L 9 R 5673/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 5 R 6715/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 5673/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 07. November 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt die Gewährung einer großen Witwenrente.

Die 1938 geborene Klägerin heiratete am 12. Januar 1957 in Mikulczyce (Polen) den am 12. Mai 1937 geborenen Bernhard Lux (Versicherter). Die Ehe, aus der vier Kinder (geboren 1957 [Zwillinge], 1958 und 1960) hervorgingen, wurde am 31. Juli 1985 (Rechtskraft des Urteils) durch das Kreisgericht Dresden-Nord geschieden. Die Klägerin reiste im September 1987 aus der DDR in die Bundesrepublik Deutschland ein. Der Versicherte folgte im November 1989. Er erhielt ab 4. Januar 1991 von der Beklagten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, später Altersrente (Auszahlungsbetrag 1035,34 EUR, Stand 1. Juli 2002). Er war mit einem Grad der Behinderung von 80 als Schwerbehinderter anerkannt. Die Klägerin erhielt von der Bundesknappschaft Altersrente (Auszahlungsbetrag 755,06 EUR, Stand 1.Juli 2002). Im Januar 2002 wurde bei dem Versicherten ein Bronchialkarzinom Stadium IV mit Lungenmetastasen diagnostiziert, im April 2002 wurde eine (palliative) Chemotherapie eingeleitet. Ende Juni 2002 wurde nach Komplikationen bei dieser Therapie eine Chemotherapie-Pause eingelegt. Danach wurde diese Therapie nicht mehr fortgeführt. Im Oktober 2002 erfolgte eine Strahlentherapie. Im Juli 2002 wurde das Aufgebot bestellt, am 24. September 2002 heirateten die Klägerin und der Versicherte erneut. Am 6. März 2003 verstarb der Versicherte an den Folgen des Bronchialkarzinoms. Vom 1. November 1998 bis zu seinem Tod war der Versicherte mit Wohnsitz in Fellbach gemeldet gewesen, die Klägerin mit Wohnsitz in Stuttgart-Obertürkheim In der Zeit von 1990 bis zur Eheschließung war keines der Kinder und keiner der Enkel und Urenkel bzw. deren Ehegatten in einer der Wohnungen der Klägerin oder des Versicherten in Stuttgart bzw. Fellbach gemeldet.

Auf den Antrag der Klägerin vom 14. März 2003 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 14. April 2003 und Widerspruchsbescheid vom 8. Oktober 2003 die Gewährung von Hinterbliebenenrente ab, da es sich um eine sogenannte Versorgungsehe gehandelt habe. Die gesetzliche Vermutung, dass bei Tod innerhalb eines Jahres nach Heirat eine Versorgungsehe bestehe, sei nicht glaubhaft widerlegt.

Im Widerspruchsverfahren hatte die Klägerin u. a. vorgebracht, sie habe sich nur scheiden lassen, um die Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland zu ermöglichen. Sie habe den Versicherten nach seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland 1989 nicht unmittelbar aufnehmen können, weil sie nur in einer Einzimmerwohnung gewohnt habe. Der Versicherte habe sich daraufhin ebenfalls eine Einzimmerwohnung in Fellbach genommen. Man habe im Wechsel in den beiden Wohnungen gewohnt und aus finanziellen Gründen erst vor der Heirat, als Kredite abbezahlt gewesen seien, einen Antrag auf eine größere Wohnung bei der Wohnbaugenossenschaft gestellt. Der Tod des Versicherten sei für sie plötzlich gekommen. Er sei seit vielen Jahren schwerbehindert und ein Leben lang von Krankheiten gezeichnet gewesen, jedoch hätten nach ärztlicher Ansicht Chancen auf Besserung bestanden. Bei der stationären Behandlung des Versicherten in der Klinik Schillerhöhe habe man ihr gesagt, der Versicherte habe noch mindestens fünf bis zehn Jahre zu leben.

Außerdem lagen der Entscheidung schriftliche Auskünfte des Facharztes für Lungen- und Bronchialheilkunde K. sowie von Prof. Dr. D. und Dr. K., auf die bezüglich der Einzelheiten der Angaben verwiesen wird, zu Grunde.

