Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 6 AL 4288/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 5743/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 16.10.2007 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Überbrückungsgeld im Streit.
Der Kläger bezog bis zum 18.12.2005 Arbeitslosengeld. Im Anschluss hieran meldete er sich bei der Beklagten und teilte seine Absicht mit, Überbrückungsgeld zu beantragen. In der Akte der Beklagten findet sich ein vom Kläger am 03.07.2006 unterschriebener Antrag auf Überbrückungsgeld, welcher bei der Beklagten am 03.07.2006 mit einem Posteingangsstempel versehen worden ist. Auf dem Antrag ist ein Tag der Antragstellung vom 14.02.2006 angegeben; dieses Datum ist später handschriftlich in das Datum 26.07.2005 verändert worden. In dem Antrag gibt der Kläger an, dass er ab dem 03.07.2006 eine selbständige hauptberufliche Tätigkeit als Zimmerermeister aufnehmen wolle und hierfür die Gewährung von Überbrückungsgeld beantrage. Der Kläger legte seine Gewerbeanmeldung vom 03.07.2006 sowie eine fachkundige Stellungnahme der Handwerkskammer K. vom 16.05.2006 zur Tragfähigkeit der beabsichtigten Existenzgründung vor.
Mit Bescheid vom 11.07.2006 lehnte die Beklagte die Gewährung von Überbrückungsgeld mit der Begründung ab, dass der Kläger nicht in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III bezogen oder hierauf einen Anspruch gehabt habe.
Seinen Widerspruch begründete der Kläger damit, dass er sich bereits zu Beginn seiner Arbeitslosigkeit nach finanziellen Hilfen für eine geplante selbständige Tätigkeit erkundigt habe. Im Dezember 2005 habe er einen Beratungstermin gehabt, der leider von der Beklagten abgesagt worden sei. Einen neuen Termin habe er aber erst im Februar 2006 erhalten. In diesem Termin habe der Mitarbeiter W. (W ...) der Beklagten mit ihm eine Eingliederungsvereinbarung geschlossen. Aus der Eingliederungsvereinbarung vom 14.02.2006 geht hervor, dass der Kläger als Ziel hierin die Vorbereitung einer selbständigen Tätigkeit ("ÜG") vorbereitet habe und als Aktivitäten der Beklagten ein Existenzgründungszuschuss, ein Existenzgründungsseminar sowie ESG-Fördermittel ("Coaching") bewilligt werden sollten. In seiner Widerspruchsbegründung gab der Kläger weiter an, dass sich durch Gespräche mit der Bank der Beginn seiner selbständigen Tätigkeit auf den 03.07.2006 verzögert habe.
Aus einem in der Akte der Beklagten enthaltenen Computervermerk vom 06.02.2006 des Mitarbeiters K. (K.) ergibt sich, dass der Kläger erstmalig am 30.01.2006 gegenüber der Beklagten seine geplante Existenzgründung mitgeteilt habe, was als Tag der Antragstellung gelten könne. Da die zulässige Toleranzfrist für den Existenzgründungszuschuss nur einen Monat betrage, sei auch dieser Antrag jedoch bereits verspätet. Ob ein Anspruch auf Einstiegsgeld bestehe, müsse im SGB II-Bereich geklärt werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11.08.2006 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Nach § 57 Abs. 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) werde Überbrückungsgeld geleistet, wenn der Arbeitnehmer in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit oder der vorgeschalteten Teilnahme an einer Maßnahme zu deren Vorbereitung Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III bezogen habe oder einen Anspruch darauf hätte. Der Kläger habe bis zum 18.12.2005 Arbeitslosengeld bis zur Anspruchserschöpfung bezogen. Nachdem die selbständige Tätigkeit erst am 03.07.2006 begonnen worden sei, bestehe ein enger zeitlicher Zusammenhang (maximal ein Monat) mit dem Beginn der selbständigen Tätigkeit nicht mehr. Auch wenn der Mitte Dezember 2005 bei einem Arbeitsberater vereinbarte und durch die Beklagte abgesagte Termin stattgefunden hätte, wäre es fraglich gewesen, ob die Selbständigkeit noch spätestens Mitte Januar 2006 hätte begonnen werden können, da der Kläger angegeben habe, der Beginn der selbständigen Tätigkeit habe sich durch Gespräche mit der Bank verzögert.
