Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 4 KR 97/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 73/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 12. Oktober 2005 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers auch in der Berufungsinstanz.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand für die Aufnahme als freiwillig versichertes Mitglied der Beklagten zu gewähren ist.
Der 1974 geborene Kläger leidet unter einer Psychose des schizophrenen Formenkreises mit Polytoxikomanie und steht gemäß Beschluss des Amtsgerichts S. vom 16.09.2003 für alle Aufgabenkreise unter Betreuung.
Eine Beschäftigung, wegen welcher der Kläger pflichtversichertes Mitglied der Beklagten war, endete zum 15.01.2003. Am 29.08.2003 wurde er wegen seiner psychischen Erkrankungen vollstationär in das Bezirksklinikum R. aufgenommen. Unter Bezugnahme auf ein Attest dieser Einrichtung, wonach sich der Kläger krankheitsbedingt jedenfalls seit Januar 2003 nicht mehr habe um seine Krankenversicherung kümmern können, beantragte der Bezirk Niederbayern - Sozialhilfeverwaltung - als Kostenträger am 08.09.2003 bei der Beklagten formlos, den Kläger freiwillig weiter zu versichern. Telefonisch wies die Beklagte am 16.09.2003 darauf hin, dass der Kläger mehrfach schriftlich auf die Möglichkeit der freiwilligen Versicherung hingewiesen worden sei, sich darauf jedoch nicht gemeldet habe und auch telefonisch nicht zu erreichen gewesen sei. Hierauf wies der Bezirk die Betreuerin des Klägers mit Telefax vom 20.10.2003 hin, welche am gleichen Tag unter Hinweis auf die attestierte Geschäftsunfähigkeit des Kläger Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Beantragung der freiwilligen Weiterversicherung begehrte. Mit Bescheid vom 23.12.2003/Widerspruchsbescheid vom 07.04.2004 lehnte die Beklagte dies ab mit der Begründung, die freiwillige Versicherung habe nur innerhalb einer dreimonatigen Frist beantragt werden können, diese sei jedoch versäumt worden.
Im Laufe des anschließenden Klageverfahrens vor dem Sozialgericht Landshut hat der Kläger eine neue Beschäftigung aufgenommen und ist seither wieder pflichtversichertes Mitglied der Beklagten. Mit Urteil vom 12.10.2005 hat das Sozialgericht die Beklagte zur freiwilligen Versicherung des Klägers ab dem 16.01.2003 verpflichtet. Der Kläger sei wegen der schizophrenen Erkrankung mit Polytoxikomanie unverschuldet nicht in der Lage gewesen, nach Ende der Pflichtmitgliedschaft zum 15.01.2003 innerhalb der dreimonatigen Frist die Weiterversicherung als freiwilliges Mitglied zu beantragen. Das krankheitsbedingte Hindernis sei mit der Betreuung durch Beschluss des Amtsgerichts S. vom 16.09.2003 weggefallen, so dass der Antrag des Bezirks Niederbayern auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Folge der freiwilligen Versicherung rechtzeitig gestellt sei. Sollte die Kenntnis der bestellten Betreuerin maßgeblich sein, so müsse auch insoweit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden, weil diese am 20.10.2003 vom krankenversicherungsrechtlich relevanten Sachverhalt Kenntnis erlangt und noch am gleichen Tag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und Aufnahme in die freiwillige Krankenversicherung beantragt habe.
