L 12 AL 692/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 5 AL 1889/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 692/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 30.10.2007 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung von Arbeitslosengeld im Streit.

Der Kläger meldete sich bei der Beklagten am 08.01.2001 arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Er gab hierbei an, seit 1988 mit ca. 17 Wochenstunden an der Herstellung von Drehteilen im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit beschäftigt zu sein. Diese selbständige Tätigkeit werde er während der Arbeitslosigkeit im selben zeitlichen Umfang fortführen. Am 15.01.2001 teilte er der Beklagten mit, er sei fortan vollschichtig im Versand tätig. Anschließend teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 15.02.2001 mit, dass sie dem Antrag des Klägers auf Arbeitslosengeld vorläufig nicht entsprechen könne, weil sein Einkommen für das Jahr 1999 in Höhe von 28.609,00 EUR aus selbständiger Tätigkeit den ungekürzten Leistungssatz übersteige, weshalb ein Auszahlungsbetrag sich nicht ergebe.

Bei dieser Leistungsablehnung verblieb es in der Folgezeit. Der Kläger teilte am 02.03.2001 insoweit lediglich mit, weiterhin bei der Beklagten als arbeitsuchend geführt werden zu wollen. Jedenfalls ab dem 05.04.2001 stand der Kläger nicht mehr in einem Versicherungspflichtverhältnis, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist (Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 11.01.2007).

Am 16.10.2002 beantragte der Kläger erneut Arbeitslosengeld und wies dabei darauf hin, dass er derzeit aus seiner Nebenbeschäftigung keinen Verdienst erziele. Er legte am 30.10.2002 einen "BWA" mit Stand 10.10.2002 vor, welcher ein vorläufiges Betriebsergebnis für September 2002 in Höhe von - 1.044,20 EUR ausweist. Die Beklagte bewilligte daraufhin mit Bescheid vom 06.11.2002 vorläufig nach § 328 des Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) Arbeitslosengeld ab dem 16.10.2002 nach einem Bemessungsentgelt von 436,20 EUR.

In der Folgezeit forderte die Beklagte den Kläger mehrfach vergeblich auf (am 05.11.2003, 18.10.2004, 24.11.2004 und 21.01.2005), den Steuerbescheid für das Jahr 2002 vorzulegen.

Am 18.02.2005 legte der Kläger einen Steuerbescheid für 2002 vor, aus dem sich ein Einkommen für das Steuerjahr in Höhe von 24.414 EUR (hiervon zu versteuerndes Einkommen: 20.238 EUR) ergab.

Mit Bescheid vom 18.04.2005 hob die Beklagte nach Anhörung des Klägers die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 16.10.2002 bis 31.12.2002 auf und forderte den Kläger, Arbeitslosengeld in Höhe von 2472,47 EUR nebst Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 608,49 EUR zu erstatten, wobei sie sich auf die §§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 und 50 SGB X sowie auf § 335 Abs. 1 SGB III berief.

Der Kläger legte deswegen betriebswirtschaftliche Berechnungen für die Monate Oktober bis Dezember 2002 vor, wonach er im Oktober 2002 ein vorläufiges Ergebnis von 1185,02 EUR, im November 2002 ein negatives Ergebnis von 1314,33 EUR sowie im Dezember 2002 ein negatives Ergebnis von 1577,71 EUR erzielt habe. Allerdings geht aus diesen Berechnungen auch ein Umsatzerlös für Dezember 2002 von 3842,58, für November 2002 von 3111,35 EUR und für Oktober 2002 von 4013,72 EUR hervor.

Am 04.05.2002 legte der Kläger gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid Widerspruch ein. Er fordere die Erstattung seiner Beiträge zur Arbeitslosenversicherung ab November 1988, da er seit dieser Zeit sein Gewerbe nebenberuflich betreibe. Den Erstattungsantrag leitete die Beklagte an die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) als Beitragseinzugsstelle weiter.

Der Kläger führte zu seinem Widerspruch weiter aus, dass die Beklagte aus seinem Arbeitsverhältnis Arbeitslosenversicherungsbeiträge erhalten habe und er sich frage, wo hier die Gegenleistung der Beklagten liege.

