L 9 U 6107/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 10 U 170/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 6107/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 20. November 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Anerkennung und Entschädigung eines Morbus Wegener wie eine Berufskrankheit (BK) gem. § 9 Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) VII.

Der 1922 geborene Kläger war nach seinen Angaben bis 1949 als Stellwerksmeister/Fahrdienstleiter bei der Deutschen Reichsbahn in der ehemaligen DDR und danach als Bauarbeiter beschäftigt. Nach Verlassen der ehemaligen DDR und Umschulung zum Mosaik-Platten-Fliesenleger arbeitete er zunächst als Fliesenlegergeselle und nach Ablegung der Meisterprüfung von Mai 1958 bis Januar 1982 als selbstständiger Platten- und Fliesenleger. Auf diese Berufstätigkeit führt er zahlreiche Erkrankungen zurück, weswegen eine Vielzahl von Verwaltungs- und Gerichtsverfahren anhängig war.

Unter Vorlage einer Bescheinigung der V. Medizinischen Klinik des Klinikums M. vom 15.6.2004 (Diagnosen: generalisierter Morbus Wegener mit Multiorganbeteiligung u. a. der Nieren, des HNO-Bereiches sowie des peripheren Nervensystems) beantragte der Kläger mit Schreiben vom 21.6.2004 die Durchführung eines Feststellungsverfahrens wegen eines Morbus Wegener und die Erteilung eines rechtsmittelfähigen Bescheides.

Die Beklagte holte eine Auskunft beim Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften ein, der unter dem 19.7.2004 mitteilte, gesicherte epidemiologische Erkenntnisse im Sinne des § 9 Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) VII zur Überhäufung der Granulomatose bzw. Glomerulonephritis in der gegenüber Lösemittel (hoch-) exponierten Personengruppe seien ihm nicht bekannt. Dr. Frank, Arzt für Arbeits- und Sozialmedizin, führte in der Stellungnahme vom 27.7.2004 aus, es bestehe in der Literatur kein Hinweis, dass ein Morbus Wegener (Wegener`sche Granulomatose) eine berufliche Ursache haben könne. Dipl. Ing. S., Beratender Ingenieur für Berufskrankheiten/Prävention, gelangte in einer Abschätzung der Lösemittelexposition des Klägers nach Aktenlage vom 6.10.2004 zum Ergebnis, der Kläger habe als typischer Fliesenleger gearbeitet. Mit hoher Wahrscheinlichkeit habe er in der überwiegenden Zeit Fliesen/Platten im Mörtelbett verlegt und gegebenenfalls im Vorfeld Abbrucharbeiten durchgeführt. Anfang der 70er Jahre sei die Klebetechnik aufgekommen, wobei aus Kostengründen der zementgebundene Kleber bevorzugt worden sei. Kunstharzdispersionskleber seien im industriellen Bereich und bei gewissen Untergründen verwandt worden. Beide Kleber seien lösungsmittelfrei gewesen. Beim Einsatz von Kunstharzklebern hätten Werkzeuge mit Lösungsmittel gereinigt werden müssen, was zeitlich von untergeordneter Bedeutung gewesen sei. Insgesamt schätzte er die Lösemittelexposition des Klägers in der Zeit von 1950 bis 1982 als gering ein. In einer anschließenden Stellungnahme vom 17.11.2004 führte Dr. F. aus, die Genese der Wegener`schen Granulomatose sei nach wie vor unklar. Neuere epidemiologische Studien, die einen beruflichen Kontext aufzeigen könnten, seien ihm unter Kenntnis der einschlägigen arbeitsmedizinischen Literatur nicht bekannt. Die Ursache des nekrotisierenden Gefäßuntergangs bei der Wegener`schen Granulomatose sei ebenfalls nicht bekannt. Eine berufliche Ursache der Erkrankung sei nicht gesichert und werde in den Standardwerken der Arbeitsmedizin auch nicht diskutiert. Im Hinblick auf das Ende der Berufstätigkeit im Jahr 1982 und den späten Diagnosezeitpunkt der Wegener´schen Granulomatose sei jede Beziehung des Morbus Wegener zur beruflichen Exposition spekulativ.

