Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 20 U 883/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 81/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 10/11 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Zurr Frage des Vorliegens einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV bei langjähriger Tätigkeit als Möbelspediteur.
2. Übertreffen die degenerativen Schäden an der Halswirbelsäule diejenigen an der Lendenwirbelsäule (deutlich), sprechen die Indizien gegen das Vorliegen der Berufskrankheit, auch wenn keine Konkurrenzursachen im Sinne der Konsensempfehlungen vorliegen.
2. Übertreffen die degenerativen Schäden an der Halswirbelsäule diejenigen an der Lendenwirbelsäule (deutlich), sprechen die Indizien gegen das Vorliegen der Berufskrankheit, auch wenn keine Konkurrenzursachen im Sinne der Konsensempfehlungen vorliegen.
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 13. Januar 2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Anerkennung einer Berufskrankheit nach der Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).
Der 1941 geborene Kläger hat von 1956 bis 1959 eine Ausbildung zum Speditionskaufmann absolviert. Im Anschluss war er von 1959 bis 1999 als Lkw-Fahrer und Möbelträger tätig; 1977 übernahm er den entsprechenden Betrieb seines Vaters ( A. KG Möbelspedition B-Stadt).
Mit Schreiben vom 19. Februar 1996 teilte er der Beklagten mit, dass er seit ca. fünf Jahren große Beschwerden an der Wirbelsäule und am linken Knie habe, da er nach wie vor den Lkw fahre und die Möbel selbst mittrage. Die Anzeige des Unternehmers über eine Berufskrankheit ging am 1. April 1996 bei der Beklagten ein. Die Beklagte leitete Verwaltungsverfahren zu den Berufskrankheiten Nrn. 2108 bis 2110 und 2102 ein.
Ein Magnetresonanztomogramm (MRT) vom 18. Dezember 1995 belegte eine Fehlstellung und Pseudospondylolisthesis in Höhe von L5/S1, eine Protrusion von L3 bis S 1 mit Einengung sowie eine starke Arthrose der kleinen Wirbelgelenke in Höhe von L4/5.
Der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten (TAD) vertrat in einer Stellungnahme vom 24. Januar 1997 die Ansicht, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV gegeben seien, nicht jedoch im Sinne der Berufskrankheiten nach den Nrn. 2109 und 2110 der Anlage zur BKV.
Der als Gutachter gewählte Facharzt für Chirurgie Dr. G. vertrat in dem Gutachten vom 29. August 1997 die Ansicht, der Halswirbelsäulen-(HWS-)Befund lasse annehmen, dass eine endogene Komponente die wesentliche Ursache für den bestehenden Bandscheibenschaden darstelle. An der HWS fänden sich erhebliche Degenerationszeichen im Sinne der Spondylochondrose und der degenerativen Bandscheibenveränderungen, ohne dass dort eine berufsbedingte Belastung anzunehmen wäre. Leichtere Verschleißerscheinungen fänden sich auch an der unteren Brustwirbelsäule (BWS). Von entscheidender Bedeutung für die Entstehung des Bandscheibenschadens sei ein Instabilitätsbefund an den zwei untersten Lendenwirbelsäulen-(LWS-)segmenten durch eine Spondylolyse und damit verbundene Spondylolisthesis (Wirbelgleiten). Daraus resultiere eine erhebliche Instabilität in diesen Segmenten, die den vorzeitigen Aufbrauchschaden der Bandscheiben maßgeblich verursacht habe. Betroffen seien davon die Etage L5/S1 sowie das darüberliegenden Segment. Ferner spiele eine mäßige Fehlhaltung der LWS mit einer rechtskonvexen Skoliose eine Rolle. Insgesamt betroffen seien vor allem die beiden untersten Segmente. Der Gewerbearzt stimmte dieser Einschätzung zu.
Mit Bescheid vom 13. Januar 1998 lehnte die Beklagte Entschädigungsleistungen ab, weil eine Berufskrankheit nach den Nrn. 2102, 2108, 2109 und 2110 der Anlage zur BKV nicht vorläge. Hinsichtlich der Berufskrankheit nach Nr. 2108 lägen nach den Feststellungen des TAD zwar die arbeitstechnischen Voraussetzungen vor, es fehle jedoch gemäß dem Gutachten des Dr. G. an den medizinischen Voraussetzungen. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 9. Oktober 1998 zurück.
Mit der Klage zum Sozialgericht München (Az.: S 20 U 883/98) hat sich der Kläger gegen die Ablehnung der Entschädigungsleistungen gewandt. Mit Beschluss vom 13. Januar 2003 hat das Sozialgericht die Streitigkeit um die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage zur BKV abgetrennt (Az.: S 20 U 47/03).
Das Sozialgericht hat aktuelle Befundberichte der behandelnden Ärzte eingeholt und den Chirurgen und Unfallchirurgen Dr. L. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt (Gutachten vom 24. August 1999). Nachgewiesen seien flache Vorwölbungen der Bandscheiben in den drei untersten Segmenten der LWS; ein manifester Bandscheibenvorfall bestehe nicht. Neben den Bandscheibenveränderungen bestünden auch Arthrosen der kleinen Wirbelgelenke, die, zumindest im Segment L5/S1, ihre Ursache in einer angeborenen Normvariante hätten, und Arthrosen der Iliosakralgelenke. Darüber hinaus bestünden konkurrierende Erkrankungen, insbesondere eine angeborene Normvariante im Sinne einer Defektbildung, die einen vorzeitigen Verschleiß begründe. Auch könne der Nachweis eines "altersvorauseilenden Schadens" nicht geführt werden. Nachweisbar seien schließlich auch Verschleißveränderungen im Bereich der HWS. Eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 sei deshalb nicht anzunehmen. Im Übrigen würde sich eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von unter 20 v. ergeben.
Demgegenüber ist der gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beauftragte Orthopäde Prof. Dr. E. (LMU B-Stadt) in dem Gutachten vom 1. August 2000 unter Einbezug eines radiologischen Zusatzgutachtens zu dem Ergebnis gelangt, dass die medizinischen Voraussetzungen einer Berufskrankheit nach den Nrn. 2108 und 2110 gegeben seien, nicht jedoch nach Nr. 2109. Es bestünden eine Osteochondrose, Spondylarthrose mit osteophytären Randzackenausbildungen HWK 3 bis 6, Bandscheibenprotrusionen L 4/5, L 5/S1 (nachgewiesen durch MRT vom Dezember 1995), eine Spondylolyse LWK 5 und Spondylolisthesis L 5/S1, eine Osteochondrose, Spondylarthrose L4 bis S 1 und rechts konvexe Lumbalskoliose sowie eine medial betonte Gonarthrose links bei Genu varum.
Die MdE betrage 60 v. Die bestehende rechtskonvexe Skoliose sei sicher nicht komplett berufsbedingt, vielmehr sei es durch die 41-jährige schwere körperliche Arbeit zur deutlichen Zunahme der Wirbelsäulenseitverbiegung gekommen. Hinsichtlich der HWS handele es sich radiologisch um degenerative Veränderungen, so dass eine Berufskrankheit nach Nr. 2109 ausscheide.
Die Beklagte hat hierzu eine fachchirurgische Stellungnahme der Dr. K./M. vom 22. Januar 2001 vorgelegt, die u.a. auf die mehrsegmentalen Veränderungen an der HWS hingewiesen haben. Es entspreche der herrschenden Lehrmeinung, dass ein Schadensbild an der HWS, das in gleicher Weise wie an der LWS ausgeprägt sei, als gewichtiger Grund gegen einen beruflichen Ursachenzusammenhang anzusehen sei. Der HWS-Befund werde von Prof. Dr. E. nicht diskutiert.
Prof. Dr. E. hat in einer ergänzenden Stellungnahme vom 15. Mai 2002 ausgeführt, dass die beruflichen Belastungen gegeben gewesen seien. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sei es durch die berufliche Tätigkeit zu einem deutlich frühzeitigem Auftreten einer Bandscheibendegeneration in Höhe L 4/5 sowie L5/S1 und den Spondyl-arthrosen L 4 bis S 1 sowie zur Spondylolisthesis L5/S1 gekommen. Hinsichtlich der MdE sei auch eine Höhe von 50 v. vertretbar.
In der mündlichen Verhandlung vom 13. Januar 2003 hat der Kläger angegeben, dass er aufgrund seiner Kniebeschwerden ärztlicherseits gezwungen gewesen sei, seine Tätigkeit als Möbeltransporteur aufzugeben.
Mit Urteil vom 13. Januar 2003 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Eine Berufskrankheit nach § 551 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) läge nicht vor. Dies gelte auch für die Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV. Nach eigenen Angaben hätten die erheblichen Kniebeschwerden und nicht die bandscheibenbedingten Erkrankungen der LWS zur Aufgabe der belastenden Tätigkeit geführt. Auch der zeitliche Zusammenhang der Berufsaufgabe mit der im Jahre 1999 zusammenfallenden Implantation einer Oberflächenersatzprothese (LCS) spreche hierfür. Ferner spreche das Gutachten des Dr. L. gegen das Vorliegen dieser Berufskrankheit. Demgegenüber widerspreche das Gutachten des Prof. Dr. E. den Ausführungen des Klägers und diskutiere die Frage der Berufsaufgabe nur sehr pauschal. Hinsichtlich der Berufskrankheit nach Nr. 2110 hat das Sozialgericht ferner auf die Feststellungen des TAD verwiesen.
Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt und sich zur Begründung auf das Gutachten des Prof. Dr. E. gestützt. Er sei auch wegen der Erkrankung der LWS zur Aufgabe der belastenden Tätigkeiten gezwungen gewesen.
Die Beklagte hat durch den TAD weitere Ermittlungen angestrebt. Eine Berechnung nach dem C-Stadt-Dortmunder-Dosismodell (MDD) war jedoch aufgrund der Datenlage und der zunächst fehlenden Mitwirkung des Klägers nicht möglich.