Die dagegen eingelegte Berufung hat die Beklagte damit begründet, zwar sei der Kläger krankheitsbedingt ohne Verschulden ab Januar 2003 nicht mehr in der Lage gewesen, seine Angelegenheiten zu besorgen und auch fristgerecht die Aufnahme in die freiwillige Krankenversicherung zu beantragen. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand könne gleichwohl nicht gewährt werden, weil der entsprechende Antrag nicht rechtzeitig gestellt worden sei. Der Bezirk sei als Träger der Sozialhilfe nicht berechtigt gewesen, selbständig sozialrechtliche Ansprüche des Klägers geltend zu machen. Maßgeblich sei somit die Kenntnis bzw. das Kennenmüssen der Betreuerin. Diese habe mit dem Beschluss des Amtsgerichts S. Kenntnis von der fehlenden Geschäftsfähigkeit des Klägers gehabt. Sofern nicht bereits dies und die Aufnahme ins Bezirksklinikum ausreichender Hinweis auf eine fehlende Krankenversicherung gewesen sein sollte, wäre die Betreuerin jedenfalls konkret veranlasst gewesen, die krankenversicherungsrechtliche Absicherung des Klägers abzuklären und sicherzustellen. Dies sei nicht erfolgt, so dass wegen schuldhaften Versäumens der Wiedereinsetzungsfrist von zwei Wochen eine freiwillige Versicherung nicht zu gewähren sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 12.10.2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Verwaltungsakten des Bezirks Niederbayern. Darauf sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), aber unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht den streitgegenständlichen Bescheid vom 23.12.2003/Widerspruchsbescheid vom 07.04.2004 im angefochtenen Urteil vom 12.10.2005 aufgehoben und nach Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die Beklagte zur freiwilligen Krankenversicherung des Klägers ab dem 16.01.2003 verurteilt.
In Würdigung der vorhandenen ärztlichen Dokumentation ist der Senat - ebenso wie mittlerweile die Beklagte - davon überzeugt, dass der Kläger krankheitsbedingt nach Ende der Pflichtversicherung zum 15.01.2003 nicht in der Lage war, seine Angelegenheiten zu besorgen und insbesondere innerhalb der dreimonatigen Frist einen Antrag auf freiwillige Weiterversicherung nach § 9 Abs.1 Nr.1, Abs.2 SGB V zu stellen. Der Senat teilt die Auffassung der Beklagten, dass der Bezirk als Träger der Sozialhilfe einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht wirksam stellen konnte. Maßgeblich ist deshalb, ob der Antrag auf freiwillige Weiterversicherung von der mit Beschluss des Amtsgerichts S. vom 16.09.2003 bestellten Betreuerin am 20.10.2003 innerhalb der gemäß § 27 Abs.2 SGB X geltenden zweiwöchigen Frist gestellt worden ist.
Aus den beigezogenen Unterlagen ergibt sich, dass die Betreuerin der Klägers positive Kenntnis vom fehlenden Krankenversicherungsschutz und von der Möglichkeit, freiwillige Krankenversicherung zu beantragen, erst am 20.10.2003 erhalten hat. An diesem Tag hat der Bezirk Niederbayern der Betreuerin den relevanten Sachverhalt in den wesentlichen Punkten mitgeteilt. Noch am gleichen Tag hat die Betreuerin die freiwillige Weiterversicherung des Klägers und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Fristversäumnis ohne Verschulden beantragt. Dieser Antrag ist rechtzeitig erfolgt, so dass die Beklagte den Kläger ab 16.01.2003 als freiwilliges Mitglied krankenversichern muss. Denn es ist nicht erkennbar, dass die Betreuerin als maßgebliche Person vor diesem Zeitpunkt Kenntnis von der fehlenden Krankenversicherung und der Möglichkeit der freiwilligen Versicherung genommen hatte.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist es auch nicht als schuldhaftes Versäumen anzusehen, dass die Betreuerin ab dem Zeitpunkt ihrer Bestellung sich nicht binnen zweier Wochen Kenntnis verschafft hat über die Situation der Krankenversicherung des Klägers und die eventuellen Möglichkeiten der freiwilligen Versicherung. Aufgabe der Betreuung in allen Angelegenheiten ist es, sämtliche Rechtsgeschäfte vorzunehmen, die der Betreute wegen fehlender Geschäftsfähigkeit nicht tätigen kann. Hierzu zählt es, die lebensnotwendigen Grundlagen der Existenz zu sichern, für Wohnraum und Ernährung Sorge zu tragen