Nach Anhörung des Staatlichen Gewerbearztes lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12.1.2005 die Anerkennung der Erkrankung an Morbus Wegener als BK sowie die Anerkennung "wie" eine BK gem. § 9 Abs. 2 SGB VII ab. Die Voraussetzungen für eine Anerkennung "wie" eine BK lägen nicht vor, weil keine neuen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft vorlägen, dass bestimmte Personengruppen (hier: Fliesenleger) durch besondere Einwirkungen (Lösungsmittel) bei ihrer Arbeit in erheblich höherem Maß als die übrige Bevölkerung an der Krankheit Morbus Wegener erkrankten. Darüber hinaus sei der Ursachenzusammenhang zwischen der beruflichen Lösungsmittelinhalation und der Erkrankung an Morbus Wegener deswegen nicht wahrscheinlich, weil Erkrankungen durch Lösungsmittel in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der Inhalation der Lösungsmittel aufträten. Der Kläger habe seine Tätigkeit mit Ablauf des Jahres 1982 aufgegeben, während seine Erkrankung an Morbus Wegener erstmals 2003 diagnostiziert worden sei.

Hiergegen legte der Kläger am 18.1.2005 Widerspruch ein und trug vor, die Berufskrankheitenverordnung (BKV) sei veraltet. Er habe seine Tätigkeit nicht 1982, sondern 6 ½ Jahre danach aufgegeben, wie sich aus den Unterlagen der Landesversicherungsanstalt (Berufsunfähigkeit) ergebe. Erkrankungen an Morbus Wegener hätten eine Inkubationszeit von 20 bis 30 Jahren. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.2.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Bereits am 19.1.2005 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben, mit der er die Entschädigung des Morbus Wegener wie eine BK gem. § 9 Abs. 2 SGB VII begehrte. Zur Begründung hat er vorgetragen, der Erkenntnisstand der BKV sei aus medizinischer und chemisch-wissenschaftlicher Sicht um ca. 50 Jahre überholt. Er habe im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit in erheblichem Umfang mit Lösungsmitteln und darüber hinaus auch mit anderen Chemikalien gearbeitet. Es solle ein Obergutachten beim Institut für Präventions- und Sozialmedizin der Universität Bremen eingeholt werden.