Der Kläger hat am 08.09.2006 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben. Er habe bereits im August oder Anfang September 2005 bei der Beklagten wegen seiner Absicht, sich selbständig zu machen, vorgesprochen und sich nach Möglichkeiten einer Förderung erkundigt. Die Existenzgründung sei für das Frühjahr geplant gewesen, da dies im Winter wegen des "definitiv" fehlenden Geschäfts relativ sinnlos wäre. Nur auf sein Drängen und nach mehrfachem Schriftwechsel habe ihm die Beklagte nach dem Auslaufen seines Arbeitslosengeldanspruchs erlaubt, an einem Existenzgründungsseminar teilzunehmen. Die Beklagte sei daher über seine Pläne unterrichtet gewesen. Sie habe auch durch ihre Fördermaßnahme den Eindruck erweckt, eine Selbständigkeit könne noch gefördert werden. Die Förderung der Existenzgründung sei ihm auch mündlich zugesichert worden.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 16.10.2007 hat das SG den Mitarbeiter W. der Beklagten als Zeugen vernommen; auf die Sitzungsniederschrift wird insoweit Bezug genommen.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 16.10.2007 als unbegründet abgewiesen. Anwendbar sei § 57 SGB III in der Fassung vom 31.12.2005 als Überbrückungsgeld, da die Neuregelung der Existenzgründerleistung nach dem SGB III als sog. Gründungszuschuss erst am 01.08.2006 in Kraft getreten sei. Die Beklagte habe die Gewährung von Leistungen zutreffend mit der Begründung abgelehnt, dass ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit und dem Bezug von Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III fehle. Dieser enge zeitliche Zusammenhang ende spätestens einen Monat nach dem letzten Tag mit Bezug von Entgeltersatzleistungen (unter Hinweis auf Stratmann in Niesel, SGB III, 2. Auflage 2002, § 57 Rn. 8; BT-Drs. 14/873, S. 12).
Der eventuelle Bezug von Leistungen nach dem SGB II könne keinen Vorbezug von Sozialleistungen im Sinne von § 57 Abs. 2 SGB III bewirken, da insoweit die Vorschriften über das Einstiegsgeld in § 29 SGB II vorrangig seien. Die Gründe, welche zu der von dem Kläger vorgetragenen Verzögerung seiner selbständigen Tätigkeit geführt hätten, seien für die Frage eines Anspruchs nach § 57 SGB III unerheblich. Deswegen sei nur am Rande darauf hinzuweisen, dass zumindest ein großer Teil der Verzögerung in die Risikosphäre des Klägers falle. Dies gelte insbesondere für die Weigerung der zunächst angegangenen Sparkasse, seine selbständige Tätigkeit zu finanzieren. Dass der Zeuge W. in seiner Vernehmung angegeben habe, er habe das Datum auf dem Antragsformular handschriftlich auf den 26.07.2005 abgeändert, weil der Kläger bereits damals eine Selbständigkeit geplant habe, ändere nichts an der Rechtslage. Zwar könne die Rückdatierung eines Antrags hilfreich sein, wenn die Beklagte eine Leistung nicht für Zeiträume vor einem Antrag gewähren dürfe (mit Hinweis auf § 324 Abs. 1 Satz 1 SGB III). Der Kläger habe seinen Antrag jedoch nicht nach, sondern vor dem Beginn seiner Selbständigkeit gestellt. Hiervon zu unterscheiden sei das Fehlen der materiellen Voraussetzungen des Anspruchs nach § 57 Abs. 2 SGB III im Hinblick auf das Erfordernis des engen zeitlichen Zusammenhangs. Insofern könne auch ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch dem Kläger vorliegend nicht weiterhelfen, weil zunächst eine Falschberatung der Beklagten nicht erwiesen sei. Der Zeuge W. habe jedenfalls auch bekundet, dass er dem Kläger mitgeteilt habe, dass ein enger zeitlicher Zusammenhang von einem Monat zwischen dem Bezug von Arbeitslosengeld und dem Beginn der selbständigen Tätigkeit bestehen müsse. Der Zeuge hatte auch angegeben, dass er dem Kläger die Broschüre der Beklagten über das Überbrückungsgeld mitgegeben habe, aus welcher sich ebenfalls die gesetzlichen Voraussetzungen des Anspruchs ergeben hätten. Zum anderen könne auch eine erwiesene fehlerhafte Beratung durch die Beklagte den engen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Antragstellung und dem Bezug von Entgeltersatzleistungen nicht herstellen. Insoweit sei jedoch nicht ersichtlich, dass es dem Kläger möglich gewesen sei, bei einer anderweitigen Beratung durch die Beklagte bereits Mitte Januar 2006 eine Tätigkeit als selbständiger Zimmerermeister aufzunehmen. Denn der Kläger habe selbst vorgetragen, es sei witterungsbedingt ausgeschlossen gewesen, seine Tätigkeit als Zimmerermeister im Winterhalbjahr zu beginnen. Das Urteil des SG wurde der Klägerbevollmächtigten am 15.11.2007 zugestellt.
