschäden der unteren LWS bestanden. Denn die kernspintomographische Untersuchung habe einen isolierten Bandscheibenvorfall L 5/S 1 nachgewiesen, jedoch keine Begleitschäden des betroffenen Segments im Bereich der knöchernen oder ligamentären Strukturen. Nach dem derzeitigen medizinisch-naturwissenschaftlichen Erkenntnisstand sei von einem schicksalhaften Schadensbild auszugehen, denn die segmentalen Scher-, Torsions- und Kippungsbelastungen würden durch den knöchernen und ligamentären Apparat begrenzt, sodass diese Strukturen vor Eintritt eines Bandscheibenschadens mitgeschädigt werden müssten.

Mit Bescheid vom 26.8.2005 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente ab. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger habe sich bei dem Unfall vom 7.3.2005 eine Prellung der unteren LWS ohne weitergehende wesentliche strukturelle Läsionen bei vorbestehenden Bandscheibenschäden L4/5 und L 5/S 1 zugezogen. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit hätten vom 7.3. bis einschließlich 21.3.2005 bestanden.

Hiergegen legte der Kläger am 12.9.2007 Widerspruch ein. Am 24.8.2005 wurde beim Kläger eine Rezidiv-Operation im Bereich L 5/S 1 durchgeführt. Ein MRT der LWS vom 16.12.2005 ergab eine ausgebrannte abakterielle erosive Osteochondritis im Segment LWK 4/5 bei Gefügelockerung im selben Segment. Wegen anhaltender Beschwerden stellte sich der Kläger am 4.1.2006 in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Ludwigshafen vor, wo eine ausgeprägte Osteochondrose LWK 4/5 diagnostiziert und die Therapie zu Lasten der Krankenversicherung fortgeführt wurde. Dem Kläger wurde eine operative Stabilisierung im Bereich LWK 4/5 empfohlen, die am 27.4.2006 durchgeführt worden ist. Mit Widerspruchsbescheid vom 12.5.2006, zugegangen am 23.05. 2006, wurde der Widerspruch zurückgewiesen.

Hiergegen erhob der Kläger am Montag, dem 26.6.2006 Klage zum Sozialgericht (SG) Mannheim, mit der er die Feststellung, dass es sich bei dem operierten Bandscheibenvorfall im Segment L 5/S 1 und den Wirbelsäulenveränderungen im Segment L 4/5 um Folgen des Arbeitsunfalls vom 7.3.2005 handelt, sowie die Gewährung einer Rente nach einer MdE um mindestens 20 vH. begehrte. Das SG hörte die behandelnden Ärzte des Kläger schriftlich als sachverständige Zeugen.

Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. S. schilderte unter dem 29.8.2006 den Behandlungsverlauf seit dem 30.3.2005. Dr. L., der Praxisnachfolger von Dr. V., erklärte, er behandle den Kläger wegen eines Postnukleotomiesyndroms L 5/S 1, eines Zustandes nach Osteochondrose L 4/5, eines Zustandes nach Spondylodese L 4/5 sowie einer therapieresistenten Lumboischialgie links ohne radikuläre Ausfälle. Seines Erachtens seien diese Erkrankungen nicht mehr in einem Kausalzusammenhang mit dem Unfallereignis vom 7.3.2005 zu sehen. Die damals durchgeführte Diagnostik habe zur Diagnose einer LWS- und Hüftgelenksprellung geführt, wobei eine degenerativ vorgeschädigte Wirbelsäule vorgelegen habe. Die Ausführungen im Gutachten von Dr. K. seien seines Erachtens richtig und schlüssig begründet. Professor Dr. W., Chefarzt der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik L., führte in der sachverständigen Zeugenaussage vom 27.9.2006 aus, das Gutachten von Dr. Kopp sei schlüssig und inhaltlich nachvollziehbar.

Mit Urteil vom 26.2.2007 wies das SG die Klage ab. Es stützte sich dabei auf das Gutachten von Dr. K.sowie die sachverständigen Zeugenaussagen von Dr. L. und Professor Dr. W ...

Gegen das am 24.5.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 22.6.2007 unter Vorlage von Befundberichten des Neurologen und Psychiaters Dr. S. vom 7.6.2007 und des Zentrums für Radiologie M. vom 16.7.2007 Berufung eingelegt und vorgetragen, zu Unrecht sei das SG davon ausgegangen, dass ein bis dato klinisch stummer degenerativer Bandscheibenschaden bei Gelegenheit des Unfallereignis erstmals symptomatisch geworden sei. Falls eine Vorerkrankung überhaupt vorgelegen habe, liege eine Verschlimmerung vor. Ohne den Unfall wäre es lediglich - wenn überhaupt - zu zeitweiliger Arbeitsunfähigkeit gekommen, etwa durch Überlastung der Wirbelsäule mit den dadurch ausgeprägten Schmerzsyndromen. Vor dem Unfall sei er weitgehend beschwerdefrei gewesen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 26. Februar 2007 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 26. August 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2006 teilweise abzuändern und festzustellen, dass es sich bei dem operierten Bandscheibenvorfall im Segment L 5/S 1 und den Wirbelsäulenveränderungen im Segment L 4/5 um Folgen des Arbeitsunfalls vom 7. März 2005 handelt sowie die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen der Unfallfolgen eine Rente nach einer MdE um 20 vH zu gewähren

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erwidert, der Berufungsvortrag führe zu keinen neuen rechtserheblichen Gesichtspunkten. Das SG habe eine zutreffende Entscheidung getroffen. Nach dem schlüssigen und überzeugenden Gutachten von Dr. K. könne nicht festgestellt werden, dass die Wirbelsäulenschäden Folgen des Arbeitsunfalls vom 7.3.2005 seien. Dieser Beurteilung hätten sich auch Dr. L. und Professor Dr. W. angeschlossen.