In dem auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingeholten Gutachten vom 24.7.2006 hat Professor Dr. F.-B. ausgeführt, der Morbus Wegener sei nicht nur eine seltene Krankheit, sondern in Form einer entzündlichen Reaktion der Blutgefäße (Vaskulitis) eine systemische Störung des gesamten Organismus. Die Geschlechterverteilung sei annähernd gleich, und es gebe kein bevorzugtes Alter, in dem sie auftrete, woraus auch Unsicherheiten bezüglich der Ursache resultierten. Weil bereits verhältnismäßig junge Erkrankungsfälle vorkämen, liege der Verdacht nahe, dass eine unmittelbar einwirkende Ursache auch ohne lange Latenzzeit bzw. ohne kumulierende Effekte von niedrig dosierten Schadstoffen, die verantwortlich gemacht würden, zur Manifestation und Diagnose führten, wenn entsprechende Spitzenwerte auf einen empfänglichen Organismus einwirkten. Wegen der Seltenheit des Auftretens seien kontrollierte Studien zur Ursache und Wahrscheinlichkeit des beruflichen Hintergrundes schwierig. Bis zum Vorliegen einer Untersuchung über eine präventiv betreute Fliesenlegerkohorte lägen praktisch keine Anhaltspunkte für eine Risikobewertung vor. Laut Harrion`s Principles of Internal Medicine (2005) erkrankten 80% der Patienten mit einer Wegener`schen Granulomatose im Laufe der Jahre an einer Nierenkomplikation, was einerseits darauf hinweise, dass die Krankheit viele Jahre früher beginnen könne und andererseits ein großer Anteil der Nierenkranken auf umweltbedingte Schädigungen zurückzuführen sei. Neue medizinische Erkenntnisse lägen vor. Wegen der Seltenheit der Wegener`schen Granulomatose sei die Zahl der medizinischen Sachverständigen beschränkt, die auf diesem Gebiet über besondere Erfahrungen verfügten. Sowohl internationale Lehr- und Textbücher als auch die in Deutschland gegründete Nierenstiftung hätten der Vaskulitis eigens geschaffene Foren gewidmet, die hinsichtlich der Frage der umweltbezogenen auslösenden Faktoren klare Aussagen machten. Danach seien chlorierte Kohlenwasserstoffe und andere Lösungsmittel "sehr wahrscheinlich" ein wichtiger Umweltfaktor. Der stark regulationsschädigenden Wirkung der Lösungsmittel werde eine enthemmende Wirkung auf die Autoimmun-Aktivität körpereigener Zellen auf eigenes Gewebe zugeschrieben. Im Hinblick auf die hohe Risikorate für chronische Nierenkrankheiten nach Lösungsmittelexposition und einer Abschätzung des bis zu fast 6-fachen Risikos für eine Vaskulitis bei empfänglichen Personen sei eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von mindestens 90 % gegeben. Als Beginn des irreversiblen Verlaufs nehme er das Jahr 1994 an, mit Einsetzen deutlicher Hauptsymptome.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat am 15.1.2007 mitgeteilt, die Fragestellung der Verursachung eines Morbus Wegener durch eine Tätigkeit als Fliesenleger sei bisher nicht geprüft worden; eine Prüfung sei auch nicht beabsichtigt. Insoweit lägen keine entsprechenden medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse im Sinne von § 9 SGB VII vor. Es könne nicht beurteilen, ob gegebenenfalls fehlende epidemiologische Erkenntnisse nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) durch andere wissenschaftliche Erkenntnisse ersetzt werden könnten.

Mit Urteil vom 20.11.2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, in der Anlage zur BKV sei die Wegener`sche Granulomatose nicht aufgeführt. Das Krankheitsbild lasse sich auch nicht einer der aufgeführten Erkrankungen zuordnen, insbesondere auch nicht einem der Krankheitsbilder der Ziffern 1301 bis 1317 der Anlage zur BKV. Die Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 SGB VII seien ebenfalls nicht erfüllt. Auch wenn man davon ausgehe, dass es sich bei der beim Kläger festgestellten Krankheit tatsächlich um eine Wegener`sche Granulomatose handele - fraglich nach dem Bericht der Klinik für Dermatologie des Klinikum M.vom 25.11.07 (gemeint: vom 25.1.07) - und davon, dass der Kläger in erheblichem Umfang im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit Lösungsmitteln ausgesetzt gewesen sei, so ändere dies nichts daran, dass nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft ein Zusammenhang zwischen der Wegener`schen Granulomatose und einer Berufstätigkeit als Fliesenleger bzw. beruflicher Exposition nicht bekannt sei. Bestimmte Auslöser seien nicht bekannt und hinsichtlich der Entstehung sei man auf Vermutungen angewiesen. In den meisten Fällen sei ein vorausgehender bakterieller Infekt nachweisbar, möglicherweise lösten Teile des Erregers die spätere immunologische Entwicklung im Bereich der Gefäßwände aus. Auch das Gutachten von Prof. Dr. F.-B. erbringe keine Anhaltspunkte für eine berufliche Verursachung. Er argumentiere damit, dass die Erkrankung so selten sei, dass praktisch keine Anhaltspunkte für eine Risikobewertung vorlägen. Das Auftreten eines Krankheitsfalles bei einer verhältnismäßig kleinen Zahl beruflich Exponierter sei als reines Zufallereignis eher unwahrscheinlich. Dies spreche aus seiner Sicht dafür, dass die Erkrankung beruflich bedingt sei. Diese Einzelmeinung von Prof. Dr. F.-B. ersetze nicht den zur Anerkennung gem. § 9 Abs. 2 SGB VII erforderlichen allgemeinen medizinisch-wissenschaftlichen Kenntnisstand und sei für das SG auch nicht nachvollziehbar. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