Am 05.12.2007 hat die Bevollmächtigte des Klägers beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Die Beweiswürdigung durch das SG insbesondere im Hinblick auf eine Falschberatung durch die Beklagte sei nicht nachvollziehbar, da der Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt sei. Der Zeuge W. der Beklagten sei in kaum zu überbietender Weise unsicher in seiner Aussage gewesen. Weswegen das SG einem so unsicheren Zeugen anstelle des Betroffenen glaube, sei nicht nachvollziehbar. Es sei zwar richtig, dass der Kläger es witterungsbedingt ausgeschlossen habe, seine Tätigkeit als Zimmerermeister im Winterhalbjahr zu beginnen. Nach dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben habe der Kläger jedoch insoweit eine umfassende Beratung durch die Beklagte erhalten müssen und müsse jedenfalls im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so gestellt werden, als habe er zuverlässige Aussagen durch den Zeugen W. der Beklagten erhalten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 16.10.2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 11.07.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.08.2007 zu verurteilen, ihm ab dem 03.07.2006 Überbrückungsgeld zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für rechtmäßig.
Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten, die Akten des SG sowie die Akten des Landessozialgerichts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143f. und 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Berufung ist nicht begründet.
Nach § 57 Abs. 1 SGB III in der vom 31.12.2005 bis zum 31.07.2006 geltenden Fassung haben Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden oder vermeiden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung Anspruch auf Überbrückungsgeld. Nach Abs. 2 der Vorschrift wird Überbrückungsgeld geleistet, wenn der Arbeitnehmer in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit oder der vorgeschalteten Teilnahme an einer Maßnahme zu deren Vorbereitung Entgeltersatzleistungen nach diesem Buch bezogen hat oder einen Anspruch darauf hätte oder eine Beschäftigung ausgeübt hat, die als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme nach diesem Buch gefördert worden ist, und eine Stellungnahme einer fachkundigen Stelle über die Tragfähigkeit der Existenzgründung vorgelegt hat.
Das SG hat zutreffend entschieden, dass ein Anspruch auf Überbrückungsgeld im Falle des Klägers ausscheidet, weil der von § 57 SGB III geforderte enge zeitliche Zusammenhang zwischen dem Bezug von Arbeitslosengeld (zuletzt am 18.12.2005) und dem Beginn seiner selbständigen Tätigkeit (ab dem 03.07.2006) nicht mehr gewahrt ist. Zwar ist eine genaue zeitliche Begrenzung weder der Vorschrift noch der Rechtsprechung zu entnehmen, doch besteht wohl Einigkeit, dass - wie vorliegend - ab einem Zeitraum von mehr als drei Monaten auch aufgrund spezieller Besonderheiten des Einzelfalles ein "enger zeitlicher Zusammenhang" jedenfalls zu verneinen ist (vgl. Stark in NK-SGB III, 3. Aufl 2008, § 57 Rn. 6, m.w.N.).
Das SG hat auch zu Recht entschieden, dass weder eine frühere Antragsfiktion noch eine gegebenenfalls erfolgte fehlerhafte Beratung durch die Beklagte an diesem Ergebnis etwas zu ändern vermögen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird nach § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden und ausführlichen Entscheidungsgründe in dem angegriffenen Urteil des SG Bezug genommen, denen der Senat sich ausdrücklich anschließt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) kann die Verletzung von Nebenpflichten einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch begründen. Nach § 14 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - SGB I - hat jeder Anspruch auf Beratung über seine Rechte und Pflichten nach dem Sozialgesetzbuch, wobei für die Beratung die Leistungsträger zuständig sind, denen gegenüber die Rechte geltend zu machen oder die Pflichten zu erfüllen sind. Werden im Rahmen einer Beratung oder Antragstellung Hinweise erkennbar, die für den Versicherten eine günstigere Gestaltung seiner Situation ermöglichen, ist der Versicherte aus Anlass dieses Kontakts auf seine weiteren Rechte und Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen, wenn die Nutzung dieser Rechte oder Gestaltungsmöglichkeiten nahe liegt oder sich aufdrängt; eine Schlechterfüllung dieser Beratungspflicht kann zu einem Anspruch des Versicherten nach dem Institut des sogenannten sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs führen (vgl. hierzu BSGE 49, 76 = SozR 2200 § 1418 Nr. 6; BSGE 50, 88 = SozR 5750 Art. 2 § 51 a Nr. 39; BSG SozR 3-2600 § 58 Nr. 2).
Ob ein Beratungsfehler durch die Beklagte in diesem Sinne vorliegt, kann offen gelassen werden, nachdem dieser jedenfalls nicht kausal für die Gründe für die Leistungsablehnung geworden wäre. Denn auch bei einer unterstellten optimalen Beratung durch die Beklagte hätte die Aussage des Klägers in der Klagebegründung seiner Bevollmächtigten vom 05.09.2006 weiterhin Gewicht, dass er sein Gewerbe wegen fehlender Aufträge im Winter keinesfalls im Winterhalbjahr habe beginnen wollen.
Hinzu kommt, dass der Kläger den späteren Beginn seiner Existenzgründung unabhängig hiervon im Widerspruchsverfahren auch selbst damit begründet hat, dass bedingt durch die schwierigen Gespräche mit der Bank der Beginn seiner selbständigen Tätigkeit sich auf den 03.07.2006 verzögert habe.