Mit Widerspruchsbescheid vom 30.05.2005 wurde der Widerspruch des Klägers als unbegründet zurückgewiesen. Der Kläger habe im Jahr 2002 nach dem Abzug von Steuern ein durchschnittliches monatliches Einkommen von 1931,66 EUR erzielt, wobei dieser Betrag weit über dem Leistungssatz des Arbeitslosengeldes (513,76 EUR für Oktober 2002, 963,30 für November 2002 und 995,41 für Dezember 2002) gelegen habe. Der Kläger habe auch in den Monaten Oktober bis Dezember 2002 monatliche Umsatzerlöse zwischen 3.111,35 EUR und 4.1372 EUR erzielt. Unabhängig von der Höhe des so anzurechnenden Einkommens könne beim Kläger nicht mehr von einer Nebentätigkeit ausgegangen werden, welche weniger als 15 Stunden pro Woche in Anspruch genommen habe. Die Ausnahmeregelung des § 118 Abs. 3 Satz 2 SGB III sei nicht einschlägig, weil der Kläger entgegen seinen Behauptungen nicht weniger als 18 Stunden pro Woche gearbeitet habe und daher nicht arbeitslos im Sinne der §§ 117 f. SGB III gewesen sei.

Der Kläger hat am 10.06.2005 beim Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage erhoben. Sein seit 1988 ausgeübtes selbständiges Gewerbe habe er von Anfang neben seiner abhängigen Beschäftigung ausgeübt, woraus bereits ersichtlich werde, das dieses Gewerbe nur wenige Stunden in der Woche habe ausgeübt werden können. Er trete mit seiner Firma als bloßer Zwischenhändler auf und fertige Teile derart maschinell, dass lediglich die Einstellung einer Maschine erforderlich sei. Nach § 141 Abs. 3 SGB III bleibe Einkommen aus einer Tätigkeit, die bereits in den letzten 10 Monaten vor Entstehung des Anspruches auf Arbeitslosengeld neben einem Versicherungspflichtverhältnis ausgeübt worden sei, bis zu dem Betrag anrechnungsfrei, der in den letzten 10 Monaten vor der Entstehung des Anspruches durchschnittlich auf den Monat entfalle. Dies sei im Jahr 2002 ein monatliches Brutto von 1936,66 EUR gewesen, im Jahr 2001 1910,60 EUR. Der Kläger habe vom 15.04. bis 15.10.2002 in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden.

Der Kläger legte am 03.11.2005 seinen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2003 vor, aus dem ein Einkommen aus Gewerbebetrieb in Höhe von 21.885 EUR (zu versteuerndes Einkommen: 11.553 EUR) hervorgeht.

Mit weiterem Bescheid vom 28.11.2005 hob die Beklagte nach erneuter Anhörung auch die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 01.01.2003 auf und forderte vom Kläger die Erstattung des für die Zeit vom 01.01. bis 11.08.2003 gezahlten Arbeitslosengeldes in Höhe von 7.124,85 EUR.

Mit Urteil vom 30.10.2007 hat das SG die Klage als unbegründet abgewiesen. Nach § 141 Abs. 1 SGB III, sei, wenn dem Arbeitslosen während einer Zeit, für die ihm Arbeitslosengeld zustehe, eine weniger als 15 Stunden wöchentlich umfasste Beschäftigung ausübe, das Arbeitsentgelt nach Abzug von Steuern, Sozialversicherungsbeiträgen und Werbungskosten sowie eines Freibetrages in Höhe von 20 % des monatlichen Arbeitslosengeldes auf das Arbeitslosengeld anzurechnen. Diese Regelung sei gemäß § 141 Abs. 1 Satz 2 SGB III auch auf selbständige Tätigkeiten anzuwenden. Soweit der Arbeitslose in den letzten 12 Monaten vor Entstehung des Anspruches neben einem Versicherungspflichtverhältnis eine selbständige Tätigkeit von weniger als 18 Stunden wöchentlich mindestens 10 Monate lang ausgeübt habe, bleibe das Arbeitseinkommen bis zu einem Betrag anrechnungsfrei, der in den letzten 10 Monaten vor der Entstehung des Anspruches durchschnittlich auf den Monat entfalle, § 141 Abs. 3 SGB III. Die zuletzt genannte Ausnahmeregelung greife nicht ein, nach dem der Kläger in den letzten 12 Monaten vor Entstehung des Anspruches auf Arbeitslosengeld am 16.10.2002 nicht für mindestens 10 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden habe. Es verbleibe damit allein bei der Freibetragsregelung des § 141 Abs. 1 SGB III. Angesichts des Monatsbruttoeinkommens in Höhe von 1931,66 EUR im Jahr 2002 und den Einkünften aus Gewerbebetrieb 2003 in Höhe von 21.858 EUR sei der monatliche Leistungssatz des Klägers von durchschnittlich knapp unter 1000 EUR weit überschritten, so dass nach Einkommensanrechnungen im Sinne von § 141 Abs. 1 SGB III ein Leistungsanspruch nicht bestehe. Die tatsächliche Wochenarbeitszeit des Klägers könne insoweit offen bleiben, nach dem es sich entweder um eine Nebentätigkeit in geringfügigem Umfang mit der Folge der aufgeführten Einkommensanrechnung komme oder der zeitliche Umfang das Ausmaß einer Nebentätigkeit mit der Folge übersteige, dass keine Arbeitslosigkeit mehr angenommen werden könne und gleichfalls die Leistungsvoraussetzungen entfallen seien. Das Urteil des SG wurde dem Bevollmächtigten des Klägers am 14.01.2008 zugestellt.