Der vom Senat beauftragte Orthopäde Dr. D. hat in seinem Gutachten vom 13. Juli 2006 die Ansicht vertreten, dass eine Berufskrankheit nach Nr. 2108, insbesondere aufgrund der Stellungnahme des TAD nicht jedoch nach den Nrn. 2109 und 2110, der Anlage zur BKV vorliege. Er hat ein chronisches HWS-Syndrom bei degenerativen Veränderungen und Fehlhaltung (klinisch bestünden eine intermittierende Cervicobrachialgie rechts, intermittierende Parästhesien der Finger, röntgenologisch nachgewiesen ausgeprägte degenerative Veränderungen), ein chronisches LWS-Syndrom bei degenerativen Veränderungen und eine Fehlhaltung und Spondylolisthesis Grad I bei L5/S1 (klinisch ein vorwiegend lokal ausgeprägtes Schmerzsyndrom mit Bewegungseinschränkung. Röntgenologisch seien eine skoliotische Fehlhaltung mit beginnendem Drehgleiten, eine Spondylolyse L5, eine Spondylolisthesis L5/S1 Grad I nach Meyerding sowie ausgeprägte Arthrosen und Osteochondrosen nachgewiesen) festgestellt. Die bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS sei trotz Vorhandensein konkurrierender Faktoren wie eine anlagenbedingte Listhese L5/S1 und eine skoliotische Fehlhaltung berufsbedingt. Nach den Konsensempfehlungen seien eine Spondylolisthesis Meyerding Grad I und eine Skoliose leichterer Ausprägung (Cobb-Winkel bis 20 Grad) nicht mehr als konkurrierende Faktoren gegen eine vermehrte berufliche Schädigung anzusehen. Weiteres Indiz für das Bestehen einer Berufskrankheit sei die bestehende Osteochondrose, bevorzugt in den unteren LWS-Segmenten; die Spondylose bestehe jedoch eher in den oberen LWS-Segmenten, unter Einbeziehung der untersten BWS-Etagen. Die MdE sei auf 20 v. einzuschätzen.
Der Senat hat ein Gutachten des Prof. Dr. D. (Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der G. Universität C-Stadt) zum Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen eingeholt. Dieser ist unter Einbezug der ergänzenden Angaben der Beteiligten und des Ergebnisses des Erörterungstermins vom 7. November 2007 in einem Gutachten vom 17. Dezember 2007 zu dem Ergebnis gelangt, dass mit Wahrscheinlichkeit davon auszugehen sei, dass lediglich die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Berufskrankheit nach der Nr. 2108 vorliegen.
Der Senat hat den Rechtsstreit hinsichtlich der Berufskrankheiten nach den Nrn. 2108, 2109 und 2110 mit Beschluss vom 5. März 2008 getrennt. Mit Urteil vom 2. April 2008 hat er die Berufung des Klägers zurückgewiesen, soweit diese die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2109 der Anlage zur BKV betroffen hat (Az.: L 2 U 113/08).
In der Sitzung vom 2. April 2008 hat er den Rechtsstreit vertagt. Die Beklagte hat sich bereit erklärt, unter Mitwirkung des Klägers Ermittlungen nach dem MDD durch den TAD durchzuführen. Mit Schriftsatz vom 10. Juli 2008 hat sie mitgeteilt, dass nach den Ermittlungen der Beklagten der Richtwert der Gesamtbelastungsdosis nach dem MDD überschritten worden sei. Allerdings fehle es am Vorliegen einer bandscheibenbedingten Erkrankung. Prof. Dr. D. hat in einer ergänzenden Stellungnahme vom 23. September 2003 die Berechnungen als zutreffend bewertet.
Der ebenfalls vom Senat beauftragte Orthopäde Dr. K. ist in seinem Gutachten vom 3. Dezember 2008 zu dem Ergebnis gelangt, dass die medizinischen Voraussetzungen der Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV nicht vorliegen. Es läge kein konformes Schadensbild vor, weil die degenerativen Veränderungen an der HWS deutlich die an der lumbalen Wirbelsäule übertreffen, die lumbalen Bandscheibenveränderungen wie Spondyloselänge und Zwischenwirbelraumsinterung die Altersnorm nicht übersteigen und konkurrierende Erkrankungsbilder (tief sitzende Skoliose, Beckenkippung, Spondylolisthesis) nicht ausgeschlossen werden konnten. Alle genannten Erkrankungen hätten einen großen Einfluss bei der Entstehung der segmentalen, lumbalen Veränderungen genommen, der sicher den gleichen Umfang, wenn nicht mehr erreicht habe als die Arbeitsbelastung. Nach dem Konsensuspapier sei eine Skoliose mit 20 Grad keine konkurrierende Erkrankung. Eine solche Aussage verlange jedoch eine kritische Wertung. Nach seiner Einschätzung habe das endogene Element Skoliose bei der Entstehung der Veränderungen mit eingewirkt und sei bedingt als konkurrierendes Erkrankungsbild anzusehen. Kritisch hinterfragt werden müsse auch die Aussage des Konsensuspapiers, dass eine Spondylolisthesis Stadium Meyerding I als konkurrierende Erkrankung ausscheide. Auch hier sei es aber schwierig, den einzelnen Belastungsfaktoren ihre Bedeutung und ihren Einfluss bei der Entstehung der Veränderungen zuzuweisen. Die Arthrosis interspinosa Baastrup (Sklerosereaktion an der Unterseite der Dornfortsätze) bedeute keine konkurrierende Erkrankung. Schließlich bedeute eine Ott-Forestier keine bandscheibenbedingte Erkrankung und entfalle dadurch als Konkurrenz.
Der gemäß § 109 SGG gehörte Orthopäde Dr. (Oberarzt, ) ist in dem Gutachten vom 18. Februar 2010 zu dem Ergebnis gelangt, dass ein der Berufskrankheit nach Nr. 2108 konformes medizinisches Erkrankungsbild der LWS gegeben sei. Als Diagnosen lägen vor ein degeneratives lokales Lumbalsyndrom mit Osteochondrose, eine Spondylose, eine Spondylolyse LWK 5 mit Spondylolisthese LWK 5 gegenüber SWK 1 nach ventral Meyerding Grad I, eine degenerative rechtskonvexe Lumbalskoliose, multiple Bandscheibenprotrusionen, ein degeneratives HWS-Syndrom sowie eine mediale Gonarthrose links. Allerdings seien die vorhandenen Gesundheitsstörungen an der LWS Folge des komplexen Zusammenwirkens der drei ursächlichen Faktoren `berufliche Exposition´, `lumbale Skoliose´ und `Spondylolyse/Spondylolisthese´. Es sei weder ein deutliches Übergewicht "ausschließlich" der beruflichen noch der konkurrierenden Faktoren mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachzuweisen. Die degenerativen Veränderungen an der HWS seien mindestens ebenso schwer, tendenziell sogar stärker ausgeprägt als an der LWS. Es habe der Zwang zur Aufgabe der zuletzt ausgeübten Tätigkeit bestanden. Die MdE sei im Hinblick auf die dauerhaft vorhandenen Schmerzen und die funktionellen Beschwerden - ohne Vorhandensein von neurologischen Symptomen - mit 20 v. einzuschätzen.
Die Beklagte hat sich mit Schriftsatz vom 12. März 2010 durch die beiden Gutachten be-stätigt gesehen. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat demgegenüber beantragt, das Erscheinen des Sachverständigen Dr. in der mündlichen Verhandlung zur Erläuterung des Gutachtens anzuordnen.
Mit Beschluss vom 6. Juli 2010 hat der Senat den Antrag auf Ablehnung des Sachverständigen Dr. K. wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.
In der Sitzung vom 28. Juli 2010 hat der Senat den Rechtsstreit zur weiteren Sachaufklärung vertagt und eine Stellungnahme des Dr. D. nach Aktenlage und ambulanter Untersuchung vom 23. August 2010 eingeholt. Dem Gutachten des Dr. sei insoweit zuzustimmen, dass insgesamt drei Faktoren als ursächlich für die Gesundheitsschädigung der LWS angeführt werden müssen: die Skoliose, die Spondylolisthese und die berufliche Exposition. Da weitere Faktoren zu einer Schädigung der LWS geführt haben, hat Dr. D. eine MdE von 10 v.H empfohlen.
Die Beklagte hat zuletzt ausgeführt, dass allein Dr. K. sich mit den Konsensempfehlungen auseinandergesetzt habe. Dr. D. habe dies auch in der ergänzenden Stellungnahme unterlassen.
Der Sachverstände Dr. hat in der mündlichen Verhandlung vom 8. Dezember 2010 sein Gutachten erläutert. Insgesamt seien alle drei Ursachen (Skoliose, Wirbelgleiten, berufliche Verursachung) gleichwertig zu bewerten. Die degenerativen Schäden an der Halswirbelsäule seien stärker ausgeprägt als an der Lendenwirbelsäule. Im Einzelnen wird auf die Niederschrift der Sitzung verwiesen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 13. Januar 2003 und den Bescheid vom 13. Januar 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Oktober 1998 aufzuheben, festzustellen, dass beim Kläger eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV vorliegt, und die Beklagte zu verpflichten, ihm vom 24. November 1995 an eine Verletztenrente in Höhe von mindestens 10 v. zu gewähren.
Hilfsweise beantragt er, Herrn Dr. D. anzuhören zum Ergebnis der heutigen Verhandlung sowie zur Bedeutung der Halswirbelsäulenschäden bei der Anerkennung der Berufskrankheit Nr. 2108.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird auf den Inhalt der Akte der Beklagten, der Gerichtsakten des Sozial- und des Landessozialgerichts und der Klage- und Berufungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), aber unbegründet, da die medizinischen Voraussetzungen für das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV nicht erfüllt sind.
Vorliegend richtet sich der Rechtsstreit nach den Regelungen der § 547 ff RVO und nicht nach denen des Siebten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VII), da es gemäß § 241 Abs. 3 SGB VII bei vor dem 1. Januar 1997 eingetretenen Versicherungsfällen bei der Anwendbarkeit der RVO verbleibt, wenn, wie hier, Leistungen, sofern ein Anspruch begründet wäre, schon vor dem 1. Januar 1997 erstmals festzusetzen gewesen wären. Der Kläger begehrt dabei Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung aufgrund eines Antrags auf Gewährung einer Verletztenrente wegen einer Berufskrankheit vom 19. Februar 1996. Im Übrigen ergebe sich aber auch bei Anwendung der Vorschriften der §§ 7 ff, 56 SGB VII im Ergebnis keine andere Beurteilung.