sowie drohenden Schaden abzuwenden. Im Falle des Klägers war festzustellen, dass gegen diesen Ermittlungsverfahren wegen schuldhafter Straftaten eingeleitet waren, er eine Wohnung verloren hatte, sein Schriftverkehr unerledigt war und sein Krankheitszustand akuter Versorgung bedurfte. In dieser Situation war die Betreuerin berechtigt und verpflichtet, Prioritäten zu setzen und die vordringlichen Angelegenheiten entsprechend ihrem Gewicht auch vordringlich zu behandeln. Hierzu zählen die Aufklärung über und die Abwendung von Strafverfahren sowie die Sicherung von Wohnraum, um eine allzulange oder dauerhafte Unterbringung zu vermeiden. Insoweit durfte sich die Betreuerin zunächst darauf verlassen, dass der Kläger stationär untergebracht, betreut und verpflegt war bei gesicherter Kostenträgerschaft des Bezirks. Es kann ihr bei dieser Gesamtsituation der Vorwurf, sie habe sich schuldhaft nicht um die Sicherstellung der Krankenversicherung gekümmert, nicht gemacht werden. Selbst wenn die Sicherung des Krankenversicherungsschutzes - gleichsam zur Kostenentlastung des Sozialhilfeträgers - zu den Aufgaben einer Betreuung zählt, muss insoweit ein zeitlicher Spielraum zugestanden werden. Dieser ist vorliegend jedenfalls dadurch, dass das Ende der Pflichtversicherung mit der Beschäftigung zum 15.01.2003 ebenso wie der Ablauf der dreimonatigen Antragsfrist zur freiwilligen Weiterversicherung feststand, nicht mit wenigen Tagen anzusetzen. In Anbetracht der Antragstellung am 20.10.2003 und der Rückwirkung der zweiwöchigen Wiedereinsetzungsfrist auf den 06.10.2003 kann ein schuldhaftes Versäumen der Wiedereinsetzungsfrist nicht angenommen werden. Andernfalls würde der Betreuerin im vorliegenden Falle eine lediglich dreiwöchige Überlegungs- und Ermittlungsfrist zugestanden, welche in Anbetracht der oben angeführten vordringlichen Angelegenheiten des Klägers jedenfalls zu kurz wäre.
Auf Antrag der Betreuerin vom 20.10.2003 ist deshalb Wiedereinsetzung gemäß § 20 Abs.1 SGB X in die ohne Verschulden versäumte Antragsfrist gemäß § 9 Satz 2 SGB V zu gewähren und die Beklagte zur freiwilligen Weiterversicherung des Klägers ab 16.01.2003 verpflichtet.
Die Berufung der Beklagten bleibt somit in vollem Umfange ohne Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe zur Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich, § 160 SGG.
II. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers auch in der Berufungsinstanz.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand für die Aufnahme als freiwillig versichertes Mitglied der Beklagten zu gewähren ist.
Der 1974 geborene Kläger leidet unter einer Psychose des schizophrenen Formenkreises mit Polytoxikomanie und steht gemäß Beschluss des Amtsgerichts S. vom 16.09.2003 für alle Aufgabenkreise unter Betreuung.
Eine Beschäftigung, wegen welcher der Kläger pflichtversichertes Mitglied der Beklagten war, endete zum 15.01.2003. Am 29.08.2003 wurde er wegen seiner psychischen Erkrankungen vollstationär in das Bezirksklinikum R. aufgenommen. Unter Bezugnahme auf ein Attest dieser Einrichtung, wonach sich der Kläger krankheitsbedingt jedenfalls seit Januar 2003 nicht mehr habe um seine Krankenversicherung kümmern können, beantragte der Bezirk Niederbayern - Sozialhilfeverwaltung - als Kostenträger am 08.09.2003 bei der Beklagten formlos, den Kläger freiwillig weiter zu versichern. Telefonisch wies die Beklagte am 16.09.2003 darauf hin, dass der Kläger mehrfach schriftlich auf die Möglichkeit der freiwilligen Versicherung hingewiesen worden sei, sich darauf jedoch nicht gemeldet habe und auch telefonisch nicht zu erreichen gewesen sei. Hierauf wies der Bezirk die Betreuerin des Klägers mit Telefax vom 20.10.2003 hin, welche am gleichen Tag unter Hinweis auf die attestierte Geschäftsunfähigkeit des Kläger Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Beantragung der freiwilligen Weiterversicherung begehrte. Mit Bescheid vom 23.12.2003/Widerspruchsbescheid vom 07.04.2004 lehnte die Beklagte dies ab mit der Begründung, die freiwillige Versicherung habe nur innerhalb einer dreimonatigen Frist beantragt werden können, diese sei jedoch versäumt worden.