Die Bevollmächtigten des Klägers haben am 12.02.2008 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Entgegen der Rechtsauffassung des SG sei für die Anrechnung des Einkommens aus Nebentätigkeit des Klägers eine monatliche Betrachtungsweise vorzunehmen. Es sei durch die in den SG-Prozess eingeführten Anlagen K 5 bis K 15 belegt worden, dass in der Zeit von Oktober 2002 bis August 2003 wesentlich geringere berücksichtigungsfähige Beträge erzielt worden seien als bei der Betrachtung aufgrund des Einkommenssteuerbescheides für das Jahr 2002. Die Betrachtung aufgrund des Einkommenssteuerbescheides für das Jahr 2002 sei jedoch fehlerhaft, da dieses Einkommen zu wesentlichen Anteilen in Monaten erarbeitet worden sei, in denen ein Leistungsbezug nicht vorgelegen habe (unter Berufung auf Hünecke in Gagel, SGB III, §§ 141 Rdnrn. 69 und 73). Zwar lasse sich bei einer selbständigen Tätigkeit mangels monatlicher Entgeltabrechnung nur schwer feststellen, in welchem Monat ein bestimmtes Einkommen erarbeitet worden sei. Im Falle des Klägers sei dies aber möglich und deswegen auch vorzunehmen. Der Umsatz des Klägers werde innerhalb weniger Tage von der eingehenden Bestellung ab erarbeitet. Dies gelte auch für die Fälle, in denen der Kläger im Kundenauftrag Drehteile selbst fertige, weil er hier lediglich eine Maschine kurz einrichten und anschalten müsse. Die restliche Produktion laufe automatisch ab. In dem Fall seien Aufträge zeitnah und sehr schnell erledigt und das Geld vom Kunden "in aller Regel" zeitnah gezahlt. Es müssten deswegen beim Kläger die jeweiligen Erfolgsrechnungen in monatlicher Betrachtungsweise einzeln berücksichtigt werden. Im Ergebnis seien daher allenfalls Leistungen für einzelnen Monate von der Beklagten zurückzufordern, nach dem in verschiedenen Monaten negative Einnahmen erzielt worden seien.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 30.10.2007 sowie die Bescheide der Beklagten vom 18.04.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2005 sowie den Bescheid vom 28.11.2005 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Beklagte hält die angefochtene Entscheidung für rechtmäßig. Das Arbeitseinkommen im Sinne von § 141 SGB III werde bei selbständiger Tätigkeit nicht nach § 15 SGB IV, sondern durch den Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben ermittelt. Maßgebend seien die Betriebseinnahmen und - ausgaben im Leistungszeitraum. Der Leistungszeitraum umfasse im Falle des Klägers den Zeitraum Oktober 2002 bis August 2003. Da auch die auf die selbständige Tätigkeit im Leistungszeitraum entfallende Einkommenssteuer regelmäßig nicht zeitnah angegeben werden könne und einen Jahreswert darstelle, begegne die Berechnung der Beklagten keinen Bedenken. Zu dem sei die Beklagte weiterhin der Auffassung, dass die Grenze von 15 Stunden pro Woche überschritten worden sein dürfte.

Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie die Verwaltungsakten, die Akten des SG sowie die Akten des Landessozialgerichts Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143 f. und 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Berufung ist nicht begründet. Der Senat hat über die Berufung der Klägerin gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch Beschluss entschieden, weil er das Rechtsmittel einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Im Anhörungsverfahren (vgl. Hinweis vom 10.06.2008 und Antwort des Klägerbevollmächtigten vom 13.06.2008) haben sich keine Gesichtspunkte ergeben, von dieser Verfahrensform abzuweichen.

Das SG hat zutreffend dargelegt, dass die angegriffenen Bescheide der Beklagten rechtlich nicht zu beanstanden sind. Insbesondere hat das SG auch zutreffend angenommen, dass der Folgebescheid der Beklagten vom 28.11.2005 über die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 01.01.2003 nach § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist und ein gesondertes Widerspruchsverfahren insoweit nicht erforderlich war. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird nach § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden und ausführlichen Entscheidungsgründe in dem angegriffenen Urteil des SG Bezug genommen, denen der Senat sich ausdrücklich anschließt.

Nach § 141 Abs. 3 SGB III in der vom 01.01.2002 bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung bleibt ein Arbeitseinkommen des Arbeitslosen bis zu dem Betrag anrechnungsfrei, der in den letzten zehn Monaten vor der Entstehung des Anspruches durchschnittlich auf den Monat entfällt, mindestens jedoch ein Betrag in Höhe des Freibetrages, der sich nach Absatz 1 der Vorschrift ergeben würde, wenn der Arbeitslose in den letzten zwölf Monaten vor der Entstehung des Anspruches neben einem Versicherungspflichtverhältnis eine selbständige Tätigkeit oder Tätigkeit als mithelfender Familienangehöriger von weniger als 18 Stunden wöchentlich mindestens zehn Monate lang ausgeübt hat. Das SG hat zutreffend ausgeführt, dass der Tatbestand dieser Sonderregelung für den Kläger nicht eröffnet ist, weil sein Leistungsanspruch erst mit der Meldung am 16.10.2002 entstanden sein kann und der Kläger in den letzten 12 Monaten vor diesem Zeitpunkt nicht wenigstens zehn Monate lang neben seiner selbständigen Tätigkeit versicherungspflichtig beschäftigt gewesen ist (vgl. Brand in Niesel, SGB III, 2. Aufl. 2002, § 141 Rdnr. 11).

Es verbleibt im Falle des Klägers daher bei der Anrechnungsvorschrift des § 141 Abs. 1 SGB III, wonach, wenn der Arbeitslose während einer Zeit, für die ihm Arbeitslosengeld zusteht, eine weniger als 15 Stunden wöchentlich umfassende - auch selbständige Beschäftigung ausübt, das Arbeitsentgelt aus der Beschäftigung nach Abzug der Steuern, der Sozialversicherungsbeiträge und der Werbungskosten sowie eines Freibetrages in Höhe von 20 Prozent des monatlichen Arbeitslosengeldes, mindestens aber von 165 Euro auf das Arbeitslosengeld für den Kalendermonat, in dem die Beschäftigung ausgeübt wird, anzurechnen ist.

Da der Kläger insoweit 2002 ein Einkommen in Höhe von 24.414 EUR bzw. 2003 in Höhe von 21.885 EUR hatte, was sich aus den Einkommensteuerbescheiden ergibt, war die Leistungsverweigerung nach § 141 Abs.1 SGB III insgesamt gerechtfertigt.

Zwar geht diese Vorschrift, worauf der Klägerbevollmächtigte zu Recht hinweist, grundsätzlich von einer Anrechnung im Kalendermonat aus (vgl. hierzu die vom Klägerbevollmächtigten zitierte Fundstelle Hünecke in Gagel, SGB III, §§ 141 Rdnrn. 69 und 73). Allerdings kann dies nur unter der Voraussetzung gelten, dass eine monatliche Trennung der Einnahmen- und Ausgabenbilanz bei Selbständigen überhaupt bewerkstelligt werden kann.