Nach § 551 Abs. 1 RVO gilt als Arbeitsunfall auch eine Berufskrankheit, d.h. eine Krankheit, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnete und die der Kläger bei einer der in §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeit erlitten hat. Dies setzt voraus, dass eine Krankheit vorliegt, die in der zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls (§ 551 Abs. 3 RVO) geltenden BKV aufgeführt ist (vgl. Verordnung zur Änderung der Berufskrankheitenverordnung vom 08.12.1976 (BGBl. I S. 3329, 3331), vom 22.03.1988 (BGBl. I 400), seit 1.12.1997 die BKVO vom 31.10.1997 - BGBl. I S. 2623). Vorliegend betrifft der Rechtsstreit Nr. 2108 der Anlage 1 der BKV - bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, der Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Über die allgemeine berufliche Gefährdung hinaus muss als wahrscheinlich nachgewiesen sein, dass die berufliche Tätigkeit wesentliche (Mit-)Ursache für die Gesundheitsstörungen war (BSG SozR 2200 § 551 Nrn. 1 und 18). Ist, wie im vorliegenden Fall in Nr. 2108 der Anlage zur BKV, die geltend gemachte Erkrankung in der Berufskrankheitenliste genannt, müssen auch deren weiteren Voraussetzungen erfüllt sein. Nach der im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung maßgeblichen Theorie der wesentlichen Bedingung sind dabei nur solche Ursachen rechtserheblich, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (vgl. BSG v. 30. Januar 2007, Az.: B 2 U 23/05 R; vom 2. April 2009, Az.: B 2 U 9/08 R).
Neben dem sachlichen Zusammenhang zwischen der Verrichtung und der versicherten Tätigkeit setzt der Versicherungsfall der Berufskrankheit ferner voraus, dass die Verrichtung eine Einwirkung auf den Körper durch die im Tatbestand der Berufskrankheit genannten Belastungen wesentlich verursacht hat (sog. Einwirkungskausalität); außerdem ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung einerseits (sog. haftungsbegründende Kausalität) und zwischen schädigender Einwirkung und Erkrankung andererseits (sog. haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei reicht jedenfalls für die Bejahung der haftungsausfüllenden Kausalität eine hinreichende Wahrscheinlichkeit aus (vgl. BSGE 45, 285, 286; 58, 76, 79). Hierunter ist eine Wahrscheinlichkeit zu verstehen, nach der bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSGE 45, 285, 286).
Die Feststellung dieser Berufskrankheit setzt somit einerseits das Vorliegen der sog. arbeitstechnischen Voraussetzungen im Sinne der haftungsbegründenden Kausalität, andererseits der medizinischen Voraussetzungen im Sinne der haftungsausfüllenden Kausalität voraus, d.h. es muss das typische Krankheitsbild der Berufskrankheit vorliegen und dieses muss im Sinne der unfallrechtlichen Kausalitätslehre wesentlich ursächlich auf die berufliche Tätigkeit zurückzuführen sein. Dabei reicht es aus, dass die berufliche Tätigkeit wesentlich mitursächlich für den Gesundheitsschaden ist.
Die arbeitstechnischen Voraussetzungen sind für die Zeit bis 1999, als der Kläger beim Transport von Klavieren und Flügeln tätig war, gegeben. Die ergibt sich aus dem vom Senat eingeholten Gutachten des Prof. Dr. D. sowie den Stellungnahmen des TAD der Beklagten. Auch nach den Berechnungen der Gesamtbelastungsdosis nach dem MDD ergibt sich, dass die Belastungen auf die LWS über 38 Jahre entsprechend ausgeprägt waren. Prof. Dr. D. stimmte in der Stellungnahme vom 23. September 2008 dieser Berechnung ausdrücklich zu. Damit ist auch eine Einwirkung auf den Körper der versicherten Tätigkeit zuzurechnen.
Allerdings fehlt es nach Überzeugung des Senats am Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen.
Für die Beurteilung der Ursächlichkeit sind als Kriterien die belastenden Einwirkungen, das Krankheitsbild, insbesondere ob ein altersuntypischer Befund und ein belastungskonformes Schadensbild vorliegen, eine zeitliche Korrelation zwischen den Einwirkungen und dem Erkrankungsverlauf sowie das Vorliegen von konkurrierenden Ursachen wie z.B. endogene Veranlagungen zugrunde zu legen (BSG vom 27. Juni 2006, Az.: B 2 U 13/05 R m.w.N.). Die berufliche Exposition müsste, wie dargelegt, zumindest eine wesentliche Mitursache für die Gesundheitsstörungen sein.
Weitgehend unstreitig ist, dass ein belastungskonformes Schadensbild gegeben ist. Zu der Frage, was unter einer bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS im Sinne der BKV zu verstehen sein soll, hat der Verordnungsgeber in der Begründung zur Zweiten Änderungsverordnung (2. ÄndVO), durch welche die Berufskrankheit nach Nr. 2108 in die Berufskrankheitenliste aufgenommen worden ist (BR-Drucks 773/92 S 8), eingehende Ausführungen gemacht. Danach sind unter bandscheibenbedingten Erkrankungen zu verstehen: Bandscheibendegeneration (Diskose), Instabilität im Bewegungssegment, Bandscheibenvorfall (Prolaps), degenerative Veränderungen der Wirbelkörperabschlussplatten (Osteochondrose), knöcherne Ausziehungen an den vorderen seitlichen Randleisten der Wirbelkörper (Spondylose), degenerative Veränderungen der Wirbelgelenke (Spondylarthrose) mit den durch derartige Befunde bedingten Beschwerden und Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule (zum Ganzen auch: BSG, Urteil vom 31. Mai 2005, Az.: B 2 U 12/04 R). Beim Kläger liegt ein Bandscheibenschaden in Form eines degenerativen lokalen Lumbalsyndroms bei Osteochondrose, Spondylose, Spondylolyse LWK 5 mit Spondylolisthese LWK 5 gegenüber SWK 1 nach ventral Meyerding Grad I, degenerativer rechtskonvexer Lumbalskolios und multiplen Bandscheibenprotrusionen vor. Die klinischen und radiologischen Kriterien für ein lokales Lumbalsyndrom sind erfüllt. Dr. erläuterte die Ausführungen seines Gutachtens, dass sich im Bereich der LWS Chondrosen und Protrusionen finden - jedoch keine Bandscheibenvorfälle; neurologische Ausfälle sind nicht zu verzeichnen. Da auch eine ausreichende berufliche Belastung durch das Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen gegeben und von der Beklagten anerkannt ist, stellt sich noch die Frage, ob konkurrierende Ursachen wesentlich mitursächlich für den Gesundheitsschaden sind.
Die Beurteilung des Kausalzusammenhangs zwischen der berufsbedingten Belastung und den Gesundheitsbeeinträchtigungen an der LWS gestaltet sich beim Kläger schwierig. Insoweit differieren auch die vorliegenden Gutachten. Während sowohl der vom Sozialgericht nach § 109 SGG beauftragte Prof. Dr. E. sowie der vom Senat nach § 106 SGG beauftragte Dr. D. zu dem Ergebnis gelangt sind, dass eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV vorliegt, verneinen dies Dr. G., Dr. L., Dr. K. und zuletzt auch Dr ...
Dr. diskutiert eingehend mögliche Konkurrenzursachen. Er kommt wie Dr. D. und Dr. K. zu dem Ergebnis, dass drei ursächliche Faktoren vorhanden sind: neben der beruflichen Exposition eine lumbale Skoliose und eine Wirbelgleiten (Spondylolyse/Spondylolisthese). Als Konkurrenzursachen scheiden sowohl Arthrosis interspinosa Baastrup als auch eine Ott-Forestier-Erkrankung aus.
Als konkurrierende Ursachen sind deshalb nur zu diskutieren die Skoliose sowie die Spondylolisthesis (Wirbelgleiten). Ferner sind Schäden an der HWS und BWS zu bewerten. Dies wurde von allen im sozialgerichtlichen Verfahren beteiligten Gutachtern diskutiert und von dem Sachverständigen Dr. im Rahmen der Anhörung nochmals bekräftigt. Bei der Skoliose ist dieser von einer tief sitzenden Lumbalskoliose ausgegangen; ob diese Skoliose jedoch tatsächlich seit Kindheit/Jugend bestand, kann nicht sicher belegt werden. Auf der vorliegenden Röntgenaufnahme aus dem Jahre 1998 lässt sich keine Skoliose erkennen, d.h. die Wirbelsäule ist gerade abgebildet. Aus der Aufnahme aus dem Jahre 1995 kann allenfalls ein Verdacht auf eine Skoliose abgeleitet werden. Es spricht damit mehr gegen das Vorliegen einer Skoliose oder gar einer tief sitzenden Skoliose als Sonderform der Skoliose. Selbst bei Annahme einer Skoliose ist diese jedoch nur von leichter Ausprägung (Cobb-Winkel bis 20 Grad), so dass diese nicht als konkurrierender Faktor gegen eine vermehrte berufliche Schädigung angesehen wird, wie dies z.B. Dr. D. unter Bezugnahme auf die Konsensempfehlungen - Medizinische Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule (Konsensempfehlung von Bolm-Audorff u.a., veröffentlicht in: Trauma und Berufskrankheit 3 (2005), 211, 216 ff, 228 ff) darlegt, so dass sich der Senat der Ansicht anschließt, dass insofern keine Konkurrenzursache gegeben ist.
Ähnlich verhält es sich bei dem Wirbelgleiten. Aus den vorliegenden Röntgenaufnahmen lässt sich nur ein Grad I nach Meyerding belegen. Erstmals dokumentiert ist dies ab dem 34. Lebensjahr. Dr. D. und Dr. bestätigen übereinstimmend, dass eine derartige Form der Spondylolisthesis nach den Konsensempfehlungen nicht als Konkurrenzursache zu sehen ist. Vom Vorliegen einer Konkurrenzursache kann daher ebenfalls nicht ausgegangen werden. Über eine durch die Spondylolisthese hervorgerufene Instabilität in den Segmenten LWK 4/5 und LWK 5/SWK 1 kann bei fehlenden Funktionsaufnahmen in Beugung und Streckung nur spekuliert werden.
