Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 8 R 4259/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 R 416/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Beklagte wird unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Landshut vom 23. März 2005 sowie des Bescheides vom 22.05.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25.07.2003 verpflichtet, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer ab 01.02.2006 zu zahlen.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Die Beklagte hat der Klägerin die Hälfte der außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist eine Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1945 geborene Klägerin war nach einer Ausbildung zur Näherin (August 1959 bis Februar 1961) zunächst in diesem Beruf tätig, ab 1967 war sie dann als Ausbilderin und technische Angestellte (Reparaturannahme, Endkontrolle, Musterkarteiherstellung) versicherungspflichtig beschäftigt bis zur Betriebsaufgabe im Dezember 1991. Seitdem ist sie wechselnd arbeitslos und arbeitsunfähig.
Ihren am 15.03.2002 gestellten Rentenantrag lehnte die Beklagte nach Einholung eines Gutachtens des Internisten Dr.P. mit Bescheid vom 22.05.2002 ab. Dr.P. hatte in seinem Gutachten vom 27.04.2002 einen schlecht eingestellten Diabetes mellitus Typ II mit beginnender Polyneuropathie und essenzieller Hypertonie ohne wesentliche Folgeschäden diagnostiziert und leichte Tätigkeiten ohne Nacht- und Wechselschicht und ohne besonderen Zeitdruck - auch Tätigkeiten einer Ausbilderin - sechs Stunden täglich und mehr für möglich gehalten.
Der Widerspruch der Klägerin ("erhebliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit durch hohe Zuckerwerte, zusätzlich ausgeprägte Hauterkrankung" blieb erfolglos (zurückweisender Widerspruchsbescheid vom 25.07.2003).
Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) holte dieses Auskünfte der DAK L. und der Firma Z. , G. (letzter Arbeitgeber), die ärztlichen Unterlagen des Arbeitsamts L. (Arbeitsamtsarzt M.: mittelschwere Arbeiten vollschichtig ohne Schichtdient) sowie ärztliche Unterlagen der behandelnden Ärzte (u.a. des Internisten Dr.H.: "entgleister Diabetes und Bluthochdruck, nur diätetisch eingestellt, aber orale Medikation erforderlich" bei. Es beauftragte den Internisten Dr.E. mit der Untersuchung und Begutachtung der Klägerin. In seinem Gutachten vom 22.01.2005 diagnostizierte Dr.E. einen Diabetes mellitus Typ II B mit leichtgradigen Organschädigungen (sensible Polyneuropathie, Verdacht auf beginnende Makroangiopathie), einen arteriellen Hypertonus mit leichter Myokardhypertrophie und Fundus hypertonicus, ferner das Vollbild eines metabolischen Syndroms mit Adipositas Grad I und Hyperlipidämie, eine Refluxösophagitis bei kleiner axialer Hernie sowie eine bekannte Kontaktallergie.
Der Gutachter führte dazu aus, die Bewertung des Diabetes richte sich nach dem Ausmaß der Organschädigungen und nach seiner Einstellbarkeit. Wesentliche Organschädigungen seien bei der Klägerin auch bei der neuerlichen Untersuchung nicht festzustellen. Vordringlich sei eine Therapieanpassung. Die bisherige Therapie mit inzwischen oraler Medikation sei ausgereizt; warum eine Therapieumstellung im Laufe der letzten zwei Jahre nicht erfolgt sei, bleibe unklar (Ablehnung einer Injektionstherapie durch die Klägerin?). Es fehle an einer zufriedenstellenden Compliance der Klägerin. Eine Insulintherapie werde wohl unumgänglich sein. Eine Visusminderung schloss der Gutachter trotz Augenhintergrundveränderungen aus. Er vertrat die Auffassung, dass bei entsprechender Therapieanpassung von einer deutlich verbesserten Zuckereinstellung und entsprechender Besserung der Beschwerden auszugehen sei. Das Leistungsvermögen sei lediglich in qualitativer Hinsicht eingeschränkt. Möglich seien noch leichte vollschichtige Tätigkeiten in geschlossenen Räumen ohne dauerndes Gehen und mit gelegentlichem Positionswechsel, ohne häufiges Bücken und häufige Zwangshaltungen. Zu vermeiden seien auch Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten sowie Tätigkeiten in Nacht- und Wechselschicht. Die letzte Tätigkeit als Ausbilderin im Bekleidungshandwerk hielt der Gutachter weiterhin für möglich. Das Erfordernis zusätzlicher Arbeitspausen im Falle einer zukünftig notwendiger Insulintherapie verneinte er: die notwendigen Injektionen könnten morgens vor Beginn der Arbeit und abends zu Hause gegeben werden, lediglich mittags sei dann im Rahmen der Mittagspause eine zusätzliche Injektion erforderlich, was bei den heutigen Hilfsmitteln einschließlich einer Blutzuckerselbstkontrolle innerhalb von zehn Minuten erledigt werden könne.
