Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 89 KR 2354/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 35/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die zur familienhaften Mithilfe entwickelten Kriterien können im Einzelfall auch auf die Partner einer geschiedenen Ehe angewandt werden.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 8. Dezember 2004 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob die Klägerin ab dem 1. September 2002 der Versicherungspflicht in den Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung unterlag.
Die 1972 geborene Klägerin ist türkische Staatsangehörige und beendete den Schulbesuch nach der 6. Klasse; eine Berufsausbildung hat sie - soweit ersichtlich -nicht absolviert. Nachdem sie 1987 nach Deutschland gekommen war, heiratete sie 1989 den Beigeladenen zu 3), den Vater ihrer beiden Söhne M O, geboren 1994, und A I, geboren am 15. Januar 2003. Auch nach ihrer Scheidung – Urteil des Amtsgerichts Z/T vom 23. Oktober 2000, rechtskräftig seit dem 26. November 2001 – bewohnten die Klägerin und der Beigeladene zu 3) dieselbe Wohnung.
Zwischen dem 1. Februar 1996 und dem 31. Dezember 1999 führte die Klägerin – so die Angaben der Gewerbekartei des Bezirksamts Mitte von Berlin – in der Estraße, B, einen Gewerbebetrieb, der den "Verkauf v. Backwaren u. belegten Brötchen, Ausschank v. Kaffee (zu den gesetzl. Ladenöffnungszeiten)" zum Gegenstand hatte. An selber Stelle betrieb der Beigeladene zu 3) ab dem 1. Januar 2000 bis zum – so seine Angaben – Verkauf der Betriebsstätte (Kaufvertrag vom 10. Februar 2005) dasselbe Gewerbe mit der Erweiterung um "Einzelhandel mit Zeitungen u. Zeitschriften". In der Zeit vom 1. September 2001 bis zum 20. November 2001 beschäftigte er Herrn HB zu einem monatlichen Bruttoarbeitsentgelt von 2.855,88 DM, in der Zeit vom 1. Januar 2002 bis zum 3. April 2002 die Klägerin zu einem monatlichen Bruttoarbeitsentgelt von 777,62 EUR bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden – für diesen Zeitraum wurde die Klägerin bei der Beklagten angemeldet - und in der Zeit vom 1. Februar 2004 bis zum 1. September 2004 Frau AB bei einem monatlichen Bruttoarbeitsentgelt von 700,00 EUR (Februar bis April 2004) bzw. 200,00 EUR (Mai bis September). Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 4. April 2002 wurde mit Bescheid der Bundesanstalt für Arbeit, Arbeitsamt Berlin Nord (seit dem 1. Januar 2004: Bundesagentur für Arbeit, Agentur für Arbeit Berlin Nord) vom 29. Mai 2002 abgelehnt.
Auf die unter dem 17. Juli 2002 von der Klägerin unterzeichnete "Beitrittserklärung zur freiwilligen Krankenversicherung und Pflegeversicherung" – eingegangen bei der Beklagten am 10. September 2002 - teilte diese der Klägerin mit Schreiben vom gleichen Tag mit, dass eine freiwillige Krankenversicherung und Pflegeversicherung nicht möglich sei, da die Klägerin ihren Beitritt nicht innerhalb von 3 Monaten, nachdem sie ihre letzte Pflichtversicherung beendet habe, schriftlich angezeigt habe.
Ausweislich eines zwischen dem Beigeladenen zu 3) und der Klägerin unter dem 24. August 2002 geschlossenen Arbeitsvertrages sollte Letztere ab dem 1. September 2002 unbefristet als Verkäuferin bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden und einem Monatslohn von 500,00 EUR eingestellt werden; bargeldlose Lohnzahlung wurde vereinbart. Am 4. November 2002 meldete der Beigeladene zu 3) die Klägerin rückwirkend zum 1. September 2002 bei der Beklagten an. Am 6. Dezember 2002 begann die Mutterschutzfrist der Klägerin. Da der Beigeladene zu 3) bis zum 15. Januar 2003 den Gesamtsozialversicherungsbeitrag für die Klägerin nicht entrichtet hatte, führte die Beklagte an diesem Tage eine teilweise fruchtlose Pfändung durch. Am darauf folgenden Tag zahlte der Beigeladene zu 3) erstmals Beiträge für die Klägerin. Für die Zeit vom 15. Januar 2003 bis zum 14. Januar 2004 bewilligte das Bezirksamt Mitte von Berlin der Klägerin Erziehungsgeld. Ab dem 2. Mai 2006 ist die Klägerin bei einem monatlichen Verdienst von 405,00 EUR im Umfang von 20 Stunden wöchentlich bei dem neuen Inhaber der oben genannten Verkaufsstelle in der Estraße beschäftigt.
Nachdem die Klägerin im Februar 2003 Mutterschaftsgeld bei der Beklagten beantragt hatte, leitete diese eine Überprüfung des Versicherungsverhältnisses ein. Auf einem in diesem Zusammenhang ausgefüllten Fragebogen der Beklagten gaben die Klägerin und der Beigeladene zu 3) übereinstimmend u. a. an, dass die Klägerin bei ihrem "Ehegatten", dem Beigeladenen zu 3), ab dem 1. September 2002 in ihrem erlernten Beruf als Verkäuferin bei einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden (5 Arbeitstage) und einem regelmäßigen monatlichen Arbeitsentgelt von 500,00 EUR brutto tätig sei. Die Klägerin sei wie eine fremde Arbeitskraft in den Betrieb eingegliedert; ohne sie müsste eine andere Arbeitskraft eingestellt werden. An die Weisungen des das Weisungsrecht tatsächlich ausübenden Beigeladenen zu 3) sei sie gebunden, sie könne ihre Tätigkeit nicht frei bestimmen und gestalten. Wegen der weiteren Einzelheiten dieses Fragebogens wird auf Blatt 9 – 13 der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen. Nach einem von der Klägerin und dem Beigeladenen zu 3) unter dem 1. September 2002 erstellten weiteren Arbeitsvertrag – der hierfür und der für den o.g. Arbeitsvertrag vom 24. August 2002 verwandten Vordruck weichen erheblich voneinander ab – begann die Klägerin am 1. September 2002 eine Tätigkeit als Verkäuferin bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden. Angaben zur Arbeitsvergütung erhält dieser Arbeitsvertrag nicht. Auf Anfrage der Beklagten teilte die Klägerin mit, dass sie zwischen dem 3. April 2002 und dem 31. August 2002 keinen Krankenversicherungsschutz gehabt habe; ihren Lebensunterhalt habe sie durch das Einkommen ihres Ehegatten und ihre Hilfe "im Geschäft" ihres Ehemannes bestritten. Nach einem von der Beklagten gefertigten Aktenvermerk gab die Schwester der Klägerin anläßlich einer persönlichen Vorsprache am 14. April 2003 im Beisein der Klägerin an, diese habe im Betrieb des Beigeladenen zu 3) gearbeitet. Da er seiner geschiedenen Ehefrau kein Geld gebe, sollte sie mitarbeiten, um Geld für den Unterhalt der Kinder zu verdienen.
Mit Bescheid vom 15. April 2003 stellte die Beklagte fest, dass ab dem 1. September 2002 keine Sozialversicherungspflicht zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung bestehe. Mit ihrem Widerspruch brachte die Klägerin vor, eine Neuanmeldung zum 1. September 2002 sei erfolgt, weil ihr Beschäftigungsverhältnis die Geringfügigkeitsgrenze zu diesem Zeitpunkt überstiegen habe. Vor der Anmeldung zum 1. September 2002 sei sie davon ausgegangen, dass sie aufgrund ihres geringen Einkommens beim Beigeladenen zu 3) familienversichert sei. Die Mithilfe im Betrieb sei vor diesem Zeitpunkt nur sporadisch erfolgt und dann aufgrund eines Streits zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 3) und dem Auszug der Klägerin aus der gemeinsamen Wohnung für längere Zeit unterbrochen worden. Erst zum 1. September 2002 sei die Mitarbeit wieder aufgenommen worden. Zu diesem Zeitpunkt seien die Klägerin und der Beigeladene zu 3) noch davon ausgegangen, verheiratet zu sein, da sie noch keine Kenntnis vom Scheidungsurteil gehabt hätten. Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. November 2003 zurück. Da die Klägerin in der Zeit vom 1. Februar 1996 bis zum 31. Dezember 1999 selbst Inhaberin des Geschäftes und auch Arbeitgeberin gewesen sei, könne davon ausgegangen werden, dass sie nicht wie eine fremde Arbeitskraft in den Betrieb eingegliedert gewesen sei und Weisungen von ihrem geschiedenen Ehemann bezüglich ihrer Tätigkeit erhalten habe. Ein nachvollziehbarer Bedarf an einer Verkäuferin mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden im Geschäft sei nicht erkennbar. Es sei davon auszugehen, dass der Beigeladene zu 3) nach Beginn der Mutterschutzfrist die von der Klägerin ausgeübten Tätigkeiten selbst verrichtet habe. Der Umstand, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Anmeldung fortgeschritten schwanger gewesen sei und der Beginn der Mutterschutzfrist bereits festgestanden habe, zeige deutlich, dass sie nicht anstelle einer fremden Arbeitskraft beschäftigt worden sei. Insgesamt halte die gemeldete Beschäftigung einem Fremdvergleich nicht stand.
