L 8 AL 2473/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 4 AL 3150/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AL 2473/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 31. März 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin Anspruch auf Arbeitslosenhilfe (Alhi) hat.

Die 1959 geborene Klägerin bezog von der Beklagten nach Erschöpfung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld vom 30.10.1999 bis 26.03.2001 Alhi. Vom 13.02. bis 30.04.2001 war sie arbeitsunfähig und bezog nach Ablauf des Leistungsfortzahlungszeitraums (26.03.2001) von ihrer Krankenkasse bis 30.04.2001 Krankengeld.

Auf ihren Antrag bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 15.06.2001 ab 03.05.2001 erneut Alhi. Für die Zeit vom 06.08.2001 bis 14.09.2001 meldete sich die Klägerin bei der Beklagten als ortsabwesend. Diese teilte ihr am 03.08.2001 mit, dass der auswärtige Aufenthalt der Verfügbarkeit nur in den ersten 3 Wochen der Abwesenheit nicht entgegenstehe und forderte die Klägerin auf, sich am 17.09.2001 persönlich zu melden. Ab 27.08.2001 hob die Beklagte die Bewilligung von Alhi wegen Ortsabwesenheit der Klägerin auf.

Nachdem die Klägerin die vom Facharzt für Neurologie und Psychiatrie A., W., ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 12.09.2001 für die Zeit vom 10.09.2001 bis 21.09.2001 vorgelegt hatte, hob die Beklagte (erneut) die Bewilligung von Alhi mit Bescheid vom 13.09.2001 ab 10.09.2001 auf, da die Klägerin ab 27.08.2001 aufgrund ihrer Ortsabwesenheit keinen Anspruch auf Leistungen gehabt habe und daher eine Leistungsfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit nicht möglich sei. Rechtsbehelfe gegen diesen Bescheid wurden nicht eingelegt.

Die Klägerin legte ferner die ihr auch für die Zeit vom 24.09. bis 22.10.2001 und 29.10.2001 bis 02.11.2001 Arbeitsunfähigkeit attestierenden Bescheinigungen des Nervenarztes A. vom 24.09.2001, 08.10.2001 und 29.10.2001 vor. Am 13.09.2001 sprach die Klägerin bei der Beklagten vor und gab an, sie sei wegen ihrer Erkrankung bereits früher aus dem Urlaub zurückgekehrt. Vom 13.09.2001 bis 26.09.2001 bezog die Klägerin von ihrer Krankenkasse Krankengeld. Am 12.11.2001 meldete sie sich bei der Beklagten erneut arbeitslos.

Die am 10.07.2003 erhobene Klage (S 10 KR 1879/03) gegen ihre Krankenkasse, die T. Krankenkasse, mit der die Klägerin einen Anspruch auf Krankengeld für die Zeit vom 27.09.2001 bis 11.11.2001 geltend machte, nahm sie wieder zurück.

Im April 2005 machte die Klägerin im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens geltend, dass der Aufhebungsbescheid vom 13.09.2001 unrichtig sei. Nach der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 10.09.2001 sei ihr eine voraussichtliche Arbeitsunfähigkeit bis einschließlich 21.09.2001 attestiert worden, sodass sie auch über den 10.09.2001 hinaus Anspruch auf Alhi habe. Die Beklagte wertete dies als Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 13.09.2001 gemäß § 44 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch - (SGB X) und lehnte diesen mit Bescheid vom 03.06.2005 ab. Die Klägerin habe am 10.09.2001 keinen Anspruch auf Alhi gehabt, weil sie der Arbeitsvermittlung ab 27.08.2001 aufgrund einer länger als dreiwöchigen Ortsabwesenheit (06.08.2001 bis 14.09.2001) nicht zur Verfügung gestanden habe. Die Voraussetzungen für die Fortzahlung der Leistung während der Arbeitsunfähigkeit ab 10.09.2001 hätten nicht vorgelegen.

Dagegen legte die Klägerin am 04.07.2005 Widerspruch ein und machte geltend, sie sei wegen ihrer Erkrankung nicht vom 06.08. bis 14.09.2001 ortsabwesend gewesen. Dies gehe auch aus der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 12.09.2001 hervor, die eine Arbeitsunfähigkeit seit 10.09.2001 bescheinige. Mit Widerspruchsbescheid vom 27.09.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Klägerin habe nichts vorgebracht, was für die Unrichtigkeit des Bescheides vom 13.09.2001 sprechen könnte. Auch neue Erkenntnisse, die dafür sprächen, dass die Entscheidung unrichtig sei, lägen nicht vor. Sie habe daher eine sachliche Prüfung des Bescheides vom 13.09.2001 ablehnen dürfen. Sie müsse sich auf dessen Bindungswirkung berufen.