Im Laufe des anschließenden Klageverfahrens vor dem Sozialgericht Landshut hat der Kläger eine neue Beschäftigung aufgenommen und ist seither wieder pflichtversichertes Mitglied der Beklagten. Mit Urteil vom 12.10.2005 hat das Sozialgericht die Beklagte zur freiwilligen Versicherung des Klägers ab dem 16.01.2003 verpflichtet. Der Kläger sei wegen der schizophrenen Erkrankung mit Polytoxikomanie unverschuldet nicht in der Lage gewesen, nach Ende der Pflichtmitgliedschaft zum 15.01.2003 innerhalb der dreimonatigen Frist die Weiterversicherung als freiwilliges Mitglied zu beantragen. Das krankheitsbedingte Hindernis sei mit der Betreuung durch Beschluss des Amtsgerichts S. vom 16.09.2003 weggefallen, so dass der Antrag des Bezirks Niederbayern auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Folge der freiwilligen Versicherung rechtzeitig gestellt sei. Sollte die Kenntnis der bestellten Betreuerin maßgeblich sein, so müsse auch insoweit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden, weil diese am 20.10.2003 vom krankenversicherungsrechtlich relevanten Sachverhalt Kenntnis erlangt und noch am gleichen Tag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und Aufnahme in die freiwillige Krankenversicherung beantragt habe.
Die dagegen eingelegte Berufung hat die Beklagte damit begründet, zwar sei der Kläger krankheitsbedingt ohne Verschulden ab Januar 2003 nicht mehr in der Lage gewesen, seine Angelegenheiten zu besorgen und auch fristgerecht die Aufnahme in die freiwillige Krankenversicherung zu beantragen. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand könne gleichwohl nicht gewährt werden, weil der entsprechende Antrag nicht rechtzeitig gestellt worden sei. Der Bezirk sei als Träger der Sozialhilfe nicht berechtigt gewesen, selbständig sozialrechtliche Ansprüche des Klägers geltend zu machen. Maßgeblich sei somit die Kenntnis bzw. das Kennenmüssen der Betreuerin. Diese habe mit dem Beschluss des Amtsgerichts S. Kenntnis von der fehlenden Geschäftsfähigkeit des Klägers gehabt. Sofern nicht bereits dies und die Aufnahme ins Bezirksklinikum ausreichender Hinweis auf eine fehlende Krankenversicherung gewesen sein sollte, wäre die Betreuerin jedenfalls konkret veranlasst gewesen, die krankenversicherungsrechtliche Absicherung des Klägers abzuklären und sicherzustellen. Dies sei nicht erfolgt, so dass wegen schuldhaften Versäumens der Wiedereinsetzungsfrist von zwei Wochen eine freiwillige Versicherung nicht zu gewähren sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 12.10.2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Verwaltungsakten des Bezirks Niederbayern. Darauf sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), aber unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht den streitgegenständlichen Bescheid vom 23.12.2003/Widerspruchsbescheid vom 07.04.2004 im angefochtenen Urteil vom 12.10.2005 aufgehoben und nach Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die Beklagte zur freiwilligen Krankenversicherung des Klägers ab dem 16.01.2003 verurteilt.
In Würdigung der vorhandenen ärztlichen Dokumentation ist der Senat - ebenso wie mittlerweile die Beklagte - davon überzeugt, dass der Kläger krankheitsbedingt nach Ende der Pflichtversicherung zum 15.01.2003 nicht in der Lage war, seine Angelegenheiten zu besorgen und insbesondere innerhalb der dreimonatigen Frist einen Antrag auf freiwillige Weiterversicherung nach § 9 Abs.1 Nr.1, Abs.2 SGB V zu stellen. Der Senat teilt die Auffassung der Beklagten, dass der Bezirk als Träger der Sozialhilfe einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht wirksam stellen konnte. Maßgeblich ist deshalb, ob der Antrag auf freiwillige Weiterversicherung von der mit Beschluss des Amtsgerichts S. vom 16.09.2003 bestellten Betreuerin am 20.10.2003 innerhalb der gemäß § 27 Abs.2 SGB X geltenden zweiwöchigen Frist gestellt worden ist.