Hiergegen richtet sich die am 19. Dezember 2003 erhobene Klage.
Die Klägerin hat vorgebracht, sie habe bei ihrem ehemaligen Ehemann angefangen zu arbeiten, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können, nachdem sie zuvor vergeblich versucht habe, einen anderen Arbeitsplatz zu finden. Die Zeugen M M und G F könnten bestätigen, dass sie in den besagten Zeiträumen im Geschäft als Arbeitskraft beschäftigt gewesen sei. Eine Überweisung des Gehalts auf ihr Konto habe nicht erfolgen können, da ihr Ex-Mann kein eigenes Bankkonto besitze; dies habe er ihr vor Abschluss des Arbeitsvertrages gesagt und ihr angeboten, das Gehalt bar auf die Hand auszuzahlen. Hiermit sei sie einverstanden gewesen. Nach der Scheidung von ihrem Ehemann seien sie beide von ihren Familien gedrängt worden, die Ehe weiterzuführen. Sie hätten das versucht, was schließlich zur Geburt des zweiten Kindes geführt habe. Dass der Beigeladene zu 3) die Bäckerei übernommen und das Gewerbe auf seinen Namen angemeldet habe, beruhe darauf, dass sie sich von ihm habe trennen und alles hinter sich lassen wollen. Sie habe nur ihr Kind gewollt und der Beigeladene zu 3) sollte dafür die Bäckerei übernehmen. Dies sei aber letztlich gescheitert, weil sie nicht gewusst habe, wohin sie solle. Ob sie in der Zeit von Januar bis April 2002 20 oder 30 Stunden wöchentlich in der Bäckerei gearbeitet habe, könne sie nicht mehr genau sagen. Es habe im April wieder Probleme mit ihrem Ehemann gegeben, sodass sie mit der Arbeit aufgehört habe. Sie habe sich beim Arbeitsamt gemeldet, wo man ihr gesagt habe, sie könne bis zum Beginn des Mutterschutzes arbeiten. Mit dem Beigeladenen zu 3) habe sie dann vereinbart, dass sie 20 Stunden wöchentlich für 370,00 EUR netto im Monat arbeiten solle, auch weil er zu diesem Zeitpunkt eine Arbeitskraft für sein Geschäft benötigt habe. Ab dem 1. September 2002 habe sie von Montag bis Freitag jeweils von 7 – 10 Uhr morgens gearbeitet. Sie habe jedoch die 20 Stunden, die sie laut Vertrag zu arbeiten gehabt habe, immer genau voll gemacht. Diese Zusatzarbeiten habe sie z.B. ausgeführt, wenn der Beigeladene zu 3) Brötchen zu belegen und damit mehr zu tun hatte. Manchmal habe sie auch Samstag gearbeitet, wenn er habe einkaufen gehen müssen. Ihr Mann habe ihr das Geld immer tatsächlich ausgezahlt, obwohl sie ein schwieriges Verhältnis gehabt und nicht miteinander gesprochen hätten. Den Arbeitsvertrag vom 24. August 2002 habe sie direkt beim Steuerberater unterschrieben. Den Arbeitsvertrag vom 1. September 2002 habe sie vom Steuerberater mitbekommen und ihn dann im Laden direkt am 1. September 2002 bei Arbeitsbeginn unterschrieben. Sie habe aber nicht verstanden, warum sie zweimal den Arbeitsvertrag unterschreiben solle. Seit der Geburt des 2. Kindes habe sie nicht wieder in der Bäckerei gearbeitet, der Arbeitsvertrag mit dem Beigeladenen zu 3) sei allerdings nicht gekündigt. Sie und der Beigeladene zu 3) lebten nach wie vor in einer gemeinsamen Wohnung, allerdings in verschiedenen Räumen. Der Druck der Familien, dass sie beide zusammenleben, sei nach wie vor groß.
Der Beigeladene zu 3) hat vorgebracht, er habe die Klägerin eingestellt, weil das Geschäft gut gelaufen sei und er deshalb eine Arbeitskraft benötigt habe, aber auch, weil die Klägerin sein Geschäft durch ihre frühere Tätigkeit gut gekannt und die Arbeit gebraucht habe, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Beiträge habe er regelmäßig an die Beklagte und die Landesversicherungsanstalt Berlin, Steuern an das Finanzamt gezahlt. In der Zeit von Januar 2000 bis Februar 2003 habe er aus verschiedenen Gründen über keine Bankverbindung verfügt. Er habe daher das Gehalt seiner Mitarbeiter bar auszahlen müssen, wobei er diese, auch die Klägerin, zuvor die entsprechenden Monatsabrechnungen habe unterschreiben lassen. Hierzu hat der Beigeladene zu 3) für die Klägerin erstellte und von ihr abgezeichnete Lohnabrechnungen für die Monate Oktober bis Dezember 2002 beigefügt.
Mit Urteil vom 8. Dezember 2004, der Beklagten zugestellt am 13. Januar 2005, hat das Sozialgericht Berlin den Bescheid der Beklagten vom 15. April 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. November 2003 aufgehoben und festgestellt, dass die Klägerin ab 1. September 2002 in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis beim Beigeladenen zu 3) tätig sei. Aufgrund der für die Abgrenzung zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis und familienhafter Mithilfe gebotenen Gesamtwürdigung aller Umstände des vorliegenden Falles sei die Kammer zur Überzeugung gelangt, dass die von der Klägerin verrichtete Tätigkeit für das Geschäft des Beigeladenen zu 3) in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis erbracht worden sei. Die Kammer halte es für glaubhaft, dass die Klägerin in ihrer Not das Arbeitsverhältnis beim Beigeladenen zu 3) aufgenommen habe, und habe keinen Zweifel, dass sie in der Zeit vom 1. September 2002 bis zum 5. Dezember 2002 (Beginn des Mutterschutzes) jeweils von 7 – 10 Uhr morgens in dem Backgeschäft verkauft und gegebenenfalls bei größeren Aufträgen (z. B. wenn belegte Brötchen bestellt wurden) mitgeholfen habe. Von einer familienhaften Mithilfe gehe sie nicht aus. Denn aufgrund der bestehenden Verhältnisse (Gewerbe läuft auf den Beigeladenen zu 3), Beziehung ist zerrüttet) sei die Klägerin dem Weisungsrecht des Beigeladenen zu 3) unterworfen gewesen. Sie sei auch offensichtlich auf das Arbeitsentgelt angewiesen gewesen, da sie kein Geld für persönliche Bedürfnisse zur Verfügung gehabt habe. Angesichts der Ausübung einer ungelernten Verkaufstätigkeit sowie der Arbeitsmarktlage erscheine der Stundenlohn von 5,77 EUR nicht unangemessen niedrig. Trotz der zum Teil widersprüchlichen Angaben sprächen die überwiegenden Argumente für ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis.