Hiergegen spricht in deutlicher Weise, dass der Kläger selbst im Widerspruchsverfahren einen Umsatzerlös für Dezember 2002 von 3842,58 EUR, für November 2002 von 3111,35 EUR und für Oktober 2002 von 4013,72 EUR angibt, wohingegen das von ihm für diesen Dreimonatszeitraum errechnete wesentlich geringere Betriebsergebnis (Oktober 2002: 1185,02 EUR; November 2002: - 1314,33 EUR; Dezember 2002: - 1577,71 EUR) offensichtlich von ihm selbst berechnet, insbesondere aber ausdrücklich als "vorläufig" und "kurzfristige Erfolgsrechnung" bezeichnet wird (die Unterlagen wurden im SG-Prozess als Anlagen K 5 bis K 7 erneut vorgelegt). Die vom Kläger vorgelegten Berechnungen tragen in der Fußzeile auch den ausdrücklichen Hinweis, dass das mitgeteilte Ergebnis durch "Abschluss-/Abgrenzungsbuchungen" noch verändert werden kann.

Sofern der Kläger bei Vorlage dieser Zahlen im April 2005 (nicht: 2002 oder 2003) noch von "vorläufigen" Zahlen spricht und insoweit bis zu diesem Zeitpunkt keine genaue monatliche Schlussabrechnung vorlegen kann oder will, wird hinreichend deutlich, dass eine monatliche Trennung und Zuordnung dieser Zahlen für das Jahr 2002 zu einem späteren Zeitpunkt als April 2005 willkürlich erscheint und die Berechnungsweise der Beklagten, die auf die jährliche Betrachtung nach den Einkommensteuerbescheiden abstellt, die einzig praktikable Handhabung ist. Dies auch unter dem Gesichtspunkt, dass die Einkünfte in den Jahren 2002 und 2003 in vergleichbarer Höhe erzielt worden sind und nicht ersichtlich ist, dass der Kläger hierdurch unbillig belastet werden könnte. Hierfür spricht auch die Tatsache, dass der Kläger den Einkommensteuerbescheid, was sich aus den hierin enthaltenen Vorauszahlungsterminen ergibt, spätestens bereits im Juni 2004 erhalten hat, also zu einem Zeitpunkt, als er sich über die monatliche Zuordnung der Zahlen für seine Betriebsergebnisse der Monate Oktober bis Dezember 2002 offenbar selbst noch nicht im Klaren war.

Ergänzend zu den Entscheidungsgründen des SG weist der Senat darauf hin, dass die Ermächtigungsgrundlage für die Bescheide in § 328 Abs. 3 Satz 2, 1. Halbsatz SGB III in Verbindung mit § 50 Abs. 1 SGB X und § 335 Abs. 1 und 5 SGB III zu sehen ist. Danach sind bei nur vorläufiger Leistungsgewährung auf Grund der vorläufigen Entscheidung erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit mit der abschließenden Entscheidung ein Leistungsanspruch nicht oder nur in geringerer Höhe zuerkannt wird.

Der Kläger ist in der vorläufigen Leistungsgewährung mit Bescheid vom 06.11.2002 ausdrücklich auf das mit dieser Art der Leistungsgewährung verbundene Risiko - auch vollumfänglicher - Rückforderungen hingewiesen worden, weswegen er sich nicht auf Vertrauensschutz berufen kann. Der Kläger hat auch keinen Vorschuss im Sinne von § 42 SGB I erhalten, so dass das völlige Fehlen eines Leistungsanspruchs insoweit ein zulässiges Ergebnis der abschließenden Prüfung durch die Beklagte ist (vgl. zum Ganzen Niesel, SGB III, 4. Aufl. 2007, § 328 Rdnrn. 2 f.). Dass die Beklagte von einer Aufhebung nach § 48 SGB X ausgeht, ist insoweit als falsche rechtliche Bezeichnung unschädlich. Eine Aufhebung nach § 48 SGB X würde jedenfalls ins Leere gehen, da eine abschließende Bewilligung zu keinem Zeitpunkt vorlag. Der angegriffene Verwaltungsakt der Beklagten war daher nach § 43 SGB X in eine Leistungsablehnung nach § 328 SGB III umzudeuten.

Anhaltspunkte dafür, dass die Erstattungsforderung der Beklagten unzutreffend berechnet worden ist, sind weder ersichtlich noch vorgetragen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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