Das SG wies die Klage mit Urteil vom 23.03.2005, gestützt auf das Gutachten des Dr.E. , ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, weil sie nicht auf Dauer erwerbsgemindert sei, sondern bis zur entsprechenden Therapieanpassung allenfalls Arbeitsunfähigkeit bestehe.
Mit der Berufung wendet sich die Klägerin gegen dieses Urteil. Nach Mandatsniederlegung des bisherigen Bevollmächtigten erfolgte die Berufungsbegründung durch die Klägerin selbst erst nach 14 Monaten. Sie legte die von den behandelnden Ärzten bei ihr gemessenen Laborwerte vom 13.06.2005, 04.08.2005 und 19.12.2005 (deutlich erhöhte Blutzuckerwerte) vor und führte aus, ihr behandelnder Arzt habe eine stationäre Krankenhauseinweisung zur Einstellung des Diabetes abgelehnt(?), sie selbst habe kein Geld für die Zuzahlung für Medikamente und Krankenhausaufenthalte.
Der Senat holte einen Befundbericht und die ärztlichen Unterlagen des behandelnden Arztes Dr.O. vom 17. Januar 2007 ein ("u.a. schwere depressive Episoden seit 2004, soziale Phobie, Abbau sozialer Kompetenz; diabetisches Fußsyndrom bei fortgeschrittener PNP beidseits, beschwerdefreie Gehstrecke unter 500 m").
Er beauftragte die Gutachterin Dr.M. mit der Erstellung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens. In dem ausführlichen Gutachten vom 28.06.2007 erhob diese zum einen die Diagnose einer seit Antragstellung im März 2002 auf ihrem Fachgebiet bestehenden sensiblen Polyneuropathie bei Diabetes mellitus. Insoweit sei es inzwischen bei schlecht eingestelltem Diabetes mellitus zu einer Zunahme der polyneuropathischen Beschwerden gekommen. Seit spätestens Anfang 2006 (Januar 2006) bestanden nach ihren weiteren Feststellungen neben der nunmehr stärker ausgeprägten sensomotorischen Polyneuropathie bei Diabetes mellitus zudem eine mittelschwere depressive Episode sowie eine soziale Phobie.
Nach den Feststellungen der Gutachterin ist es inzwischen zu einer Neueinstellung des Diabetes mellitus der Klägerin gekommen (nunmehr einmal täglich 20 Einheiten Lantus, im Übrigen mehrfach tägliche Einnahme von Tabletten), im Übrigen seit Anfang 2006 zu zunehmender Depression und zu einer im Vergleich zur Begutachtung Dr.E. zunehmenden Polyneuropathie. Dr.M. verweis dazu auf die in der Vergangenheit liegenden Ursachen (ungünstige soziale Situation, finanzielle Notlage, unzureichende Einstellung des Diabetes mellitus bei nicht ausreichendem Bemühen um ärztliche Behandlung, "schlechte Compliance") und auch auf die fehlende nervenärztliche Behandlung. Sie vertrat die Auffassung, die Klägerin habe ab Antragstellung in März 2002 körperlich leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung ohne dauerndes Gehen, ohne Absturzgefahr, in geschlossenen Räumen, ohne besondere Anforderungen an die nervliche und psychische Belastbarkeit mindestens sechs Stunden täglich verrichten können. Sie sei auch in der Lage gewesen, ihrer letzten Erwerbstätigkeit als Ausbildungsleiterin und Schneiderin vollschichtig nachzugehen. Spätestens seit Januar 2006 könne sie diese letzte Tätigkeit jedoch nicht mehr ausführen und auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf Dauer nur mehr unter drei Stunden täglich tätig sein, auch die Umstellungsfähigkeit auf gleichartige Tätigkeiten sei seitdem eingeschränkt. Eine Einschränkung der Wegefähigkeit sah die Gutachterin im Hinblick auf das Erscheinen der Klägerin zum Untersuchungstermin mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht. Eine begründete Aussicht auf Besserung verneinte sie im Hinblick auf die Chronifizierung der Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Gebiet und der Irreversibilität der sensomotorischen Polyneuropathie. Eine weitere internistische Begutachtung erscheine nicht unbedingt erforderlich.