Am 28.10.2005 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG), mit der sie einen Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 13.09.2001 geltend machte. Die Beklagte sei von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen, da sie seit 10.09.2001 wieder in Deutschland gewesen und damit nicht mehr ortsabwesend gewesen sei. Am 12.09.2001 habe sie sich in ärztliche Behandlung begeben und anschließend bei der Beklagten zurückgemeldet. Ihr stehe deshalb für die Zeit vom 10.09.2001 bis 12.11.2001 Alhi zu. Die Beklagte trat der Klage entgegen und machte geltend, die Klägerin habe sich aus dem Leistungsbezug abgemeldet. Sie habe gewusst, dass der Leistungsanspruch nach Ablauf von 3 Wochen der Ortsabwesenheit entfalle. Sie habe auch gewusst, dass sie ab Beginn der Ortsabwesenheit der Arbeitsvermittlung nicht mehr zur Verfügung stehe und die Leistungsvoraussetzungen damit eigentlich nicht mehr erfüllt seien. Wenn sie früher als geplant aus dem Urlaub zurückkehre, hätte sie sich bei ihr melden und damit zur Verfügung stellen müssen.

Mit Urteil vom 31.03.2006 - der Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellt am 12.04.2006 - wies das SG die Klage ab. Der Klägerin, die ab 10.09.2001 arbeitsunfähig gewesen sei, stehe der geltend gemachte Anspruch nicht zu, da ihre Verfügbarkeit nach dem Ende der genehmigten Ortsabwesenheit ab 26.08.2001 entfallen sei. Den Vermittlungsbemühungen der Beklagten habe sie erst wieder am 13.09.2001 zur Verfügung gestanden, sodass sie zum Zeitpunkt des Beginns ihrer Arbeitsunfähigkeit am 10.09.2001 keinen Anspruch auf Alhi gehabt habe und ihr die Fortzahlung der Leistung ab diesem Zeitpunkt zu Recht versagt worden sei.

Dagegen hat die Klägerin am 12.05.2006 Berufung eingelegt, mit der sie nur noch einen Anspruch auf Alhi für die Zeit vom 27.09. bis 12.11.2001 geltend macht. In der Zeit vom 13.09. bis 26.09.2001 habe sie Krankengeld bezogen. Der Bescheid vom 13.09.2001 sei rechtswidrig, da sie sich am 12.09.2001 in ärztliche Behandlung begeben und anschließend bei der Beklagten zurückgemeldet habe. Damit sei sie wieder verfügbar gewesen und habe Anspruch auf Leistungen gehabt. Ihre Verfügbarkeit sei erst mit der einen kurzen Moment danach erfolgten Überreichung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wieder entfallen. Dass die Beklagte keine Leistungen erbracht habe, könne nicht ihr angelastet werden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 31. März 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 3. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 13. September 2001 zurückzunehmen und ihr für die 10. September 2001 bis 12. November 2001 Arbeitslosenhilfe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und macht geltend, die Klägerin habe ab 27.08.2001 keinen Anspruch auf Alhi mehr gehabt, da sie ab diesem Zeitpunkt länger als 3 Wochen ortsabwesend gewesen sei und damit der Arbeitsvermittlung nicht mehr zur Verfügung gestanden habe. Da sie bei ihrer Rückmeldung am 13.09.2003 arbeitsunfähig gewesen sei und deshalb dem Arbeitsmarkt von Beginn ihrer Rückmeldung an nicht zur Verfügung gestanden habe, bestehe kein Anspruch auf Leistungsfortzahlung.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz und die Akten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht (§ 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig. Sie ist insbesondere auch statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund des § 144 Abs. 1 SGG in der bis zum 31.03.2008 geltenden und hier maßgeblichen Fassung liegt nicht vor. Der Beschwerdewert von mehr als 500,00 EUR ist bei dem von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Alhi für 47 Tage (27.09. bis 12.11.2001) und einem täglichen Leistungssatz von 32,53 EUR erreicht.

Nicht (mehr) Streitgegenstand ist ein Anspruch der Klägerin auf Alhi für die Zeit vom 13.09.2001 bis 26.09.2001, da die Klägerin die Berufung insoweit zurückgenommen hat.

Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Zu Recht hat es die Beklagte abgelehnt, den Bescheid vom 13.09.2001 zurückzunehmen und der Klägerin für die Zeit vom 27.09.2001 bis 12.11.2001 Alhi zu gewähren.

Der Bescheid der Beklagten vom 13.09.2001, mit dem die Beklagte die Bewilligung von Alhi ab 10.09.2001 ganz aufgehoben hat, ist bindend geworden. Als verwaltungsverfahrensrechtliche Grundlage des geltend gemachten Anspruchs kommt daher hier nur § 44 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch - (SGB X) in Betracht. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X lautet: Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

Zwar steht dem geltend gemachten Anspruch § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X nicht entgegen, da die Klägerin den Rücknahmeantrag im April 2005 gestellt hat und somit der Zeitraum von bis zu vier Jahren, für den Leistungen rückwirkend erbracht werden können, unter Beachtung der Vorschriften des § 44 Abs. 4 Sätze 2 und 3 SGB X am 01.01.2001, also vor dem hier streitigen Zeitraum, begonnen hat. Die Beklagte hat aber bei Erlass des Bescheides vom 13.09.2001 weder das Recht unrichtig angewandt noch ist sie von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erweist. Der Senat schließt sich insoweit der Rechtsauffassung des SG ab und nimmt auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug.

Die Klägerin bezog seit dem 27.08.2001 keine Alhi mehr; sie war auch nicht mehr im arbeitslos, weil sie den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes ab diesem Zeitpunkt nicht mehr zur Verfügung stand (§ 119 Abs. 1 Nr. 2 SGB III in der bis 31.12.2004 geltenden und hier maßgeblichen Fassung). Den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes steht zur Verfügung, wer arbeitsfähig und seiner Arbeitsfähigkeit entsprechend arbeitsbereit ist (§ 119 Abs. 2 SGB III aF). Arbeitsfähig ist ein Arbeitsloser u.a., der Vorschlägen des Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann und darf (§ 119 Abs. 3 Nr. 3 SGB III aF). Zwar stand diese (fehlende) Voraussetzung während der urlaubsbedingten Ortsabwesenheit der Klägerin ab 06.08.2001 ihrer Verfügbarkeit für die ersten 3 Wochen ihrer Abwesenheit (06.08.2001 bis 26.08.2001) im Hinblick auf die zu § 119 Abs. 3 Nr. 3 SGB III aF ergangene Erreichbarkeits-Anordnung (EAO) der Beklagten vom 23.10.1997 (ANBA 1997, 1685) nicht entgegen, da ihre Ortsabwesenheit entsprechend § 3 Abs. 1 Satz 1 EAO für diesen Zeitraum von der Beklagten genehmigt worden war. Während ihrer anschließenden weiteren Ortsabwesenheit, also ab 27.08.2001, entfiel jedoch ihre Verfügbarkeit. Dementsprechend hat die Beklagte die Bewilligung von Alhi wegen Ortsabwesenheit ab 27.08.2001 aufgehoben, sodass der Klägerin ab diesem Zeitpunkt keine Leistungen mehr zustanden. Zum Zeitpunkt des Eintritts ihrer nach der aktenkundigen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung von Dr. A. vom 12.09.2001 am 10.09.2001 eingetretenen Arbeitsunfähigkeit stand die Klägerin damit nicht mehr im Leistungsbezug, sodass die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Alhi bei Arbeitsunfähigkeit (§ 126 Abs. 1 Satz 1 iVm § 198 Satz 2 Nr. 3 SGB III aF nicht erfüllt sind. Die Regelung des § 126 Abs. 1 Satz 1 SGB III erfordert den rechtmäßigen Erwerb eines Leistungsanspruchs vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit. Daran fehlt es hier.

Die von der Klägerin im Berufungsverfahren vorgebrachten Argumente rechtfertigen kein andere Entscheidung. Die Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass es unerheblich ist, ob die Beklagte vor dem 13.09.2001 Kenntnis von einer bei der Klägerin vorliegenden Arbeitsunfähigkeit gehabt haben soll, was die Beklagte im Übrigen bestreitet. Denn die Klägerin war vom 27.08.2001 bis zum Eintritt der Arbeitsunfähigkeit am 10.09.2001 zu keinem Zeitpunkt verfügbar und hatte auch keinen Anspruch auf Alhi.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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