Gegen das am 10.12.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24.12.2007 Berufung eingelegt und vorgetragen, trotz des eindeutigen Gutachtens von Prof. Dr. F.-B. (MdE 90 vH ab 1979) sei die Klage nach kurzer Verhandlungsdauer (40 Minuten) abgewiesen worden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 20. November 2007 sowie dem Bescheid der Beklagten vom 12. Januar 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Februar 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, bei ihm ein Morbus Wegener wie eine Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erwidert, die Begründung des Klägers vermöge sie nicht nachzuvollziehen. Sie halte die Urteilsbegründung des SG für überzeugend.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf Anerkennung eines Morbus Wegener wie eine BK hat.

Gem. § 9 Abs. 2 SGB VII haben die Unfallversicherungsträger eine Krankheit, die nicht in der Berufskrankheitenverordnung (BKV) bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach Abs. 1 Satz 2 erfüllt sind.

Zutreffend hat das SG darauf hingewiesen, dass die Vorschrift nicht dazu dient, bei fehlender so genannter Berufskrankheitenreife (BK-reife) eine im Einzelfall durch die versicherte Tätigkeit verursachte Krankheit zu entschädigen, etwa zum Ausgleich einer individuellen Härte. Nach den vom BSG in ständiger Rechtsprechung hervorgehobenen Bewertungsgrundsätzen müssen der ursächliche Zusammenhang der Krankheit mit der versicherten Tätigkeit wahrscheinlich und die Zugehörigkeit des Versicherten zu einer bestimmten Personengruppe, die durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt ist, die nach den neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft Krankheiten der betreffenden Art verursachen, nachweisbar sein. Mit der oben genannten Regelung soll nicht in der Art einer "Generalklausel" erreicht werden, dass jede Krankheit, deren ursächlicher Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit im Einzelfall zumindest hinreichend wahrscheinlich ist, wie eine BK zu entschädigen ist. Vielmehr sollen dadurch Krankheiten zur Entschädigung gelangen, die nur deshalb nicht in die BK-Liste aufgenommen wurden, weil die Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft über die besondere Gefährdung bestimmter Personengruppen durch ihre Arbeit bei der letzten Fassung der Anlage zur BKV noch nicht vorhanden waren oder trotz Nachprüfung noch nicht ausreichten (BSG, Urt. vom 4.6.2002 - B 2 U 16/01 B - m. w. N.). Nicht ausreichend ist, dass überhaupt neue wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, sondern es muss sich hinsichtlich der neuen Erkenntnisse eine herrschende Meinung im einschlägigen medizinischen Fachgebiet bereits gebildet haben (BSG a. a. O.). Solche Erkenntnisse liegen in der Regel dann vor, wenn die Mehrheit der medizinischen Sachverständigen, die auf den jeweils in Betracht kommenden Gebieten über besondere Erfahrungen und Kenntnisse verfügen, zu derselben wissenschaftlich fundierten Meinung gelangt ist. Es muss sich um gesicherte Erkenntnisse handeln; nicht erforderlich ist, dass diese Erkenntnisse die einhellige Meinung aller Mediziner sind. Andererseits reichen vereinzelte Meinungen einiger Sachverständiger grundsätzlich nicht aus (BSG, Urt. vom 4.6.2002 - B 2 U 20/01 R m. w. N.). Neu in diesem Sinne sind die Erkenntnisse, wenn sie bei der letzten Änderung der BKV noch nicht berücksichtigt sind. Das ist der Fall, wenn die Erkenntnisse erst nach dem Erlass der letzten Änderung der BKV gewonnen worden oder zu diesem Zeitpunkt im Ansatz vorhanden waren, sich aber erst danach zur BK-Reife verdichtet haben bzw. wenn die Erkenntnisse dem Verordnungsgeber entgangen sind und er deshalb eine Änderung der BKV überhaupt nicht erwogen hat.