Die Klägerin erhob deswegen am 29. Oktober 2003 Klage bei dem Sozialgericht Stuttgart (SG), Az. S 20 R 5773/03, und trug u. a. noch vor, sie hätten sich über die ganzen Jahre geholfen und seien auch der Meinung gewesen, wenn sie zusammenlebten, hätten sie gegenseitige Rechte und Pflichten. Bei der Eheschließung sei es dem an Krebs erkrankten Versicherten um seine möglicherweise erforderliche Betreuung und Pflege durch sie gegangen. Die amtliche Bekräftigung sei für sie nur eine Formsache bzw. die formelle Wiederherstellung der Familie gewesen. Sie und der Versicherte hätten häufig an eine Hochzeit gedacht, aber es sei immer wieder etwas dazwischen gekommen. Den Entschluss, zu heiraten, hätten sie im Laufe des ersten Halbjahres 2002 gefasst. Zum Zeitpunkt der Heirat sei der Versicherte in einem guten Allgemeinzustand gewesen.

Das Sozialgericht vernahm Prof. Dr. D., den Lungenarzt K. und die Allgemeinmedizinerin F. schriftlich als sachverständige Zeugen. Wegen der Einzelheiten von deren Aussagen wird auf ihre auch in den Verwaltungsakten der Beklagten enthaltenen schriftlichen Angaben verwiesen.

Mit Urteil vom 20. April 2005 wies das SG die Klage ab. Die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe sei unter Berücksichtigung und Würdigung der äußeren Gesamtumstände der Verhältnisse der Klägerin und des Versicherten nicht widerlegt. U. a. sei es auch nicht überzeugend, dass der Versicherte mit der Heirat seine Pflege habe sichern wollen, da er nicht pflegebedürftig gewesen sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das in den Verwaltungsakten der Beklagten enthaltene Urteil verwiesen.

Zur Begründung ihrer dagegen zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG), Az. L 10 R 2219/05, eingelegten Berufung wiederholte die Klägerin ihren vorherigen Vortrag und brachte im Wesentlichen noch vor, sie sei mit einer monatlichen Rente ausreichend versorgt gewesen. Das Ableben des Versicherten sei im Sommer 2002 nicht absehbar gewesen. Auf die Vorstellungen zur Lebenserwartung für die Zeit über das erste Ehejahr hinaus komme es nicht an. Sie und der Versicherte seien in der Zeit von September 1990 bis Oktober 2002 auf vielen Familienfesten und zu¬sammenkünften gewesen und hätten viele gemeinsame Stunden verbracht.

Mit Urteil vom 20. Oktober 2005 wies das LSG die Berufung zurück. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Hinterbliebenrente seien nicht erfüllt, weil die einer Rentengewährung entgegenstehende Vermutung einer Versorgungsehe (wegen einer Dauer der Ehe von weniger als einem Jahr) nicht widerlegt sei. Auch wenn die Klägerin und der Versicherte bereits vor der vor der Diagnose des Bronchialkarzinoms den allgemeinen Entschluss gehabt hätten, wieder zu heiraten, habe sich dieser nicht in objektivierbarer Weise verfestigt und konkretisiert gehabt. Vielmehr spreche mehr dafür, dass erst die Diagnose des Bronchialkarzinoms mit der Erwartung eines baldigen Ablebens des Versicherten im ersten Halbjahr 2002 Anlass gegeben habe, die allgemeine Heiratsabsicht auch zu konkretisieren. Der Versicherte habe an einer schweren Krebserkrankung mit deutlich herabgesetzter Lebenserwartung gelitten. Ein höchstwahrscheinlich baldiger Tod sei vorgezeichnet gewesen. Der Versicherte und die Klägerin hätten auch von diesem Gesundheitszustand gewusst. Es sei weiterhin auch medizinischen Laien bekannt, dass bei einem Bronchialkarzinom mit Metastasen mit einer deutlich verkürzten Lebenserwartung zu rechnen sei. Der Versicherte und die Klägerin hätten diese Schlussfolgerung auch gezogen. Dass der Versicherte nach dem Eindruck der Allgemeinärztin F. sein zu erwartendes alsbaldiges Ableben nicht habe wahrhaben wollen, sei dabei unerheblich. Denn dies beweise nicht, dass er mit der Heirat nicht doch die vom Gesetz vermutete Vorsorge zu Gunsten der Klägerin habe treffen wollen. Zwar könne die Diagnose einer lebensbedrohlichen Erkrankung einen Anlass darstellen, einen schon länger gehegten Heiratwunsch nunmehr zu konkretisieren, ohne dass hierbei die Motivation der Vorsorge für den Hinterbliebenen eine Rolle spiele, doch bestünden hierfür keine Anhaltspunkte. Das Vorbringen, der Versicherte habe sicherstellen wollen, dass die Klägerin verpflichtet sei, ihn zu pflegen, sei zwar grundsätzlich geeignet, der Vermutung einer Versorgungsehe entgegengehalten zu werden. Dies sei hier aber kein wesentliches Motiv. Gegen eine durch den Versorgungsgesichtspunkt zumindest überwiegend motivierte Heirat spreche auch nicht die eigene Rente der Klägerin. Dabei könne offen bleiben, ob eine eigene Versorgung des Hinterbliebenen grundsätzlich geeignet sei, die Rechtsvermutung zu widerlegen. Entscheidend seien immer die konkreten Umstände des Einzelfalls. Der Versorgungsbedarf sei jedenfalls hier durch die eigene Rente nicht ausgeschlossen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des Berufungsurteils verwiesen.