Mit Schriftsatz vom 09.08.2007 erkannte die Beklagte auf Grund der gutachtlichen Feststellungen den Anspruch der Klägerin auf Rente wegen voller Erwerbsminderung auf unbestimmte Zeit auf der Grundlage eines Leistungsfalles vom 01.01.2006 ab 01.02.2006 an und erklärte sich bereit, die Hälfte der außergerichtlichen Kosten dem Grunde nach zu übernehmen.
Die Klägerin nahm in der Folgezeit dieses Angebot trotz der Hinweisschreiben des Senats vom 11.09.2007, 23.11.2007 nicht an und erschien auch zu dem am 24.01.2008 angesetzten Erörterungstermin nicht (Vorlage eines ärztlichen Attestes vom 22.01.2008). Zur Sache äußerte sie sich nicht.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Landshut vom 23.03.2005 sowie des Bescheides vom 22.05.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25.07.2003 zu verpflichten, ihr Rente wegen Erwerbsminderung auf ihren Antrag vom 15.03.2002 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt (sinngemäß), die Berufung zurückzuweisen, soweit sie über das mit Schriftsatz vom 09.08.2007 erfolgte Anerkenntnis hinausgeht.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogenen Rentenakten der Beklagten und die Akten S 3 An 104/91 Ko, S 10 AL 310/01 und S 13 U 88/93 des SG Landshut Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Sie erweist sich jedoch nur zum Teil, nämlich für die Zeit ab 01.02.2006, als begründet.
Zutreffend hat das Erstgericht im Zeitpunkt seiner Entscheidung (März 2005) festgestellt, dass ein Anspruch der Klägerin auf Rente wegen Erwerbsminderung nicht bestand. Die Voraussetzungen der teilweisen oder vollen Erwerbsminderung nach § 43 Abs.1 und 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) sowie der teilweisen Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) lagen insoweit nicht vor. Die Klägerin war nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich (§ 43 Abs.1 Satz 2 SGB VI) bzw. mindestens drei Stunden täglich (§ 43 Abs.2 Satz 2 SGB VI) erwerbstätig zu sein; ebenso war sie nicht berufsunfähig im Sinne von § 240 Abs.2 SGB VI.
Sie konnte vielmehr nach den auch für den Senat nachvollziehbaren - und in zweiter Instanz durch Dr.M. aus der Sicht ihres Fachgebietes bestätigten - Feststellungen des internistischen Gutachters Dr.E. trotz Einschränkungen ihrer Erwerbsfähigkeit durch den bei ihr vorliegenden Diabetes mellitus nebst damals noch geringen Folgeschädigungen noch leichtere körperliche Arbeiten in geschlossenen Räumen in wechselnder Körperhaltung, jedenfalls ohne dauerndes Gehen, ohne häufiges Bücken und häufige Zwangshaltungen sowie ohne Nacht- und Wechselschicht mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Zwar war der Diabetes zu diesem Zeitpunkt - bei fehlender Compliance seitens der Klägerin - schlecht eingestellt, eine Optimierung der Diabetesbehandlung aber nach den ärztlichen Feststellungen ohne weiteres jederzeit möglich. Die schon damals in Betracht gezogene Umstellung auf Insulin (vgl. Befundbericht Dr.S. vom 16.12.2004 bl.109 SG-Akten) hätte sich auch ohne weiteres mit den üblichen Bedingungen eines Arbeitsplatzes vereinbaren lassen, wie die inzwischen tatsächlich erfolgte Umstellung auf einmal tägliche Insulingabe "Lantus" neben Tablettenmedikation zeigt (siehe Gutachten Dr.M.). Dies hatte auch Dr.E. in seinem Gutachten vom 22.01.2005 so gesehen, der allerdings eine dreimal tägliche Insulingabe (morgens, mittags und abends) in Betracht gezogen hatte. Die während der üblichen Arbeitszeit lediglich einmal täglich mittags notwendig gewordene Insulinversorgung wäre im Rahmen der Mittagspause bzw. jedenfalls auch im Rahmen der sog. Persönlichen Verteilzeit möglich gewesen.
Die Berufung ist jedoch für den Zeitraum ab 01.02.2006 begründet. Ein Rentenanspruch der Klägerin wegen voller Erwerbsminderung (§ 43 Abs.2 SGB VI) ist auf Grund einer spätestens im Januar 2006 eingetretenen Verschlechterung der Folgen des Diabetes mellitus auf neurologischem und psychiatrischem Gebiet (Polyneuropathie, Depression) zu bejahen. Seit diesem Zeitpunkt besteht auch für leichte körperliche Tätigkeiten ein nur mehr unter dreistündiges Leistungsvermögen der Klägerin. Dies steht für den Senat auf Grund des schlüssigen und überzeugenden Gutachtens der Dr.M. vom 28.06.2007 fest und wird auch von der Beklagten anerkannt.
Da die Klägerin sich trotz aller bisherigen Bemühungen des Senats zu dem Anerkenntnis der Beklagten im Schriftsatz vom 09.08.2007 nicht geäußert hat, ist die Beklagte entsprechend ihrem der Sachlage gerecht werdenden Anerkenntnis zur Zahlung der Rente wegen Erwerbsminderung ab 01.02.2006 zu verurteilen.
Da die Klägerin mit ihrem Begehren in etwa zur Hälfte obsiegt hat, hat die Beklagte deren außergerichtliche Kosten beider Rechtszüge zur Hälfte zu erstatten.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 SGG sind nicht ersichtlich.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Die Beklagte hat der Klägerin die Hälfte der außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist eine Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1945 geborene Klägerin war nach einer Ausbildung zur Näherin (August 1959 bis Februar 1961) zunächst in diesem Beruf tätig, ab 1967 war sie dann als Ausbilderin und technische Angestellte (Reparaturannahme, Endkontrolle, Musterkarteiherstellung) versicherungspflichtig beschäftigt bis zur Betriebsaufgabe im Dezember 1991. Seitdem ist sie wechselnd arbeitslos und arbeitsunfähig.
Ihren am 15.03.2002 gestellten Rentenantrag lehnte die Beklagte nach Einholung eines Gutachtens des Internisten Dr.P. mit Bescheid vom 22.05.2002 ab. Dr.P. hatte in seinem Gutachten vom 27.04.2002 einen schlecht eingestellten Diabetes mellitus Typ II mit beginnender Polyneuropathie und essenzieller Hypertonie ohne wesentliche Folgeschäden diagnostiziert und leichte Tätigkeiten ohne Nacht- und Wechselschicht und ohne besonderen Zeitdruck - auch Tätigkeiten einer Ausbilderin - sechs Stunden täglich und mehr für möglich gehalten.
Der Widerspruch der Klägerin ("erhebliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit durch hohe Zuckerwerte, zusätzlich ausgeprägte Hauterkrankung" blieb erfolglos (zurückweisender Widerspruchsbescheid vom 25.07.2003).
Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) holte dieses Auskünfte der DAK L. und der Firma Z. , G. (letzter Arbeitgeber), die ärztlichen Unterlagen des Arbeitsamts L. (Arbeitsamtsarzt M.: mittelschwere Arbeiten vollschichtig ohne Schichtdient) sowie ärztliche Unterlagen der behandelnden Ärzte (u.a. des Internisten Dr.H.: "entgleister Diabetes und Bluthochdruck, nur diätetisch eingestellt, aber orale Medikation erforderlich" bei. Es beauftragte den Internisten Dr.E. mit der Untersuchung und Begutachtung der Klägerin. In seinem Gutachten vom 22.01.2005 diagnostizierte Dr.E. einen Diabetes mellitus Typ II B mit leichtgradigen Organschädigungen (sensible Polyneuropathie, Verdacht auf beginnende Makroangiopathie), einen arteriellen Hypertonus mit leichter Myokardhypertrophie und Fundus hypertonicus, ferner das Vollbild eines metabolischen Syndroms mit Adipositas Grad I und Hyperlipidämie, eine Refluxösophagitis bei kleiner axialer Hernie sowie eine bekannte Kontaktallergie.
Der Gutachter führte dazu aus, die Bewertung des Diabetes richte sich nach dem Ausmaß der Organschädigungen und nach seiner Einstellbarkeit. Wesentliche Organschädigungen seien bei der Klägerin auch bei der neuerlichen Untersuchung nicht festzustellen. Vordringlich sei eine Therapieanpassung. Die bisherige Therapie mit inzwischen oraler Medikation sei ausgereizt; warum eine Therapieumstellung im Laufe der letzten zwei Jahre nicht erfolgt sei, bleibe unklar (Ablehnung einer Injektionstherapie durch die Klägerin?). Es fehle an einer zufriedenstellenden Compliance der Klägerin. Eine Insulintherapie werde wohl unumgänglich sein. Eine Visusminderung schloss der Gutachter trotz Augenhintergrundveränderungen aus. Er vertrat die Auffassung, dass bei entsprechender Therapieanpassung von einer deutlich verbesserten Zuckereinstellung und entsprechender Besserung der Beschwerden auszugehen sei. Das Leistungsvermögen sei lediglich in qualitativer Hinsicht eingeschränkt. Möglich seien noch leichte vollschichtige Tätigkeiten in geschlossenen Räumen ohne dauerndes Gehen und mit gelegentlichem Positionswechsel, ohne häufiges Bücken und häufige Zwangshaltungen. Zu vermeiden seien auch Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten sowie Tätigkeiten in Nacht- und Wechselschicht. Die letzte Tätigkeit als Ausbilderin im Bekleidungshandwerk hielt der Gutachter weiterhin für möglich. Das Erfordernis zusätzlicher Arbeitspausen im Falle einer zukünftig notwendiger Insulintherapie verneinte er: die notwendigen Injektionen könnten morgens vor Beginn der Arbeit und abends zu Hause gegeben werden, lediglich mittags sei dann im Rahmen der Mittagspause eine zusätzliche Injektion erforderlich, was bei den heutigen Hilfsmitteln einschließlich einer Blutzuckerselbstkontrolle innerhalb von zehn Minuten erledigt werden könne.
Das SG wies die Klage mit Urteil vom 23.03.2005, gestützt auf das Gutachten des Dr.E. , ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, weil sie nicht auf Dauer erwerbsgemindert sei, sondern bis zur entsprechenden Therapieanpassung allenfalls Arbeitsunfähigkeit bestehe.
Mit der Berufung wendet sich die Klägerin gegen dieses Urteil. Nach Mandatsniederlegung des bisherigen Bevollmächtigten erfolgte die Berufungsbegründung durch die Klägerin selbst erst nach 14 Monaten. Sie legte die von den behandelnden Ärzten bei ihr gemessenen Laborwerte vom 13.06.2005, 04.08.2005 und 19.12.2005 (deutlich erhöhte Blutzuckerwerte) vor und führte aus, ihr behandelnder Arzt habe eine stationäre Krankenhauseinweisung zur Einstellung des Diabetes abgelehnt(?), sie selbst habe kein Geld für die Zuzahlung für Medikamente und Krankenhausaufenthalte.
Der Senat holte einen Befundbericht und die ärztlichen Unterlagen des behandelnden Arztes Dr.O. vom 17. Januar 2007 ein ("u.a. schwere depressive Episoden seit 2004, soziale Phobie, Abbau sozialer Kompetenz; diabetisches Fußsyndrom bei fortgeschrittener PNP beidseits, beschwerdefreie Gehstrecke unter 500 m").
Er beauftragte die Gutachterin Dr.M. mit der Erstellung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens. In dem ausführlichen Gutachten vom 28.06.2007 erhob diese zum einen die Diagnose einer seit Antragstellung im März 2002 auf ihrem Fachgebiet bestehenden sensiblen Polyneuropathie bei Diabetes mellitus. Insoweit sei es inzwischen bei schlecht eingestelltem Diabetes mellitus zu einer Zunahme der polyneuropathischen Beschwerden gekommen. Seit spätestens Anfang 2006 (Januar 2006) bestanden nach ihren weiteren Feststellungen neben der nunmehr stärker ausgeprägten sensomotorischen Polyneuropathie bei Diabetes mellitus zudem eine mittelschwere depressive Episode sowie eine soziale Phobie.
Nach den Feststellungen der Gutachterin ist es inzwischen zu einer Neueinstellung des Diabetes mellitus der Klägerin gekommen (nunmehr einmal täglich 20 Einheiten Lantus, im Übrigen mehrfach tägliche Einnahme von Tabletten), im Übrigen seit Anfang 2006 zu zunehmender Depression und zu einer im Vergleich zur Begutachtung Dr.E. zunehmenden Polyneuropathie. Dr.M. verweis dazu auf die in der Vergangenheit liegenden Ursachen (ungünstige soziale Situation, finanzielle Notlage, unzureichende Einstellung des Diabetes mellitus bei nicht ausreichendem Bemühen um ärztliche Behandlung, "schlechte Compliance") und auch auf die fehlende nervenärztliche Behandlung. Sie vertrat die Auffassung, die Klägerin habe ab Antragstellung in März 2002 körperlich leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung ohne dauerndes Gehen, ohne Absturzgefahr, in geschlossenen Räumen, ohne besondere Anforderungen an die nervliche und psychische Belastbarkeit mindestens sechs Stunden täglich verrichten können. Sie sei auch in der Lage gewesen, ihrer letzten Erwerbstätigkeit als Ausbildungsleiterin und Schneiderin vollschichtig nachzugehen. Spätestens seit Januar 2006 könne sie diese letzte Tätigkeit jedoch nicht mehr ausführen und auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf Dauer nur mehr unter drei Stunden täglich tätig sein, auch die Umstellungsfähigkeit auf gleichartige Tätigkeiten sei seitdem eingeschränkt. Eine Einschränkung der Wegefähigkeit sah die Gutachterin im Hinblick auf das Erscheinen der Klägerin zum Untersuchungstermin mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht. Eine begründete Aussicht auf Besserung verneinte sie im Hinblick auf die Chronifizierung der Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Gebiet und der Irreversibilität der sensomotorischen Polyneuropathie. Eine weitere internistische Begutachtung erscheine nicht unbedingt erforderlich.
Mit Schriftsatz vom 09.08.2007 erkannte die Beklagte auf Grund der gutachtlichen Feststellungen den Anspruch der Klägerin auf Rente wegen voller Erwerbsminderung auf unbestimmte Zeit auf der Grundlage eines Leistungsfalles vom 01.01.2006 ab 01.02.2006 an und erklärte sich bereit, die Hälfte der außergerichtlichen Kosten dem Grunde nach zu übernehmen.
Die Klägerin nahm in der Folgezeit dieses Angebot trotz der Hinweisschreiben des Senats vom 11.09.2007, 23.11.2007 nicht an und erschien auch zu dem am 24.01.2008 angesetzten Erörterungstermin nicht (Vorlage eines ärztlichen Attestes vom 22.01.2008). Zur Sache äußerte sie sich nicht.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Landshut vom 23.03.2005 sowie des Bescheides vom 22.05.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25.07.2003 zu verpflichten, ihr Rente wegen Erwerbsminderung auf ihren Antrag vom 15.03.2002 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt (sinngemäß), die Berufung zurückzuweisen, soweit sie über das mit Schriftsatz vom 09.08.2007 erfolgte Anerkenntnis hinausgeht.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogenen Rentenakten der Beklagten und die Akten S 3 An 104/91 Ko, S 10 AL 310/01 und S 13 U 88/93 des SG Landshut Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Sie erweist sich jedoch nur zum Teil, nämlich für die Zeit ab 01.02.2006, als begründet.
Zutreffend hat das Erstgericht im Zeitpunkt seiner Entscheidung (März 2005) festgestellt, dass ein Anspruch der Klägerin auf Rente wegen Erwerbsminderung nicht bestand. Die Voraussetzungen der teilweisen oder vollen Erwerbsminderung nach § 43 Abs.1 und 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) sowie der teilweisen Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) lagen insoweit nicht vor. Die Klägerin war nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich (§ 43 Abs.1 Satz 2 SGB VI) bzw. mindestens drei Stunden täglich (§ 43 Abs.2 Satz 2 SGB VI) erwerbstätig zu sein; ebenso war sie nicht berufsunfähig im Sinne von § 240 Abs.2 SGB VI.
Sie konnte vielmehr nach den auch für den Senat nachvollziehbaren - und in zweiter Instanz durch Dr.M. aus der Sicht ihres Fachgebietes bestätigten - Feststellungen des internistischen Gutachters Dr.E. trotz Einschränkungen ihrer Erwerbsfähigkeit durch den bei ihr vorliegenden Diabetes mellitus nebst damals noch geringen Folgeschädigungen noch leichtere körperliche Arbeiten in geschlossenen Räumen in wechselnder Körperhaltung, jedenfalls ohne dauerndes Gehen, ohne häufiges Bücken und häufige Zwangshaltungen sowie ohne Nacht- und Wechselschicht mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Zwar war der Diabetes zu diesem Zeitpunkt - bei fehlender Compliance seitens der Klägerin - schlecht eingestellt, eine Optimierung der Diabetesbehandlung aber nach den ärztlichen Feststellungen ohne weiteres jederzeit möglich. Die schon damals in Betracht gezogene Umstellung auf Insulin (vgl. Befundbericht Dr.S. vom 16.12.2004 bl.109 SG-Akten) hätte sich auch ohne weiteres mit den üblichen Bedingungen eines Arbeitsplatzes vereinbaren lassen, wie die inzwischen tatsächlich erfolgte Umstellung auf einmal tägliche Insulingabe "Lantus" neben Tablettenmedikation zeigt (siehe Gutachten Dr.M.). Dies hatte auch Dr.E. in seinem Gutachten vom 22.01.2005 so gesehen, der allerdings eine dreimal tägliche Insulingabe (morgens, mittags und abends) in Betracht gezogen hatte. Die während der üblichen Arbeitszeit lediglich einmal täglich mittags notwendig gewordene Insulinversorgung wäre im Rahmen der Mittagspause bzw. jedenfalls auch im Rahmen der sog. Persönlichen Verteilzeit möglich gewesen.
Die Berufung ist jedoch für den Zeitraum ab 01.02.2006 begründet. Ein Rentenanspruch der Klägerin wegen voller Erwerbsminderung (§ 43 Abs.2 SGB VI) ist auf Grund einer spätestens im Januar 2006 eingetretenen Verschlechterung der Folgen des Diabetes mellitus auf neurologischem und psychiatrischem Gebiet (Polyneuropathie, Depression) zu bejahen. Seit diesem Zeitpunkt besteht auch für leichte körperliche Tätigkeiten ein nur mehr unter dreistündiges Leistungsvermögen der Klägerin. Dies steht für den Senat auf Grund des schlüssigen und überzeugenden Gutachtens der Dr.M. vom 28.06.2007 fest und wird auch von der Beklagten anerkannt.
Da die Klägerin sich trotz aller bisherigen Bemühungen des Senats zu dem Anerkenntnis der Beklagten im Schriftsatz vom 09.08.2007 nicht geäußert hat, ist die Beklagte entsprechend ihrem der Sachlage gerecht werdenden Anerkenntnis zur Zahlung der Rente wegen Erwerbsminderung ab 01.02.2006 zu verurteilen.
Da die Klägerin mit ihrem Begehren in etwa zur Hälfte obsiegt hat, hat die Beklagte deren außergerichtliche Kosten beider Rechtszüge zur Hälfte zu erstatten.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 SGG sind nicht ersichtlich.
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