Mit ihrer am 9. Februar 2005 eingelegten Berufung wiederholt die Beklagte im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie stelle nicht in Abrede, dass die Klägerin ab dem 1. September 2002 wie auch schon in der Zeit davor ihrem geschiedenen Ehemann im Geschäft geholfen habe bzw. auf seinen Druck im Geschäft habe helfen müssen; dass dies jedoch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses regelmäßig mit einer gleich bleibenden wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden gegen ein regelmäßig gezahltes und gleich bleibend hohes Arbeitsentgelt von 500,00 EUR monatlich geschehen sei, sei völlig ungeklärt und durch nichts bewiesen. Wäre die Klägerin so sehr auf Geldmittel angewiesen sei, erstaune doch, dass sie das Mutterschaftsgeld insgesamt, also auch für die Zeit vor der Entbindung am 15. Januar 2003, erst am 10. Februar 2003 beantragt habe. Zu den beiden vorliegenden unterschiedlichen Arbeitsverträgen habe das Sozialgericht überhaupt keine Ausführungen gemacht. Nach dem Tarifvertrag für den Berliner Einzelhandel erhalte eine Verkäuferin mit abgeschlossener 2- oder 3-jähriger Ausbildung und 7 Jahren Berufserfahrung einen Stundenlohn von 10,92 EUR, nach den Tarifverträgen für die Betriebe der Bäckerinnung Berlin Verkäuferinnen ohne ordnungsgemäße Ausbildungszeit nach 4 Berufsjahren immer noch einen Stundenlohn von 8,31 EUR. Nicht nachvollziehbar sei, dass die Klägerin noch am 10. September 2002 einen Antrag auf eine freiwillige Versicherung bei der Beklagten einreiche, wenn sie seit dem 24. August 2002 wisse, dass sie ab dem 1. September 2002 halbtags und damit sozialversicherungspflichtig beschäftigt sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 8. Dezember 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des Sozialgerichts Berlin für richtig. Der Vertrag vom 24. August 2002 sei wie folgt zustande gekommen: An diesem Tag – damals sei sie mit ihrem Ex-Mann zerstritten gewesen – sei sie mit ihm zum Steuerberater gefahren, um den Vertrag zu machen. Auch unterwegs im Auto hätten sie stark gestritten, weil sie mit der beabsichtigten Bezahlung/Lohn nicht einverstanden gewesen sei. Beim Hochgehen in das Steuerberaterbüro habe ihr Ex-Mann sie auf das Übelste beschimpft und ihr gedroht. Daraufhin sei sie weinend ins Auto zurückgegangen und habe dort auf ihn gewartet. Er sei nach kurzer Zeit mit dem ausgefüllten Vertrag wiedergekommen und habe sie gezwungen, diesen zu unterschreiben. Um sie zu beruhigen, habe er später zugesichert, er würde das Gehalt erhöhen. Damit sie ihm glaube, habe er vom Steuerberater einen zweiten Vertrag geholt. Leider habe ihr früherer Ehemann wie immer nicht Wort gehalten.
Das Gericht hat schriftliche Stellungnahmen der Zeugen M vom 7. Juli 2007 und F vom 24. August 2007 veranlasst; wegen des Inhalts der Zeugenaussagen wird auf Bl. 112, 115 und 116 der Gerichtsakte verwiesen.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet. Das Urteil des Sozialgerichts ist aufzuheben und die Klage abzuweisen. Denn eine Versicherungspflicht in den Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung aufgrund der Beschäftigung der Klägerin beim Beigeladenen zu 3) in der Zeit vom 1. September 2002 bis zum 5. Dezember 2002 kann nicht festgestellt werden.
1. Die Versicherungspflicht richtet sich in den Zweigen der Sozialversicherung nach den § 25 Abs. 1 Satz 1 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB III) für die Arbeitslosenversicherung, § 5 Abs. 1 Nr. 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) für die Krankenversicherung, § 1 Nr. 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) für die Rentenversicherung und § 20 Abs. 1 Nr. 1 des Elften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB XI) für die soziale Pflegeversicherung. Diese Vorschriften setzen für die Versicherungspflicht – in der hier einzig denkbaren Alternative – jeweils eine abhängige Beschäftigung gegen Entgelt im Sinne des § 7 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) – voraus. Nach Absatz 1 Sätze 1 und 2 dieser Vorschrift ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisunggebers.
a. Eine Beschäftigung setzt voraus, dass der Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber persönlich abhängig ist, wobei die persönliche Abhängigkeit die Eingliederung in den Betrieb und die Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers in Bezug auf Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung erfordert. Bei engen persönlichen Kontakten ist die Abhängigkeit jedoch im Allgemeinen weniger stark ausgeprägt und wird das Weisungsrecht deshalb möglicherweise nur mit gewissen Einschränkungen ausgeübt (vgl. für das Ehegattenarbeitsverhältnis: Bundessozialgericht (BSG) SozR 3-2400 § 7 Nr. 1; SozR 3-2500 § 5 Nr. 17). Bei engen persönlichen Beziehungen zwischen den Beteiligten hängt daher die Abgrenzung zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis und familienhafter bzw. freundschaftlicher Mitarbeit von allen Umständen des Einzelfalls ab, wobei das Gesamtbild der jeweiligen Arbeitsleistung unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung maßgebend ist. Allerdings ist in diesen Fällen - wie bei den Ehegattenarbeitsverhältnissen - entscheidend, dass es sich um ein von den Beteiligten ernsthaft gewolltes und vereinbarungsgemäß durchgeführtes entgeltliches Beschäftigungsverhältnis handelt. Auch wenn vielfach auf die familiäre oder persönliche Beziehung Rücksicht genommen wird, kann auf gewisse Mindestanforderungen an ein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis nicht verzichtet werden, da ein solches ansonsten in einer dem Gesetz nicht mehr entsprechenden Weise lediglich rechtsmissbräuchlich fingiert werden könnte. Neben der Eingliederung in den Betrieb und einem ggf. abgeschwächten Weisungsrecht ist daher erforderlich, dass der Beschäftigte ein Entgelt erhält, das einen angemessenen Gegenwert für die geleistete Arbeit darstellt. Weitere Abgrenzungskriterien sind z.B., ob ein schriftlicher Arbeitsvertrag abgeschlossen worden ist, ob das gezahlte Entgelt der Lohnsteuer unterliegt und dem Arbeitenden zur freien Verfügung ausgezahlt wird und schließlich, ob dieser eine fremde Arbeitskraft ersetzt (vgl. BSG SozR 2200 § 165 RVO Nr. 98; Landessozialgericht (LSG) Berlin, Urteile vom 31. März 2004, Az.: L 9 KR 82/02, veröffentlicht in Juris, und 14. August 1996, Az.: L 15 KR 52/94 mit weiteren Nachweisen; Seewald, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht (KK), § 7 SGB IV Rn. 105). Ein strenger Prüfungsmaßstab dieser Kriterien ist insbesondere dann angezeigt, wenn - wie im vorliegenden Fall - der Versicherungsschutz erstmals in zeitlicher Nähe zu einem Leistungsfall behauptet wird, weil hier die Gefahr von Rechtsmissbrauch besteht, der wegen der privaten Kontakte bzw. freundschaftlichen Beziehungen leichter als sonst möglich ist (vgl. LSG Berlin, Urteile vom 27. März 2002, Az.: L 15 KR 53/00, und vom 24. März 2004, Az.: L 15 KR 63/02, beide unveröffentlicht).
b. Diese Grundsätze sind auf den vorliegenden Fall anwendbar, obwohl die Ehe zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 3) seit dem Jahre 2000 geschieden ist. Denn die zur familienhaften Mithilfe entwickelten Kriterien können und müssen bei jedem Arbeitsverhältnis angewandt werden, das über die vertraglichen Haupt- und Nebenpflichten/-rechte hinaus durch eine besondere persönliche Verbundenheit zwischen den Vertragsparteien bzw. ein persönliches Näheverhältnis geprägt ist (ebenso bereits: LSG Berlin vom 31. März 2004, Az.: L 9 KR 82/02, veröffentlicht in Juris).
Die Klägerin und der Beigeladene zu 3) blieben einander auch nach ihrer Scheidung in besonderer Weise persönlich verbunden. Dies zeigt sich zum einen daran, dass sie zumindest bis zum Jahre 2004 noch gemeinsam in der früheren Ehewohnung, wenn auch in unterschiedlichen Räumen, lebten und aus diesem Zusammenleben ein weiteres Kind hervorging. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Berlin auch ausdrücklich bestätigt, dass sie und der Beigeladene zu 3) versuchten, die Ehe weiter zu führen, was typischerweise bedeutet, für einander einzustehen und hierbei eigene Interessen und Bedürfnisse in gewissem Umfang zurückzustellen.