Schließlich hat der Kläger die Tragfähigkeitsbescheinigung für seine Existenzgründung, welche ebenfalls einen notwendige Förderungsvoraussetzung darstellt, auch erst am 16.05.2006 erstellen lassen.
Damit ist eine Vielzahl von Gründen für die verspätete Existenzgründung gegeben, welche alleine in den Verantwortungsbereich des Klägers fallen. Da der Kläger auch jedenfalls in dem Merkblatt der Beklagten für Existenzgründer zutreffend belehrt worden ist, scheidet insoweit ein Anspruch aus.
Eine etwaige mündliche Zusicherung der Beklagten, wie sie vom Kläger behauptet wird, würde ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis führen, weil für die Wirksamkeit der Zusicherung nach § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB X die Schriftform erforderlich ist.
Die Eingliederungsvereinbarung nach § 35 Abs. 4 SGB III stellt insoweit keine wirksame schriftliche Zusicherung nach § 34 SGB X dar, weil - unabhängig vom Rechtscharakter der Eingliederungsvereinbarung - der vereinbarte Eingliederungszuschuss von der Beklagten nicht entgegen den gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen zugesagt werden durfte.
Da am 14.02.2006 der enge zeitliche Zusammenhang bereits kaum noch zu wahren war, konnte eine diesbezügliche Zusicherung nur noch wirksam werden, wenn der Kläger unmittelbar mit der Tätigkeit anfing. Die Vereinbarung ist im Übrigen auch so auszulegen, dass das Überbrückungsgeld nur dann gewährt werden kann, wenn zum Zeitpunkt der Bewilligung die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Diese Auslegung ist zwingend, weil der Kläger wie bereits oben ausgeführt zum Zeitpunkt des Abschlusses der Eingliederungsvereinbarung noch keine Tragfähigkeitsbescheinigung für seine geplante Existenzgründung vorgelegt hatte und die Beklagte ersichtlich auf dieses Tatbestandsmerkmal nicht verzichten wollte.
Eine Zusicherung einer freien Förderung nach § 10 SGB III - ohne das Erfordernis des engen zeitlichen Zusammenhangs wie in § 57 SGB III - kann insofern in der Eingliederungsvereinbarung ebenfalls nicht erblickt werden, weil die freien Leistungen nach § 10 Satz 2 SGB III in der bis zum 07.11.2006 geltenden Fassung den Zielen und Grundsätzen der gesetzlichen Leistungen entsprechen müssen und gesetzliche Leistungen - hier: § 57 SGB III - nicht aufstocken dürfen.
Schließlich hat das SG auch zu Recht entschieden, dass nicht nur die Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs fehlen, sondern auch die Rechtsfolge eines solchen Anspruchs dem Kläger nicht helfen könnte. Als Folge des Herstellungsanspruchs ist der Versicherte so zu stellen, als ob der Sozialleistungsträger seinen Verpflichtungen nachgekommen wäre (vgl. BSG SozR 3-4100 § 110 Nr. 2 m.w.N.). Der erlittene Nachteil muss allerdings mit verwaltungskonformen Mitteln im Rahmen der gesetzlichen Regelung, also durch eine vom Gesetz vorgesehene zulässige und rechtmäßige Amtshandlung ausgeglichen werden können.
Dies ist indes für eine frühere Aufnahme des Gewerbes des Klägers im engen zeitlichen Zusammenhang im Sinne von § 57 SGB III nicht möglich: Nach ständiger Rechtssprechung des Bundessozialgerichts (BSG) lässt der sozialrechtliche Herstellungsanspruch es nämlich selbst bei einem nachgewiesenen Fehlverhalten der Verwaltung nicht zu, alle materialrechtlichen Tatbestandsvoraussetzungen für die Gewährung von Leistungen zu unterstellen. Insbesondere kann eine fehlende Meldung als arbeitsuchend bei der Arbeitsagentur nach der ständigen Rechtsprechung des BSG nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ersetzt werden. Wenn wie in solchen Fällen der durch pflichtwidriges Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil nicht durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden kann, bleibt für die Anwendung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs kein Raum. Da die Meldung wegen Arbeitslosigkeit bei der Agentur für Arbeit als Arbeitsuchender durch den Arbeitslosen selbst zu erfolgen hat, ist sie nicht der Gestaltung durch Verwaltungshandeln zugänglich (BSGE 92, 241 = SozR 4-2600 § 58 Nr. 3; vgl. auch BSG vom 27.6.1990 - 5 RJ 49/89 = SozR 3-2200 § 1259 Nr. 2, BSG vom 6.8.1992 - 8 RKn 9/91 - = Kompass 1992, 43 und BSG vom 15.12.1994 - 4 RA 64/93 - = SozR 3-2600 § 58 Nr. 2). Gleiches gilt für das Faktum des Beginns einer selbständigen Tätigkeit, welches rückwirkend nicht zu einem früheren Zeitpunkt fingiert werden kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Überbrückungsgeld im Streit.