Mit Schreiben vom 22.11.2007 hat der Senat den Kläger darauf hingewiesen, dass nach seinen eigenen Angaben der Widerspruchsbescheid vom 12.5.2006 ihm am 23.05.2006 zugegangen ist, die Klage jedoch erst am 26.6.2006 beim SG eingegangen ist. Der Bevollmächtigte des Klägers hat daraufhin mitgeteilt, dass er den Klageschriftsatz vom 23.6.2006 selbst in den Briefkasten des SG eingeworfen habe. Ferner hat er noch den Arztbrief von Dr. O. vom 28.11.2007 vorgelegt.

Das SG hat unter dem 14.1.2008 mitgeteilt, der Klageschriftsatz hätte den Eingangsstempel vom 23.6.2006 getragen, wenn er am 23.6.2006 eingeworfen worden wäre.

Mit Verfügung vom 19.9. und 21.11.2007 sowie 22.1.2008 hat der Senat die Beteiligten auf die Möglichkeit einer Entscheidung durch Beschluss gem. § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hingewiesen.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf Anerkennung bzw. Feststellung eines Bandscheibenvorfalls sowie von Wirbelsäulenveränderungen als Unfallfolgen sowie auf Gewährung von Rente hat.

Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann das LSG - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Mit Schreiben vom 19.9. und 21.11.2007 sowie 22.1.2008 hat der Senat die Beteiligten auch auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Diese war nach den Feststellungen des Senats schon unzulässig.

Gemäß § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG ist die Klage binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts zu erheben. Hat ein Vorverfahren stattgefunden, so beginnt die Frist mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides. Gemäß § 64 Abs. 1 SGG beginnt der Lauf einer Frist, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit dem Tag nach der Zustellung oder, wenn diese nicht vorgeschrieben ist, mit dem Tage nach der Eröffnung oder Verkündung und endet nach § 64 Abs. 2 SGG mit dem Ablauf desjenigen Tages des Monats, welcher nach der Zahl dem Tage entspricht, in den das Ereignis fällt.

Der Kläger hat nach eigenen Angaben den Widerspruchsbescheid vom 12.5.2006 am 23.5.2006 erhalten. Damit endete die Klagefrist am 23.6.2006, einem Freitag. Nicht nachgewiesen ist, dass der klägerische Bevollmächtigte den Klageschriftsatz vom 23.6.2006 auch an diesem Tag in den Briefkasten des SG geworfen hat, da er nach Mitteilung des SG vom 14.1.2008 dann den Stempel vom 23.6.2006 hätte tragen müssen. Unabhängig davon, dass schon nicht glaubhaft gemacht ist, dass der klägerische Bevollmächtigte den Klageschriftsatz vom 23.6.2006 auch am selben Tag in den Gerichtsbriefkasten geworfen hat, ist ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, den der Kläger am 27.11.2007 gestellt hat, gemäß § 67 Abs. 3 SGG unzulässig, da seit dem Ende der versäumten Frist über ein Jahr vergangen ist. Eine frühere Antragstellung scheiterte auch nicht infolge höherer Gewalt. Da die Klage wegen Versäumung der Klagefrist unzulässig war, ist die Berufung unbegründet.

Aber selbst wenn die Klage fristgemäß erhoben worden wäre, hätte das SG sie zu Recht als unbegründet abgewiesen.

Das SG hat den rechtserheblichen Sachverhalt umfassend dargestellt, die Voraussetzungen für die Feststellung von Unfallfolgen zutreffend benannt und das Beweisergebnis frei von Rechtsfehlern gewürdigt. Hierbei hat es überzeugend begründet, weshalb es den Beurteilungen des Dr. Kopp, des Dr. L. und von Professor Dr. W. gefolgt ist und mit diesen allein die vorbestehenden degenerativen Schäden im Bereich L 4/5 und L 5/S 1 als rechtlich wesentliche Ursachen der fortdauernden Beschwerden des Klägers ansieht. Der Senat schließt sich der Beweiswürdigung des SG uneingeschränkt an und sieht deshalb von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 153 Abs. 2 SGG ab.

Neue entscheidungserhebliche Gesichtspunkte haben sich im Berufungsverfahren nicht ergeben. Dr. O. berichtet im Arztbrief vom 28.11.2007 über eine Vorstellung des Klägers in der schmerztherapeutischen Sprechstunde am 27.11.2007, beschreibt die beim Kläger vorliegenden Befunde und die Behandlung des Klägers. Daraus sowie aus den Arztbriefen von Dr. S. vom 7.6.2007 und des Zentrums für Radiologie M. vom 16.7.2007 ergeben sich keine weiteren Erkenntnisse hinsichtlich der Ursachen für den Bandscheibenvorfall bzw. die Wirbelsäulenveränderungen.

Nach alledem ist das Urteil des SG Mannheim nicht zu beanstanden. Die Berufung des Klägers musste deswegen zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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