2. Unter Berücksichtigung der oben genannten Kriterien und bei Würdigung aller Umstände des vorliegenden Falles sprechen erheblich mehr Umstände gegen als für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis.
a. Hierbei geht der Senat zunächst mit allen Beteiligten davon aus, dass die Klägerin zwischen dem 1. September 2002 und dem 5. Dezember 2002 tatsächlich in der vom Beigeladenen zu 3) geführten Verkaufsstelle in der Estraße in B gearbeitet hat, ohne dass es auf die Angaben der Zeugen M und F ankäme. Dieser Umstand allein führt jedoch nach dem zu 1. a. Gesagten noch nicht zur Versicherungspflicht. Denn es fehlt - und dies ist ausschlaggebend - an einem widerspruchsfreien Arbeitsvertrag und dessen vertragsgemäßer Umsetzung.
aa. Nach dem Vorbringen der Klägerin und des Beigeladenen zu 3) ist bereits nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen im Einzelnen sie auf zwei völlig unterschiedlichen Vordrucken zwei Arbeitsverträge abschlossen. Soweit die Klägerin dies damit begründet, dass der zweite Arbeitsvertrag (gemeint ist offensichtlich der unter dem 1. September 2002 unterschriebene) nur gefertigt worden sei, um das Versprechen des Beigeladenen zu 3), ihr ein höheres Arbeitsentgelt als das in dem unter dem 24. August 2002 unterzeichneten Arbeitsvertrag vereinbarte (500,00 EUR brutto monatlich) glaubwürdig erscheinen zu lassen, steht dem entgegen, dass der unter dem 1. September 2002 unterzeichnete Arbeitsvertrag überhaupt keine Angaben zur Arbeitsvergütung enthält.
Dass im vorliegenden Fall somit nicht nur ein, sondern gleich zwei Arbeitsverträge geschlossen wurden (dazu noch mit erheblich divergierenden Inhalten), spricht deutlich gegen ein Beschäftigungsverhältnis zu marktüblichen Bedingungen und legt die Vermutung nahe, dass nur der äußere Anschein eines "regulären" Beschäftigungsverhältnisses erzeugt werden sollte. Darüber hinaus ist die schriftliche Fixierung der vereinbarten Vertragsinhalte in mehr als einem Dokument im Arbeitsleben unüblich.
bb. Dass das in den Arbeitsverträgen schriftlich Vereinbarte von der Klägerin und dem Beigeladenen zu 3) nicht ernsthaft gewollt war, wird neben der Tatsache, dass der Beigeladene zu 3) Beiträge erstmals nach einem fruchtlosen Pfändungsversuch der Beklagten zahlte, durch den Umstand belegt, dass in dem unter dem 24. August 2002 unterzeichneten Arbeitsvertrag ausdrücklich eine bargeldlose Lohnzahlung verabredet wurde, obwohl beiden Vertragsparteien damals bekannt war, dass der Beigeladene zu 3) keine Bankverbindung besaß, er demzufolge diese vertragliche Verpflichtung von vorneherein nicht erfüllen konnte. Die eingereichten Lohnabrechnungen für die Zeit von September bis Dezember 2002 belegen - entgegen der Glaubhaftmachung der Klägerin und des Beigeladenen zu 3) – einen tatsächlichen Geldfluss zwischen diesen Beiden nicht.
Dem gesamten Vorbringen der Klägerin und des Beigeladenen zu 3) ist vielmehr zu entnehmen, dass die von der Klägerin unstreitig erbrachten Arbeiten die Gegenleistung für die vom Beigeladenen zu 3) bis dahin nicht erbrachten Unterhaltszahlungen darstellen sollten.
b. Den weiteren o.g. Kriterien für die Abgrenzung von familienhafter Mithilfe und einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis kommt daher im vorliegenden Fall nur untergeordnete Bedeutung zu.
aa. So hat sich nicht feststellen lassen, dass anstelle der Klägerin eine andere, familienfremde Arbeitskraft eingestellt worden wäre. Dies haben die ehemaligen Eheleute während des Verwaltungs- und Gerichtsverfahrens zwar wiederholt behauptet. Widerlegt wird dies jedoch bereits durch den Umstand, dass der Beigeladene zu 3) nach dem Beginn der Mutterschutzfrist am 6. Dezember 2002 keine andere Arbeitskraft für die ausscheidende Klägerin einstellte.
bb. Ob die Höhe des der Klägerin gezahlten Arbeitsentgelts von 500,00 EUR brutto monatlich - dies entspricht einem Stundenlohn von 5,77 EUR - für eine familienhafte Mithilfe spricht, kann offen bleiben. Denn eine untertarifliche oder eine erheblich untertarifliche Bezahlung des Ehegatten schließt die Annahme eines beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses nicht aus (BSG USK 2002-42 m.w.N.). Selbst wenn zugunsten der Klägerin nicht von einer untertariflichen Bezahlung ausgegangen würde, wöge dies den fehlenden widerspruchsfreien Arbeitsvertrag sowie dessen mangelnde Umsetzung nicht auf.
c. Im Übrigen sind die Angaben der Klägerin und des Beigeladenen zu 3) wegen auffälliger Widersprüche in maßgeblichen Punkten kaum verwertbar.
aa. Das Vorbringen der Klägerin und des Beigeladenen zu 3) zu den näheren Umständen der (erneuten) Arbeitsaufnahme der Klägerin zum 1. September 2002 sind widersprüchlich. Während die Klägerin im Widerspruchsverfahren durch ihre damaligen Bevollmächtigten (Schriftsatz vom 16. Juli 2003) zunächst vorbringen ließ, die Anmeldung zum 1. September 2002 sei erfolgt, weil das Beschäftigungsverhältnis zu diesem Zeitpunkt die Geringfügigkeitsgrenze überstiegen habe, behauptet die Klägerseite nur wenige Wochen später auf eine Nachfrage der Beklagten (und wiederholt diese Angaben im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht), die Mithilfe der Klägerin im Betrieb des Beigeladenen zu 3) sei aufgrund eines Streits zwischen den geschiedenen Eheleuten für längere Zeit unterbrochen worden und erst zum 1. September 2002 wieder aufgenommen worden. Diese Angaben decken sich zwar damit, dass der Beklagten nach ihren Angaben für diesen Zeitraum keine Meldung über eine geringfügige Beschäftigung vorlag, und sie stimmen mit dem Vorbringen des Beigeladenen zu 3) überein, er habe die Klägerin zum 1. September 2002 eingestellt, ändern aber nichts an den insgesamt widersprüchlichen Behauptungen der ehemaligen Eheleuten.
bb. Ob die wirtschaftliche Situation des vom Beigeladenen zu 3) geführten Betriebes tatsächlich so gut war, dass eine weitere Arbeitskraft benötigt und finanziert werden konnte, erscheint zumindest deshalb fraglich, weil Beiträge erstmals Mitte Januar - nach einem teilweise fruchtlos (!) verlaufenen Pfändungsversuch – gezahlt wurden.
cc. Gegen das Vorliegen eines abhängigem Beschäftigungsverhältnisses spricht schließlich auch der Versuch der Klägerin, sich freiwillig bei der Beklagten zu versichern. Ihr diesbezüglicher, bereits unter dem 17. Juli 2002 unterschriebener Antrag ging – warum auch immer – erst am 10. September 2002 und somit nach der von der Klägerin behaupteten Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung bei der Beklagten ein. Zu diesem Zeitpunkt wäre – das Vorbringen der geschiedenen Eheleute als zutreffend unterstellt – eine freiwillige Versicherung für die Klägerin ohne Wert und Sinn gewesen, da sie ja nach ihrer eigenen Auffassung bereits durch die Tätigkeit beim Beigeladenen zu 3) pflichtversichert war. Nahe liegt daher die Annahme, dass die tatsächliche Arbeitsaufnahme bzw. die Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit erst erfolgte, nachdem die Klägerin den die freiwillige Versicherung ablehnenden Bescheid der Beklagten vom 10. September 2002 erhalten hatte. Dies würde auch die mit erheblicher Verspätung vorgenommene Anmeldung der Klägerin bei der Beklagten Anfang November 2002 erklären. Denkbar wäre allerdings ebenso, dass die Klägerin ihre Tätigkeit zum 1. September 2002 aufnahm, ohne dass sie und der Beigeladene zu 3) bereits eine Entscheidung über den zeitlichen Umfang dieser Tätigkeit und somit die Frage der Versicherungspflicht getroffen hatten, sondern dass beide zunächst die Entscheidung der Beklagten über den Antrag auf freiwillige Versicherung abwarten wollten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreites.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob die Klägerin ab dem 1. September 2002 der Versicherungspflicht in den Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung unterlag.