Der Kläger bezog bis zum 18.12.2005 Arbeitslosengeld. Im Anschluss hieran meldete er sich bei der Beklagten und teilte seine Absicht mit, Überbrückungsgeld zu beantragen. In der Akte der Beklagten findet sich ein vom Kläger am 03.07.2006 unterschriebener Antrag auf Überbrückungsgeld, welcher bei der Beklagten am 03.07.2006 mit einem Posteingangsstempel versehen worden ist. Auf dem Antrag ist ein Tag der Antragstellung vom 14.02.2006 angegeben; dieses Datum ist später handschriftlich in das Datum 26.07.2005 verändert worden. In dem Antrag gibt der Kläger an, dass er ab dem 03.07.2006 eine selbständige hauptberufliche Tätigkeit als Zimmerermeister aufnehmen wolle und hierfür die Gewährung von Überbrückungsgeld beantrage. Der Kläger legte seine Gewerbeanmeldung vom 03.07.2006 sowie eine fachkundige Stellungnahme der Handwerkskammer K. vom 16.05.2006 zur Tragfähigkeit der beabsichtigten Existenzgründung vor.
Mit Bescheid vom 11.07.2006 lehnte die Beklagte die Gewährung von Überbrückungsgeld mit der Begründung ab, dass der Kläger nicht in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III bezogen oder hierauf einen Anspruch gehabt habe.
Seinen Widerspruch begründete der Kläger damit, dass er sich bereits zu Beginn seiner Arbeitslosigkeit nach finanziellen Hilfen für eine geplante selbständige Tätigkeit erkundigt habe. Im Dezember 2005 habe er einen Beratungstermin gehabt, der leider von der Beklagten abgesagt worden sei. Einen neuen Termin habe er aber erst im Februar 2006 erhalten. In diesem Termin habe der Mitarbeiter W. (W ...) der Beklagten mit ihm eine Eingliederungsvereinbarung geschlossen. Aus der Eingliederungsvereinbarung vom 14.02.2006 geht hervor, dass der Kläger als Ziel hierin die Vorbereitung einer selbständigen Tätigkeit ("ÜG") vorbereitet habe und als Aktivitäten der Beklagten ein Existenzgründungszuschuss, ein Existenzgründungsseminar sowie ESG-Fördermittel ("Coaching") bewilligt werden sollten. In seiner Widerspruchsbegründung gab der Kläger weiter an, dass sich durch Gespräche mit der Bank der Beginn seiner selbständigen Tätigkeit auf den 03.07.2006 verzögert habe.
Aus einem in der Akte der Beklagten enthaltenen Computervermerk vom 06.02.2006 des Mitarbeiters K. (K.) ergibt sich, dass der Kläger erstmalig am 30.01.2006 gegenüber der Beklagten seine geplante Existenzgründung mitgeteilt habe, was als Tag der Antragstellung gelten könne. Da die zulässige Toleranzfrist für den Existenzgründungszuschuss nur einen Monat betrage, sei auch dieser Antrag jedoch bereits verspätet. Ob ein Anspruch auf Einstiegsgeld bestehe, müsse im SGB II-Bereich geklärt werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11.08.2006 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Nach § 57 Abs. 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) werde Überbrückungsgeld geleistet, wenn der Arbeitnehmer in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit oder der vorgeschalteten Teilnahme an einer Maßnahme zu deren Vorbereitung Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III bezogen habe oder einen Anspruch darauf hätte. Der Kläger habe bis zum 18.12.2005 Arbeitslosengeld bis zur Anspruchserschöpfung bezogen. Nachdem die selbständige Tätigkeit erst am 03.07.2006 begonnen worden sei, bestehe ein enger zeitlicher Zusammenhang (maximal ein Monat) mit dem Beginn der selbständigen Tätigkeit nicht mehr. Auch wenn der Mitte Dezember 2005 bei einem Arbeitsberater vereinbarte und durch die Beklagte abgesagte Termin stattgefunden hätte, wäre es fraglich gewesen, ob die Selbständigkeit noch spätestens Mitte Januar 2006 hätte begonnen werden können, da der Kläger angegeben habe, der Beginn der selbständigen Tätigkeit habe sich durch Gespräche mit der Bank verzögert.