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin gegen das Urteil wurde mit Beschluss des Bundessozialgerichts (BSG) vom 10. Januar 2006 als unzulässig verworfen (B 5 RJ 261/05 B).

Am 02. Mai 2006 beantragte die Klägerin erneut die Gewährung von Hinterbliebenenrente. Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 17. Mai 2006 ab, da der Versicherte vor Ablauf eines Jahres nach der Heirat verstorben sei und somit die Vermutung einer Versorgungsehe bestehe. Umstände, die die Annahme rechtfertigten, alleiniger oder überwiegender Zweck der Heirat sei nicht der Erwerb der Hinterbliebenenversorgung gewesen, seien nach Aktenlage nicht ersichtlich.

Zu ihrem am 02. Juni 2006 erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, gegen eine Versorgungsehe spreche, dass sie bereits früher 28 Jahre mit dem Versicherten verheiratet gewesen sei. Grund für die Scheidung im Jahr 1985 sei allein ihr Ausreisewunsch gewesen. Von einer Versorgungsehe sei bei einer Ehedauer von 28 Jahren kaum auszugehen. Die vorherige Ehe, die wegen des Ausreisewunsches aus der DDR habe getrennt werden müssen, die gemeinsamen Kinder mit dem Versicherten und die anschließende Dauer der gemeinsamen Lebenspartnerschaft überlagerten das Motiv einer Versorgungsehe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 31. August 2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Nach Angaben des behandelnden Arztes zum Zeitpunkt der Eheschließung habe die Möglichkeit bestanden, dass der Tod innerhalb eines Jahres eintreten werde. Die Vermutung einer Versorgungsehe sei nicht widerlegt.

Deswegen hat die Klägerin mit dem Ziel der Gewährung einer Rente ab 1. Mai 2006 am 07. September 2006 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben und u. a. weiter geltend gemacht, der Versicherte sei seit vielen Jahren schwerbehindert und ein Leben lang von Krankheit gezeichnet gewesen und die tödlichen Folgen der Krankheit seien im Zeitpunkt der Eheschließung nicht vorhersehbar gewesen. Nach dem Bericht der Klinik Schillerhöhe vom 04. Juli 2003 sei von einer durchschnittlichen Lebenserwartung in diesem Stadium von unter drei Jahren auszugehen, ein naher Tod aber nicht absehbar gewesen. Der Versicherte habe auch seine Betreuung und Pflege sichern und habe sich von ihr betreuen und pflegen lassen wollen. Eine eigene ausreichende Versorgung sei ebenfalls ein wichtiges Indiz, was nach der Rechtsprechung bei einer monatlichen Rente von 800 EUR angenommen werde. Hierzu hat sie eine eigene eidesstattliche Versicherung vom 16. März 2006 sowie eidesstattliche Versicherungen ihrer vier Kinder, ebenfalls vom 16. März 2006 vorgelegt, wonach schon seit dem Jahr 2000 immer wieder von Wiederheirat gesprochen wurde und ihr und der Familie nicht bekannt gewesen sei, dass der Versicherte innerhalb eines Jahres nach der Heirat versterben werde.