Die 1972 geborene Klägerin ist türkische Staatsangehörige und beendete den Schulbesuch nach der 6. Klasse; eine Berufsausbildung hat sie - soweit ersichtlich -nicht absolviert. Nachdem sie 1987 nach Deutschland gekommen war, heiratete sie 1989 den Beigeladenen zu 3), den Vater ihrer beiden Söhne M O, geboren 1994, und A I, geboren am 15. Januar 2003. Auch nach ihrer Scheidung – Urteil des Amtsgerichts Z/T vom 23. Oktober 2000, rechtskräftig seit dem 26. November 2001 – bewohnten die Klägerin und der Beigeladene zu 3) dieselbe Wohnung.
Zwischen dem 1. Februar 1996 und dem 31. Dezember 1999 führte die Klägerin – so die Angaben der Gewerbekartei des Bezirksamts Mitte von Berlin – in der Estraße, B, einen Gewerbebetrieb, der den "Verkauf v. Backwaren u. belegten Brötchen, Ausschank v. Kaffee (zu den gesetzl. Ladenöffnungszeiten)" zum Gegenstand hatte. An selber Stelle betrieb der Beigeladene zu 3) ab dem 1. Januar 2000 bis zum – so seine Angaben – Verkauf der Betriebsstätte (Kaufvertrag vom 10. Februar 2005) dasselbe Gewerbe mit der Erweiterung um "Einzelhandel mit Zeitungen u. Zeitschriften". In der Zeit vom 1. September 2001 bis zum 20. November 2001 beschäftigte er Herrn HB zu einem monatlichen Bruttoarbeitsentgelt von 2.855,88 DM, in der Zeit vom 1. Januar 2002 bis zum 3. April 2002 die Klägerin zu einem monatlichen Bruttoarbeitsentgelt von 777,62 EUR bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden – für diesen Zeitraum wurde die Klägerin bei der Beklagten angemeldet - und in der Zeit vom 1. Februar 2004 bis zum 1. September 2004 Frau AB bei einem monatlichen Bruttoarbeitsentgelt von 700,00 EUR (Februar bis April 2004) bzw. 200,00 EUR (Mai bis September). Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 4. April 2002 wurde mit Bescheid der Bundesanstalt für Arbeit, Arbeitsamt Berlin Nord (seit dem 1. Januar 2004: Bundesagentur für Arbeit, Agentur für Arbeit Berlin Nord) vom 29. Mai 2002 abgelehnt.
Auf die unter dem 17. Juli 2002 von der Klägerin unterzeichnete "Beitrittserklärung zur freiwilligen Krankenversicherung und Pflegeversicherung" – eingegangen bei der Beklagten am 10. September 2002 - teilte diese der Klägerin mit Schreiben vom gleichen Tag mit, dass eine freiwillige Krankenversicherung und Pflegeversicherung nicht möglich sei, da die Klägerin ihren Beitritt nicht innerhalb von 3 Monaten, nachdem sie ihre letzte Pflichtversicherung beendet habe, schriftlich angezeigt habe.
Ausweislich eines zwischen dem Beigeladenen zu 3) und der Klägerin unter dem 24. August 2002 geschlossenen Arbeitsvertrages sollte Letztere ab dem 1. September 2002 unbefristet als Verkäuferin bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden und einem Monatslohn von 500,00 EUR eingestellt werden; bargeldlose Lohnzahlung wurde vereinbart. Am 4. November 2002 meldete der Beigeladene zu 3) die Klägerin rückwirkend zum 1. September 2002 bei der Beklagten an. Am 6. Dezember 2002 begann die Mutterschutzfrist der Klägerin. Da der Beigeladene zu 3) bis zum 15. Januar 2003 den Gesamtsozialversicherungsbeitrag für die Klägerin nicht entrichtet hatte, führte die Beklagte an diesem Tage eine teilweise fruchtlose Pfändung durch. Am darauf folgenden Tag zahlte der Beigeladene zu 3) erstmals Beiträge für die Klägerin. Für die Zeit vom 15. Januar 2003 bis zum 14. Januar 2004 bewilligte das Bezirksamt Mitte von Berlin der Klägerin Erziehungsgeld. Ab dem 2. Mai 2006 ist die Klägerin bei einem monatlichen Verdienst von 405,00 EUR im Umfang von 20 Stunden wöchentlich bei dem neuen Inhaber der oben genannten Verkaufsstelle in der Estraße beschäftigt.
Nachdem die Klägerin im Februar 2003 Mutterschaftsgeld bei der Beklagten beantragt hatte, leitete diese eine Überprüfung des Versicherungsverhältnisses ein. Auf einem in diesem Zusammenhang ausgefüllten Fragebogen der Beklagten gaben die Klägerin und der Beigeladene zu 3) übereinstimmend u. a. an, dass die Klägerin bei ihrem "Ehegatten", dem Beigeladenen zu 3), ab dem 1. September 2002 in ihrem erlernten Beruf als Verkäuferin bei einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden (5 Arbeitstage) und einem regelmäßigen monatlichen Arbeitsentgelt von 500,00 EUR brutto tätig sei. Die Klägerin sei wie eine fremde Arbeitskraft in den Betrieb eingegliedert; ohne sie müsste eine andere Arbeitskraft eingestellt werden. An die Weisungen des das Weisungsrecht tatsächlich ausübenden Beigeladenen zu 3) sei sie gebunden, sie könne ihre Tätigkeit nicht frei bestimmen und gestalten. Wegen der weiteren Einzelheiten dieses Fragebogens wird auf Blatt 9 – 13 der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen. Nach einem von der Klägerin und dem Beigeladenen zu 3) unter dem 1. September 2002 erstellten weiteren Arbeitsvertrag – der hierfür und der für den o.g. Arbeitsvertrag vom 24. August 2002 verwandten Vordruck weichen erheblich voneinander ab – begann die Klägerin am 1. September 2002 eine Tätigkeit als Verkäuferin bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden. Angaben zur Arbeitsvergütung erhält dieser Arbeitsvertrag nicht. Auf Anfrage der Beklagten teilte die Klägerin mit, dass sie zwischen dem 3. April 2002 und dem 31. August 2002 keinen Krankenversicherungsschutz gehabt habe; ihren Lebensunterhalt habe sie durch das Einkommen ihres Ehegatten und ihre Hilfe "im Geschäft" ihres Ehemannes bestritten. Nach einem von der Beklagten gefertigten Aktenvermerk gab die Schwester der Klägerin anläßlich einer persönlichen Vorsprache am 14. April 2003 im Beisein der Klägerin an, diese habe im Betrieb des Beigeladenen zu 3) gearbeitet. Da er seiner geschiedenen Ehefrau kein Geld gebe, sollte sie mitarbeiten, um Geld für den Unterhalt der Kinder zu verdienen.
Mit Bescheid vom 15. April 2003 stellte die Beklagte fest, dass ab dem 1. September 2002 keine Sozialversicherungspflicht zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung bestehe. Mit ihrem Widerspruch brachte die Klägerin vor, eine Neuanmeldung zum 1. September 2002 sei erfolgt, weil ihr Beschäftigungsverhältnis die Geringfügigkeitsgrenze zu diesem Zeitpunkt überstiegen habe. Vor der Anmeldung zum 1. September 2002 sei sie davon ausgegangen, dass sie aufgrund ihres geringen Einkommens beim Beigeladenen zu 3) familienversichert sei. Die Mithilfe im Betrieb sei vor diesem Zeitpunkt nur sporadisch erfolgt und dann aufgrund eines Streits zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 3) und dem Auszug der Klägerin aus der gemeinsamen Wohnung für längere Zeit unterbrochen worden. Erst zum 1. September 2002 sei die Mitarbeit wieder aufgenommen worden. Zu diesem Zeitpunkt seien die Klägerin und der Beigeladene zu 3) noch davon ausgegangen, verheiratet zu sein, da sie noch keine Kenntnis vom Scheidungsurteil gehabt hätten. Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. November 2003 zurück. Da die Klägerin in der Zeit vom 1. Februar 1996 bis zum 31. Dezember 1999 selbst Inhaberin des Geschäftes und auch Arbeitgeberin gewesen sei, könne davon ausgegangen werden, dass sie nicht wie eine fremde Arbeitskraft in den Betrieb eingegliedert gewesen sei und Weisungen von ihrem geschiedenen Ehemann bezüglich ihrer Tätigkeit erhalten habe. Ein nachvollziehbarer Bedarf an einer Verkäuferin mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden im Geschäft sei nicht erkennbar. Es sei davon auszugehen, dass der Beigeladene zu 3) nach Beginn der Mutterschutzfrist die von der Klägerin ausgeübten Tätigkeiten selbst verrichtet habe. Der Umstand, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Anmeldung fortgeschritten schwanger gewesen sei und der Beginn der Mutterschutzfrist bereits festgestanden habe, zeige deutlich, dass sie nicht anstelle einer fremden Arbeitskraft beschäftigt worden sei. Insgesamt halte die gemeldete Beschäftigung einem Fremdvergleich nicht stand.