Der Kläger hat am 08.09.2006 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben. Er habe bereits im August oder Anfang September 2005 bei der Beklagten wegen seiner Absicht, sich selbständig zu machen, vorgesprochen und sich nach Möglichkeiten einer Förderung erkundigt. Die Existenzgründung sei für das Frühjahr geplant gewesen, da dies im Winter wegen des "definitiv" fehlenden Geschäfts relativ sinnlos wäre. Nur auf sein Drängen und nach mehrfachem Schriftwechsel habe ihm die Beklagte nach dem Auslaufen seines Arbeitslosengeldanspruchs erlaubt, an einem Existenzgründungsseminar teilzunehmen. Die Beklagte sei daher über seine Pläne unterrichtet gewesen. Sie habe auch durch ihre Fördermaßnahme den Eindruck erweckt, eine Selbständigkeit könne noch gefördert werden. Die Förderung der Existenzgründung sei ihm auch mündlich zugesichert worden.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 16.10.2007 hat das SG den Mitarbeiter W. der Beklagten als Zeugen vernommen; auf die Sitzungsniederschrift wird insoweit Bezug genommen.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 16.10.2007 als unbegründet abgewiesen. Anwendbar sei § 57 SGB III in der Fassung vom 31.12.2005 als Überbrückungsgeld, da die Neuregelung der Existenzgründerleistung nach dem SGB III als sog. Gründungszuschuss erst am 01.08.2006 in Kraft getreten sei. Die Beklagte habe die Gewährung von Leistungen zutreffend mit der Begründung abgelehnt, dass ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit und dem Bezug von Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III fehle. Dieser enge zeitliche Zusammenhang ende spätestens einen Monat nach dem letzten Tag mit Bezug von Entgeltersatzleistungen (unter Hinweis auf Stratmann in Niesel, SGB III, 2. Auflage 2002, § 57 Rn. 8; BT-Drs. 14/873, S. 12).
Der eventuelle Bezug von Leistungen nach dem SGB II könne keinen Vorbezug von Sozialleistungen im Sinne von § 57 Abs. 2 SGB III bewirken, da insoweit die Vorschriften über das Einstiegsgeld in § 29 SGB II vorrangig seien. Die Gründe, welche zu der von dem Kläger vorgetragenen Verzögerung seiner selbständigen Tätigkeit geführt hätten, seien für die Frage eines Anspruchs nach § 57 SGB III unerheblich. Deswegen sei nur am Rande darauf hinzuweisen, dass zumindest ein großer Teil der Verzögerung in die Risikosphäre des Klägers falle. Dies gelte insbesondere für die Weigerung der zunächst angegangenen Sparkasse, seine selbständige Tätigkeit zu finanzieren. Dass der Zeuge W. in seiner Vernehmung angegeben habe, er habe das Datum auf dem Antragsformular handschriftlich auf den 26.07.2005 abgeändert, weil der Kläger bereits damals eine Selbständigkeit geplant habe, ändere nichts an der Rechtslage. Zwar könne die Rückdatierung eines Antrags hilfreich sein, wenn die Beklagte eine Leistung nicht für Zeiträume vor einem Antrag gewähren dürfe (mit Hinweis auf § 324 Abs. 1 Satz 1 SGB III). Der Kläger habe seinen Antrag jedoch nicht nach, sondern vor dem Beginn seiner Selbständigkeit gestellt. Hiervon zu unterscheiden sei das Fehlen der materiellen Voraussetzungen des Anspruchs nach § 57 Abs. 2 SGB III im Hinblick auf das Erfordernis des engen zeitlichen Zusammenhangs. Insofern könne auch ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch dem Kläger vorliegend nicht weiterhelfen, weil zunächst eine Falschberatung der Beklagten nicht erwiesen sei. Der Zeuge W. habe jedenfalls auch bekundet, dass er dem Kläger mitgeteilt habe, dass ein enger zeitlicher Zusammenhang von einem Monat zwischen dem Bezug von Arbeitslosengeld und dem Beginn der selbständigen Tätigkeit bestehen müsse. Der Zeuge hatte auch angegeben, dass er dem Kläger die Broschüre der Beklagten über das Überbrückungsgeld mitgegeben habe, aus welcher sich ebenfalls die gesetzlichen Voraussetzungen des Anspruchs ergeben hätten. Zum anderen könne auch eine erwiesene fehlerhafte Beratung durch die Beklagte den engen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Antragstellung und dem Bezug von Entgeltersatzleistungen nicht herstellen. Insoweit sei jedoch nicht ersichtlich, dass es dem Kläger möglich gewesen sei, bei einer anderweitigen Beratung durch die Beklagte bereits Mitte Januar 2006 eine Tätigkeit als selbständiger Zimmerermeister aufzunehmen. Denn der Kläger habe selbst vorgetragen, es sei witterungsbedingt ausgeschlossen gewesen, seine Tätigkeit als Zimmerermeister im Winterhalbjahr zu beginnen. Das Urteil des SG wurde der Klägerbevollmächtigten am 15.11.2007 zugestellt.