Auch nach der Fachliteratur (z.B. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., S. 505) ist eine Spondylisthesis mit Spondylolyse Typ Meyerding I nicht als konkurrierende Ursache zu einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 anzusehen. Eine strukturelle Lumbalskoliose mit Bandscheibenschaden L 4/5 oder L5/S1 kann auch nach der Fachliteratur bei einem Grad 10 bis unter 25 nach Cobb nicht als konkurrierende Ursache in Betracht kommen. Auch ein Morbus Forestier scheidet als Konkurrenzursache aus.
Der derzeitige wissenschaftliche Stand zu Fragen der Anerkennung als Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV wird durch die sog. Konsensempfehlungen wiedergegeben, auf die sich gemäß Gutachtensauftrag auch Dr. stützte. Entgegen der Darlegung der Beklagten hat diese darüber hinaus nicht nur Dr. K. bei seinem Gutachten berücksichtigt, sondern, wie eben dargelegt, auch Dr. D. - dieser auch bereits in seinem Gutachten vom 13. Juli 2006. Demgegenüber ist Dr. K. den Konsensempfehlungen gerade nicht gefolgt; er hat zwar die Darlegung von Dr. D. bestätigt, jedoch diese Aussage jeweils einer kritischen Wertung unterzogen mit dem Ergebnis, dass sowohl die Skoliose als auch das Wirbelgleiten als konkurrierende Ursache zu berücksichtigen sei. Da das Gutachten jedoch ausdrücklich von den Konsensempfehlungen abweicht, die den derzeit herrschenden Meinungsstand der arbeitsmedizinischen Wissenschaft zu dem medizinischen Beurteilungskriterien bei bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der LWS darstellen, folgt der Senat der Argumentation dieses Sachverständigen nicht.
Entscheidend für Dr. sind, unter Zugrundelegung der Konsensempfehlungen, aber die degenerativen Veränderungen an der HWS, die stärker als bei der LWS ausgeprägt sind. Es finden sich an der HWS multiple Chondrosen, vor allem an den Segmenten C 3/4, C 4/5 und C 5/6. Die Chondrosen weisen einen Grad II bei C 5/6 bzw. im Übrigen von I - II auf. Der Befund geht über den alterstypischen Befund hinaus. Demgegenüber gehen die Begleitspondylosen im Bereich der LWK 1/2 und 2/3 nicht über das Altersmaß hinaus. Die bestehenden Protrusionen haben dort keine neurologischen Begleiterscheinungen.
Diese degenerativen Veränderungen, die an der HWS deutlich die an der lumbalen Wirbelsäule übertreffen, deuten aber auch nach Dr. K. auf das Vorliegen einer zumindest gleichwertigen endogenen Verursachung hin. Die Veränderungen im Bereich der HWS übertreffen auch nach seiner Einschätzung deutlich die Altersnorm. Er diagnostizierte ebenfalls eine Osteochondrose C 3/4 und C 4/5 bei Blockwirbelbildung C 5/6. Er weist ferner darauf hin, dass die lumbalen Bandscheibenveränderungen wie Spondyloselänge und Zwischenwirbelraumsinterung die Altersnorm nicht übersteigen.
Dr. D. argumentiert demgegenüber, dass bevorzugt in den unteren LWS-Segmenten eine Osteochondrose besteht. Die Spondylose findet sich danach eher in den oberen LWS-Segmenten unter Einbeziehung der untersten BWS-Etagen. Dies spricht nach Ansicht des Sachverständigen dafür, dass der Kläger Belastungen unterlag, die eine Adaption auslösten und somit prinzipiell auch als potenziell schädigungsrelevant eingeordnet werden müssen. Allerdings hat auch Dr. D. in seiner ergänzenden Stellungnahme, bei der er insbesondere auf das Gutachten des Dr. eingegangen ist, ausdrücklich auf ausgeprägte Degenerationen der HWS hingewiesen und im Ergebnis seine MdE-Bewertung von 20 v. auf 10 v. abgesenkt.
Prof. Dr. E. bestätigte ebenfalls das Vorliegen von HWS-Erkrankungen in Form einer Osteochondrose, Spondylarthrose mit osteophytären Randzackenausbildungen HWK 3 bis 6. Er bejaht wie Dr. D. das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV und weist darauf hin, dass die bestehenden Bandscheibenprotrusionen, aber auch die vorhandene Osteochondrose, Spondylarthrose von L 4 bis S 1 sowie die vorhandene Pseudospondylolisthesis L 5 bis S 1 röntgenologisch nachgewiesene Überlastungszeichen sind. Allerdings setzt er sich in diesem Zusammenhang nicht mit der Bedeutung der HWS-Schädigungen auseinander, obwohl er im Rahmen der Beurteilung einer Berufskrankheit nach Nr. 2109 ausführte, dass es sich im Bereich der HWS um röntgenologisch nachgewiesene degenerative HWS-Veränderungen mit diskreter klinischer Funktionseinschränkung handelt.
Auch Dr. L. verneint das Vorliegen der Berufskrankheit und bezieht sich vor allem auf Spaltbildungen im Wirbelkörper L4, L5 und den Wirbelbögen L5 mit nachfolgender Verschiebung des Wirbelkörpers. Er beurteilt dies als eine angeborene Normvariante im Sinne einer Defektbildung. Auch könne der Nachweis eines "altersvorauseilenden Schadens" im Sinne einer Linksverschiebung nicht geführt werden. Die Verschleißveränderungen seien als mäßiggradig einzustufen. Schließlich ist auch für Dr. L. von Bedeutung, dass im Bereich der HWS Verschleißveränderungen nachgewiesen wurden. Nach seinen Feststellungen ist die Voraussetzung, dass der exponierte Wirbelsäulenabschnitt deutlich stärker vom Verschleiß betroffen ist als die nicht exponierten Abschnitte, nicht erfüllt.
Nach der Fachliteratur (z.B. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 502) kann ein Befall der HWS oder BWS je nach Fallkonstellation gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen. Maßgeblich für den ggf. erforderlichen Vergleich des Degenerationszustandes der Wirbelsäulenabschnitte sind nur Chondrosen und Vorfälle, während Spondylosen an den belastungsfernen Wirbelabschnitten die Indizwirkung einer altersuntypischen Degeneration an der LWS nicht in Zweifel ziehen. Hinsichtlich der degenerativen Veränderungen an der HWS verweist die Fachliteratur ebenfalls auf die Konsensempfehlungen. Danach sind Bandscheibenschäden an der HWS, welche gleich stark oder stärker ausgeprägt sind als an der LWS, bei der Abwägung ein deutliches Indiz gegen eine beruflich bedingte LWS-Erkrankung - auch wenn es sich nicht um ein Ausschlusskriterium handelt (Konsensempfehlungen, zu den Konstellationen B5, B6, B8 und C4).
Der Senat kommt daher zu dem Ergebnis, dass bei Anwendung der Konsensempfehlungen keine wesentlichen konkurrierenden Ursachenfaktoren gegeben sind und zumindest von Dr. überzeugend dargelegt wurde, dass eine Begleitspondylose nicht vorliegt. Nach der Konstellation B 5 ist danach ein Zusammenhang der LWS-Erkrankung mit der beruflichen Tätigkeit nicht wahrscheinlich, da die Bandscheibenschäden an der HWS des Klägers stärker ausgeprägt sind als an der LWS. Dies gilt auch bei Annahme einer Begleitspondylose gemäß der Konstellation B 8. In diesen Fallkonstellationen sprechen die stärkeren, endogenen HWS-Schäden gegen einen beruflich verursachten LWS-Schaden. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Mischform ergeben sich aus den vorliegenden Gutachten nicht.
Eine weitere medizinische Sachverhaltsaufklärung war nicht mehr geboten. Es liegt eine Vielzahl von Gutachten vor, die zwar nicht alle deckungsgleich sind, jedoch die Komplexität des medizinischen Sachverhalts würdigen. Dabei verkennt der Senat nicht, dass es sich um ein sehr schwierig zu bewertendes Krankheitsbild bei dem Kläger handelt. Es ist aber Aufgabe des Senats, die medizinischen Gutachten zu bewerten und anhand der Hinweise und Indizien den Kausalzusammenhang rechtlich zu beurteilen. Da auch nach Angaben des Klägers keine weiteren Röntgenaufnahmen, vor allem aus der Kinder- oder Jugendzeit, vorgelegt werden können, ist der medizinische Sachverhalt aufgeklärt.
Die Berufung war daher im Hauptantrag zurückzuweisen. Aber auch dem Hilfsantrag auf Anhörung des Sachverständigen Dr. D. war nicht nachzukommen. Der Senat hatte den Sachverständigen Dr. geladen, damit dieser sein Gutachten erläutert (§ 118 Abs. 1 S. 1 SGG in Verbindung mit § 411 Abs. 3 Zivilprozessordnung). Dabei handelte es sich um den vom Kläger nach § 109 SGG benannten Gutachter. Zu diesem Gutachten hatte der Senat bereits eine ergänzende Stellungnahme des Dr. D. vom 23. August 2010 eingeholt, der sogar eine erneute ambulante Untersuchung des Klägers vorgenommen hat. Die Stellungnahme setzte sich fast ausschließlich mit dem Gutachten des Dr. auseinander. Der D. bestätigte dabei zum einen "die ausgeprägte Degeneration der Halswirbelsäule", zum anderen stimmte er der Darlegung des Dr. bei, dass insgesamt drei Faktoren (Skoliose, Spondylolisthese, berufliche Exposition) ursächlich für die Gesundheitsschädigung der LWS waren. Durch die Erläuterung seines Gutachtens in der mündlichen Verhandlung hat Dr. keine neuen Gesichtspunkte vorgebracht, sondern lediglich seine systematische Vorgehensweise und seine Bewertungen vor allem anhand der Konsensempfehlungen nochmals dargelegt. Insoweit ist auch auf die abschließende Äußerung des Dr. D. in der Stellungnahme hinzuweisen, dass er aus jetziger Sicht keine weiteren Ausführungen mehr machen kann. Darüber hinaus wird durch den Hilfsantrag nicht deutlich, zu welchen konkreten, bislang nicht berücksichtigten Gesichtspunkten eine erneute Äußerung des Dr. D. erfolgen könnte bzw. sollte, zumal dieser sich, wie dargelegt, zur Bedeutung der HWS-Schäden zuletzt auch in der vorliegenden Stellungnahme geäußert hat. Einem Beweisantrag, der auf Anhörung zu dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung gerichtet ist, fehlt bereits das konkrete Beweisthema, und dieser beschreibt nicht, was die Beweisaufnahme ergeben soll (zum Ganzen: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 160 Rdnr. 18 a m.w.N.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass auch die Berufung ohne Erfolg geblieben ist.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Anerkennung einer Berufskrankheit nach der Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).