Hiergegen richtet sich die am 19. Dezember 2003 erhobene Klage.
Die Klägerin hat vorgebracht, sie habe bei ihrem ehemaligen Ehemann angefangen zu arbeiten, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können, nachdem sie zuvor vergeblich versucht habe, einen anderen Arbeitsplatz zu finden. Die Zeugen M M und G F könnten bestätigen, dass sie in den besagten Zeiträumen im Geschäft als Arbeitskraft beschäftigt gewesen sei. Eine Überweisung des Gehalts auf ihr Konto habe nicht erfolgen können, da ihr Ex-Mann kein eigenes Bankkonto besitze; dies habe er ihr vor Abschluss des Arbeitsvertrages gesagt und ihr angeboten, das Gehalt bar auf die Hand auszuzahlen. Hiermit sei sie einverstanden gewesen. Nach der Scheidung von ihrem Ehemann seien sie beide von ihren Familien gedrängt worden, die Ehe weiterzuführen. Sie hätten das versucht, was schließlich zur Geburt des zweiten Kindes geführt habe. Dass der Beigeladene zu 3) die Bäckerei übernommen und das Gewerbe auf seinen Namen angemeldet habe, beruhe darauf, dass sie sich von ihm habe trennen und alles hinter sich lassen wollen. Sie habe nur ihr Kind gewollt und der Beigeladene zu 3) sollte dafür die Bäckerei übernehmen. Dies sei aber letztlich gescheitert, weil sie nicht gewusst habe, wohin sie solle. Ob sie in der Zeit von Januar bis April 2002 20 oder 30 Stunden wöchentlich in der Bäckerei gearbeitet habe, könne sie nicht mehr genau sagen. Es habe im April wieder Probleme mit ihrem Ehemann gegeben, sodass sie mit der Arbeit aufgehört habe. Sie habe sich beim Arbeitsamt gemeldet, wo man ihr gesagt habe, sie könne bis zum Beginn des Mutterschutzes arbeiten. Mit dem Beigeladenen zu 3) habe sie dann vereinbart, dass sie 20 Stunden wöchentlich für 370,00 EUR netto im Monat arbeiten solle, auch weil er zu diesem Zeitpunkt eine Arbeitskraft für sein Geschäft benötigt habe. Ab dem 1. September 2002 habe sie von Montag bis Freitag jeweils von 7 – 10 Uhr morgens gearbeitet. Sie habe jedoch die 20 Stunden, die sie laut Vertrag zu arbeiten gehabt habe, immer genau voll gemacht. Diese Zusatzarbeiten habe sie z.B. ausgeführt, wenn der Beigeladene zu 3) Brötchen zu belegen und damit mehr zu tun hatte. Manchmal habe sie auch Samstag gearbeitet, wenn er habe einkaufen gehen müssen. Ihr Mann habe ihr das Geld immer tatsächlich ausgezahlt, obwohl sie ein schwieriges Verhältnis gehabt und nicht miteinander gesprochen hätten. Den Arbeitsvertrag vom 24. August 2002 habe sie direkt beim Steuerberater unterschrieben. Den Arbeitsvertrag vom 1. September 2002 habe sie vom Steuerberater mitbekommen und ihn dann im Laden direkt am 1. September 2002 bei Arbeitsbeginn unterschrieben. Sie habe aber nicht verstanden, warum sie zweimal den Arbeitsvertrag unterschreiben solle. Seit der Geburt des 2. Kindes habe sie nicht wieder in der Bäckerei gearbeitet, der Arbeitsvertrag mit dem Beigeladenen zu 3) sei allerdings nicht gekündigt. Sie und der Beigeladene zu 3) lebten nach wie vor in einer gemeinsamen Wohnung, allerdings in verschiedenen Räumen. Der Druck der Familien, dass sie beide zusammenleben, sei nach wie vor groß.
Der Beigeladene zu 3) hat vorgebracht, er habe die Klägerin eingestellt, weil das Geschäft gut gelaufen sei und er deshalb eine Arbeitskraft benötigt habe, aber auch, weil die Klägerin sein Geschäft durch ihre frühere Tätigkeit gut gekannt und die Arbeit gebraucht habe, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Beiträge habe er regelmäßig an die Beklagte und die Landesversicherungsanstalt Berlin, Steuern an das Finanzamt gezahlt. In der Zeit von Januar 2000 bis Februar 2003 habe er aus verschiedenen Gründen über keine Bankverbindung verfügt. Er habe daher das Gehalt seiner Mitarbeiter bar auszahlen müssen, wobei er diese, auch die Klägerin, zuvor die entsprechenden Monatsabrechnungen habe unterschreiben lassen. Hierzu hat der Beigeladene zu 3) für die Klägerin erstellte und von ihr abgezeichnete Lohnabrechnungen für die Monate Oktober bis Dezember 2002 beigefügt.
Mit Urteil vom 8. Dezember 2004, der Beklagten zugestellt am 13. Januar 2005, hat das Sozialgericht Berlin den Bescheid der Beklagten vom 15. April 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. November 2003 aufgehoben und festgestellt, dass die Klägerin ab 1. September 2002 in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis beim Beigeladenen zu 3) tätig sei. Aufgrund der für die Abgrenzung zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis und familienhafter Mithilfe gebotenen Gesamtwürdigung aller Umstände des vorliegenden Falles sei die Kammer zur Überzeugung gelangt, dass die von der Klägerin verrichtete Tätigkeit für das Geschäft des Beigeladenen zu 3) in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis erbracht worden sei. Die Kammer halte es für glaubhaft, dass die Klägerin in ihrer Not das Arbeitsverhältnis beim Beigeladenen zu 3) aufgenommen habe, und habe keinen Zweifel, dass sie in der Zeit vom 1. September 2002 bis zum 5. Dezember 2002 (Beginn des Mutterschutzes) jeweils von 7 – 10 Uhr morgens in dem Backgeschäft verkauft und gegebenenfalls bei größeren Aufträgen (z. B. wenn belegte Brötchen bestellt wurden) mitgeholfen habe. Von einer familienhaften Mithilfe gehe sie nicht aus. Denn aufgrund der bestehenden Verhältnisse (Gewerbe läuft auf den Beigeladenen zu 3), Beziehung ist zerrüttet) sei die Klägerin dem Weisungsrecht des Beigeladenen zu 3) unterworfen gewesen. Sie sei auch offensichtlich auf das Arbeitsentgelt angewiesen gewesen, da sie kein Geld für persönliche Bedürfnisse zur Verfügung gehabt habe. Angesichts der Ausübung einer ungelernten Verkaufstätigkeit sowie der Arbeitsmarktlage erscheine der Stundenlohn von 5,77 EUR nicht unangemessen niedrig. Trotz der zum Teil widersprüchlichen Angaben sprächen die überwiegenden Argumente für ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis.