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Kläger keinen Anspruch auf Anerkennung eines Morbus Wegener wie eine BK. Eine herrschende medizinische Meinung dahingehend, dass die Tätigkeit als Fliesenleger bzw. berufliche Tätigkeiten, bei denen Kontakt zu den Stoffen besteht, mit denen Fliesenleger zu tun haben, ursächlich für einen Morbus Wegener sind, existiert nicht. Vielmehr werden in der medizinischen Literatur die Ursachen und Auslösefaktoren für diese systemische entzündliche Gefäßerkrankung als unbekannt angesehen (vgl. Rheumatologie, Hrsg. Hans-Jürgen Hettenkofer, 5. Aufl. 2003 S. 139; Innere Medizin, Hrsg. Heiner Greten begr. v. Gotthard Schettler, 11. Aufl. 2002; Innere Medizin, MLP, Duale Reihe, Sonderausgabe, Reihenhrsg. Alexander und Konstantin Bob, 2001, Merkblatt Rheuma: Die Wegener`sche Granulomatose und verwandte entzündliche Gefäßerkrankungen, 2. Auflage, herausgegeben von Deutsche Rheuma-Liga Bundesverband e.V.). Sie kann in jedem Lebensalter auftreten und betrifft Frauen und Männer fast gleich häufig. Bestimmte Auslöser sind nicht bekannt. Teilweise werden eine genetische Disposition bzw. mikrobielle Antigene als Induktoren einer chronischen Entzündungsreaktion der Gefäßwände vermutet.

Das Gutachten von Prof. Dr. F.-B. ist unter Berücksichtigung der oben genannten Bewertungsgrundsätzen nicht geeignet, den Anspruch des Klägers zu stützen. So räumt der Sachverständige im Gutachten vom 24.7.2006 selbst ein, dass - mangels Vorliegen von Untersuchungen bei Fliesenlegerkohorten - keine Anhaltspunkte für eine Risikobewertung der Tätigkeit eines Fliesenlegers für eine Erkrankung an Morbus Wegener vorliegen. Kontrollierte Studien zur Frage der Ursache und der Wahrscheinlichkeit der Verursachung durch die berufliche Tätigkeit seien wegen der Seltenheit der Erkrankung schwierig. Angesichts dessen scheitert die Anerkennung bzw. Feststellung eines Morbus Wegener als Quasi-BK schon daran, dass eine herrschende Meinung im einschlägigen medizinischen Fachgebiet zu einem Zusammenhang zwischen Morbus Wegener und einer Tätigkeit als Fliesenleger nicht besteht. Die Vermutung von Prof. Dr. F.-B., dass die Erkrankung des Klägers - eines Fliesenlegers - an einem Morbus Wegener nicht purer Zufall sein könne, sondern auf schädigende Einwirkungen seiner Berufstätigkeit zurückzuführen sein müsse, ist reine Spekulation. Sein Hinweis darauf, dass 80 % der Patienten mit Morbus Wegener im Lauf der Jahre an einer Nierenkomplikation erkranken und der Rückgriff auf Untersuchungen zur Zusammenhangsfrage von chronischen Nierenerkrankungen und der Exposition gegenüber organischen Chemikalien in Umwelt und Betrieb, wonach unter den Patienten mit Nierenschädigung über die Hälfte beruflich exponierte Arbeiter gewesen seien und von den Kontrollpersonen nur ein Viertel, kann einen wahrscheinlichen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Morbus Wegener und der - unterstellten - Exposition gegenüber organischen Chemikalien nicht belegen, wenn Prof. Dr. F.-B. gleichzeitig darlegt, dass in den meisten einschlägigen Studien die Fälle mit Morbus Wegener diagnostisch nicht abgegrenzt worden seien. Die angeblich klaren Aussagen zur Frage der umweltbezogenen auslösenden Faktoren der Vasculitis in internationalen Lehr- und Textbücher und in den Foren der in Deutschland gegründete Nierenstiftung hat der Sachverständige nicht nachvollziehbar belegt.

Nach alledem waren die angefochtenen Bescheide der Beklagten und das Urteil des SG nicht zu beanstanden. Die Berufung des Klägers musste deswegen zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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