Der 1941 geborene Kläger hat von 1956 bis 1959 eine Ausbildung zum Speditionskaufmann absolviert. Im Anschluss war er von 1959 bis 1999 als Lkw-Fahrer und Möbelträger tätig; 1977 übernahm er den entsprechenden Betrieb seines Vaters ( A. KG Möbelspedition B-Stadt).
Mit Schreiben vom 19. Februar 1996 teilte er der Beklagten mit, dass er seit ca. fünf Jahren große Beschwerden an der Wirbelsäule und am linken Knie habe, da er nach wie vor den Lkw fahre und die Möbel selbst mittrage. Die Anzeige des Unternehmers über eine Berufskrankheit ging am 1. April 1996 bei der Beklagten ein. Die Beklagte leitete Verwaltungsverfahren zu den Berufskrankheiten Nrn. 2108 bis 2110 und 2102 ein.
Ein Magnetresonanztomogramm (MRT) vom 18. Dezember 1995 belegte eine Fehlstellung und Pseudospondylolisthesis in Höhe von L5/S1, eine Protrusion von L3 bis S 1 mit Einengung sowie eine starke Arthrose der kleinen Wirbelgelenke in Höhe von L4/5.
Der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten (TAD) vertrat in einer Stellungnahme vom 24. Januar 1997 die Ansicht, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV gegeben seien, nicht jedoch im Sinne der Berufskrankheiten nach den Nrn. 2109 und 2110 der Anlage zur BKV.
Der als Gutachter gewählte Facharzt für Chirurgie Dr. G. vertrat in dem Gutachten vom 29. August 1997 die Ansicht, der Halswirbelsäulen-(HWS-)Befund lasse annehmen, dass eine endogene Komponente die wesentliche Ursache für den bestehenden Bandscheibenschaden darstelle. An der HWS fänden sich erhebliche Degenerationszeichen im Sinne der Spondylochondrose und der degenerativen Bandscheibenveränderungen, ohne dass dort eine berufsbedingte Belastung anzunehmen wäre. Leichtere Verschleißerscheinungen fänden sich auch an der unteren Brustwirbelsäule (BWS). Von entscheidender Bedeutung für die Entstehung des Bandscheibenschadens sei ein Instabilitätsbefund an den zwei untersten Lendenwirbelsäulen-(LWS-)segmenten durch eine Spondylolyse und damit verbundene Spondylolisthesis (Wirbelgleiten). Daraus resultiere eine erhebliche Instabilität in diesen Segmenten, die den vorzeitigen Aufbrauchschaden der Bandscheiben maßgeblich verursacht habe. Betroffen seien davon die Etage L5/S1 sowie das darüberliegenden Segment. Ferner spiele eine mäßige Fehlhaltung der LWS mit einer rechtskonvexen Skoliose eine Rolle. Insgesamt betroffen seien vor allem die beiden untersten Segmente. Der Gewerbearzt stimmte dieser Einschätzung zu.
Mit Bescheid vom 13. Januar 1998 lehnte die Beklagte Entschädigungsleistungen ab, weil eine Berufskrankheit nach den Nrn. 2102, 2108, 2109 und 2110 der Anlage zur BKV nicht vorläge. Hinsichtlich der Berufskrankheit nach Nr. 2108 lägen nach den Feststellungen des TAD zwar die arbeitstechnischen Voraussetzungen vor, es fehle jedoch gemäß dem Gutachten des Dr. G. an den medizinischen Voraussetzungen. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 9. Oktober 1998 zurück.
Mit der Klage zum Sozialgericht München (Az.: S 20 U 883/98) hat sich der Kläger gegen die Ablehnung der Entschädigungsleistungen gewandt. Mit Beschluss vom 13. Januar 2003 hat das Sozialgericht die Streitigkeit um die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage zur BKV abgetrennt (Az.: S 20 U 47/03).
Das Sozialgericht hat aktuelle Befundberichte der behandelnden Ärzte eingeholt und den Chirurgen und Unfallchirurgen Dr. L. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt (Gutachten vom 24. August 1999). Nachgewiesen seien flache Vorwölbungen der Bandscheiben in den drei untersten Segmenten der LWS; ein manifester Bandscheibenvorfall bestehe nicht. Neben den Bandscheibenveränderungen bestünden auch Arthrosen der kleinen Wirbelgelenke, die, zumindest im Segment L5/S1, ihre Ursache in einer angeborenen Normvariante hätten, und Arthrosen der Iliosakralgelenke. Darüber hinaus bestünden konkurrierende Erkrankungen, insbesondere eine angeborene Normvariante im Sinne einer Defektbildung, die einen vorzeitigen Verschleiß begründe. Auch könne der Nachweis eines "altersvorauseilenden Schadens" nicht geführt werden. Nachweisbar seien schließlich auch Verschleißveränderungen im Bereich der HWS. Eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 sei deshalb nicht anzunehmen. Im Übrigen würde sich eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von unter 20 v. ergeben.
Demgegenüber ist der gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beauftragte Orthopäde Prof. Dr. E. (LMU B-Stadt) in dem Gutachten vom 1. August 2000 unter Einbezug eines radiologischen Zusatzgutachtens zu dem Ergebnis gelangt, dass die medizinischen Voraussetzungen einer Berufskrankheit nach den Nrn. 2108 und 2110 gegeben seien, nicht jedoch nach Nr. 2109. Es bestünden eine Osteochondrose, Spondylarthrose mit osteophytären Randzackenausbildungen HWK 3 bis 6, Bandscheibenprotrusionen L 4/5, L 5/S1 (nachgewiesen durch MRT vom Dezember 1995), eine Spondylolyse LWK 5 und Spondylolisthesis L 5/S1, eine Osteochondrose, Spondylarthrose L4 bis S 1 und rechts konvexe Lumbalskoliose sowie eine medial betonte Gonarthrose links bei Genu varum.
Die MdE betrage 60 v. Die bestehende rechtskonvexe Skoliose sei sicher nicht komplett berufsbedingt, vielmehr sei es durch die 41-jährige schwere körperliche Arbeit zur deutlichen Zunahme der Wirbelsäulenseitverbiegung gekommen. Hinsichtlich der HWS handele es sich radiologisch um degenerative Veränderungen, so dass eine Berufskrankheit nach Nr. 2109 ausscheide.
Die Beklagte hat hierzu eine fachchirurgische Stellungnahme der Dr. K./M. vom 22. Januar 2001 vorgelegt, die u.a. auf die mehrsegmentalen Veränderungen an der HWS hingewiesen haben. Es entspreche der herrschenden Lehrmeinung, dass ein Schadensbild an der HWS, das in gleicher Weise wie an der LWS ausgeprägt sei, als gewichtiger Grund gegen einen beruflichen Ursachenzusammenhang anzusehen sei. Der HWS-Befund werde von Prof. Dr. E. nicht diskutiert.
Prof. Dr. E. hat in einer ergänzenden Stellungnahme vom 15. Mai 2002 ausgeführt, dass die beruflichen Belastungen gegeben gewesen seien. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sei es durch die berufliche Tätigkeit zu einem deutlich frühzeitigem Auftreten einer Bandscheibendegeneration in Höhe L 4/5 sowie L5/S1 und den Spondyl-arthrosen L 4 bis S 1 sowie zur Spondylolisthesis L5/S1 gekommen. Hinsichtlich der MdE sei auch eine Höhe von 50 v. vertretbar.
In der mündlichen Verhandlung vom 13. Januar 2003 hat der Kläger angegeben, dass er aufgrund seiner Kniebeschwerden ärztlicherseits gezwungen gewesen sei, seine Tätigkeit als Möbeltransporteur aufzugeben.
Mit Urteil vom 13. Januar 2003 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Eine Berufskrankheit nach § 551 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) läge nicht vor. Dies gelte auch für die Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV. Nach eigenen Angaben hätten die erheblichen Kniebeschwerden und nicht die bandscheibenbedingten Erkrankungen der LWS zur Aufgabe der belastenden Tätigkeit geführt. Auch der zeitliche Zusammenhang der Berufsaufgabe mit der im Jahre 1999 zusammenfallenden Implantation einer Oberflächenersatzprothese (LCS) spreche hierfür. Ferner spreche das Gutachten des Dr. L. gegen das Vorliegen dieser Berufskrankheit. Demgegenüber widerspreche das Gutachten des Prof. Dr. E. den Ausführungen des Klägers und diskutiere die Frage der Berufsaufgabe nur sehr pauschal. Hinsichtlich der Berufskrankheit nach Nr. 2110 hat das Sozialgericht ferner auf die Feststellungen des TAD verwiesen.
Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt und sich zur Begründung auf das Gutachten des Prof. Dr. E. gestützt. Er sei auch wegen der Erkrankung der LWS zur Aufgabe der belastenden Tätigkeiten gezwungen gewesen.
Die Beklagte hat durch den TAD weitere Ermittlungen angestrebt. Eine Berechnung nach dem C-Stadt-Dortmunder-Dosismodell (MDD) war jedoch aufgrund der Datenlage und der zunächst fehlenden Mitwirkung des Klägers nicht möglich.
Der vom Senat beauftragte Orthopäde Dr. D. hat in seinem Gutachten vom 13. Juli 2006 die Ansicht vertreten, dass eine Berufskrankheit nach Nr. 2108, insbesondere aufgrund der Stellungnahme des TAD nicht jedoch nach den Nrn. 2109 und 2110, der Anlage zur BKV vorliege. Er hat ein chronisches HWS-Syndrom bei degenerativen Veränderungen und Fehlhaltung (klinisch bestünden eine intermittierende Cervicobrachialgie rechts, intermittierende Parästhesien der Finger, röntgenologisch nachgewiesen ausgeprägte degenerative Veränderungen), ein chronisches LWS-Syndrom bei degenerativen Veränderungen und eine Fehlhaltung und Spondylolisthesis Grad I bei L5/S1 (klinisch ein vorwiegend lokal ausgeprägtes Schmerzsyndrom mit Bewegungseinschränkung. Röntgenologisch seien eine skoliotische Fehlhaltung mit beginnendem Drehgleiten, eine Spondylolyse L5, eine Spondylolisthesis L5/S1 Grad I nach Meyerding sowie ausgeprägte Arthrosen und Osteochondrosen nachgewiesen) festgestellt. Die bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS sei trotz Vorhandensein konkurrierender Faktoren wie eine anlagenbedingte Listhese L5/S1 und eine skoliotische Fehlhaltung berufsbedingt. Nach den Konsensempfehlungen seien eine Spondylolisthesis Meyerding Grad I und eine Skoliose leichterer Ausprägung (Cobb-Winkel bis 20 Grad) nicht mehr als konkurrierende Faktoren gegen eine vermehrte berufliche Schädigung anzusehen. Weiteres Indiz für das Bestehen einer Berufskrankheit sei die bestehende Osteochondrose, bevorzugt in den unteren LWS-Segmenten; die Spondylose bestehe jedoch eher in den oberen LWS-Segmenten, unter Einbeziehung der untersten BWS-Etagen. Die MdE sei auf 20 v. einzuschätzen.
Der Senat hat ein Gutachten des Prof. Dr. D. (Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der G. Universität C-Stadt) zum Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen eingeholt. Dieser ist unter Einbezug der ergänzenden Angaben der Beteiligten und des Ergebnisses des Erörterungstermins vom 7. November 2007 in einem Gutachten vom 17. Dezember 2007 zu dem Ergebnis gelangt, dass mit Wahrscheinlichkeit davon auszugehen sei, dass lediglich die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Berufskrankheit nach der Nr. 2108 vorliegen.
Der Senat hat den Rechtsstreit hinsichtlich der Berufskrankheiten nach den Nrn. 2108, 2109 und 2110 mit Beschluss vom 5. März 2008 getrennt. Mit Urteil vom 2. April 2008 hat er die Berufung des Klägers zurückgewiesen, soweit diese die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2109 der Anlage zur BKV betroffen hat (Az.: L 2 U 113/08).
In der Sitzung vom 2. April 2008 hat er den Rechtsstreit vertagt. Die Beklagte hat sich bereit erklärt, unter Mitwirkung des Klägers Ermittlungen nach dem MDD durch den TAD durchzuführen. Mit Schriftsatz vom 10. Juli 2008 hat sie mitgeteilt, dass nach den Ermittlungen der Beklagten der Richtwert der Gesamtbelastungsdosis nach dem MDD überschritten worden sei. Allerdings fehle es am Vorliegen einer bandscheibenbedingten Erkrankung. Prof. Dr. D. hat in einer ergänzenden Stellungnahme vom 23. September 2003 die Berechnungen als zutreffend bewertet.
Der ebenfalls vom Senat beauftragte Orthopäde Dr. K. ist in seinem Gutachten vom 3. Dezember 2008 zu dem Ergebnis gelangt, dass die medizinischen Voraussetzungen der Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV nicht vorliegen. Es läge kein konformes Schadensbild vor, weil die degenerativen Veränderungen an der HWS deutlich die an der lumbalen Wirbelsäule übertreffen, die lumbalen Bandscheibenveränderungen wie Spondyloselänge und Zwischenwirbelraumsinterung die Altersnorm nicht übersteigen und konkurrierende Erkrankungsbilder (tief sitzende Skoliose, Beckenkippung, Spondylolisthesis) nicht ausgeschlossen werden konnten. Alle genannten Erkrankungen hätten einen großen Einfluss bei der Entstehung der segmentalen, lumbalen Veränderungen genommen, der sicher den gleichen Umfang, wenn nicht mehr erreicht habe als die Arbeitsbelastung. Nach dem Konsensuspapier sei eine Skoliose mit 20 Grad keine konkurrierende Erkrankung. Eine solche Aussage verlange jedoch eine kritische Wertung. Nach seiner Einschätzung habe das endogene Element Skoliose bei der Entstehung der Veränderungen mit eingewirkt und sei bedingt als konkurrierendes Erkrankungsbild anzusehen. Kritisch hinterfragt werden müsse auch die Aussage des Konsensuspapiers, dass eine Spondylolisthesis Stadium Meyerding I als konkurrierende Erkrankung ausscheide. Auch hier sei es aber schwierig, den einzelnen Belastungsfaktoren ihre Bedeutung und ihren Einfluss bei der Entstehung der Veränderungen zuzuweisen. Die Arthrosis interspinosa Baastrup (Sklerosereaktion an der Unterseite der Dornfortsätze) bedeute keine konkurrierende Erkrankung. Schließlich bedeute eine Ott-Forestier keine bandscheibenbedingte Erkrankung und entfalle dadurch als Konkurrenz.
Der gemäß § 109 SGG gehörte Orthopäde Dr. (Oberarzt, ) ist in dem Gutachten vom 18. Februar 2010 zu dem Ergebnis gelangt, dass ein der Berufskrankheit nach Nr. 2108 konformes medizinisches Erkrankungsbild der LWS gegeben sei. Als Diagnosen lägen vor ein degeneratives lokales Lumbalsyndrom mit Osteochondrose, eine Spondylose, eine Spondylolyse LWK 5 mit Spondylolisthese LWK 5 gegenüber SWK 1 nach ventral Meyerding Grad I, eine degenerative rechtskonvexe Lumbalskoliose, multiple Bandscheibenprotrusionen, ein degeneratives HWS-Syndrom sowie eine mediale Gonarthrose links. Allerdings seien die vorhandenen Gesundheitsstörungen an der LWS Folge des komplexen Zusammenwirkens der drei ursächlichen Faktoren `berufliche Exposition´, `lumbale Skoliose´ und `Spondylolyse/Spondylolisthese´. Es sei weder ein deutliches Übergewicht "ausschließlich" der beruflichen noch der konkurrierenden Faktoren mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachzuweisen. Die degenerativen Veränderungen an der HWS seien mindestens ebenso schwer, tendenziell sogar stärker ausgeprägt als an der LWS. Es habe der Zwang zur Aufgabe der zuletzt ausgeübten Tätigkeit bestanden. Die MdE sei im Hinblick auf die dauerhaft vorhandenen Schmerzen und die funktionellen Beschwerden - ohne Vorhandensein von neurologischen Symptomen - mit 20 v. einzuschätzen.
Die Beklagte hat sich mit Schriftsatz vom 12. März 2010 durch die beiden Gutachten be-stätigt gesehen. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat demgegenüber beantragt, das Erscheinen des Sachverständigen Dr. in der mündlichen Verhandlung zur Erläuterung des Gutachtens anzuordnen.
Mit Beschluss vom 6. Juli 2010 hat der Senat den Antrag auf Ablehnung des Sachverständigen Dr. K. wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.
In der Sitzung vom 28. Juli 2010 hat der Senat den Rechtsstreit zur weiteren Sachaufklärung vertagt und eine Stellungnahme des Dr. D. nach Aktenlage und ambulanter Untersuchung vom 23. August 2010 eingeholt. Dem Gutachten des Dr. sei insoweit zuzustimmen, dass insgesamt drei Faktoren als ursächlich für die Gesundheitsschädigung der LWS angeführt werden müssen: die Skoliose, die Spondylolisthese und die berufliche Exposition. Da weitere Faktoren zu einer Schädigung der LWS geführt haben, hat Dr. D. eine MdE von 10 v.H empfohlen.
Die Beklagte hat zuletzt ausgeführt, dass allein Dr. K. sich mit den Konsensempfehlungen auseinandergesetzt habe. Dr. D. habe dies auch in der ergänzenden Stellungnahme unterlassen.
Der Sachverstände Dr. hat in der mündlichen Verhandlung vom 8. Dezember 2010 sein Gutachten erläutert. Insgesamt seien alle drei Ursachen (Skoliose, Wirbelgleiten, berufliche Verursachung) gleichwertig zu bewerten. Die degenerativen Schäden an der Halswirbelsäule seien stärker ausgeprägt als an der Lendenwirbelsäule. Im Einzelnen wird auf die Niederschrift der Sitzung verwiesen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 13. Januar 2003 und den Bescheid vom 13. Januar 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Oktober 1998 aufzuheben, festzustellen, dass beim Kläger eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV vorliegt, und die Beklagte zu verpflichten, ihm vom 24. November 1995 an eine Verletztenrente in Höhe von mindestens 10 v. zu gewähren.
Hilfsweise beantragt er, Herrn Dr. D. anzuhören zum Ergebnis der heutigen Verhandlung sowie zur Bedeutung der Halswirbelsäulenschäden bei der Anerkennung der Berufskrankheit Nr. 2108.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird auf den Inhalt der Akte der Beklagten, der Gerichtsakten des Sozial- und des Landessozialgerichts und der Klage- und Berufungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), aber unbegründet, da die medizinischen Voraussetzungen für das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV nicht erfüllt sind.
Vorliegend richtet sich der Rechtsstreit nach den Regelungen der § 547 ff RVO und nicht nach denen des Siebten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VII), da es gemäß § 241 Abs. 3 SGB VII bei vor dem 1. Januar 1997 eingetretenen Versicherungsfällen bei der Anwendbarkeit der RVO verbleibt, wenn, wie hier, Leistungen, sofern ein Anspruch begründet wäre, schon vor dem 1. Januar 1997 erstmals festzusetzen gewesen wären. Der Kläger begehrt dabei Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung aufgrund eines Antrags auf Gewährung einer Verletztenrente wegen einer Berufskrankheit vom 19. Februar 1996. Im Übrigen ergebe sich aber auch bei Anwendung der Vorschriften der §§ 7 ff, 56 SGB VII im Ergebnis keine andere Beurteilung.