Mit ihrer am 9. Februar 2005 eingelegten Berufung wiederholt die Beklagte im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie stelle nicht in Abrede, dass die Klägerin ab dem 1. September 2002 wie auch schon in der Zeit davor ihrem geschiedenen Ehemann im Geschäft geholfen habe bzw. auf seinen Druck im Geschäft habe helfen müssen; dass dies jedoch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses regelmäßig mit einer gleich bleibenden wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden gegen ein regelmäßig gezahltes und gleich bleibend hohes Arbeitsentgelt von 500,00 EUR monatlich geschehen sei, sei völlig ungeklärt und durch nichts bewiesen. Wäre die Klägerin so sehr auf Geldmittel angewiesen sei, erstaune doch, dass sie das Mutterschaftsgeld insgesamt, also auch für die Zeit vor der Entbindung am 15. Januar 2003, erst am 10. Februar 2003 beantragt habe. Zu den beiden vorliegenden unterschiedlichen Arbeitsverträgen habe das Sozialgericht überhaupt keine Ausführungen gemacht. Nach dem Tarifvertrag für den Berliner Einzelhandel erhalte eine Verkäuferin mit abgeschlossener 2- oder 3-jähriger Ausbildung und 7 Jahren Berufserfahrung einen Stundenlohn von 10,92 EUR, nach den Tarifverträgen für die Betriebe der Bäckerinnung Berlin Verkäuferinnen ohne ordnungsgemäße Ausbildungszeit nach 4 Berufsjahren immer noch einen Stundenlohn von 8,31 EUR. Nicht nachvollziehbar sei, dass die Klägerin noch am 10. September 2002 einen Antrag auf eine freiwillige Versicherung bei der Beklagten einreiche, wenn sie seit dem 24. August 2002 wisse, dass sie ab dem 1. September 2002 halbtags und damit sozialversicherungspflichtig beschäftigt sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 8. Dezember 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des Sozialgerichts Berlin für richtig. Der Vertrag vom 24. August 2002 sei wie folgt zustande gekommen: An diesem Tag – damals sei sie mit ihrem Ex-Mann zerstritten gewesen – sei sie mit ihm zum Steuerberater gefahren, um den Vertrag zu machen. Auch unterwegs im Auto hätten sie stark gestritten, weil sie mit der beabsichtigten Bezahlung/Lohn nicht einverstanden gewesen sei. Beim Hochgehen in das Steuerberaterbüro habe ihr Ex-Mann sie auf das Übelste beschimpft und ihr gedroht. Daraufhin sei sie weinend ins Auto zurückgegangen und habe dort auf ihn gewartet. Er sei nach kurzer Zeit mit dem ausgefüllten Vertrag wiedergekommen und habe sie gezwungen, diesen zu unterschreiben. Um sie zu beruhigen, habe er später zugesichert, er würde das Gehalt erhöhen. Damit sie ihm glaube, habe er vom Steuerberater einen zweiten Vertrag geholt. Leider habe ihr früherer Ehemann wie immer nicht Wort gehalten.
Das Gericht hat schriftliche Stellungnahmen der Zeugen M vom 7. Juli 2007 und F vom 24. August 2007 veranlasst; wegen des Inhalts der Zeugenaussagen wird auf Bl. 112, 115 und 116 der Gerichtsakte verwiesen.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet. Das Urteil des Sozialgerichts ist aufzuheben und die Klage abzuweisen. Denn eine Versicherungspflicht in den Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung aufgrund der Beschäftigung der Klägerin beim Beigeladenen zu 3) in der Zeit vom 1. September 2002 bis zum 5. Dezember 2002 kann nicht festgestellt werden.
1. Die Versicherungspflicht richtet sich in den Zweigen der Sozialversicherung nach den § 25 Abs. 1 Satz 1 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB III) für die Arbeitslosenversicherung, § 5 Abs. 1 Nr. 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) für die Krankenversicherung, § 1 Nr. 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) für die Rentenversicherung und § 20 Abs. 1 Nr. 1 des Elften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB XI) für die soziale Pflegeversicherung. Diese Vorschriften setzen für die Versicherungspflicht – in der hier einzig denkbaren Alternative – jeweils eine abhängige Beschäftigung gegen Entgelt im Sinne des § 7 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) – voraus. Nach Absatz 1 Sätze 1 und 2 dieser Vorschrift ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisunggebers.
a. Eine Beschäftigung setzt voraus, dass der Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber persönlich abhängig ist, wobei die persönliche Abhängigkeit die Eingliederung in den Betrieb und die Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers in Bezug auf Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung erfordert. Bei engen persönlichen Kontakten ist die Abhängigkeit jedoch im Allgemeinen weniger stark ausgeprägt und wird das Weisungsrecht deshalb möglicherweise nur mit gewissen Einschränkungen ausgeübt (vgl. für das Ehegattenarbeitsverhältnis: Bundessozialgericht (BSG) SozR 3-2400 § 7 Nr. 1; SozR 3-2500 § 5 Nr. 17). Bei engen persönlichen Beziehungen zwischen den Beteiligten hängt daher die Abgrenzung zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis und familienhafter bzw. freundschaftlicher Mitarbeit von allen Umständen des Einzelfalls ab, wobei das Gesamtbild der jeweiligen Arbeitsleistung unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung maßgebend ist. Allerdings ist in diesen Fällen - wie bei den Ehegattenarbeitsverhältnissen - entscheidend, dass es sich um ein von den Beteiligten ernsthaft gewolltes und vereinbarungsgemäß durchgeführtes entgeltliches Beschäftigungsverhältnis handelt. Auch wenn vielfach auf die familiäre oder persönliche Beziehung Rücksicht genommen wird, kann auf gewisse Mindestanforderungen an ein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis nicht verzichtet werden, da ein solches ansonsten in einer dem Gesetz nicht mehr entsprechenden Weise lediglich rechtsmissbräuchlich fingiert werden könnte. Neben der Eingliederung in den Betrieb und einem ggf. abgeschwächten Weisungsrecht ist daher erforderlich, dass der Beschäftigte ein Entgelt erhält, das einen angemessenen Gegenwert für die geleistete Arbeit darstellt. Weitere Abgrenzungskriterien sind z.B., ob ein schriftlicher Arbeitsvertrag abgeschlossen worden ist, ob das gezahlte Entgelt der Lohnsteuer unterliegt und dem Arbeitenden zur freien Verfügung ausgezahlt wird und schließlich, ob dieser eine fremde Arbeitskraft ersetzt (vgl. BSG SozR 2200 § 165 RVO Nr. 98; Landessozialgericht (LSG) Berlin, Urteile vom 31. März 2004, Az.: L 9 KR 82/02, veröffentlicht in Juris, und 14. August 1996, Az.: L 15 KR 52/94 mit weiteren Nachweisen; Seewald, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht (KK), § 7 SGB IV Rn. 105). Ein strenger Prüfungsmaßstab dieser Kriterien ist insbesondere dann angezeigt, wenn - wie im vorliegenden Fall - der Versicherungsschutz erstmals in zeitlicher Nähe zu einem Leistungsfall behauptet wird, weil hier die Gefahr von Rechtsmissbrauch besteht, der wegen der privaten Kontakte bzw. freundschaftlichen Beziehungen leichter als sonst möglich ist (vgl. LSG Berlin, Urteile vom 27. März 2002, Az.: L 15 KR 53/00, und vom 24. März 2004, Az.: L 15 KR 63/02, beide unveröffentlicht).
b. Diese Grundsätze sind auf den vorliegenden Fall anwendbar, obwohl die Ehe zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 3) seit dem Jahre 2000 geschieden ist. Denn die zur familienhaften Mithilfe entwickelten Kriterien können und müssen bei jedem Arbeitsverhältnis angewandt werden, das über die vertraglichen Haupt- und Nebenpflichten/-rechte hinaus durch eine besondere persönliche Verbundenheit zwischen den Vertragsparteien bzw. ein persönliches Näheverhältnis geprägt ist (ebenso bereits: LSG Berlin vom 31. März 2004, Az.: L 9 KR 82/02, veröffentlicht in Juris).
Die Klägerin und der Beigeladene zu 3) blieben einander auch nach ihrer Scheidung in besonderer Weise persönlich verbunden. Dies zeigt sich zum einen daran, dass sie zumindest bis zum Jahre 2004 noch gemeinsam in der früheren Ehewohnung, wenn auch in unterschiedlichen Räumen, lebten und aus diesem Zusammenleben ein weiteres Kind hervorging. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Berlin auch ausdrücklich bestätigt, dass sie und der Beigeladene zu 3) versuchten, die Ehe weiter zu führen, was typischerweise bedeutet, für einander einzustehen und hierbei eigene Interessen und Bedürfnisse in gewissem Umfang zurückzustellen.