Mit Urteil vom 07. November 2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Die - näher dargelegten - Voraussetzungen für die Gewährung einer Hinterbliebenenrente seien nicht erfüllt. Ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente bestehe nach der gesetzlichen Vermutung nicht, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert habe, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt sei, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat gewesen sei, einen Anspruch auf Hinterbliebenenrente zu begründen. Die gesetzliche Vermutung sei widerlegbar, hier aber nicht widerlegt. Auch aus den vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen ergäben sich keine anderen relevanten Sachverhalte. Bereits im vorangegangenen Berufungsverfahren sei als wahr unterstellt worden, dass man schon vor der Diagnose des Bronchialkarzinoms die Absicht gehabt habe, irgendwann wieder zu heiraten. Auch zur jetzt vorgebrachten Behauptung, der Versicherte habe lediglich seine Betreuung und Pflege sicherstellen wollen, habe das LSG bereits ausgeführt, dass die Klägerin selbst vorgetragen habe, man habe sich auch ohne Eheschließung umeinander gekümmert. Der Hinweis auf die vier gemeinsamen Kinder lasse nicht den Schluss zu, dass andere Zwecke als der Versorgungszweck Grund für die zweite Ehe gewesen seien. Schließlich hätten die gemeinsamen Kinder die Klägerin und den Versicherten nicht gehindert, die Ehe 1985 scheiden zu lassen. Auch sei nicht nachvollziehbar, dass die vier erwachsenen Kinder im Jahr 2002 für den Entschluss zur Wiederheirat in irgendeiner Weise maßgebend gewesen sein sollten. Der Umstand, dass die Klägerin und der Versicherte zuvor bereits 28 Jahre verheiratet gewesen seien und das Vorbringen, die Klägerin habe einen eigenen Anspruch und sei auf eine zusätzliche Versorgung nicht angewiesen gewesen, widerlege die gesetzliche Vermutung nicht. Die damalige Rente sei nicht so groß gewesen, dass die Aussicht durch die Heirat eine Hinterbliebenenversorgung zu erlangen als Motiv für eine Heirat unbeachtlich gewesen sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Urteilsgründe verwiesen.

Gegen das am 26. November 2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 30. November 2007 Berufung eingelegt. Sie trägt im wesentlichen vor, wenn ein Hinterbliebener in die Eheschließung einwillige, um dem Versicherten bei der Überwindung einer schweren Krankheit beizustehen, sei dies ein anderes Motiv, als das der Versorgungsabsicht. Eine unheilbare Krankheit sei unerheblich, wenn dem Hinterbliebenen der Ernst der Erkrankung verschwiegen worden sei und er an eine Heilungsmöglichkeit geglaubt habe. Das SG habe die eidesstattlichen Versicherungen, wonach kein Arzt mitgeteilt habe, dass die Lebenserwartung unter einem Jahr liege, und den Kindern Hoffnung gemacht worden sei, nicht berücksichtigt. Es werde noch die Einholung eines ergänzenden onkologischen Zusammenhangsgutachtens hinsichtlich der Lebenserwartung angeregt. Im Übrigen habe sie bei einer Bruttorente in Höhe von 823,02 EUR und monatlichen Mietaufwendungen von 272,23 EUR keinen Versorgungsgedanken. Sie habe auch keine Ansprüche auf Sozialhilfe gehabt. Eine ausreichende Versorgung sei nach einer Entscheidung des Sozialgerichts Würzburg geeignet, die Rechtsvermutung einer Versorgungsehe zu widerlegen. Bei einem monatlichen Betrag von ca. 800,00 EUR könne grundsätzlich von einer ausreichenden und nicht unerheblichen Eigenversorgung ausgegangen werden.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 07. November 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 17. Mai 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. August 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 1. Mai 2006 Hinterbliebenenrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist u.a. auf die Entscheidung des LSG vom 20. Oktober 2005.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

II.

Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Der Anspruch auf Witwenrente, deren nähere Voraussetzungen in § 46 Abs. 1 und 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) geregelt sind, besteht nach § 46 Abs. 2a SGB VI nicht, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Die Vorschrift findet hier Anwendung, da die (zweite) Ehe des Versicherten und der Klägerin nicht vor dem 1. Januar 2002 geschlossenen wurde (§ 242a Abs. 3 SGB VI) und die Ehe weniger als ein Jahr dauerte.

Die gesetzliche Vermutung ist widerlegbar, wobei nach § 202 SGG i. V. m. § 292 Zivilprozessordnung (ZPO) der volle Beweis des Gegenteils notwendig ist (BSG, Urteil vom 3. September 1986 - 9a RV 8/84 - SozR 3100 § 38 Nr. 5 zur Parallelvorschrift des § 38 Bundesversorgungsgesetz). Als besondere Umstände sind alle Umstände des Einzelfalles anzusehen, die nicht schon von der Vermutung selbst erfasst und die geeignet sind, einen Schluss auf den Zweck der Heirat zuzulassen (BSG, Urteil vom 28. März 1973 - 5 RKnU 11/71 - SozR Nr 2 zu § 594 RVO, der Parallelvorschrift in der gesetzlichen Unfallversicherung, heute § 65 Abs. 6 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch). Die Vermutung gilt als widerlegt, wenn nachweislich für einen Ehegatten die Absicht, der Witwe eine Versorgung zu verschaffen, nicht maßgeblich war (BSG, Urteil vom 3. September 1986, a.a.O. m. Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht zur beamtenrechtlichen Parallelvorschrift).