Aus den beigezogenen Unterlagen ergibt sich, dass die Betreuerin der Klägers positive Kenntnis vom fehlenden Krankenversicherungsschutz und von der Möglichkeit, freiwillige Krankenversicherung zu beantragen, erst am 20.10.2003 erhalten hat. An diesem Tag hat der Bezirk Niederbayern der Betreuerin den relevanten Sachverhalt in den wesentlichen Punkten mitgeteilt. Noch am gleichen Tag hat die Betreuerin die freiwillige Weiterversicherung des Klägers und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Fristversäumnis ohne Verschulden beantragt. Dieser Antrag ist rechtzeitig erfolgt, so dass die Beklagte den Kläger ab 16.01.2003 als freiwilliges Mitglied krankenversichern muss. Denn es ist nicht erkennbar, dass die Betreuerin als maßgebliche Person vor diesem Zeitpunkt Kenntnis von der fehlenden Krankenversicherung und der Möglichkeit der freiwilligen Versicherung genommen hatte.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist es auch nicht als schuldhaftes Versäumen anzusehen, dass die Betreuerin ab dem Zeitpunkt ihrer Bestellung sich nicht binnen zweier Wochen Kenntnis verschafft hat über die Situation der Krankenversicherung des Klägers und die eventuellen Möglichkeiten der freiwilligen Versicherung. Aufgabe der Betreuung in allen Angelegenheiten ist es, sämtliche Rechtsgeschäfte vorzunehmen, die der Betreute wegen fehlender Geschäftsfähigkeit nicht tätigen kann. Hierzu zählt es, die lebensnotwendigen Grundlagen der Existenz zu sichern, für Wohnraum und Ernährung Sorge zu tragen sowie drohenden Schaden abzuwenden. Im Falle des Klägers war festzustellen, dass gegen diesen Ermittlungsverfahren wegen schuldhafter Straftaten eingeleitet waren, er eine Wohnung verloren hatte, sein Schriftverkehr unerledigt war und sein Krankheitszustand akuter Versorgung bedurfte. In dieser Situation war die Betreuerin berechtigt und verpflichtet, Prioritäten zu setzen und die vordringlichen Angelegenheiten entsprechend ihrem Gewicht auch vordringlich zu behandeln. Hierzu zählen die Aufklärung über und die Abwendung von Strafverfahren sowie die Sicherung von Wohnraum, um eine allzulange oder dauerhafte Unterbringung zu vermeiden. Insoweit durfte sich die Betreuerin zunächst darauf verlassen, dass der Kläger stationär untergebracht, betreut und verpflegt war bei gesicherter Kostenträgerschaft des Bezirks. Es kann ihr bei dieser Gesamtsituation der Vorwurf, sie habe sich schuldhaft nicht um die Sicherstellung der Krankenversicherung gekümmert, nicht gemacht werden. Selbst wenn die Sicherung des Krankenversicherungsschutzes - gleichsam zur Kostenentlastung des Sozialhilfeträgers - zu den Aufgaben einer Betreuung zählt, muss insoweit ein zeitlicher Spielraum zugestanden werden. Dieser ist vorliegend jedenfalls dadurch, dass das Ende der Pflichtversicherung mit der Beschäftigung zum 15.01.2003 ebenso wie der Ablauf der dreimonatigen Antragsfrist zur freiwilligen Weiterversicherung feststand, nicht mit wenigen Tagen anzusetzen. In Anbetracht der Antragstellung am 20.10.2003 und der Rückwirkung der zweiwöchigen Wiedereinsetzungsfrist auf den 06.10.2003 kann ein schuldhaftes Versäumen der Wiedereinsetzungsfrist nicht angenommen werden. Andernfalls würde der Betreuerin im vorliegenden Falle eine lediglich dreiwöchige Überlegungs- und Ermittlungsfrist zugestanden, welche in Anbetracht der oben angeführten vordringlichen Angelegenheiten des Klägers jedenfalls zu kurz wäre.
Auf Antrag der Betreuerin vom 20.10.2003 ist deshalb Wiedereinsetzung gemäß § 20 Abs.1 SGB X in die ohne Verschulden versäumte Antragsfrist gemäß § 9 Satz 2 SGB V zu gewähren und die Beklagte zur freiwilligen Weiterversicherung des Klägers ab 16.01.2003 verpflichtet.
Die Berufung der Beklagten bleibt somit in vollem Umfange ohne Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe zur Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich, § 160 SGG.
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