2. Unter Berücksichtigung der oben genannten Kriterien und bei Würdigung aller Umstände des vorliegenden Falles sprechen erheblich mehr Umstände gegen als für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis.
a. Hierbei geht der Senat zunächst mit allen Beteiligten davon aus, dass die Klägerin zwischen dem 1. September 2002 und dem 5. Dezember 2002 tatsächlich in der vom Beigeladenen zu 3) geführten Verkaufsstelle in der Estraße in B gearbeitet hat, ohne dass es auf die Angaben der Zeugen M und F ankäme. Dieser Umstand allein führt jedoch nach dem zu 1. a. Gesagten noch nicht zur Versicherungspflicht. Denn es fehlt - und dies ist ausschlaggebend - an einem widerspruchsfreien Arbeitsvertrag und dessen vertragsgemäßer Umsetzung.
aa. Nach dem Vorbringen der Klägerin und des Beigeladenen zu 3) ist bereits nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen im Einzelnen sie auf zwei völlig unterschiedlichen Vordrucken zwei Arbeitsverträge abschlossen. Soweit die Klägerin dies damit begründet, dass der zweite Arbeitsvertrag (gemeint ist offensichtlich der unter dem 1. September 2002 unterschriebene) nur gefertigt worden sei, um das Versprechen des Beigeladenen zu 3), ihr ein höheres Arbeitsentgelt als das in dem unter dem 24. August 2002 unterzeichneten Arbeitsvertrag vereinbarte (500,00 EUR brutto monatlich) glaubwürdig erscheinen zu lassen, steht dem entgegen, dass der unter dem 1. September 2002 unterzeichnete Arbeitsvertrag überhaupt keine Angaben zur Arbeitsvergütung enthält.
Dass im vorliegenden Fall somit nicht nur ein, sondern gleich zwei Arbeitsverträge geschlossen wurden (dazu noch mit erheblich divergierenden Inhalten), spricht deutlich gegen ein Beschäftigungsverhältnis zu marktüblichen Bedingungen und legt die Vermutung nahe, dass nur der äußere Anschein eines "regulären" Beschäftigungsverhältnisses erzeugt werden sollte. Darüber hinaus ist die schriftliche Fixierung der vereinbarten Vertragsinhalte in mehr als einem Dokument im Arbeitsleben unüblich.
bb. Dass das in den Arbeitsverträgen schriftlich Vereinbarte von der Klägerin und dem Beigeladenen zu 3) nicht ernsthaft gewollt war, wird neben der Tatsache, dass der Beigeladene zu 3) Beiträge erstmals nach einem fruchtlosen Pfändungsversuch der Beklagten zahlte, durch den Umstand belegt, dass in dem unter dem 24. August 2002 unterzeichneten Arbeitsvertrag ausdrücklich eine bargeldlose Lohnzahlung verabredet wurde, obwohl beiden Vertragsparteien damals bekannt war, dass der Beigeladene zu 3) keine Bankverbindung besaß, er demzufolge diese vertragliche Verpflichtung von vorneherein nicht erfüllen konnte. Die eingereichten Lohnabrechnungen für die Zeit von September bis Dezember 2002 belegen - entgegen der Glaubhaftmachung der Klägerin und des Beigeladenen zu 3) – einen tatsächlichen Geldfluss zwischen diesen Beiden nicht.
Dem gesamten Vorbringen der Klägerin und des Beigeladenen zu 3) ist vielmehr zu entnehmen, dass die von der Klägerin unstreitig erbrachten Arbeiten die Gegenleistung für die vom Beigeladenen zu 3) bis dahin nicht erbrachten Unterhaltszahlungen darstellen sollten.
b. Den weiteren o.g. Kriterien für die Abgrenzung von familienhafter Mithilfe und einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis kommt daher im vorliegenden Fall nur untergeordnete Bedeutung zu.
aa. So hat sich nicht feststellen lassen, dass anstelle der Klägerin eine andere, familienfremde Arbeitskraft eingestellt worden wäre. Dies haben die ehemaligen Eheleute während des Verwaltungs- und Gerichtsverfahrens zwar wiederholt behauptet. Widerlegt wird dies jedoch bereits durch den Umstand, dass der Beigeladene zu 3) nach dem Beginn der Mutterschutzfrist am 6. Dezember 2002 keine andere Arbeitskraft für die ausscheidende Klägerin einstellte.
bb. Ob die Höhe des der Klägerin gezahlten Arbeitsentgelts von 500,00 EUR brutto monatlich - dies entspricht einem Stundenlohn von 5,77 EUR - für eine familienhafte Mithilfe spricht, kann offen bleiben. Denn eine untertarifliche oder eine erheblich untertarifliche Bezahlung des Ehegatten schließt die Annahme eines beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses nicht aus (BSG USK 2002-42 m.w.N.). Selbst wenn zugunsten der Klägerin nicht von einer untertariflichen Bezahlung ausgegangen würde, wöge dies den fehlenden widerspruchsfreien Arbeitsvertrag sowie dessen mangelnde Umsetzung nicht auf.
c. Im Übrigen sind die Angaben der Klägerin und des Beigeladenen zu 3) wegen auffälliger Widersprüche in maßgeblichen Punkten kaum verwertbar.
aa. Das Vorbringen der Klägerin und des Beigeladenen zu 3) zu den näheren Umständen der (erneuten) Arbeitsaufnahme der Klägerin zum 1. September 2002 sind widersprüchlich. Während die Klägerin im Widerspruchsverfahren durch ihre damaligen Bevollmächtigten (Schriftsatz vom 16. Juli 2003) zunächst vorbringen ließ, die Anmeldung zum 1. September 2002 sei erfolgt, weil das Beschäftigungsverhältnis zu diesem Zeitpunkt die Geringfügigkeitsgrenze überstiegen habe, behauptet die Klägerseite nur wenige Wochen später auf eine Nachfrage der Beklagten (und wiederholt diese Angaben im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht), die Mithilfe der Klägerin im Betrieb des Beigeladenen zu 3) sei aufgrund eines Streits zwischen den geschiedenen Eheleuten für längere Zeit unterbrochen worden und erst zum 1. September 2002 wieder aufgenommen worden. Diese Angaben decken sich zwar damit, dass der Beklagten nach ihren Angaben für diesen Zeitraum keine Meldung über eine geringfügige Beschäftigung vorlag, und sie stimmen mit dem Vorbringen des Beigeladenen zu 3) überein, er habe die Klägerin zum 1. September 2002 eingestellt, ändern aber nichts an den insgesamt widersprüchlichen Behauptungen der ehemaligen Eheleuten.
bb. Ob die wirtschaftliche Situation des vom Beigeladenen zu 3) geführten Betriebes tatsächlich so gut war, dass eine weitere Arbeitskraft benötigt und finanziert werden konnte, erscheint zumindest deshalb fraglich, weil Beiträge erstmals Mitte Januar - nach einem teilweise fruchtlos (!) verlaufenen Pfändungsversuch – gezahlt wurden.
cc. Gegen das Vorliegen eines abhängigem Beschäftigungsverhältnisses spricht schließlich auch der Versuch der Klägerin, sich freiwillig bei der Beklagten zu versichern. Ihr diesbezüglicher, bereits unter dem 17. Juli 2002 unterschriebener Antrag ging – warum auch immer – erst am 10. September 2002 und somit nach der von der Klägerin behaupteten Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung bei der Beklagten ein. Zu diesem Zeitpunkt wäre – das Vorbringen der geschiedenen Eheleute als zutreffend unterstellt – eine freiwillige Versicherung für die Klägerin ohne Wert und Sinn gewesen, da sie ja nach ihrer eigenen Auffassung bereits durch die Tätigkeit beim Beigeladenen zu 3) pflichtversichert war. Nahe liegt daher die Annahme, dass die tatsächliche Arbeitsaufnahme bzw. die Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit erst erfolgte, nachdem die Klägerin den die freiwillige Versicherung ablehnenden Bescheid der Beklagten vom 10. September 2002 erhalten hatte. Dies würde auch die mit erheblicher Verspätung vorgenommene Anmeldung der Klägerin bei der Beklagten Anfang November 2002 erklären. Denkbar wäre allerdings ebenso, dass die Klägerin ihre Tätigkeit zum 1. September 2002 aufnahm, ohne dass sie und der Beigeladene zu 3) bereits eine Entscheidung über den zeitlichen Umfang dieser Tätigkeit und somit die Frage der Versicherungspflicht getroffen hatten, sondern dass beide zunächst die Entscheidung der Beklagten über den Antrag auf freiwillige Versicherung abwarten wollten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreites.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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