Am 05.12.2007 hat die Bevollmächtigte des Klägers beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Die Beweiswürdigung durch das SG insbesondere im Hinblick auf eine Falschberatung durch die Beklagte sei nicht nachvollziehbar, da der Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt sei. Der Zeuge W. der Beklagten sei in kaum zu überbietender Weise unsicher in seiner Aussage gewesen. Weswegen das SG einem so unsicheren Zeugen anstelle des Betroffenen glaube, sei nicht nachvollziehbar. Es sei zwar richtig, dass der Kläger es witterungsbedingt ausgeschlossen habe, seine Tätigkeit als Zimmerermeister im Winterhalbjahr zu beginnen. Nach dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben habe der Kläger jedoch insoweit eine umfassende Beratung durch die Beklagte erhalten müssen und müsse jedenfalls im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so gestellt werden, als habe er zuverlässige Aussagen durch den Zeugen W. der Beklagten erhalten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 16.10.2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 11.07.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.08.2007 zu verurteilen, ihm ab dem 03.07.2006 Überbrückungsgeld zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für rechtmäßig.
Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten, die Akten des SG sowie die Akten des Landessozialgerichts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143f. und 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Berufung ist nicht begründet.
Nach § 57 Abs. 1 SGB III in der vom 31.12.2005 bis zum 31.07.2006 geltenden Fassung haben Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden oder vermeiden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung Anspruch auf Überbrückungsgeld. Nach Abs. 2 der Vorschrift wird Überbrückungsgeld geleistet, wenn der Arbeitnehmer in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit oder der vorgeschalteten Teilnahme an einer Maßnahme zu deren Vorbereitung Entgeltersatzleistungen nach diesem Buch bezogen hat oder einen Anspruch darauf hätte oder eine Beschäftigung ausgeübt hat, die als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme nach diesem Buch gefördert worden ist, und eine Stellungnahme einer fachkundigen Stelle über die Tragfähigkeit der Existenzgründung vorgelegt hat.
Das SG hat zutreffend entschieden, dass ein Anspruch auf Überbrückungsgeld im Falle des Klägers ausscheidet, weil der von § 57 SGB III geforderte enge zeitliche Zusammenhang zwischen dem Bezug von Arbeitslosengeld (zuletzt am 18.12.2005) und dem Beginn seiner selbständigen Tätigkeit (ab dem 03.07.2006) nicht mehr gewahrt ist. Zwar ist eine genaue zeitliche Begrenzung weder der Vorschrift noch der Rechtsprechung zu entnehmen, doch besteht wohl Einigkeit, dass - wie vorliegend - ab einem Zeitraum von mehr als drei Monaten auch aufgrund spezieller Besonderheiten des Einzelfalles ein "enger zeitlicher Zusammenhang" jedenfalls zu verneinen ist (vgl. Stark in NK-SGB III, 3. Aufl 2008, § 57 Rn. 6, m.w.N.).
Das SG hat auch zu Recht entschieden, dass weder eine frühere Antragsfiktion noch eine gegebenenfalls erfolgte fehlerhafte Beratung durch die Beklagte an diesem Ergebnis etwas zu ändern vermögen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird nach § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden und ausführlichen Entscheidungsgründe in dem angegriffenen Urteil des SG Bezug genommen, denen der Senat sich ausdrücklich anschließt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) kann die Verletzung von Nebenpflichten einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch begründen. Nach § 14 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - SGB I - hat jeder Anspruch auf Beratung über seine Rechte und Pflichten nach dem Sozialgesetzbuch, wobei für die Beratung die Leistungsträger zuständig sind, denen gegenüber die Rechte geltend zu machen oder die Pflichten zu erfüllen sind. Werden im Rahmen einer Beratung oder Antragstellung Hinweise erkennbar, die für den Versicherten eine günstigere Gestaltung seiner Situation ermöglichen, ist der Versicherte aus Anlass dieses Kontakts auf seine weiteren Rechte und Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen, wenn die Nutzung dieser Rechte oder Gestaltungsmöglichkeiten nahe liegt oder sich aufdrängt; eine Schlechterfüllung dieser Beratungspflicht kann zu einem Anspruch des Versicherten nach dem Institut des sogenannten sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs führen (vgl. hierzu BSGE 49, 76 = SozR 2200 § 1418 Nr. 6; BSGE 50, 88 = SozR 5750 Art. 2 § 51 a Nr. 39; BSG SozR 3-2600 § 58 Nr. 2).
Ob ein Beratungsfehler durch die Beklagte in diesem Sinne vorliegt, kann offen gelassen werden, nachdem dieser jedenfalls nicht kausal für die Gründe für die Leistungsablehnung geworden wäre. Denn auch bei einer unterstellten optimalen Beratung durch die Beklagte hätte die Aussage des Klägers in der Klagebegründung seiner Bevollmächtigten vom 05.09.2006 weiterhin Gewicht, dass er sein Gewerbe wegen fehlender Aufträge im Winter keinesfalls im Winterhalbjahr habe beginnen wollen.
Hinzu kommt, dass der Kläger den späteren Beginn seiner Existenzgründung unabhängig hiervon im Widerspruchsverfahren auch selbst damit begründet hat, dass bedingt durch die schwierigen Gespräche mit der Bank der Beginn seiner selbständigen Tätigkeit sich auf den 03.07.2006 verzögert habe.
Schließlich hat der Kläger die Tragfähigkeitsbescheinigung für seine Existenzgründung, welche ebenfalls einen notwendige Förderungsvoraussetzung darstellt, auch erst am 16.05.2006 erstellen lassen.
Damit ist eine Vielzahl von Gründen für die verspätete Existenzgründung gegeben, welche alleine in den Verantwortungsbereich des Klägers fallen. Da der Kläger auch jedenfalls in dem Merkblatt der Beklagten für Existenzgründer zutreffend belehrt worden ist, scheidet insoweit ein Anspruch aus.
Eine etwaige mündliche Zusicherung der Beklagten, wie sie vom Kläger behauptet wird, würde ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis führen, weil für die Wirksamkeit der Zusicherung nach § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB X die Schriftform erforderlich ist.
Die Eingliederungsvereinbarung nach § 35 Abs. 4 SGB III stellt insoweit keine wirksame schriftliche Zusicherung nach § 34 SGB X dar, weil - unabhängig vom Rechtscharakter der Eingliederungsvereinbarung - der vereinbarte Eingliederungszuschuss von der Beklagten nicht entgegen den gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen zugesagt werden durfte.
Da am 14.02.2006 der enge zeitliche Zusammenhang bereits kaum noch zu wahren war, konnte eine diesbezügliche Zusicherung nur noch wirksam werden, wenn der Kläger unmittelbar mit der Tätigkeit anfing. Die Vereinbarung ist im Übrigen auch so auszulegen, dass das Überbrückungsgeld nur dann gewährt werden kann, wenn zum Zeitpunkt der Bewilligung die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Diese Auslegung ist zwingend, weil der Kläger wie bereits oben ausgeführt zum Zeitpunkt des Abschlusses der Eingliederungsvereinbarung noch keine Tragfähigkeitsbescheinigung für seine geplante Existenzgründung vorgelegt hatte und die Beklagte ersichtlich auf dieses Tatbestandsmerkmal nicht verzichten wollte.
Eine Zusicherung einer freien Förderung nach § 10 SGB III - ohne das Erfordernis des engen zeitlichen Zusammenhangs wie in § 57 SGB III - kann insofern in der Eingliederungsvereinbarung ebenfalls nicht erblickt werden, weil die freien Leistungen nach § 10 Satz 2 SGB III in der bis zum 07.11.2006 geltenden Fassung den Zielen und Grundsätzen der gesetzlichen Leistungen entsprechen müssen und gesetzliche Leistungen - hier: § 57 SGB III - nicht aufstocken dürfen.
Schließlich hat das SG auch zu Recht entschieden, dass nicht nur die Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs fehlen, sondern auch die Rechtsfolge eines solchen Anspruchs dem Kläger nicht helfen könnte. Als Folge des Herstellungsanspruchs ist der Versicherte so zu stellen, als ob der Sozialleistungsträger seinen Verpflichtungen nachgekommen wäre (vgl. BSG SozR 3-4100 § 110 Nr. 2 m.w.N.). Der erlittene Nachteil muss allerdings mit verwaltungskonformen Mitteln im Rahmen der gesetzlichen Regelung, also durch eine vom Gesetz vorgesehene zulässige und rechtmäßige Amtshandlung ausgeglichen werden können.
Dies ist indes für eine frühere Aufnahme des Gewerbes des Klägers im engen zeitlichen Zusammenhang im Sinne von § 57 SGB III nicht möglich: Nach ständiger Rechtssprechung des Bundessozialgerichts (BSG) lässt der sozialrechtliche Herstellungsanspruch es nämlich selbst bei einem nachgewiesenen Fehlverhalten der Verwaltung nicht zu, alle materialrechtlichen Tatbestandsvoraussetzungen für die Gewährung von Leistungen zu unterstellen. Insbesondere kann eine fehlende Meldung als arbeitsuchend bei der Arbeitsagentur nach der ständigen Rechtsprechung des BSG nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ersetzt werden. Wenn wie in solchen Fällen der durch pflichtwidriges Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil nicht durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden kann, bleibt für die Anwendung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs kein Raum. Da die Meldung wegen Arbeitslosigkeit bei der Agentur für Arbeit als Arbeitsuchender durch den Arbeitslosen selbst zu erfolgen hat, ist sie nicht der Gestaltung durch Verwaltungshandeln zugänglich (BSGE 92, 241 = SozR 4-2600 § 58 Nr. 3; vgl. auch BSG vom 27.6.1990 - 5 RJ 49/89 = SozR 3-2200 § 1259 Nr. 2, BSG vom 6.8.1992 - 8 RKn 9/91 - = Kompass 1992, 43 und BSG vom 15.12.1994 - 4 RA 64/93 - = SozR 3-2600 § 58 Nr. 2). Gleiches gilt für das Faktum des Beginns einer selbständigen Tätigkeit, welches rückwirkend nicht zu einem früheren Zeitpunkt fingiert werden kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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