Es haben das LSG in den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils vom 20. Oktober 2005 und das SG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin die Voraussetzungen für eine solche Rente nicht erfüllt, weil die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat und nach den besonderen Umständen des Falles die Annnahme nicht gerechtfertigt ist, dass es nicht der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat gewesen ist, einen Anspruch auf Hinterbliebenenrente zu begründen. Der Senat schließt sich dem auch unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren nach eigener Prüfung uneingeschränkt an, sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung sowie auch des zwischen den Beteiligten bereits ergangenen Urteils des LSG vom 20. Oktober 2005 zurück.

Ergänzend ist anzumerken, dass sich auch aus dem jetzigen Vorbringen der Klägerin nichts wesentlich Neues ergibt. Soweit sie darauf hinweist, dass sie mit dem Versicherten in früherer Ehe 28 Jahre verheiratet gewesen sei, vier gemeinsame Kinder gehabt und mit ihm eine Lebenspartnerschaft von langer Dauer gehabt habe, war dieses Vorbringen bereits Gegenstand des Berufungsverfahrens L 10 R 2219/05 und der diesem vorangegangenen Verwaltungs- und Klageverfahren. Es widerlegt die gesetzliche Vermutung nicht.

Auch das Vorbringen, dass der Versicherte bereits vor der Krebsdiagnose jahrelang krank gewesen sei, führt nicht dazu, dass die gesetzliche Vermutung des Vorliegens einer Versorgungsehe widerlegt wäre. Soweit die Klägerin behauptet, ihr und dem Versicherten seien die tödlichen Folgen der Krebserkrankung und der nahe Tod zur Zeit des Entschlusses, wieder zu heiraten, nicht erkennbar bzw. bewusst gewesen, kann sich der Senat hiervon aus den bereits im Urteil des LSG vom 20. Oktober 2005 ausführlich dargelegten Gründen auch unter Berücksichtigung der vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen nicht überzeugen. Naturgemäß und angesichts der Umstände konnten die Klägerin und der Versicherte nicht sicher wissen, wann der Tod eintreten würde, doch mussten sie, insbesondere auch angesichts der bei der Behandlung Ende Juni 2002 aufgetretenen Komplikationen, mit einem Verlauf, wie er eingetreten ist, rechnen und haben zur Überzeugung des Senats auch damit gerechnet.

Soweit die Klägerin geltend macht, der Versicherte habe sich ihre Pflege und Betreuung durch die Heirat sichern wollen, ist nicht erkennbar, dass die Eheschließung hierfür erforderlich war. Schließlich bestand nach ihren eigenen Angaben schon zuvor eine so enge Beziehung zwischen der Klägerin und dem Versicherten, dass diese ihn zur Überzeugung des Senats, auch ohne mit ihm verheiratet zu sein, gepflegt und versorgt hätte.

Soweit die Klägerin geltend macht, sie habe über eine eigene ausreichende Versorgung verfügt, ist dadurch das Vorliegen einer Versorgungsehe unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles nicht widerlegt. Insbesondere vermag der Senat eine Rente von damals 755,06 EUR nicht als eine eigene Versorgung anzusehen, die die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe widerlegt, zumal die Klägerin - wie von ihr selbst vorgebracht - und der Versicherte zu diesem Zeitpunkt gerade mal ihre Schulden getilgt hatten.

Die Eheschließung war für den Versicherten und die Klägerin, wie diese selbst vorgetragen hat, letztlich nur ein formaler Akt. Dieser brachte allein insofern eine Änderung, als durch die Eheschließung die Klägerin in die formelle Position einer Witwe im Sinne des § 46 SGB VI gekommen ist. Dies spricht auch unter Berücksichtigung des gesamten Vorbringens der Klägerin zur Überzeugung des Senats schließlich dafür, dass bei der Klägerin und dem Versicherten tragendes Motiv für die Heirat der Gedanke an die Versorgung der Klägerin war.

Da somit die gesetzliche Vermutung des Vorliegens einer sogenannten Versorgungsehe nicht widerlegt ist, hat die Beklagte zu Recht die Gewährung von Hinterbliebenenrente abgelehnt. Das angefochtene Urteil ist nicht zu beanstanden. Deshalb weist der Senat die Berufung zurück. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved