L 8 R 155/07

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 40 R 304/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 R 155/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 15.03.2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsrechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte der Klägerin eine Altersrente zu gewähren hat. Umstritten ist insbesondere, ob für die Zeit von September 1941 bis September 1943 Ghettobeitragszeiten zu Gunsten der Klägerin zu berücksichtigen sind.

Die Klägerin ist am 00.00.1922 als S B in T/Litauen als litauische Staatsangehörige geboren. Sie ist jüdischen Glaubens, lebt seit Januar 1949 in Israel und besitzt die israelische Staatsangehörigkeit. Sie ist als Verfolgte des Nationalsozialismus im Sinne des § 1 Abs. 1 Bundesentschädigungsgesetz (BEG) anerkannt und erhielt eine Entschädigung für Freiheitsentziehung für die Zeit vom 15.08.1941 bis 15.05.1944 (Teil-Vergleich vom 15.07.1954 in der Streitsache 4 Wi KE 837 des Landgerichts -LG- Darmstadt), vom 15.05.1944 bis 15.03.1945 (Urteil des LG Darmstadt vom 06.06.1955, Az. 4 Wi KE 837) und eine Entschädigung gem. §§ 43-49 BEG für einen weiteren vollen Monat (Vergleich vom 23.10.1957) sowie für Schaden an Körper und Gesundheit eine Rente (Festsetzungsbescheid vom 09.09.1964).

Im Entschädigungsverfahren gab die Klägerin durch ihren damaligen Bevollmächtigten an, dass sie von Juli 1941 bis Mai 1944 im Ghetto Schaulen gewesen sei. Sie sei gleich nach dem Einmarsch der Deutschen in Litauen gezwungen worden, Zwangsarbeit zu leisten. Die Arbeit habe im Dachdecken und Torfstechen bestanden. Sie sei die ganze Zeit zur Arbeit angetrieben worden. Falls sie nicht das vorgeschriebene Pensum geleistet habe, wäre sie in eines der Todeslager verschickt worden. Sie lebte unter dauernder Todesangst und unter ständiger Bedrohung und Schlägen.

Die Zeugin S P bestätigte am 06.11.1950 den Aufenthalt der Klägerin im Ghetto Schaulen von September 1941 bis Mai 1944. In einer weiteren Erklärung vom 25.05.1960 gab die Zeugin an:

" Mit diesem Judenstern gekennzeichnet, wurden wir auch in das Ghetto Schaulen im September 1941 eingewiesen. Zu Zwangsarbeiten wurden wir schon vor Errichtung des Ghetto Schaulen herangezogen, und zwar wurden wir hauptsächlich zu verschiedenen Reinigungs- und Aufräumungsarbeiten in den Straßen und in den deutschen Militärquartieren eingesetzt."

Die Klägerin gab am 29.10.1954 an, sie habe von August 1941 bis Mai 1944 im Ghetto Schaulen vorn und hinten einen gelben Stern tragen müssen und am Flugplatz bei der Firma S Werke Dachdeckerarbeiten verrichtet. Von und zur Arbeit sei sie unter militärischer Eskorte geführt worden. Im Mai 1944 sei sie ins KZ Stutthof transferiert worden.

In einer Erklärung vom 03.11.1954 bestätigte die Zeugin U (U) I den von der Klägerin angegebenen Ghettoaufenthalt und die von dieser verrichteten Arbeiten am Flugplatz.

Nach dem ärztlichen Gutachten vom 08.02.1962 von Dr. T sind sämtliche Angehörige der 19-jährigen Klägerin in das Ghetto Schaulen gepfercht worden. Die Klägerin habe trotz ihrer schwächlichen körperlichen Veranlagung schwere Zwangsarbeit leisten müssen, zumeist Torfstechen. Später habe sie als Dachdeckerin auf einem Flugplatz für die deutsche Armee gearbeitet. Der Arbeitstag sei lang und ermüdend gewesen, man sei täglich bei Wind und Wetter 4 km gegangen. Das ihr auferlegte Arbeitsmaß habe sie kaum erfüllen können und sie sei daher oft grausam und schmachvoll behandelt worden. Die Ernährung sei unzureichend und minderwertig gewesen. Sie habe kaum für einen Menschen ausgereicht, der keine schwere körperliche Zwangsarbeit zu verrichten hatte, habe Frau R. ausgeführt. Sie habe gefühlt, wie ihre körperliche Verfassung sich von Tag zu Tag verschlechtert habe. Gleich zu Anfang hätten sich Rücken-, Fuß- und Gelenkschmerzen bemerkbar gemacht. Von Ruhepausen während der anstrengenden und erschöpfenden Arbeit habe keine Rede sein können. Die engen Wohnräume seien stets voller Menschen gewesen, die selbst müde, aufgeregt und angsterfüllt gewesen seien. Über allen habe die Drohung geschwebt, vernichtet zu werden. Die Eltern der Klägerin seien während der Aktionen gefasst worden und seitdem verschollen. Die Atmosphäre, die damals um die junge Klägerin geherrscht habe, sei nach ihren Worten eine grauenerregende gewesen: "Ständiger Hunger bei minimalen hygienischen Lebensbedingungen, schwere Arbeit, unstillbare Schmerzen und Todesangst."

Die Klägerin erklärte am 19.09.1962, sie sei nach dem Einmarsch der Deutschen in Litauen gezwungen worden, Zwangsarbeit zu leisten. Die Arbeit habe im Dachdecken und Torfstechen bestanden. Sie sei die ganze Zeit zur Arbeit angetrieben worden. Falls sie nicht das vorgeschriebene Pensum geleistet hätte, wäre sie in ein Todeslager verschickt worden. Sie habe unter dauernder Todesangst unter ständigen Bedrohungen und Schlägen gelebt. 1943 sei sie in das KZ Stutthof gekommen.

In einer Erklärung vom 11.04.1963 gab die Klägerin an, sie habe von 1929 bis 1937 die hebräische Schule in Schaulen besucht. Vom Jahre 1937 an habe sie zwei Jahre die höhere Handelsschule besucht. Diese Ausbildung habe es ihr ermöglicht, zur Zeit der russischen Eroberung Litauens als anerkannte Buchhalterin zu arbeiten. Die Höhe ihres genauen Verdienstes sei ihr heute nach so vielen Jahren nicht mehr in Erinnerung. Sie habe damit jedoch, ihre Familie weiter in Ehre ernähren können, nachdem ihr Vater, seinen Rohlederhandel en gros nach dem sowjetischen Einmarsch verloren habe.

Am 28.02.2003 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Altersrente. In dem Fragebogen für die Anerkennung von Zeiten unter Berücksichtigung der Vorschriften des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) erklärte die Klägerin am 30.03.2004, sie habe im Ghetto Schaulen von September 1941 bis September 1943 gearbeitet. Die Arbeitsleistung sei außerhalb des Ghettos auf dem Flugplatz, in Wehrmachtslagerquartieren und in den Torfgruben Baciuniai erfolgt. Auf dem Weg von und zur Arbeit sei sie von litauischer Polizei bewacht worden. Der Arbeitseinsatz sei durch Vermittlung des Judenrates zustande gekommen. Sie habe auf dem Flugplatz Erd- und Bauarbeiten und in den Wehrmachtslagerquartieren Reinigungsarbeiten verrichtet. In den Torfgruben habe sie Torf gestochen. Sie habe täglich 10-12 Stunden gearbeitet. Die Arbeit sei mit "Ghettoentgelt: zusätzliche Lebensmittel, Bekleidung, Mittagssuppe + Brot am Arbeitsplatz, Rationen und Unterkunft im Ghetto" entlohnt worden. Barlohn habe sie nicht erhalten. Als Zeugen benannte sie Frau N H und Frau U C jeweils mit Anschrift.

In dem Antragsformular gab die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten an, dem deutschen Sprach- und Kulturkreis angehört zu haben. Sie habe Beiträge zur israelischen Nationalversicherung von 1954 bis 2001 entrichtet. Sie habe von 1939 bis 1941 in einem Kleinwarenladen in Schaulen als Buchhalterin in einer Vollzeitbeschäftigung gearbeitet. Sie habe ein Monatsgehalt erhalten, dessen Höhe ihr nicht erinnerlich sei. Es seien Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt worden. Von September 1941 bis September 1943 habe sie im Ghetto Schaulen als Arbeiterin auf dem Flugplatz, als Putzfrau in Wehrmachtslagerquartieren und als Arbeiterin in den Torfgruben Baciuniai jeweils in Vollzeitbeschäftigungen gearbeitet. Sie habe "Ghettoentgelt: zusätzliche Lebensmittel, Bekleidung, Mittagssuppe und Brot am Arbeitsplatz, Rationen und Unterkunft im Ghetto" erhalten. Die Frage nach der Zahlung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung beantwortete sie mit "fiktive B.".

Die Beklagte zog die die Klägerin betreffenden Entschädigungsakten bei und lehnte nach deren Auswertung den Rentenantrag der Klägerin mit Bescheid vom 06.01.2005 ab. Die geltend gemachten Beschäftigungen begründeten keine Ghetto-Beitragszeiten, da aus eigenem Willensentschluss zustande gekommene, gegen Entgelt ausgeübte Beschäftigungen, nicht glaubhaft seien. Die Angaben der Klägerin in den Entschädigungsverfahren deuteten eher auf unter Zwang verrichtete Arbeiten hin. Zwangsarbeiten würden vom ZRBG jedoch nicht erfasst.

Hiergegen richtete sich der bei der Beklagten am 18.03.2005 eingegangene Widerspruch der Klägerin. Zur Begründung machte sie geltend, sie habe sich sehr um einen Arbeitsplatz bemüht, da ein Arbeitsplatz zum einen vor der drohenden Deportation geschützt habe, zum anderen aber auch das Überleben der Arbeitnehmer und ihrer Familien gesichert habe. Dieses sei auch für sie Motivation genug gewesen, die ihr angebotenen, wenn auch körperlich sehr schweren Arbeitsmöglichkeiten anzunehmen. Die zusätzlich zum freien Unterhalt als Entlohnung erhaltenen zusätzlichen Lebensmittel hätten ihr zur freien Verfügung gestanden. Diese Zuwendungen seien über freien Unterhalt hinausgegangen. Im Übrigen sei ihre Arbeit als Ghettoarbeit in der Dokumentation "Siauliu getas: kaliniu sarasai - list of prisoners", Vilnius 2002, S. 537, belegt. Die entsprechende Fundstelle brachte die Klägerin bei. Hiervon ließ die Beklagte eine Übersetzung anfertigen. Danach ergeben sich folgende Informationen aus dem beigebrachten Schriftstück:

"Nr. 1793 Abramaviciute Rase, Verwandtschaftsgrad mit dem Familienoberhaupt: Schwester, Ausbildung: Grundschule, Benennung der Tätigkeit: Kohleschipperin, Korsettnäherin, Arbeitsstelle: Depot".

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.09.2005 zurück. Gegen eine aus freiem Willen aufgenommene entgeltliche Beschäftigung sprächen in erster Linie die Angaben der Klägerin im Entschädigungsverfahren. Danach sei davon auszugehen, dass sie mit einer konkreten Drohung zur Arbeit angehalten worden sei. Bei einer solchen sei nicht mehr von einem freiwilligen Beschäftigungsverhältnis auszugehen. Es sei zudem davon auszugehen, dass die Klägerin allenfalls mit Sachbezügen entlohnt worden sei, die gerade ausgereicht hätten, ihr Überleben zu sichern. Eine solche Entlohnung reiche jedoch nicht aus, um als Entgelt im Sinne des ZRBG anerkannt zu werden.

Mit ihrer am 16.12.2005 zum Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiter verfolgt. Ihre Erklärungen im Entschädigungsverfahren könnten ihr nicht entgegen gehalten werden. Aus dem Umstand, dass ihr gedroht worden sei, gehe nicht unweigerlich hervor, dass die Arbeitsaufnahme nicht aus freiem Willensentschluss erfolgt sei. Die Umstände im Ghetto seien derart gewesen, dass die Ausübung einer Beschäftigung aufgrund der Entlohnung und des zeitweilig vor Deportationen schützenden Arbeitsausweises einen derart hohen Stellenwert gehabt habe, dass man in Kauf genommen habe, sich bei der Arbeit Misshandlungen oder Drohungen auszusetzen. Auch ein unangemessenes Entgelt für die Ghettoarbeit sei nach dem ZRBG ausreichend. Das Hungerleiden stehe einer ausreichenden Entgeltlichkeit nicht entgegen. Sie habe neben einer Mittagsmahlzeit zusätzliche Lebensmittel als Lohn in Naturalien bekommen. Das tatsächliche Entgelt sei statt an sie an den Judenrat ausgezahlt worden. Die Klägerin hat des Weiteren auf das in der Streitsache L 8 R 74/05 des Senats eingeholte Gutachten von Dr. Tauber zum Ghetto Kaunas verwiesen.

Die Klägerin hat schriftsätzlich beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 06.01.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2005 zu verurteilen, ihr für ihre Beschäftigung im Ghetto Schaulen von September 1941 bis September 1943 nach den Vorschriften des ZRBG eine Altersrente zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat auf die Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid verwiesen. Sie ist weiter davon ausgegangen, dass die Klägerin unentgeltlich gearbeitet und Zwangsarbeit verrichtet habe.

Die Jewish Claims Conference (JCC) hat auf Anfrage des SG mitgeteilt, dass die Klägerin aus dem Zwangsarbeiterfonds eine Entschädigung aufgrund ihres Verfolgungsschicksals in den Arbeitslagern Krumhof und Choinow und im Konzentrationslager Stutthof in den Jahren 1944-1945 erhalten habe.

Mit dem Einverständnis der Beteiligten hat das SG Düsseldorf ohne mündliche Verhandlung entschieden und mit Urteil vom 15.03.2007 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, es sei nicht glaubhaft gemacht, dass die Klägerin eine entgeltliche Beschäftigung ausgeübt habe. Denn es sei nicht wahrscheinlich, dass sie für ihre Arbeitsleistung eine Gegenleistung erhalten habe, die den Umfang freien Unterhalts überstiegen habe. Eine etwaige Entgeltzahlung an den Judenrat reiche für eine entgeltliche Beschäftigung im Sinne des ZRBG nicht aus.

Gegen das ihr in Israel im Zeitraum vom 28.03.2007 bis 16.04.2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 12.06.2007 Berufung eingelegt. Sie wiederholt ihr bisheriges Vorbringen. Zur weiteren Begründung stützt sie sich auf das Urteil des 4. Senats des BSG vom 14.12.2006 (B 4 R 29/06 R), insbesondere hinsichtlich des Entgeltbegriffs. Auf eine Versicherungspflicht der Beschäftigung komme es nicht an. Das ZRBG dehne seinen Anwendungsbereich gerade über die Gebiete des Geltungsbereiches der Reichsversicherungsordnung (RVO) hinaus aus. Deren Vorschriften könnten daher nicht mehr maßgeblich sein. Die Versicherungspflicht nach der RVO sei somit gerade kein Tatbestandsmerkmal des ZRBG. Die Klärung des Begriffes der Entgeltlichkeit orientiere sich vielmehr ausschließlich an der Definition des Entgelts nach § 14 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Im Übrigen hätte die Klärung der allgemeinen Verhältnisse im Ghetto Schaulen durch ein Sachverständigengutachten bzw. die Darstellung der Arbeitsumstände mit Einzelfallbezug durch eine gutachterliche Stellungnahme erheblich zur Glaubhaftmachung ihres Vortrages beitragen können. Sie verweist auf die durch das Gutachten von Dr. Tauber vom 22.11.2005 gewonnenen Erkenntnisse zu den Verhältnissen im Ghetto Schaulen.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 06.01.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2005 zu verurteilen, ihr eine Regelaltersrente unter Berücksichtigung von Ghetto-Beitragszeiten für ihre Beschäftigung im Ghetto Schaulen von September 1941 bis September 1943 nach den Vorschriften des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigung in einem Ghetto (ZRBG) und unter Berücksichtigung von Ersatzzeiten nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen

Die Beklagte hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Sie folge dem Urteil des 4. Senats des BSG vom 14.12.2006 (B 4 R 29/06 R) insgesamt nicht.

Auf Anfrage des Senats hat die JCC mitgeteilt, dass die Klägerin Leistungen aus dem Härtefonds bzw. Art. 2-Fonds nicht beantragt habe.

Zu ihrem Verfolgungsschicksal, insbesondere zu ihrem Aufenthalt im Ghetto Schaulen ist die Klägerin vom Senat schriftlich mit einem Fragebogen angehört worden, den sie wie folgt beantwortet hat:

Im August 1941 sei sie ins Ghetto gegangen. Vorher sei sie in der Stadt Shavli gewesen. Danach sei sie im Mai 1944 ins KZ Stutthof gebracht worden. Sie habe Arbeiten außerhalb des Ghettos verrichtet: Torfstechen, Dächer streichen, Reinigungsarbeiten. Auf die Frage nach dem Arbeitgeber hat die Klägerin angegeben, die Arbeiten seien für die Deutschen erbracht worden. Sie erinnere sich nicht, über welche Zeiträume sie die jeweiligen Arbeiten verrichtet habe. Sie glaube, sie habe die jeweiligen Arbeiten an sechs Tagen in der Woche erbracht. Es sei ihr nicht in Erinnerung, ob es Zeiträume während ihres Aufenthaltes im Ghetto gegeben habe, in denen sie keine Arbeiten ausgeübt habe. Sie habe jeweils 10 Stunden pro Tag gearbeitet. Sie habe für die jeweiligen Tätigkeiten ein wenig Essen erhalten. Es sei schwer, sich daran zu erinnern, wie häufig und in welcher Menge sie eine Gegenleistung für die verrichtete Arbeit erhalten habe: ein wenig Brot, manchmal Kartoffeln, einmal im Monat Zucker. Das gesamte Essen, das sie bekommen hätten, hätten sie mit nach Hause genommen, auch für die Eltern. Sie erinnere sich nicht, ob es bezüglich der ihr zur Verfügung stehenden Lebensmittel für den eigenen Bedarf während ihres Aufenthaltes im Ghetto Änderungen gegeben habe. Die Gegenleistung für die verrichteten Arbeiten habe sie vom Judenrat erhalten. Auf die Frage, wo mit Geld, das gegebenenfalls für die Arbeit gezahlt wurde, eingekauft werden konnte, hat die Klägerin geantwortet, dass es im Ghetto nicht möglich gewesen sei zu kaufen.

Auf die Fragen, ob sie sich aus eigenem Antrieb um die Arbeiten bemüht hat, an wen sie sich gegebenenfalls gewandt und welche Stelle die Arbeiten jeweils vermittelt habe, hat die Klägerin geantwortet: "Durch den Judenrat." Die Frage, ob und gegebenenfalls von wem sie zu den Arbeiten aufgefordert worden ist, hat sie wie folgt beantwortet: "Ich musste arbeiten, um zu überleben." Es sei ihr nicht in Erinnerung, ob eine Pflicht bestanden habe, die konkret von ihr ausgeführten Arbeiten zu verrichten, oder sie zur Arbeit gezwungen wurde. Sie wisse nicht, ob die Möglichkeit bestanden habe, sich gegen die Aufnahme der Arbeiten zu entscheiden.

Auf dem Weg von und zur Arbeit habe es Polizisten gegeben, die sie bewacht hätten. Sie erinnere sich nicht, ob eine Bewachung während der Arbeit erfolgt sei.

Zu den Fragen zu den Arbeitsumständen hat die Klägerin angegeben, dass es hart gewesen sei. Man habe sie nicht misshandelt. Sie erinnere sich, dass es eine harte Arbeit gewesen sei. Sehr hart. An Namen von Vorgesetzten oder sonstigen Personen könne sie sich nicht erinnern.

Mit ihr hätten sich ihre Mutter, ihr Vater, zwei Schwestern und Schwager und das Baby im Ghetto Schaulen aufgehalten. Sie hätten alle gearbeitet. Nur die Mutter sei mit dem Baby im Ghetto geblieben. Sich erinnere sich nicht, ob es Zeiten gab, in denen ihre Angehörigen keine Arbeiten im Ghetto verrichteten. Ihre Angehörigen hätten für die jeweiligen Tätigkeiten "nur Essen (wenig)" erhalten. Sie erinnere sich nicht, wie häufig und in welcher Menge ihre Angehörigen eine Gegenleistung für die verrichtete Arbeit erhalten hatten. Ihren Angehörigen, die nicht gearbeitet hätten, habe nur das Essen, das sie nach Hause gebracht hätten, zur Verfügung gestanden. Es habe keine anderen Quellen für Lebensmittel gegeben. Sie wisse nicht, ob sie eine größere Gegenleistung für ihre Arbeit erhalten habe als ihre Angehörigen, die auch arbeiteten. Es gebe keine Zeugen, die Angaben zu ihrem Aufenthalt im Ghetto machen könnten.

Die Klägerin hat auf Anfrage des Senats eine DVD mit einer Schilderung ihres Verfolgungsschicksals gegenüber Yad Vashem beigebracht, die übersetzt und transkribiert worden ist. In dieser Schilderung hat die Klägerin folgende Angaben gemacht:

Zu Hause hätten sie Jiddisch gesprochen. Draußen - auf dem Markt oder beim Einkaufen, an Orten, wo man Litauer getroffen habe - hätten sie Litauisch gesprochen, aber in der Schule hätten sie Hebräisch gelernt. Mit den Freunden und Freundinnen hätten sie alle Hebräisch gesprochen. Das sei die Unterrichtssprache gewesen. Es habe auch Lehrer gegeben, die auf Litauisch unterrichtet hätten. Zu Hause habe es eine jiddischsprachige Zeitung gegeben. Der Vater habe Englisch und Russisch, die Mutter nur Russisch und Litauisch gekonnt.

Zur Zeit der russischen Besatzung im Jahre 1940 habe sie in der Schule nicht weitergelernt. Anstelle von Schule habe sie in einem Schallplattenladen gearbeitet. Sie glaube nicht dort verkauft zu haben. Sie habe bei Abwesenheit der dort beschäftigten Frau aufgepasst, dass keiner etwas mitnahm und dass man bezahlte. Sie denke, bis Anfang 1940 in der Schule gewesen zu sein. Als der Krieg mit den Deutschen in Shavli ausbrach, sei sie immer noch im selben Laden gewesen, aber später habe man den Laden geschlossen und die Litauer hätten begonnen, sich an den Juden zu rächen. Später hätten die Litauer begonnen, die Leute zum Arbeiten einzusammeln. Am Anfang seien sie und ihre Altersgenossen zum Flugplatz arbeiten gegangen. Das sei zu der Zeit gewesen, als der Flugplatz noch den Litauern gehört habe und nicht so organisiert gewesen sei wie unter den Deutschen. Später habe man sie in die Dörfer geschickt. Auf die Fragen "Zu Beginn des Krieges arbeitetet ihr am Flugplatz? Was für Arbeiten waren das?" gab die Klägerin an, am Anfang hätten sie alle möglichen Reinigungsarbeiten durchgeführt, denn durch die Angriffe sei es nicht sauber gewesen, und man habe ihnen alle möglichen Arbeiten gegeben, aber dort hätten sie nicht lange gearbeitet. Später habe man sie in die Dörfer gebracht. Das Ghetto habe es erst ab 1942 gegeben, scheine ihr, sie erinnere sich nicht, ja 1942. In den Dörfern hätten sie zu graben gehabt. Es habe Dörfer gegeben, in denen der Boden aus Torf bestanden habe. Anstatt mit Holz habe man damit heizen, ein Haus wärmen können. Es sei so eine Art Erde und sie hätten Würfel für Würfel ausgehoben. Manche von ihnen hätten in einer Art Zelt gewohnt und andere hätten in einer Art provisorischen Unterkunft. Sie hätten auch in einem zweiten Dorf gewohnt, und später habe man sie in noch ein anderes Dorf gebracht. Der Weg sei sehr zeitaufwändig gewesen, und nicht immer seien sie rechtzeitig gekommen, aber da seien sie schon im Ghetto gewesen. Seit Anfang dieser Arbeiten seien sie im Ghetto gewesen. Die Litauer hätten mit ihnen die Wohnungen getauscht, und in ihr Haus mit der ganzen Einrichtung, die zurückgeblieben sei, habe man eine litauische Familie aus einer sehr heruntergekommenen Gegend gesteckt. Sie seien eine große Familie gewesen, vier Kinder und Eltern, sechs Personen in einem winzigen Zimmer, und sie hätten ihnen ihren Besitz hinterlassen, voller Schmutz, und ihre Mutter habe sehr schwer gearbeitet, bis sie alles sauber gemacht habe. Sie sei die Einzige gewesen, die geblieben sei, um sauber zu machen, denn sie seien bereits in den Dörfern gewesen, jeden Tag seien sie in die Dörfer gefahren. Später habe man sie dann in den Dörfern behalten. Im Ghetto hätten sie einen Judenrat gehabt. Sie hätten sich darum bemüht, dass es Brot im Ghetto gegeben habe, jeder habe zugeteilt bekommen. Sie wisse nicht wie viel. Sie hätten ein halbes Kilo pro Person bekommen, es habe also Brot gegeben. Kleidung zum Beispiel, die sie über- und übereinander getragen hätten, hätten sie mit den Nichtjuden getauscht, die mit ihnen bei den Grabungsarbeiten gewesen seien. Sie hätten Kleider von ihnen genommen und hätten ihnen dafür Essen, Brot oder alles Mögliche gegeben, das sie nicht ins Ghetto hätten hineinbringen dürfen. Es habe Polizisten gegeben, alle seien Litauer gewesen. Die Sachen ins Ghetto zu bringen, sei sehr kompliziert gewesen. Entweder habe man das hinein geschmuggelt, indem man es über den Stacheldraht geworfen habe, bevor man an den Polizisten vorbei gemusst habe, dann sei man gegangen und habe es dort geholt, wo man es hingeworfen habe, sofern es nicht bereits jemand zuvor geklaut habe. Das sei sehr kompliziert gewesen. Kartoffeln hätten sie auch zugeteilt bekommen, es sei sehr schwer gewesen. Sie hätten etwas von dem Torf mitbringen dürfen, um zu heizen. Es sei ein kleines Zimmer gewesen. Sie hätten den Torf mindestens zehn Kilometer mit sich geschleppt. Auch zum Flugplatz seien sie jeden Tag sechs Kilometer gegangen, also zwölf Kilometer hin und zurück. Die Deutschen hätten beschlossen, sie aus den Dörfern zum Flugplatz zurückzubringen. Und die Litauer hätten ausgeführt, was die Deutschen sagten. Wahrscheinlich sei es dort dringender gewesen. Den Deutschen seien die Dörfer der Litauer egal gewesen. Der Flugplatz sei für sie interessanter gewesen. Er sei sehr heruntergekommen gewesen. Sie hätten dort Dachdeckerarbeiten verrichtet. Sie seien auf die Dächer gestiegen, hätten die Dächer gedeckt, und hätten außerdem die Orte gereinigt, wo das gesamte Zubehör untergebracht gewesen sei, sie hätten dort saubergemacht. Wenn es geregnet habe, habe man die Dächer noch einmal decken müssen, es habe viel Arbeit gegeben. Man habe sie eingesammelt und jeden Tag ins Ghetto zurückgebracht. Sie sei die ganze Zeit mit ihrer Schwester M zusammen gewesen, die ältere Schwester Scheine sei nicht mit am Flugplatz gewesen, sie habe in einer anderen Gruppe in der Stadt gearbeitet und Näharbeiten verrichtet. Ihr Bruder habe in der Zeit der Deutschen schon nicht mehr gelebt. Als die Arbeiten am Flugplatz abgeschlossen gewesen seien, habe man sie nach Stutthof gebracht. Während der Ghettozeit sei ihr Vater arbeiten gegangen. Er habe manchmal auch am Flugplatz gearbeitet, wenn man ihn gebraucht habe. Ihre Mutter sei zu Hause geblieben, da ihre Schwester Scheine ein Baby gehabt habe. Ihren Mann habe man sofort als einen der Ersten mitgenommen. Ihre Mutter sei zu Hause geblieben, und sie seien arbeiten gegangen. Sie - die Klägerin und ihre Schwestern - seien, so denke sie, Anfang 1943 oder Ende , in etwa, nach Stutthof gekommen.

Schließlich hat die Klägerin eine Schularbeit der Enkelkinder zu ihrem Verfolgungsschicksal beigebracht, die zum Ghettoaufenthalt der Klägerin folgende Schilderung enthält:

Die Deutschen hätten die Juden von Shavli in einer Gegend heruntergekommener Häuser in Shavli konzentriert und daraus ein Ghetto gebildet. Jeden Morgen hätten die Deutschen die Juden zur Arbeit am Flugplatz und zum Torfstechen gebracht. Die Klägerin habe mit ihrer Schwester M etwa ein Jahr lang diese Arbeiten verrichtet. Nach einem Jahr im Ghetto hätten die Deutschen das Ghetto aufgelöst und die Juden in ein Vernichtungslager überführt.

Das in der Streitsache L 13 R 153/06 des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) eingeholte Gutachten von Dr. Tauber zum Ghetto Schaulen ist den Beteiligten übersandt worden.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der die Klägerin betreffende Verwaltungsakte der Beklagten und der über sie beim Regierungspräsidium Darmstadt geführten Entschädigungsakten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte gemäß §§ 153 Abs. 1, 110 Abs. 1, 126 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Abwesenheit der Klägerin und ihrer Bevollmächtigten verhandeln und entscheiden, weil ihre Prozessbevollmächtigten in der Terminsmitteilung, die ihnen am 02.03.2008 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt worden ist, auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind nicht rechtswidrig und beschweren die Klägerin daher nicht iS von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Altersrente.

Wie der Senat bereits mit näherer Begründung entschieden hat (zB Urteil v. 06.06.2007, L 8 R 54/05, www.sozialgerichtsbarkeit.de), folgt der Anspruch auf Altersrente allein aus dem SGB VI, ohne dass das ZRBG eine eigenständige Anspruchsgrundlage darstellen würde (ebenso BSG, Urteil v. 26.07.2007, B 13 R 28/06 R, SozR 4 - 5075 § 1 Nr.4; aA BSG, Urteil v. 14.12.2006, B 4 R 29/06 R, SozR 4 - 5079 § 1 Nr. 3). Rechtsgrundlage für den Anspruch auf Altersrente kann daher im Fall der Klägerin nur § 35 SGB VI sein. Diese Vorschrift ist trotz des Auslandswohnsitzes der Klägerin (vgl. § 30 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch) anwendbar (vgl. dazu BSG, Urteil v. 14.07.1999, B 13 RJ 75/98 R, juris; BSG, Urteil v. 13.08.2001, B 13 RJ 59/00 R, SozR 3 - 2200 § 1248 Nr. 17).

Nach § 35 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Altersrente, wenn sie das 65. Lebensjahr vollendet und die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren erfüllt haben. Als auf die Wartezeit anrechenbare Versicherungszeiten kommen hier nur Beitrags- und Ersatzzeiten iS der §§ 50 Abs. 1 Nr. 1, 51 Abs. 1 und 4 SGB VI in Betracht. Dabei finden nach § 250 Abs. 1 SGB VI Ersatzzeiten allerdings nur dann Berücksichtigung, wenn vor Beginn der Rente zumindest ein Beitrag wirksam entrichtet worden ist oder als wirksam entrichtet gilt; denn Ersatzzeiten sollen nach dem Gesetzeswortlaut nur "Versicherten", dh Personen zugute kommen, die bereits Beitragsleistungen erbracht haben (BSG, Urteil v. 07.10.2004, B 13 RJ 59/03 R, SozR 4 - 5050 § 15 Nr. 1 mwN).

Die Klägerin hat jedoch keine auf die Wartezeit anrechenbaren Beitragszeiten zurückgelegt. Beitragszeiten sind Zeiten, für die nach Bundesrecht oder den Reichsversicherungsgesetzen Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind (§§ 55 Abs. 1 Satz 1, 247 Abs. 3 Satz 1 SGB VI) oder als gezahlt gelten (§ 55 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).

Nach § 2 Abs. 1 ZRBG gelten Beiträge als gezahlt für Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto. Voraussetzung ist gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 ZRBG, dass die Verfolgten sich zwangsweise in einem Ghetto aufgehalten haben, das in einem vom Deutschen Reich besetzten oder ihm eingegliederten Gebiet gelegen hat, und dort eine Beschäftigung aus eigenem Willensentschluss gegen Entgelt ausgeübt haben. Ferner darf für die betreffenden Zeiten nicht bereits eine Leistung aus einem System der sozialen Sicherheit erbracht werden. Die Anspruchsvoraussetzungen müssen glaubhaft gemacht werden (§ 1 Abs. 2 ZRBG iVm § 3 WGSVG). Glaubhaft gemacht ist eine Tatsache, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche verfügbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist, dh mehr für als gegen sie spricht, wobei gewisse noch verbleibende Zweifel unschädlich sind (vgl. BSG, Beschluss vom 08.08.2001, B 9 V 23/01 B, SozR 3-3900 § 15 Nr. 4).

Von den vorgenannten Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 ZRBG können die Aufnahme einer Beschäftigung aus eigenem Willensentschluss und die Ausübung dieser Beschäftigung gegen Entgelt gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1. a) und b) ZRBG nach den eigenen Angaben der Klägerin, an deren Richtigkeit zu zweifeln kein Anlass besteht, nicht im Sinne einer Glaubhaftmachung festgestellt werden.

Der in § 1 Abs. 1 Nr. 1 ZRBG beschriebene Typus der Beschäftigung ist von der Zwangsarbeit nach dem Vorbild des sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses abzugrenzen (Zusammenfassend Senat Urteil vom 21.11.2007, L 8 R 98/07; www.sozialgerichtsbarkeit.de). Maßgebend hierfür sind die Kriterien, die das BSG in seiner sog. Ghettorechtsprechung (vgl. BSG, Urteil vom 18.6.1997, 5 RJ 66/95 SozR 3 - 2200 § 1248 Nr. 15; vom 21.4.1999, B 5 RJ 48/98 R, SozR 3 - 2200 § 1248 Nr. 16; vom 14.7.1999, aaO) entwickelt hat (vgl. hierzu im Einzelnen BSG, Urteil v. 7.10.2004, aaO; Senat, Urteil v. 21.11.2007 aaO.). Danach ist neben der freiwilligen Aufnahme und Ausübung der Arbeit auch die Gewährung eines Entgelts erforderlich, das nach Art und Höhe eine versicherungspflichtige Beschäftigung begründen kann.

Es ist nach Maßgabe der vorgenannten Grundsätze nicht im Sinne einer Glaubhaftmachung feststellbar, dass die Klägerin die von ihr angegebenen Tätigkeiten aus eigenem Willensentschluss aufgenommen und ausgeübt hat. Sie hat in ihren eigenen Erklärungen nie angegeben, dass der Arbeitseinsatz freiwillig durch eigene Bemühungen zustande gekommen sei oder sie sich aus eigenem Antrieb um die Arbeiten bemüht habe. Sie hat im Verwaltungs- und Streitverfahren erklärt, der Arbeitseinsatz sei durch Vermittlung des Judenrates zustande gekommen. Dies reicht nach der Rechtsprechung des 13. Senats des BSG (Urteil vom 07.10.2004, aaO) indessen allein nicht aus, um ein freiwillig eingegangenes Beschäftigungsverhältnis in Abgrenzung zur Zwangsarbeit feststellen zu können. Für das Vorliegen von Zwangsarbeit sprechen demgegenüber - unbeschadet des Umstandes, dass die Klägerin selbst früher von "Zwangsarbeit" gesprochen hat - die Angaben der Klägerin, der Zeugin P und insbesondere die von Dr. T. Danach habe die Klägerin trotz ihrer "schwächlichen körperlichen Veranlagung" schwere Arbeiten wie Dachdecken und Torfstechen leisten müssen bzw. sei dazu gezwungen bzw. herangezogen worden. Sie sei die ganze Zeit zur Arbeit angetrieben worden. Falls sie nicht das vorgeschriebene Pensum geleistet hätte, wäre sie in ein Todeslager verschickt worden. Sie habe unter dauernder Todesangst, unter ständigen Bedrohungen und Schlägen gelebt. Das ihr auferlegte Arbeitsmaß habe sie kaum erfüllen können und sie sei daher oft grausam und schmachvoll behandelt worden. Diese Schilderungen machen deutlich, dass die Tätigkeiten der Klägerin sehr weitgehend von hoheitlichen Eingriffen überlagert wurden, denen sie sich nicht entziehen konnte. Die von der Klägerin verrichteten Arbeiten beruhten danach vor dem Hintergrund der wirklichen Lebenslage in einem Ghetto selbst nicht mehr auf einer, wenn auch auf das "Elementarste" reduzierten, Wahl zwischen wenigstens zwei Verhaltensmöglichkeiten, (vgl. BSG, Urteil vom 14.12.2006, aaO).

Ebenfalls nicht glaubhaft gemacht ist, dass die Klägerin eine Beschäftigung gegen Entgelt ausgeübt hat. Entgelt in diesem Sinne ist als ein die Versicherungspflicht in der deutschen Rentenversicherung begründendes Entgelt anzusehen (BSG, Urteil vom 07.10.2004, aaO). Maßgebend sind dabei die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) in der im Streitzeitraum geltenden Fassung (aF). Zum Entgelt gehörten dabei nach § 160 aF neben Gehalt oder Lohn auch Gewinnanteile, Sach- und andere Bezüge, die der Versicherte, wenn auch nur gewohnheitsmäßig, statt des Gehalts oder Lohnes oder neben ihm von dem Arbeitgeber oder einem Dritten erhielt. Jedoch war eine Beschäftigung, für die als Entgelt nur freier Unterhalt gewährt wurde, versicherungsfrei (§ 1227 RVO aF; vgl. zum Folgenden insbesondere BSG, Urteil vom 30.11.1983, 4 RJ 87/92; vom 07.10.2004, aaO; Mentzel/Schulz/Sitzler, Kommentar zum Versicherungsgesetz für Angestellte, 1913, § 7 Anm. 3; RVO mit Anmerkungen, herausgegeben von Mitgliedern des Reichsversicherungsamtes, 1930, § 1227 RVO Anm. 1 ff.). Als freier Unterhalt iS von § 1227 RVO aF ist dabei dasjenige Maß von wirtschaftlichen Gütern anzusehen, das zur unmittelbaren Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse des Arbeitnehmers erforderlich ist, nicht aber das, was darüber hinausgeht. Zum freien Unterhalt gehören insbesondere Unterkunft, Beköstigung und Kleidung. Die betreffenden Sachbezüge müssen nach Art und Maß zur Bestreitung des freien Unterhalts geeignet und bestimmt sein. Bei Gewährung von Lebensmitteln ist daher zu prüfen, ob sie nach Umfang und Art des Bedarfs unmittelbar zum Verbrauch oder Gebrauch gegeben werden (dann freier Unterhalt) oder aber zur beliebigen Verfügung, wie es zB bei Deputaten der Fall ist. Die Grenze des freien Unterhalts ist insbesondere dann überschritten, wenn die gewährte Menge erheblich das Maß des persönlichen Bedarfs übersteigt. Das ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die gewährten Sachbezüge ausreichen, nicht nur den freien Unterhalt des Beschäftigten selbst, sondern auch eines nicht bei demselben Arbeitgeber beschäftigten Familienangehörigen sicherzustellen (vgl. VDR, Kommentar zur RVO, 5. Aufl., 1954, § 1228 Rn. 5). Stehen Art und Umfang gewährter Lebensmittel bzw. Sachbezüge nach Ausschöpfung aller sonstigen Beweismittel, zB der glaubhaften Angaben der Klägerin bzw. des Klägers, vernommener Zeugen, Angaben in einem Sachverständigengutachten oder aufgrund eindeutiger historischer Quellen nicht fest, so kann ein entsprechender Umfang im Einzelfall als glaubhaft gemacht angesehen werden, wenn die gute Möglichkeit besteht, dass ein Dritter, insbesondere ein Familienangehöriger, hiervon über einen erheblichen Zeitraum zumindest entscheidend mitversorgt worden ist (sog. Hilfskriterium bei Beweisnot; vgl. Senat, Urteil v. 06.06.2007, aaO). Da andererseits unter den freien Unterhalt iS des § 1227 RVO aF nur Sachleistungen fallen, erfüllen Geldleistungen seine Voraussetzungen nicht, auch wenn sie den unbedingt zum Lebensunterhalt erforderlichen Betrag nicht erreichen.

Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist nicht glaubhaft, dass die Klägerin für die von ihr nach ihren Angaben von September 1941 bis September 1943 verrichteten Arbeiten beim Torfstechen, auf dem Flugplatz und in den Wehrmachtslagerquartieren mehr als Verpflegung und Lebensmittel im Umfang lediglich freien Unterhalts erhalten hat.

Sie hat keinen Barlohn erhalten. Sie hat in ihren Antworten auf die Fragen des Senats angegeben, Arbeiten wie Torfstechen, Dächer streichen bzw. decken und Reinigungsarbeiten 10 Stunden pro Tag verrichtet und dafür ein wenig Essen erhalten zu haben. Es sei schwer, sich daran zu erinnern, wie häufig und in welcher Menge sie eine Gegenleistung für die verrichtete Arbeit erhalten habe: ein wenig Brot, manchmal Kartoffeln, einmal im Monat Zucker. Das gesamte Essen, das sie bekommen hätten, hätten sie mit nach Hause genommen, auch für die Eltern. Die Gegenleistung für die verrichtete Arbeit habe sie vom Judenrat erhalten. Sie sei mit Mutter, Vater, zwei Schwestern und Schwager und dem Baby im Ghetto Schaulen gewesen. Sie hätten alle gearbeitet. Nur die Mutter sei im Ghetto mit dem Baby geblieben. Ihre Angehörigen, die arbeiteten, erhielten Essen (wenig). Sie erinnere sich nicht daran, in welcher Menge und wie häufig. Den Angehörigen, die nicht arbeiteten, habe nur das Essen zur Verfügung gestanden, das sie nach Hause gebracht hätten. Es habe keine anderen Quellen für Lebensmittel gegeben. Diese Angaben stimmen nicht vollständig mit denen überein, die die Klägerin gegenüber Yad Vashem gemacht hatte, was offensichtlich mit den Erinnerungslücken, die die Klägerin auch einräumt, zusammen hängt. Auf die Frage, was sie während der Zeit im Ghetto gegessen hätten, erklärte die Klägerin dort, dass jeder im Ghetto vom Judenrat Brot zugeteilt bekommen habe. Sie wisse nicht wie viel. Sie hätten ein halbes Kilo pro Person bekommen. Kleidung zum Beispiel, die sie über- und übereinander getragen hätten, hätten sie mit den Nichtjuden getauscht, die mit ihnen bei den Grabungsarbeiten gewesen seien. Sie hätten von ihnen die Kleider genommen und ihnen dafür Essen, Brot oder alles Mögliche gegeben, das sie nicht ins Ghetto hätten hineinbringen dürfen. Entweder habe man das ins Ghetto hineingeschmuggelt, indem man es über den Stacheldraht geworfen habe, bevor man an den Polizisten vorbei gemusst habe, dann sei man gegangen und habe es dort abgeholt, wo man es hingeworfen habe, sofern es nicht bereist jemand zuvor geklaut habe. Das sei sehr kompliziert gewesen. Kartoffeln hätten sie auch zugeteilt bekommen, es sei sehr schwer gewesen. Sie hätten etwas von dem Torf mitbringen dürfen, um zu heizen.

Es kann dahingestellt bleiben, welche der nur in Details differierenden, im Übrigen aber glaubhaften Angaben der Klägerin den tatsächlichen Gegebenheiten am nächsten kommt.

Denn jedenfalls hat die Klägerin mit dem ihr gewährten Essen bzw. Lebensmitteln und dem Torf als Heizmaterial nicht mehr als freien Unterhalt bekommen. Es kann nicht im Sinne der Glaubhaftmachung festgestellt werden, dass sie Lebensmittel oder Heizmaterial nach vorbestimmtem Maße zur beliebigen Verfügung erhalten hat, die über ihren Bedarf hinausgegangen wären, auch wenn sie Lebensmittel mit nach Hause gebracht hat. Sie kann sich weder an die Lebensmittelmengen erinnern, die sie als Entlohnung für ihre Arbeit bekommen hat, noch daran, in welcher Menge und wie häufig ihre arbeitenden Angehörigen eine Gegenleistung erhielten. Ihre Erklärungen gegenüber Yad Vashem verdeutlichen vielmehr, dass die Versorgung der Familie durch Tauschgeschäfte (Kleidung gegen Lebensmittel etc.) und Schmuggel der eingetauschten Sachen ins Ghetto mit aufrechterhalten werden musste. Hiermit stimmen ihre Angaben sowie die von Dr. T in seinem Gutachten vom 08.02.1962 im Entschädigungsverfahren überein, nach denen die Atmosphäre, die damals um die Klägerin geherrscht habe, von ständigem Hunger bei minimalen hygienischen Lebensbedingungen, schwerer Arbeit, unstillbaren Schmerzen und Todesangst geprägt gewesen sei. Die Ernährung sei unzureichend und minderwertig gewesen. Sie habe kaum für einen Menschen ausgereicht, der keine schwere körperliche Zwangsarbeit zu verrichten hätte, habe die Klägerin ausgeführt. Diese Schilderungen verdeutlichen, dass die Versorgung mit Lebensmitteln noch nicht einmal ihren eigenen Bedarf gedeckt hat und zur Dauer und Schwere der von ihr verrichteten Arbeiten in keinem Verhältnis stand. Hinsichtlich der Menge des Torfes, den die Klägerin mitnehmen durfte, hat sie keine näheren Angaben gemacht. Gegenüber Yad Vashem hat sie lediglich angegeben, dass sie "etwas" von dem Torf hätten mitbringen dürfen. Der Plural bezog sich vermutlich auch auf ihre Schwester M, mit der sie, wie sie angab, "die ganze Zeit zusammen war". In ihren Antworten auf die Fragen des Senats und in ihren Erklärungen im Verwaltungsverfahren hat sie hierzu keine Angaben mehr gemacht. Es ist daher nicht ersichtlich, dass es sich um größere Mengen im Sinne eines Deputats gehandelt hat, die über den persönlichen Bedarf der Klägerin hinaus gegangen wären. Das Kriterium der Mitversorgung Dritter über einen erheblichen Zeitraum im Falle der Beweisnot kommt ihr daher nach den vorstehenden Ausführungen nicht zugute. Zu weiteren Ermittlungen, insbesondere der Einholung eines historischen Gutachtens musste sich der Senat nicht gedrängt fühlen. Dies gilt zum einen deshalb, weil keine Veranlassung besteht, die Angaben der Klägerin zu der für die verrichteten Arbeiten enthaltenen Gegenleistung in Zweifel zu ziehen. Zum anderen sind stets die konkreten Umstände des zu entscheidenden Einzelfalles und damit grundsätzlich nicht allgemeine sachverständige Feststellungen maßgeblich. Schließlich sind den im Tatbestand genannten historischen Gutachten keine Anhaltspunkte zu entnehmen, dass die Angaben der Klägerin von den historischen Erkenntnissen abwichen.

Da bereits eine aus einem eigenen Willensentschluss zustande gekommene Beschäftigung gegen Entgelt nicht im Sinne einer Glaubhaftmachung festgestellt werden kann, kann dahinstehen, ob die weiteren Voraussetzungen einer Ghetto-Beitragszeit erfüllt sind.

Die von der Klägerin im Ghetto Schaulen von September 1941 bis September 1943 verrichteten Arbeiten können auch nicht nach den §§ 15, 16 Fremdrentengesetz (FRG) i. V. m. § 20 Gesetz zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) bzw. § 17 a FRG oder § 12 WGSVG als Versicherungszeiten angerechnet werden.

Die Arbeiten der Klägerin im Ghetto Schaulen unterfielen nicht den Reichsversicherungsgesetzen, da sie nicht die deutsche Staatangehörigkeit besaß. Die Stadt Schaulen lag im damals sog. Reichskommissariat Ostland, in dem die Reichsversicherungsgesetze für Personen, die nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besaßen, nicht galten (vgl. BSG, Urteil vom 23.08.2001, B 13 RJ 59/00 R, zum sog. Generalgouvernement; LSG NRW, Urteil vom 20.11.2006, L 3 R 58/06, zum Reichskommissariat Ostland). Eine Anrechnung als Versicherungszeit richtet sich daher nach den §§ 15, 16 FRG i. V. m. § 20 WGSVG bzw. § 17 a FRG. Die Voraussetzungen dieser Vorschriften liegen jedoch nicht vor, da die Klägerin nicht dem dSK angehört hat. Nach ihren Angaben gegenüber Yad Vashem hat sie zu Hause Jiddisch, außerhalb des Hauses Litauisch gesprochen. In der Schule hat sie Hebräisch gelernt und mit den Freunden und Freundinnen untereinander alle Hebräisch gesprochen, was auch Unterrichtssprache gewesen ist. Weitere Unterrichtssprache sei Litauisch gewesen. Es habe zu Hause eine jiddischsprachige Zeitung gegeben. Der Vater habe Englisch und Russisch gekonnt, die Mutter nur Russisch und Litauisch. Der - geschweige denn überwiegende - Gebrauch der deutschen Sprache ist daher nicht ersichtlich.

Eine Anrechnung als Beitragszeit nach § 15 Abs. 1 FRG kommt auch deshalb nicht in Betracht, da eine Beitragsentrichtung zu einem nichtdeutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung nicht glaubhaft gemacht ist. Die Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 FRG sind bereits deshalb nicht erfüllt, da – wie oben bereits ausgeführt worden ist - ein nach deutschem Recht dem Grunde nach rentenversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht im Sinne einer guten Möglichkeit festgestellt werden kann. Auch § 16 FRG greift nicht zu Gunsten der Klägerin ein, da die von ihr ausgeübten Tätigkeiten nicht nach dem am 01.03.1957 geltenden Bundesrecht (§§ 1227, 1228 RVO n.F.) Versicherungspflicht in den gesetzlichen Rentenversicherungen begründet hätte, wenn sie im Gebiet der BRD ohne das Beitrittsgebiet verrichtet worden wären.

Da nicht im Sinne einer Glaubhaftmachung festgestellt werden kann, dass die Klägerin eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt hat, liegen die Voraussetzungen des § 12 WGSVG ebenfalls nicht vor.

Da die Klägerin nicht dem dSK angehört hat, kann auch die von ihr angegebene Tätigkeit als Buchhalterin in Schaulen von 1939 bis 1941 nicht berücksichtigt werden. Es kann daher dahinstehen, ob sie diese Tätigkeit verrichtet hat, woran Zweifel bestehen, da sie diese Tätigkeit in ihrer Schilderung gegenüber Yad Vashem nicht angegeben hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor. Denn auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des 4. Senats des BSG zum Tatbestandsmerkmal "aus eigenem Willensentschluss" (Urteil vom 14.12.2006, aaO) ist ein solcher nicht feststellbar.
Rechtskraft
Aus
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