Nach § 551 Abs. 1 RVO gilt als Arbeitsunfall auch eine Berufskrankheit, d.h. eine Krankheit, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnete und die der Kläger bei einer der in §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeit erlitten hat. Dies setzt voraus, dass eine Krankheit vorliegt, die in der zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls (§ 551 Abs. 3 RVO) geltenden BKV aufgeführt ist (vgl. Verordnung zur Änderung der Berufskrankheitenverordnung vom 08.12.1976 (BGBl. I S. 3329, 3331), vom 22.03.1988 (BGBl. I 400), seit 1.12.1997 die BKVO vom 31.10.1997 - BGBl. I S. 2623). Vorliegend betrifft der Rechtsstreit Nr. 2108 der Anlage 1 der BKV - bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, der Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Über die allgemeine berufliche Gefährdung hinaus muss als wahrscheinlich nachgewiesen sein, dass die berufliche Tätigkeit wesentliche (Mit-)Ursache für die Gesundheitsstörungen war (BSG SozR 2200 § 551 Nrn. 1 und 18). Ist, wie im vorliegenden Fall in Nr. 2108 der Anlage zur BKV, die geltend gemachte Erkrankung in der Berufskrankheitenliste genannt, müssen auch deren weiteren Voraussetzungen erfüllt sein. Nach der im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung maßgeblichen Theorie der wesentlichen Bedingung sind dabei nur solche Ursachen rechtserheblich, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (vgl. BSG v. 30. Januar 2007, Az.: B 2 U 23/05 R; vom 2. April 2009, Az.: B 2 U 9/08 R).
Neben dem sachlichen Zusammenhang zwischen der Verrichtung und der versicherten Tätigkeit setzt der Versicherungsfall der Berufskrankheit ferner voraus, dass die Verrichtung eine Einwirkung auf den Körper durch die im Tatbestand der Berufskrankheit genannten Belastungen wesentlich verursacht hat (sog. Einwirkungskausalität); außerdem ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung einerseits (sog. haftungsbegründende Kausalität) und zwischen schädigender Einwirkung und Erkrankung andererseits (sog. haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei reicht jedenfalls für die Bejahung der haftungsausfüllenden Kausalität eine hinreichende Wahrscheinlichkeit aus (vgl. BSGE 45, 285, 286; 58, 76, 79). Hierunter ist eine Wahrscheinlichkeit zu verstehen, nach der bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSGE 45, 285, 286).
Die Feststellung dieser Berufskrankheit setzt somit einerseits das Vorliegen der sog. arbeitstechnischen Voraussetzungen im Sinne der haftungsbegründenden Kausalität, andererseits der medizinischen Voraussetzungen im Sinne der haftungsausfüllenden Kausalität voraus, d.h. es muss das typische Krankheitsbild der Berufskrankheit vorliegen und dieses muss im Sinne der unfallrechtlichen Kausalitätslehre wesentlich ursächlich auf die berufliche Tätigkeit zurückzuführen sein. Dabei reicht es aus, dass die berufliche Tätigkeit wesentlich mitursächlich für den Gesundheitsschaden ist.
Die arbeitstechnischen Voraussetzungen sind für die Zeit bis 1999, als der Kläger beim Transport von Klavieren und Flügeln tätig war, gegeben. Die ergibt sich aus dem vom Senat eingeholten Gutachten des Prof. Dr. D. sowie den Stellungnahmen des TAD der Beklagten. Auch nach den Berechnungen der Gesamtbelastungsdosis nach dem MDD ergibt sich, dass die Belastungen auf die LWS über 38 Jahre entsprechend ausgeprägt waren. Prof. Dr. D. stimmte in der Stellungnahme vom 23. September 2008 dieser Berechnung ausdrücklich zu. Damit ist auch eine Einwirkung auf den Körper der versicherten Tätigkeit zuzurechnen.
Allerdings fehlt es nach Überzeugung des Senats am Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen.
Für die Beurteilung der Ursächlichkeit sind als Kriterien die belastenden Einwirkungen, das Krankheitsbild, insbesondere ob ein altersuntypischer Befund und ein belastungskonformes Schadensbild vorliegen, eine zeitliche Korrelation zwischen den Einwirkungen und dem Erkrankungsverlauf sowie das Vorliegen von konkurrierenden Ursachen wie z.B. endogene Veranlagungen zugrunde zu legen (BSG vom 27. Juni 2006, Az.: B 2 U 13/05 R m.w.N.). Die berufliche Exposition müsste, wie dargelegt, zumindest eine wesentliche Mitursache für die Gesundheitsstörungen sein.
Weitgehend unstreitig ist, dass ein belastungskonformes Schadensbild gegeben ist. Zu der Frage, was unter einer bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS im Sinne der BKV zu verstehen sein soll, hat der Verordnungsgeber in der Begründung zur Zweiten Änderungsverordnung (2. ÄndVO), durch welche die Berufskrankheit nach Nr. 2108 in die Berufskrankheitenliste aufgenommen worden ist (BR-Drucks 773/92 S 8), eingehende Ausführungen gemacht. Danach sind unter bandscheibenbedingten Erkrankungen zu verstehen: Bandscheibendegeneration (Diskose), Instabilität im Bewegungssegment, Bandscheibenvorfall (Prolaps), degenerative Veränderungen der Wirbelkörperabschlussplatten (Osteochondrose), knöcherne Ausziehungen an den vorderen seitlichen Randleisten der Wirbelkörper (Spondylose), degenerative Veränderungen der Wirbelgelenke (Spondylarthrose) mit den durch derartige Befunde bedingten Beschwerden und Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule (zum Ganzen auch: BSG, Urteil vom 31. Mai 2005, Az.: B 2 U 12/04 R). Beim Kläger liegt ein Bandscheibenschaden in Form eines degenerativen lokalen Lumbalsyndroms bei Osteochondrose, Spondylose, Spondylolyse LWK 5 mit Spondylolisthese LWK 5 gegenüber SWK 1 nach ventral Meyerding Grad I, degenerativer rechtskonvexer Lumbalskolios und multiplen Bandscheibenprotrusionen vor. Die klinischen und radiologischen Kriterien für ein lokales Lumbalsyndrom sind erfüllt. Dr. erläuterte die Ausführungen seines Gutachtens, dass sich im Bereich der LWS Chondrosen und Protrusionen finden - jedoch keine Bandscheibenvorfälle; neurologische Ausfälle sind nicht zu verzeichnen. Da auch eine ausreichende berufliche Belastung durch das Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen gegeben und von der Beklagten anerkannt ist, stellt sich noch die Frage, ob konkurrierende Ursachen wesentlich mitursächlich für den Gesundheitsschaden sind.
Die Beurteilung des Kausalzusammenhangs zwischen der berufsbedingten Belastung und den Gesundheitsbeeinträchtigungen an der LWS gestaltet sich beim Kläger schwierig. Insoweit differieren auch die vorliegenden Gutachten. Während sowohl der vom Sozialgericht nach § 109 SGG beauftragte Prof. Dr. E. sowie der vom Senat nach § 106 SGG beauftragte Dr. D. zu dem Ergebnis gelangt sind, dass eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV vorliegt, verneinen dies Dr. G., Dr. L., Dr. K. und zuletzt auch Dr ...
Dr. diskutiert eingehend mögliche Konkurrenzursachen. Er kommt wie Dr. D. und Dr. K. zu dem Ergebnis, dass drei ursächliche Faktoren vorhanden sind: neben der beruflichen Exposition eine lumbale Skoliose und eine Wirbelgleiten (Spondylolyse/Spondylolisthese). Als Konkurrenzursachen scheiden sowohl Arthrosis interspinosa Baastrup als auch eine Ott-Forestier-Erkrankung aus.
Als konkurrierende Ursachen sind deshalb nur zu diskutieren die Skoliose sowie die Spondylolisthesis (Wirbelgleiten). Ferner sind Schäden an der HWS und BWS zu bewerten. Dies wurde von allen im sozialgerichtlichen Verfahren beteiligten Gutachtern diskutiert und von dem Sachverständigen Dr. im Rahmen der Anhörung nochmals bekräftigt. Bei der Skoliose ist dieser von einer tief sitzenden Lumbalskoliose ausgegangen; ob diese Skoliose jedoch tatsächlich seit Kindheit/Jugend bestand, kann nicht sicher belegt werden. Auf der vorliegenden Röntgenaufnahme aus dem Jahre 1998 lässt sich keine Skoliose erkennen, d.h. die Wirbelsäule ist gerade abgebildet. Aus der Aufnahme aus dem Jahre 1995 kann allenfalls ein Verdacht auf eine Skoliose abgeleitet werden. Es spricht damit mehr gegen das Vorliegen einer Skoliose oder gar einer tief sitzenden Skoliose als Sonderform der Skoliose. Selbst bei Annahme einer Skoliose ist diese jedoch nur von leichter Ausprägung (Cobb-Winkel bis 20 Grad), so dass diese nicht als konkurrierender Faktor gegen eine vermehrte berufliche Schädigung angesehen wird, wie dies z.B. Dr. D. unter Bezugnahme auf die Konsensempfehlungen - Medizinische Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule (Konsensempfehlung von Bolm-Audorff u.a., veröffentlicht in: Trauma und Berufskrankheit 3 (2005), 211, 216 ff, 228 ff) darlegt, so dass sich der Senat der Ansicht anschließt, dass insofern keine Konkurrenzursache gegeben ist.
Ähnlich verhält es sich bei dem Wirbelgleiten. Aus den vorliegenden Röntgenaufnahmen lässt sich nur ein Grad I nach Meyerding belegen. Erstmals dokumentiert ist dies ab dem 34. Lebensjahr. Dr. D. und Dr. bestätigen übereinstimmend, dass eine derartige Form der Spondylolisthesis nach den Konsensempfehlungen nicht als Konkurrenzursache zu sehen ist. Vom Vorliegen einer Konkurrenzursache kann daher ebenfalls nicht ausgegangen werden. Über eine durch die Spondylolisthese hervorgerufene Instabilität in den Segmenten LWK 4/5 und LWK 5/SWK 1 kann bei fehlenden Funktionsaufnahmen in Beugung und Streckung nur spekuliert werden.
Auch nach der Fachliteratur (z.B. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., S. 505) ist eine Spondylisthesis mit Spondylolyse Typ Meyerding I nicht als konkurrierende Ursache zu einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 anzusehen. Eine strukturelle Lumbalskoliose mit Bandscheibenschaden L 4/5 oder L5/S1 kann auch nach der Fachliteratur bei einem Grad 10 bis unter 25 nach Cobb nicht als konkurrierende Ursache in Betracht kommen. Auch ein Morbus Forestier scheidet als Konkurrenzursache aus.
Der derzeitige wissenschaftliche Stand zu Fragen der Anerkennung als Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV wird durch die sog. Konsensempfehlungen wiedergegeben, auf die sich gemäß Gutachtensauftrag auch Dr. stützte. Entgegen der Darlegung der Beklagten hat diese darüber hinaus nicht nur Dr. K. bei seinem Gutachten berücksichtigt, sondern, wie eben dargelegt, auch Dr. D. - dieser auch bereits in seinem Gutachten vom 13. Juli 2006. Demgegenüber ist Dr. K. den Konsensempfehlungen gerade nicht gefolgt; er hat zwar die Darlegung von Dr. D. bestätigt, jedoch diese Aussage jeweils einer kritischen Wertung unterzogen mit dem Ergebnis, dass sowohl die Skoliose als auch das Wirbelgleiten als konkurrierende Ursache zu berücksichtigen sei. Da das Gutachten jedoch ausdrücklich von den Konsensempfehlungen abweicht, die den derzeit herrschenden Meinungsstand der arbeitsmedizinischen Wissenschaft zu dem medizinischen Beurteilungskriterien bei bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der LWS darstellen, folgt der Senat der Argumentation dieses Sachverständigen nicht.
Entscheidend für Dr. sind, unter Zugrundelegung der Konsensempfehlungen, aber die degenerativen Veränderungen an der HWS, die stärker als bei der LWS ausgeprägt sind. Es finden sich an der HWS multiple Chondrosen, vor allem an den Segmenten C 3/4, C 4/5 und C 5/6. Die Chondrosen weisen einen Grad II bei C 5/6 bzw. im Übrigen von I - II auf. Der Befund geht über den alterstypischen Befund hinaus. Demgegenüber gehen die Begleitspondylosen im Bereich der LWK 1/2 und 2/3 nicht über das Altersmaß hinaus. Die bestehenden Protrusionen haben dort keine neurologischen Begleiterscheinungen.
Diese degenerativen Veränderungen, die an der HWS deutlich die an der lumbalen Wirbelsäule übertreffen, deuten aber auch nach Dr. K. auf das Vorliegen einer zumindest gleichwertigen endogenen Verursachung hin. Die Veränderungen im Bereich der HWS übertreffen auch nach seiner Einschätzung deutlich die Altersnorm. Er diagnostizierte ebenfalls eine Osteochondrose C 3/4 und C 4/5 bei Blockwirbelbildung C 5/6. Er weist ferner darauf hin, dass die lumbalen Bandscheibenveränderungen wie Spondyloselänge und Zwischenwirbelraumsinterung die Altersnorm nicht übersteigen.
Dr. D. argumentiert demgegenüber, dass bevorzugt in den unteren LWS-Segmenten eine Osteochondrose besteht. Die Spondylose findet sich danach eher in den oberen LWS-Segmenten unter Einbeziehung der untersten BWS-Etagen. Dies spricht nach Ansicht des Sachverständigen dafür, dass der Kläger Belastungen unterlag, die eine Adaption auslösten und somit prinzipiell auch als potenziell schädigungsrelevant eingeordnet werden müssen. Allerdings hat auch Dr. D. in seiner ergänzenden Stellungnahme, bei der er insbesondere auf das Gutachten des Dr. eingegangen ist, ausdrücklich auf ausgeprägte Degenerationen der HWS hingewiesen und im Ergebnis seine MdE-Bewertung von 20 v. auf 10 v. abgesenkt.
Prof. Dr. E. bestätigte ebenfalls das Vorliegen von HWS-Erkrankungen in Form einer Osteochondrose, Spondylarthrose mit osteophytären Randzackenausbildungen HWK 3 bis 6. Er bejaht wie Dr. D. das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV und weist darauf hin, dass die bestehenden Bandscheibenprotrusionen, aber auch die vorhandene Osteochondrose, Spondylarthrose von L 4 bis S 1 sowie die vorhandene Pseudospondylolisthesis L 5 bis S 1 röntgenologisch nachgewiesene Überlastungszeichen sind. Allerdings setzt er sich in diesem Zusammenhang nicht mit der Bedeutung der HWS-Schädigungen auseinander, obwohl er im Rahmen der Beurteilung einer Berufskrankheit nach Nr. 2109 ausführte, dass es sich im Bereich der HWS um röntgenologisch nachgewiesene degenerative HWS-Veränderungen mit diskreter klinischer Funktionseinschränkung handelt.
Auch Dr. L. verneint das Vorliegen der Berufskrankheit und bezieht sich vor allem auf Spaltbildungen im Wirbelkörper L4, L5 und den Wirbelbögen L5 mit nachfolgender Verschiebung des Wirbelkörpers. Er beurteilt dies als eine angeborene Normvariante im Sinne einer Defektbildung. Auch könne der Nachweis eines "altersvorauseilenden Schadens" im Sinne einer Linksverschiebung nicht geführt werden. Die Verschleißveränderungen seien als mäßiggradig einzustufen. Schließlich ist auch für Dr. L. von Bedeutung, dass im Bereich der HWS Verschleißveränderungen nachgewiesen wurden. Nach seinen Feststellungen ist die Voraussetzung, dass der exponierte Wirbelsäulenabschnitt deutlich stärker vom Verschleiß betroffen ist als die nicht exponierten Abschnitte, nicht erfüllt.
Nach der Fachliteratur (z.B. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 502) kann ein Befall der HWS oder BWS je nach Fallkonstellation gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen. Maßgeblich für den ggf. erforderlichen Vergleich des Degenerationszustandes der Wirbelsäulenabschnitte sind nur Chondrosen und Vorfälle, während Spondylosen an den belastungsfernen Wirbelabschnitten die Indizwirkung einer altersuntypischen Degeneration an der LWS nicht in Zweifel ziehen. Hinsichtlich der degenerativen Veränderungen an der HWS verweist die Fachliteratur ebenfalls auf die Konsensempfehlungen. Danach sind Bandscheibenschäden an der HWS, welche gleich stark oder stärker ausgeprägt sind als an der LWS, bei der Abwägung ein deutliches Indiz gegen eine beruflich bedingte LWS-Erkrankung - auch wenn es sich nicht um ein Ausschlusskriterium handelt (Konsensempfehlungen, zu den Konstellationen B5, B6, B8 und C4).
Der Senat kommt daher zu dem Ergebnis, dass bei Anwendung der Konsensempfehlungen keine wesentlichen konkurrierenden Ursachenfaktoren gegeben sind und zumindest von Dr. überzeugend dargelegt wurde, dass eine Begleitspondylose nicht vorliegt. Nach der Konstellation B 5 ist danach ein Zusammenhang der LWS-Erkrankung mit der beruflichen Tätigkeit nicht wahrscheinlich, da die Bandscheibenschäden an der HWS des Klägers stärker ausgeprägt sind als an der LWS. Dies gilt auch bei Annahme einer Begleitspondylose gemäß der Konstellation B 8. In diesen Fallkonstellationen sprechen die stärkeren, endogenen HWS-Schäden gegen einen beruflich verursachten LWS-Schaden. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Mischform ergeben sich aus den vorliegenden Gutachten nicht.
Eine weitere medizinische Sachverhaltsaufklärung war nicht mehr geboten. Es liegt eine Vielzahl von Gutachten vor, die zwar nicht alle deckungsgleich sind, jedoch die Komplexität des medizinischen Sachverhalts würdigen. Dabei verkennt der Senat nicht, dass es sich um ein sehr schwierig zu bewertendes Krankheitsbild bei dem Kläger handelt. Es ist aber Aufgabe des Senats, die medizinischen Gutachten zu bewerten und anhand der Hinweise und Indizien den Kausalzusammenhang rechtlich zu beurteilen. Da auch nach Angaben des Klägers keine weiteren Röntgenaufnahmen, vor allem aus der Kinder- oder Jugendzeit, vorgelegt werden können, ist der medizinische Sachverhalt aufgeklärt.
Die Berufung war daher im Hauptantrag zurückzuweisen. Aber auch dem Hilfsantrag auf Anhörung des Sachverständigen Dr. D. war nicht nachzukommen. Der Senat hatte den Sachverständigen Dr. geladen, damit dieser sein Gutachten erläutert (§ 118 Abs. 1 S. 1 SGG in Verbindung mit § 411 Abs. 3 Zivilprozessordnung). Dabei handelte es sich um den vom Kläger nach § 109 SGG benannten Gutachter. Zu diesem Gutachten hatte der Senat bereits eine ergänzende Stellungnahme des Dr. D. vom 23. August 2010 eingeholt, der sogar eine erneute ambulante Untersuchung des Klägers vorgenommen hat. Die Stellungnahme setzte sich fast ausschließlich mit dem Gutachten des Dr. auseinander. Der D. bestätigte dabei zum einen "die ausgeprägte Degeneration der Halswirbelsäule", zum anderen stimmte er der Darlegung des Dr. bei, dass insgesamt drei Faktoren (Skoliose, Spondylolisthese, berufliche Exposition) ursächlich für die Gesundheitsschädigung der LWS waren. Durch die Erläuterung seines Gutachtens in der mündlichen Verhandlung hat Dr. keine neuen Gesichtspunkte vorgebracht, sondern lediglich seine systematische Vorgehensweise und seine Bewertungen vor allem anhand der Konsensempfehlungen nochmals dargelegt. Insoweit ist auch auf die abschließende Äußerung des Dr. D. in der Stellungnahme hinzuweisen, dass er aus jetziger Sicht keine weiteren Ausführungen mehr machen kann. Darüber hinaus wird durch den Hilfsantrag nicht deutlich, zu welchen konkreten, bislang nicht berücksichtigten Gesichtspunkten eine erneute Äußerung des Dr. D. erfolgen könnte bzw. sollte, zumal dieser sich, wie dargelegt, zur Bedeutung der HWS-Schäden zuletzt auch in der vorliegenden Stellungnahme geäußert hat. Einem Beweisantrag, der auf Anhörung zu dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung gerichtet ist, fehlt bereits das konkrete Beweisthema, und dieser beschreibt nicht, was die Beweisaufnahme ergeben soll (zum Ganzen: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 160 Rdnr. 18 a m.w.N.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass auch die Berufung ohne Erfolg geblieben ist.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
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