L 16 R 707/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 6 R 626/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 R 707/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 27. April 2005 wird zurückgewiesen.
II. Auf die Berufung des Klägers wird die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Regensburg vom 27. April 2005 verurteilt, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung bis 31.10.2009 zu zahlen.
III. Die Beklagte hat dem Kläger die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Der 1951 geborene Kläger hat vom 15.09.1965 bis 14.09.1968 den Beruf eines Bauschlossers erlernt und war überwiegend als Bauschlosser, Schlosser und Maschinist berufstätig. Am 19.04.2000 stellte er bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit. Die Beklagte forderte einen Bericht des Kreiskrankenhauses R. an, wo der Kläger vom 19.09. bis 05.10.1999 und vom 05.03. bis 10.03.2000 in stationärer Behandlung gewesen war. Der Arzt für Chirurgie und Sozialmedizin Dr.S. von der Ärztlichen Gutachterstelle der Beklagten in R. erstellte ein Gutachten zur Leistungsfähigkeit des Klägers am 25.07.2000. Er stellte die Diagnosen: 1. Lendenwirbelsäulenabhängige Beschwerden bei Wirbelsäulen fehlhaltung, Abnutzungserscheinungen, Wirbelgleiten L 5/S 1 und Zustand nach Bandscheibenoperation L 5 (1985). Halswir belsäulenabhängige Beschwerden bei Wirbelsäulenfehlhaltung und Abnutzungserscheinungen. 2. Degenerativ bedingte Gelenkbeschwerden.

Aus der Vorgeschichte ersichtlich sei ein Sprunggelenksbruch rechts 9/1999, die Exstirpation einer Zyste am linken Fibulaköpfchen 3/2000, wobei sich anschließend ein Zystenrezidiv gebildet habe, ein arthroskopischer Eingriff am linken Knie 1995 sowie ein erneuter arthroskopischer Eingriff am linken Knie 5/2000 mit Außenmeniskusresektion. Die Röntgenaufnahmen des rechten Sprunggelenkes zeigten eine knöchern in anatomisch korrekter Stellung konsolidierte Außenknöchelfraktur ohne arthrotische Veränderungen. Die Röntgenaufnahme des linken Knies zeige sehr diskrete, die Röntgenaufnahme des rechten Knies geringe Abnutzungserscheinungen. Der Kläger sei nicht mehr in der Lage, seiner zuletzt verrichteten Tätigkeit (Bauschlosser und Maschinist) nachzugehen. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne er vollschichtig nur noch leichte körperliche Tätigkeiten erledigen. Es müsse sich dabei um Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung (Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen), ohne häufiges Bücken und ohne Überkopfarbeit handeln. Stationäre Heilmaßnahmen seien nicht angebracht.

Mit Bescheid vom 07.08.2000 lehnte daraufhin die Beklagte den Antrag des Klägers vom 19.04.2000 auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab, weil weder Berufs- noch Erwerbsunfähigkeit vorliege. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein, zu dessen Begründung er darauf hinwies, dass er am 18.10.2000 erneut am Knie operiert worden sei. Die Ärztin für Chirurgie und Sozialmedizin Dr.P. vom Sozialärztlichen Beratungsdienst der Beklagten nahm zu den hierzu und zu einer weiteren Kniegelenksspiegelung vom 28.06.2001 vorgelegten Operationsberichten am 17.07.2001 Stellung und kam zu dem Ergebnis, dass das linke Kniegelenk als saniert betrachtet werden könne. Therapeutisch sei eine partielle Entfernung des Innenmeniskus sowie eine Knorpelglättung im Bereich des seitlichen Oberschenkelknochens erfolgt. Ab Mitte August 2001 könne wieder mit einer Einsetzbarkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für leichte körperliche Arbeiten vollschichtig gerechnet werden. Im Oktober sei eine Schulteroperation geplant und die vorgesehene Wirbelsäulenoperation (Versteifungsoperation) sei auf das Jahr 2002 verschoben worden. Es handle sich um drei verschiedene Leiden. Die durch die Operationen resultierenden Krankheitszeiten seien jeweils für das einzelne Leiden als befristet anzusehen. Dazwischen bestehe immer wieder Leistungsfähigkeit in dem angegebenen Ausmaß. Mit Widerspruchsbescheid vom 29.08.2001 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch des Klägers zurück. Der Kläger sei in der Lage, vollschichtig leichte Arbeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen, ohne häufiges Bücken und ohne Überkopfarbeiten zu verrichten. Auf Grund der zuletzt und nicht nur vorübergehend ausgeübten angelernten Tätigkeit sei er auf alle seinem Leistungsvermögen entsprechenden Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht allereinfachster Art verweisbar. Der konkreten Benennung einer Verweisungstätigkeit bedürfe es dabei nicht.

Die dagegen erhobene Klage ging am 27.09.2001 beim Sozialgericht Regensburg ein. Das Sozialgericht holte Arztberichte der Hausärzte Dres.R. und des Orthopäden Dr.F. sowie Krankenhausentlassungsberichte des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder in R. , des Klinikums E. in S. sowie des Kreiskrankenhauses R. ein und zog die Schwerbehindertenakte des Klägers vom Versorgungsamt R. bei. Ebenso beigezogen wurde ein ärztliches Gutachten des Dr.B. für das Arbeitsamt S. vom 26.10.2001, in dem Dr.B. zu dem Ergebnis kam, dass der Kläger noch vollschichtig leichte Arbeiten verrichten könne. Tätigkeiten mit besonderer Belastung der Wirbelsäule seien für den Kläger nicht geeignet, ebenso keine häufigen kniegelenksbelastende Arbeiten, keine Überkopfarbeiten oder Tätigkeiten in Armvorhalt. Den erlernten Beruf als Bauschlosser und die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Maschinist könne der Kläger weiterhin nicht ausüben. Das SG beauftragte den Chefarzt der Orthopädischen Fachklinik S. , den Sozialmediziner Dr.D. , mit Erstattung eines fachärztlich orthopädischen Gutachtens. Dieser stellte in seinem Gutachten vom 26.04.2002 bei dem Kläger folgende Diagnosen: 1. Chronisch rezidivierendes degeneratives Lendenwirbelsäulen syndrom bei leichter Fehlstatik, ventralem Wirbelkörperglei ten L 5/S 1 und Zustand nach Bandscheibenoperation L 5/S 1 mit Laminektomie L 5 beidseits. 2. Tendomyotisches Zervikalsyndrom. 3. Chronisches Subacromialsyndrom rechts. 4. Rezidivierende Gonalgien links bei beginnender medialbeton ter und retropatellarer Gonarthrose.

Der Kläger sei in seiner beruflicher Leistungsfähigkeit eingeschränkt. Vor allem Tätigkeiten mit besonderer Belastung der Wirbelsäule seien für ihn nicht geeignet. Daher könne er auch seinen Beruf als Bauschlosser und seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Maschinist nicht mehr ausüben. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne er vollschichtig nur leichte körperliche Tätigkeiten erledigen. Dabei sei darauf zu achten, dass es sich um Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung (Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen), ohne häufiges Bücken und ohne Überkopfarbeiten handle. Das Heben und Tragen schwerer Lasten sei ebenso zu vermeiden wie kniegelenksbelastende Arbeiten. Als Sortierer, Lagerhelfer, Bürobote oder Pförtner könne der Kläger aber noch mehr als sechs Stunden täglich erwerbstätig sein. Die Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt. Vom 04.07.2002 bis 23.07.2002 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in R ... Am 23.07.2002 wurde er in das Krankenhaus R. aufgenommen und in der Zeit vom 13.08.2002 bis 01.10.2002 wurde auf Kosten der Beklagten eine Anschlussheilbehandlung in K. durchgeführt. Aus diesem Heilverfahren wurde der Kläger als bis auf weiteres arbeitsunfähig entlassen. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne er leichte Arbeiten, zeitweise im Gehen, zeitweise im Stehen, zeitweise im Sitzen, ohne schweres Heben und Tragen sowie ohne einseitige gebückte Zwangshaltung der Wirbelsäule, auf Grund der noch bestehenden Schmerzsymptomatik allenfalls nur drei bis unter sechs Stunden durchführen. Ab 22.01.2003 befand sich der Kläger in der Schmerzambulanz des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder in R ... Von dort wurde berichtet, dass die Prognose bezüglich des Erreichens eines auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vermittelbaren Leistungsniveaus unrealistisch sei. Die Chirurgin P. führt in einer Stellungnahme zu dem Heilverfahrensentlassungsbericht aus, der Kläger sei erwartungsgemäß aus der Heilmaßnahme arbeitsunfähig entlassen worden. Nachdem die Versteifungsoperation erst im Juli 2002 durchgeführt worden sei, sei mit Sicherheit von einer Rekonvaleszenzzeit von mindestens sechs Monaten auszugehen. Auffällig sei aber, dass während der gesamten stationären Heilmaßnahme keine regelmäßige Schmerzmedikation erforderlich gewesen sei, sondern der Patient lediglich bei Bedarf Gelonida Tabletten eingenommen habe. Es sei davon auszugehen, dass mit zunehmender Rekonvaleszenz und vollständigem Durchbau und Auftrainieren der Muskulatur wieder von einem vollschichtigen Leistungsvermögen für zumindest leichte körperliche Tätigkeiten ausgegangen werden könne. Da zwischenzeitlich seit der Operation ein Zeitraum von über sechs Monaten vergangen sei, könne davon ausgegangen werden, dass ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte körperliche Tätigkeiten unter Berücksichtigung der bekannten qualitativen Einschränkungen wieder gegeben sei. Die Prozessbevollmächtigten des Klägers übersandten ein Gutachten des Ärztlichen Dienstes für das Arbeitsamt C. vom Oktober 2003, in dem Dr.M. zu dem Ergebnis kann, dass der Kläger voraussichtlich auf Dauer nicht in der Lage sei, seine bisherige Tätigkeit als Tiefbauer oder einen anderen Beruf unter marktüblichen Bedingungen auszuüben. Der Kläger könne täglich nurmehr weniger als drei Stunden Arbeiten verrichten.

Auf Antrag des Klägers wurde gemäß § 109 SGG der Facharzt für Neurochirurgie Dr.B. von der Klinik für Neurochirurgie des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder in R. als Gutachter gehört. Dieser führt in seinem Gutachten vom 10.08.2004 aus, bei Zustand nach Laminektomie von LWK 5 1984 und damals bereits bestehendem linksbetonten sensiblen S 1-Syndrom habe eine chronisch progrediente, belastungsverstärkte Lumbagosymtomatik bestanden, welche in den folgenden Jahren exacerbiert und zunehmend invalidisierenden Charakter erreicht habe. Bei der aktuellen, seit etwa April des Jahres 2003 bestehenden Schmerz-exacerbation stehe vor allen Dingen eine belastungsverstärkte Lumbalgie im Vordergrund. Da in den aktuellen bildgebenden Befunden keinerlei Hinweis für eine persistierende Überbeweglichkeit im lumbosakralen Segment nachzuweisen sei, sei davon auszugehen, dass der belastungsverstärkten Schmerzsymptomatik eine Mikroinstabilität der Etagen LWK 3/4 und 4/5 im Sinne einer Dekompensation der Nachbarsegmente bei Zustand nach Fusion lumbosakral zu Grunde liege. Eine Linderung der Schmerzsymtomatik sei sicherlich durch weitere operative Maßnahmen an der Wirbelsäule nicht zu erreichen. Aber selbst unter einer optimierten Schmerztherapie bleibe die berufliche Leistungsfähigkeit des 53-jährigen Probanden erheblich eingeschränkt. So seien sicherlich alle Tätigkeiten mit besonderer Belastung der unteren Lendenwirbelsäule, etwa langes Sitzen, das Heben schwerer Lasten, das Arbeiten in gebückter Haltung sowie Rotationsbelastung der LWS nicht möglich. Ebenso erschienen für den Patienten andere physikalische Einflüsse, etwa durch Kälte und Nässe, als besonders ungeeignet. Des Weiteren sei sicherlich zu berücksichtigen, dass für eine sinnvolle konservative Schmerztherapie ständig wechselnde Arbeitszeiten im Sinne von Schichtwechsel kontraproduktiv seien. Dem Kläger sei noch eine bis halbschichtige Arbeitsleistung in ausgewählten leichten körperlichen Tätigkeiten wie Bürobote oder Pförtner möglich. Spätestens seit der weiteren Schmerzexazerbation im April des Jahres 2003 erscheine eine Arbeitsleistung, welche mehr als halbschichtig zu erbringen sei, trotz verschiedener schmerztherapeutischer Maßnahmen nicht mehr möglich. Als Maschinenschlosser habe der Kläger seit 2001 nicht mehr tätig sein können. Mit einer wesentlichen Besserung, die eine vollschichtige Erwerbstätigkeit zulasse, sei nicht zu rechnen. Auf Grund der Schmerzsymptomatik könne der Kläger auch nicht täglich in einem zumutbaren Zeitaufwand viermal eine Gehstrecke von mehr als 500 m zurücklegen. Bei einer optimierten dauerhaften Schmerztherapie könne dies jedoch erreicht werden.

Der Chirurg und Internist Dr.S. kam in einer sozialmedizinischen Stellungnahme für die Beklagte am 06.09.2004 zu dem Ergebnis, dass Dr.B. insoweit mit der bisherigen sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung übereinstimme, dass der Kläger seine bisherigen Tätigkeiten als Bau- bzw. Maschinenschlosser nicht mehr ausüben könne, dass er aber noch in der Lage sei, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte Tätigkeiten unter qualitativen Einschränkungen zu verrichten. Unterschiedlicher Auffassung sei Dr.B. lediglich in der zeitlichen Leistungsbeurteilung des Versicherten. Nach der Auffassung von Dr.B. könne der Kläger nur noch eine unterhalbschichtige bis halbschichtige regelmäßige Arbeitsleistung erbringen. Dies werde ausschließlich mit dem Befund an der LWS sowie mit der subjektiven Schmerzangabe des Klägers begründet. Objektiv gesehen ergebe sich im Vergleich zur letzten sozialmedizinischen Stellungnahme von Dr.P. vom Februar 2003 keine Befundänderung, die eine Änderung des zeitlichen Leistungsvermögens begründen würde. Unter Berücksichtigung auch des aktuellen Befundstandes der Wirbelsäule, insbesondere der LWS und deren Funktion, komme man von sozialärztlicher Seite weiterhin zu der Auffassung, dass der Kläger noch in der Lage sein müsste, vollschichtig leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter qualitativen Einschränkungen zu verrichten. Der subjektive Parameter des Schmerzempfindens könne bei der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung nicht von ausschlaggebender Bedeutung sein. Die zeitliche Leistungsbeurteilung durch Dr.B. sei deshalb nicht nachvollziehbar.

Nachdem der ärztliche Sachverständige Dr.B. die erbetene Stellungnahme zu der Auffassung von Dr.S. nicht übersandte, hörte ihn das Sozialgericht Regensburg am 03.03.2005 in einem Termin zur Beweisaufnahme persönlich an. Dr.B. führte aus, bei einem Krankheitsbild, wie es beim Kläger vorliege, sei er stets auf subjektive Angaben des Klägers wie auch auf den subjektiven Eindruck, den er beim Kläger im Rahmen seiner Untersuchung habe gewinnen können, angewiesen. Eine Objektivierung von Schmerzen sei nach den vorliegenden medizinischen Kenntnissen im Vergleich zu anderen Befunderhebungen nicht möglich. Als Indizi könnte die Tatsache gelten, dass der Kläger sich häufig operativen und nichtoperativen Therapien zur Schmerzbehandlung unterzogen habe, die jeweils nicht den gewünschten Erfolg erbracht hätten. Aus diesen Gesichtspunkten heraus halte er daher an seiner Beurteilung der Beeinträchtigung des Leistungsvermögens wie auch der eingeschränkten Mobilität beim Kläger fest. Die quantitative Leistungseinschränkung werde vor allem auch dadurch beeinträchtigt, dass die Schmerzsymptomatik belastungsabhängig sei, dies bedeute, dass sie bei Belastung rasch zunehme und sich verstärke.

Mit Urteil vom 27.04.2005 verurteilte das SG die Beklagte, beim Kläger ab 15.04.2003 den Leistungsfall der teilweisen Erwerbsminderung auf Dauer und der vollen Erwerbsminderung auf Zeit festzustellen und die gesetzlichen Leistungen zu gewähren, wegen der vollen Erwerbsminderung auf Zeit bis 31.10.2006. Das Gericht legte seiner Entscheidung die Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Klägers durch Dr.B. , die mit der Beurteilung durch den Arbeitsamtsarzt Dr.M. übereinstimme, zu Grunde. Zwar sei der Beklagten zuzustimmen, dass in der Regel der subjektive Parameter des Schmerzempfindens bei der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung nicht allein von ausschlaggebender Bedeutung sein könne, doch sei im konkreten Fall zu berücksichtigen, dass die gravierende Schmerzproblematik durch objektive Umstände (wie zum Beispiel mehrfache Operationen und vielfache Schmerztherapien) begleitet würde, wobei dies als Indiz für das glaubhafte und nachvollziehbare Schmerzempfinden des Klägers gesehen und gewertet werde.

Unter Hinweis auf eine sozialärztliche Stellungnahme von Dr.S. hat die Beklagte gegen das Urteil des SG Regensburg Berufung eingelegt. Im Vordergrund stehe allein die Frage, ob beim Kläger tatsächlich - wie vom SG Regensburg für richtig befunden - eine zeitliche Leistungsminderung von drei bis unter sechs Stunden bestehe. Die übrige sozialmedizinische Leistungsminderung sei ansonsten völlig unbestritten. Es bestehe auch völlige Übereinstimmung darin, dass der Kläger seine bisherige Tätigkeit als Bauschlosser und Maschinist nicht mehr ausüben könne, und es sei auch unstrittig, dass er nur noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter qualitativen Einschränkungen verrichten könne. Nach nochmaliger vergleichender Durchsicht der aufliegenden Befunddokumentation und dem gemäß § 109 SGG eingeholten Gutachten werde weiterhin die Auffassung vertreten, dass dem Kläger noch eine vollschichtige Tätigkeit zumutbar sei.

Der Senat hat die Schwerbehindertenakte des Versorgungsamtes R. beigezogen und ein Gutachten bei dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Facharzt für psychotherapeutische Medizin, Sozialmedizin und spezielle Schmerztherapie von der Psychosomatischen Klinik in Bad N. Dr.K. eingeholt. Dieser kam in seinem Gutachten vom 22.05.2006 zu dem Ergebnis, dass beim Kläger eine Anpassungsstörung mit inadäquater Schmerzverarbeitung vorläge mit einem Chronifizierungsgrad von I nach Gerbershagen vor dem Hintergrund orthopädischer bzw. neurochirurgischer Diagnosen: 1. Chronisch rezidivierendes degeneratives Lendenwirbelsäulen syndrom bei leichter Fehlstatik, ventralem Wirbelkörperglei ten L 5/S 1 und Zustand nach Bandscheibenoperation L 5/S 1 mit Laminektomie L 5 beidseits 1984 und Spondylodese L 5/S 1 2002. 2. Tendomyotisches Zervikalsyndrom. 3. Chronisches Subacromialsyndrom rechts. 4. Rezidivierende Gonalgien links bei beginnender medialbeton ter und retropatellarer Gonarthrose.

Die Leistungsfähigkeit sei bei Berücksichtigung von qualitativen Einschränkungen bis 31.12.2000 als vollschichtig und ab 2001 als mindestens über sechsstündig gegeben. Bei der Einschätzung des quantitativen Leistungsvermögens werde von der Beschwerdeschilderung, den erhobenen Befunden und der Beschreibung des Tagesablaufes ausgegangen. Der Kläger beschreibe noch zahlreiche Tätigkeiten, die teilweise auch durchaus als mittelschwer angesehen werden könnten und die von ihm während des Tages regelmäßig verrichtet würden. Dafür spreche auch der Befund von deutlich verarbeiteten und verschwielten Händen mit zahlreichen Hautabschürfungen. Diese Beurteilung weiche von der Einschätzung durch Dr.B. ab, sie stimme mit der Einschätzung im Gutachten von Dr.D. überein. Dabei lägen allen Beurteilungen vergleichbare Diagnosen zu Grunde. Übereinstimmend gingen auch alle Leistungsbeurteilungen davon aus, dass der Kläger seinen Beruf als Maschinenschlosser nicht mehr ausüben könne. Die abweichende Einschätzung des Leistungsvermögens gegenüber der Beurteilung durch Dr.B. beruhe auch darauf, dass sich das Leistungsvermögen des Klägers nach der Untersuchung durch Dr.B. weiter gebessert habe. Zwar stimmten die von Dr.B. erhobenen Untersuchungsbefunde mit den jetzt beschriebenen überein, die Einschätzung der Leistungsfähigkeit weiche von dem Gutachten Dr.B. ab, weil die Äußerung des Klägers, die testpsychologischen Ergebnisse und die Verhaltensbeobachtung von einer über sechstündigen Leistungsfähigkeit ausgehen ließen. Als qualitative Einschränkungen gab Dr.K. an, es könnten nur noch leichte Tätigkeiten ohne besondere Belastungen der unteren Lendenwirbelsäule verrichtet werden, also in wechselnder Körperhaltung und unter Vermeidung längeren Sitzens. Das Heben von Lasten von mehr als 10 kg und das Arbeiten in gebückter Haltung mit Rotationsbelastung der LWS sei nicht mehr möglich. Der Kläger sollte in der Lage sein, das Arbeitstempo selbst zu bestimmen, Zeitdruck und Akkordarbeit seien nicht möglich, es sei davon auszugehen, dass der Kläger nur ein langsames Arbeitstempo über einen Zeitraum von mindestens sechs Stunden durchhalten könne. Ansprüche an geistig anspruchsvollere Tätigkeiten könnten nicht gestellt werden. Die Gehfähigkeit sei nicht eingeschränkt. Eine leichte weitere Besserung der Beschwerden könnte erreicht werden, wenn der Kläger die von der Schmerzambulanz gemachten Hinweise zu einer sinnvollen psychologische und pharmakologische Faktoren berücksichtigenden Schmerztherapie umsetzen würde.

Der Nervenarzt und Sozialmediziner Dr.L. vom Sozialmedizinischen Dienst der Beklagten stimmt der Leistungsbeurteilung durch Dr.K. zu. Er kommt aber zu dem Ergebnis, dass ein Leistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden ab Juli 2002 bis Mai 2003 anzunehmen sei. Ab diesem Datum müsse jedoch wieder von einem mehr als sechsstündigen Leistungsvermögen für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ausgegangen werden. Die Beklagte hat daraufhin ein Vergleichsangebot unterbreitet, demzufolge dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 01.02.2003 an befristet bis 31.05.2003 zu zahlen sei. Die Prozessbevollmächtigten des Klägers haben mitgeteilt, dass das Vergleichsangebot der Beklagten nicht angenommen und die Einholung eines Gutachtens gemäß § 109 SGG beantragt werde. Als anzuhörender Gutachter ist Dr.A. H. aus S. benannt worden.

Dieser ist in seinem Gutachten vom 16.09.2007 zu dem Ergebnis gekommen, dass er als orthopädischer Gutachter bei allem Respekt vor der akribischen und umfassenden diesbezüglichen evaluativen Diagnostik den Beurteilungen des Vorgutachters nicht folgen könne. Insbesondere die Einschätzung des Chronifizierungsgrades nach Gerbershagen sei keinesfalls nachvollziehbar, wenn man als Maßkriterium die Originalpublikation zu Grunde lege. Bei dem Kläger liege ein gut dokumentiertes langjährig chronifiziertes Schmerzbild mit frühzeitiger psychovegetativer Komponente vor. Entsprechend der Anamnese und Untersuchung und der vollständigen Akte liege ein multilokuläres Schmerzbild mit häufigen Dauerschmerzen, zwei schmerzbedingten Operationen sowie mehr als zwei schmerzbedingten Rehabilitationsmaßnahmen bzw. Krankenhausaufenthalten vor. Auch entsprechend den Achsenstadien ergebe sich für den orthopädischen Gutachter ein Chronifizierungsstadium III nach Gerbershagen. Dr.H. stellt dann folgende Diagnosen: Chronische Schmerzkrankheit im Stadium Gerbershagen III bei Postlaminektomiesyndrom LWS, Postfusionsyndrom LWS, Spondylosistese L 5/S 1 Meyerding II. Grades, Spondylolistese L 3/L 4 Meyerding I. Grades, Gonarthrose beidseits, Acromioklavikulargelenksarthrose rechts, Fingerpolyarthrose, initiale Coxarthrose beiderseits, initiale OSG-Arthrose rechts sowie Verdacht auf anhaltende somatoforme Schmerzstörung. Ab April 2000 sei der Kläger nur mehr in der Lage, Tätigkeiten unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses weniger als vier Stunden, jedoch noch mindestens zwei Stunden täglich zu verrichten. Dabei seien nur leichte Arbeiten möglich, nur in geschlossenen Räumen, kein Heben und Tragen, kein Arbeiten im Bücken. Zu vermeiden seien Zwangshaltungen, auch gelegentliches mittelschweres Heben und Tragen, Bücken, Arbeiten in gebückter Zwangshaltung, im Knien beiderseits, längerem Stehen und Gehen, Arbeiten in Kälte und Nässe, unter Schicht- und Akkordbedingungen, alle Überkopftätigkeiten rechts. Der Kläger könne auch keine Gehstrecke mehr von mehr als 500 m in angemessener Geschwindigkeit zurücklegen.

Dr.S. vom Sozialmedizinischen Dienst der Beklagten führt in einer Stellungnahme vom 19.10.2007 hierzu aus, auch Dr.H. stütze sich ebenso wie der 109-Vorgutachter Dr.B. bei der zeitlichen Leistungsbeurteilung des Klägers auf dessen subjektive Schmerzsymptomatik, nicht aber auf objektive körperliche Untersuchungsbefunde bzw. objektive Funktionen. Es stelle immer wieder ein Grundproblem in der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung dar, inwieweit die subjektive (und nur schwer objektivierbare) Angabe von Schmerz eines Klägers alleiniger oder hauptsächlicher Grund für eine zeitliche Leistungsminderung bzw. eine Berentung sein könne. Der Sozialärztliche Prüfdienst müsse sich in erster Linie an objektiv nachvollziehbaren funktionellen Parametern orientieren, insbesondere objektiv erhobenen Messwerten in Bezug auf die Funktionalität der einzelnen Abschnitte des Bewegungsapparates und nicht in erster Linie an subjektiven Schmerzangaben oder degenerativen Veränderungen im Röntgenbild. Darüber hinaus müsse eine zeitliche Leistungsbeurteilung eines Klägers auf Grund der subjektiven Schmerzangaben in erster Linie vom Neuropsychiater durchgeführt werden, nicht aber vom somatisch ausgerichteten orthopädischen Gutachter. Dr.H. vertrete die Auffassung, dass die Begutachtung chronischer Schmerzen eine interdisziplinäre Aufgabe sei und gestehe auch zu, dass eine Diskrepanz zwischen objektivierbaren Befunden und dem beklagten Beeinträchtigungsbild im Alltag bestehe. Der Kläger sei im Berufungsverfahren auf neuropsychiatrischem Fachgebiet durch den Neuropsychiater Dr.K. ausführlich untersucht und begutachtet worden. Dieser habe ein vollschichtiges Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bescheinigt. Zu berücksichtigen seien auch die vom Kläger angegeben Tätigkeiten, die er noch verrichten könne, seine auffällig kräftigen, verarbeiteten, teilweise verschwielten Hände mit einigen Hautabschürfungen. Wenn der Kläger in der Lage sei, Holz- oder Waldarbeiten durchzuführen, sollte er auch in der Lage sein, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig bei Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen ausführen zu können. Dazu komme noch, dass der Kläger keine regelmäßige Schmerzmedikation einnehme, insbesondere auch keine vom opiathaltigen Typ. Nach der Auffassung von Dr.S. sei auch die Wegefähigkeit des Klägers soweit erhalten, als er für fähig erachtet werde, wenigstens 500 m viermal täglich in einem angemessenen Zeitraum zurückzulegen.

Der ärztliche Sachverständige Dr.K. kommt in seiner Stellungnahme vom 28.11.2007 zu dem Gutachten von Dr.H. und den Ausführungen von Dr.S. zu dem Ergebnis, dass die Einschätzung eines Chronifizierungsgrades I angemessen sei. Allein auf den Chronifizierungsgrad hin könne aber nicht die quantitative Leistungsfähigkeit beurteilt werden, dazu seien alle Diagnosen zusammenzunehmen und in diesem Zusammenhang vor allen Dingen auch die orthopädischen Vordiagnosen und Gutachten zu berücksichtigen. Für ihn bestehe kein Anlass, auch nach dem nunmehr vorliegenden Gutachten von Dr.H. von der Annahme einer über sechsstündigen Belastungsfähigkeit abzuweichen. Erschwerend komme aber hinzu, dass in einem ärztlichen Befundbericht von dem Unfalltod des Sohnes am 20.04.2007 berichtet werde. Danach sei es in erheblicher Weise zu schweren Depressionen, Ängsten, Erschöpfungen etc. gekommen. Es könne deshalb davon ausgegangen werden, dass auf Grund des Verlusterlebens bei dem Kläger eine ausgeprägte Trauerreaktion eingetreten sei. Es sei durchaus möglich, dass für einen umschriebenen Zeitraum von bis zu sechs Monaten Arbeitsunfähigkeit auf Grund dieser Trauerreaktion bestanden habe. Eine solche Trauerreaktion sei eine normale, natürliche Antwort auf den Verlust, die ihrerseits allerdings keine Reduktion der Leistungsfähigkeit in quantitativer Hinsicht bedinge, da sie gut behandelbar sei und damit gerechnet werden könne, dass sie zumindest nach sechs Monaten soweit abgeklungen sei, dass wieder Arbeitsfähigkeit bestehe, die Leistungsfähigkeit also davon nicht mehr tangiert werde.

Auf Wunsch und einen entsprechenden Antrag des Klägers hin hat der Senat Dr.H. nochmals zu einer Stellungnahme zu den Auffassungen von Dr.K. und Dr.S. aufgefordert. Dr.H. führt aus, bei dem Krankheitsbild des Klägers sei nicht die alleinige Funktionalität in der Beurteilung relevant, entscheidend sei vielmehr, inwieweit der psychische Antrieb des Patienten im Rahmen definierter Krankheitsbilder ausreiche, diese Funktionalität im Sinne einer regelmäßigen Arbeitsbelastung zu nutzen. Es sei zwar zutreffend, dass diese Beurteilung nicht primär auf dem orthopädischen Fachgebiet erfolgen könne, auf der Basis einer Qualifikation in der speziellen Schmerztherapie und psychosomatischen Grundversorgung sei er jedoch in der Lage, sich zu psychosomatischen Zusammenhängen zu äußern. Nach seiner Auffassung beruhe die Definition einer somatoformen Schmerzstörung durch Dr.K. auf seiner rein verhaltenstherapeutischen Herangehensweise und Ausbildung. Ein analytisch oder tiefenpsychologisch arbeitender Psychotherapeut bzw. Psychosomatiker könnte im vorliegenden Fall zu einer völlig anderen Beurteilung kommen. Hinsichtlich der Einschätzung der chronischen Schmerzerkrankung mit dem Chronifizierungsgrad III nach Gerbershagen verbleibe er bei seiner Einschätzung. Der Auffassung von Dr.K. , dass es sich bei dem Kläger nach Würdigung aller anamnestischen Angaben um einen Chronifizierungsgrad I handle, könne er keinesfalls zustimmen. Der Chronifizierungsgrad allein entscheide jedoch nicht über die quantitative Leistungsfähigkeit. Auch Dr.K. habe dem Kläger im Zusammenhang mit einer schweren Depression für sechs Monate eine Arbeitsunfähigkeit und damit eine Minderung der Leistungsfähigkeit auch für leichte körperliche Tätigkeiten unter der Sechsstundengrenze im Zusammenhang mit dem Unfalltod des Sohnes zugestanden. Anhand dieses Beispieles mit sekundärer Depression werde deutlich, dass selbstverständlich auch bei einer primären Depression und somatoformen Schmerzstörungen trotz objektiv guter Funktionalitäten die Leistungsfähigkeit auf Grund des Antriebsverlustes derart gemindert sein könne, dass ungeachtet sämtlicher funktionell objektivierbarer Befunde eine zeitliche Leistungsminderung bzw. Berentung gerechtfertigt sei. Im Gegensatz zu Dr.K. halte er den Kläger jedoch nicht nur für sechs Monate, sondern für dauerhaft in der Erwerbsfähigkeit beeinträchtigt.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des SG Regensburg vom 27.04.2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen und die Beklagte zu verurteilen, Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 31.10.2006 hinaus bis 31.10.2009 zu zahlen.

Dem Senat liegen zur Entscheidung die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Klageakten beider Rechtszüge vor, auf deren Inhalt, insbesondere den der vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten, zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe:

Die von der Beklagten form- und fristgerecht eingelegte statthafte Berufung ist gemäß den §§ 143 f., 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Der Antrag des Klägers, die Beklagte zu verurteilen, die Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 31.10.2006 hinaus bis 31.10.2009 zu zahlen, ist als Anschlussberufung zu werten. Die Anschlussberufung des Klägers ist gemäß § 202 SGG i.V.m. § 24 ZPO zulässig. Sie kann im sozialgerichtlichen Verfahren nach herrschender Meinung anders als nach § 524 Abs.2 Satz 2 ZPO bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung eingelegt werden (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage, § 143 Rdnr.5c). Die Anschlussberufung muss auch nicht ausdrücklich als solche bezeichnet sein, es genügt, dass zum Ausdruck kommt, über die Zurückweisung der Berufung hinaus sollte das angeforderte Urteil zu Gunsten des Rechtsmittelbeklagten geändert werden (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer a.a.O., Rdnr.5g). Da gemäß § 157 SGG das Landessozialgericht als zweite Tatsacheninstanz den Streitfall im gleichen Umfang wie das Sozialgericht prüft und für die Entscheidung der Sachverhalt bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren maßgeblich ist, ist der vom Kläger und Berufungsbeklagten gestellte Antrag auch sachdienlich und stellt insbesondere auch keine Klageänderung dar (siehe § 99 Abs.3 Nr.2 SGG). Die Anschlussberufung des Klägers ist auch begründet.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist der Kläger nach Auffassung des Senates ab 15.04.2003 auf Dauer teilweise erwerbsgemindert. Da der Arbeitsmarkt für den teilweise erwerbsgeminderten Kläger über den 31.10.2006 hinaus verschlossen war und noch ist, hat der Kläger auch einen Anspruch auf die Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 31.10.2006 hinaus bis 31.10.2009. Streitig ist der Eintritt des Leistungsfalles der Erwerbsminderung beim Kläger zum 15.04.2003. Für die Zeit vor dem 15.04.2003 steht ein Anspruch auf Gewährung einer Rente für den Kläger nicht mehr im Streit. Damit ist unabhängig von der Antragstellung vor dem 01.01.2001 das ab dem 01.01.2001 geltende Recht des Sechsten Sozialgesetzbuches (SGB VI) in der Fassung des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000 - EMRefG - (BGBl.I S.1827) Rechtsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch.

Nach § 43 SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung, wenn sie 1. voll (teilweise) erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäfti gung oder Tätigkeit haben und 3. vor dem Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Warte zeit erfüllt haben. Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger ab dem 15.04.2003. Für den davor liegenden Zeitraum ab der Antragstellung bis 14.03.2003 ist er weder berufsunfähig im Sinne des § 240 SGB VI noch teilweise oder voll erwerbsgemindert im Sinne von § 43 Abs.1 Satz 2, Abs.2 Satz 2 SGB VI. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten kein Streit mehr, der Kläger macht im Wege der Anschlussberufung auch nur Leistungen für die Zeit nach dem 31.10.2006 geltend.

Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs.1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs.2 Satz 2 SGB VI). Nach das Grundsätzen der in Rechtsfortbildung der Versicherungsfälle der verminderten Erwerbsfähigkeit durch das Bundessozialgericht entwickelten und vom Gesetzgeber auch durch das EMRefG gebilligten (vgl. § 43 Abs.3 SGB VI) Arbeitsmarktrente ist der Versicherte darüber hinaus auch voll erwerbsgemindert, wenn das Leistungsvermögen auf unter sechs Stunden abgesunken ist und der Teilzeitarbeitsmarkt verschlossen ist, weil der Versicherte keinen zumutbaren Arbeitsplatz innehält (Beschluss des Großen Senates des BSG vom 19.12.1996, SozR 3-2600 § 44 Nr.8).

Der Senat kommt unter Würdigung der vorliegenden Gutachten wie das Erstgericht zu dem Ergebnis, dass der Kläger nur mehr in der Lage ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes weniger als sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Im vorliegenden Fall haben die ärztlichen Sachverständigen die Leistungsfähigkeit des Klägers widersprüchlich beurteilt. Während in erster Instanz der orthopädische Gutachter Dr.D. in dem von Amts wegen eingeholten Gutachten zu einem vollschichtigen Leistungsvermögen des Klägers kam, stellte der auf Antrag des Klägers gehörte Neurochirurg Dr.B. , dessen Beurteilung sich das SG anschloss, nur mehr ein eingeschränktes Leistungsvermögen für täglich höchstens drei bis unter sechs Stunden fest. In der zweiten Instanz kam dagegen der vom Senat von Amts wegen gehörte Neurologe und Psychiater Dr.K. zu dem Ergebnis, dass der Kläger noch vollschichtig einsatzfähig sei, während nun der auf Antrag des Klägers gehörte Orthopäde Dr.H. den Kläger nurmehr für weniger als vier Stunden täglich, jedoch noch mindestens zwei Stunden täglich für fähig erachtete, unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes zu arbeiten. Dr.S. vom Sozialmedizinischen Dienst der Beklagten weist in seiner Stellungnahme vom 19.10.2007 darauf hin, dass zwischen der Beklagten und allen vier Gutachtern hinsichtlich der erhobenen objektiven körperlichen Untersuchungsbefunde im Wesentlichen Übereinstimmung besteht, die auch insoweit besteht, als alle Gutachter feststellen, dass der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch leichte Tätigkeiten unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen ausüben könne. Soweit Dr.B. und Dr.H. zu einer quantitativen Leistungseinschränkung des Klägers kamen, stützen sich diese Gutachter auf die subjektive Schmerzsymptomatik des Klägers, nicht aber auf objektive körperliche Untersuchungsbefunde bzw. objektive Funktionen. Hierzu schreibt der Orthopäde Dr.H. , die somatischen Faktoren allein seien beim Kläger sicher nicht ausreichend erklärend für das Ausmaß der beklagten Beschwerden. Allein schon die anhand der Anamnese nachweisbare Dauer der chronischen Schmerzen wie auch die fehlende Tagesrhythmik des Schmerzbildes lassen eher an eine chronifizierte Symptomatik möglicherweise auf dem Boden einer somatoformen Störung als an eine rein somatische Genese der Beschwerden denken. In diesem Zusammenhang ist es nach der Auffassung des Senates ohne große Bedeutung, ob beim Kläger der Chronifizierungsgrad nach Gerbershagen mit Stadium I oder III bzw. nach einem Stadium II einzuschätzen ist. Wahrscheinlich ist, wie auch Dr.K. einräumt, das Stadium II anzunehmen, wofür die schmerzbedingten Rehabilitationsmaßnahmen bzw. Krankenhausaufenthalte sprechen. Für die Frage der quantitativen Einschränkung der Leistungsfähigkeit des Klägers ist der Chronifizierungsgrad nach Gerbershaben für die beim Kläger zweifelsfrei vorliegende chronische Schmerzerkrankung aber nicht allein maßgeblich. Während Dr.K. in seinem Gutachten vom März 2006 noch davon ausgeht, dass die auch nach seinen Feststellungen wegen der entscheidenden lebensverändernden Umstände in 1999 bis 2001 damals vorliegenden ausgeprägten depressiven Verstimmungszustände zum Zeitpunkt der Untersuchung März 2006 nicht mehr weiter diagnostiziert werden könnten, räumt er in seiner ergänzenden Stellungnahme vom November 2007 aber durchaus ein, dass entsprechend dem ärztlichen Befundbericht von Dr.K. vom Mai 2007 auf Grund des Unfalltodes des Sohnes des Klägers am 20.04.2007 es erneut zu schweren Depressionen gekommen sei, die aber nach seiner Auffassung nach sechs Monaten wieder abgeklungen sein sollten, so dass wieder eine volle Leistungsfähigkeit vorliege. Dr.H. legt in seiner Stellungnahme vom Januar 2008 für den Senat überzeugend dar, dass auch Dr.K. trotz objektiv guter Funktionalitäten die Leistungsfähigkeit des Klägers auf Grund des Antriebsverlustes im Zusammenhang mit der schweren Depression, die durch den Unfalltod des Sohnes bedingt war, jedenfalls für sechs Monate so beurteilte, dass er den Kläger auch für leichte körperliche Tätigkeiten nur mehr für unter sechs Stunden täglich einsatzfähig hält. Damit beinhalte die konkrete Diskussion nicht die Frage, ob der Kläger allein auf Grund des psychischen Erschöpfungszustandes und der objektivierbar guten Funktionalitäten dauerhaft erheblich leistungsgemindert sei, sondern vor allem wie lange die entsprechende Beeinträchtigung bestehe. Dr.K. kommt bei einer ebenfalls angenommenen Anpassungsstörung mit inadäquater Schmerzverarbeitung vor allem deshalb zu der Einschätzung eines vollschichtigen Leistungsvermögens, weil er davon ausgeht, dass der Kläger regelmäßig land- bzw. waldwirtschaftliche Tätigkeiten verrichte und auch des Öfteren mit seiner Frau zu Tagesausflügen in die Berge fahre. Wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung glaubhaft dargelegt hat, könne er schon aus finanziellen Gründen höchstens einmal im Jahr mit seiner Frau in die Berge fahren. Dies sei in letzter Zeit dann geschehen, wenn die Tochter ihren Eltern einen derartigen Ausflug finanziell ermöglicht habe. Er bestritt die Aussage im Gutachten von Dr.K. , dass er bei diesen Ausflügen ca. eineinhalb Stunden in gemäßigtem Tempo gehen könne, sich zwischenzeitlich auch gerne mal hinsetze. Er führte vielmehr aus, dass er bei diesen Ausflügen praktisch nur von einer Bank zur anderen Bank laufe und jeweils bemüht sei, baldmöglichst eine Ruhestätte zu finden. Bei den geschilderten Arbeiten im Wald habe er nur den Traktor gefahren und keinesfalls schwere körperliche Arbeiten mehr verrichtet.

Der Senat kam in Würdigung aller vier Gutachten zu dem Ergebnis, dass die vom Sozialgericht seiner Entscheidung zu Grunde gelegte Einsatzfähigkeit des Klägers für leichte körperliche Tätigkeiten drei bis sechs Stunden täglich zutreffend ist und durch das Gutachten von Dr.H. bestätigt wird, während die Ausführungen im Gutachten von Dr.K. diese Leistungseinschätzung nicht zu widerlegen vermochten.

Die Berufung der Beklagten ist deshalb zurückzuweisen und wegen des weiterhin verschlossenen Teilzeitarbeitsmarktes war die Beklagte entsprechend dem Antrag des Klägers auch zu verurteilen, die Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zum 31.10.2009 zu zahlen.

Die Entscheidung über die Kosten gemäß § 193 SGG beruht auf der Erwägung, dass die Berufung der Beklagten ohne Erfolg blieb und die Anschlussberufung des Klägers erfolgreich war.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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