Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 57 AL 5540/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 4 AL 249/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. April 2006 wird zurückgewiesen. Kosten für das Berufungsverfahren haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Aufhebung einer Leistungsbewilligung wegen Wegfalls der Verfügbarkeit des Klägers.
Der 1956 geborene Kläger, bei dem ein Grad der Behinderung von 50 anerkannt ist, bezog vom 28. April 2002 bis zum 17. September 2003 Krankengeld. Am 14. August 2003 meldete er sich bei der Beklagten arbeitslos und stellte sich ausweislich der Angaben in dem von ihm unterschriebenen Antragsformular dem Arbeitsmarkt uneingeschränkt zur Verfügung. Zugleich zeigte er an, dass er einen Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung gestellt hatte. Diesen Rentenantrag lehnte die LVA Schwaben zuletzt mit Widerspruchsbescheid vom 12. November 2003 ab. Die hiergegen vom Kläger eingelegte Klage wies das Sozialgericht Berlin durch Gerichtsbescheid ab. Diese Entscheidung bestätigte das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg durch Urteil vom 19. Juni 2008 (L 22 R 2040/05).
Mit Bescheid vom 22. September 2003 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab dem 18. September 2003 Arbeitslosengeld für 240 Tage. Daneben beauftragte sie ihren ärztlichen Dienst mit der Erstellung eines Gutachtens. Am 2. Februar 2004 kam Frau F-R in ihrem nach Aktenlage erstellten ärztlichen Gutachten zu dem Ergebnis, dass der Kläger bei Beachtung gewisser Leistungseinschränkungen noch vollschichtig leichte Arbeiten im Haltungswechsel verrichten könne. In einem anlässlich einer früheren Arbeitslosmeldung erstellten Gutachten vom 10. Februar 2003 hatte sie demgegenüber nach eigener Untersuchung des Klägers noch die Auffassung vertreten, dass bei ihm eine voraussichtlich länger als sechs Monate andauernde Leistungsunfähigkeit vorliege. Am 24. Februar 2004 führte die Beklagte zur Auswertung des Ergebnisses der Begutachtung ein Gespräch mit dem Kläger. In dem hierüber angefertigten Gesprächsvermerk hieß es unter anderem: "T. lehnt das amtsärztliche Gutachten vom 2. Februar 2004 ab T. ist trotz mehrfacher Erläuterung der Rechtsfolgen nicht bereit, sich im Rahmen des ärztlichen Gutachtens zur Verfügung zu stellen". Ebenfalls am 24. Februar 2004 legte der Kläger Widerspruch gegen das Ärztliche Gutachten vom 2. Februar 2004 ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 2. März 2004 als unzulässig zurückwies.
Mit Bescheid vom 25. Februar 2004 hob die Beklagte die Arbeitslosengeldbewilligung ab dem 1. März 2004 auf. Der Kläger habe trotz Belehrung über die Rechtsfolgen erklärt, dass er sich nicht im Rahmen des festgestellten Leistungsvermögens zur Verfügung stelle. Er stehe dem Arbeitsmarkt und der Arbeitsvermittlung somit nicht mehr zur Verfügung. Ein Leistungsanspruch sei nicht mehr gegeben. Am 1. April 2004 legte der Kläger hiergegen Widerspruch ein, mit dem er nochmals vortrug, gesundheitlich zu einer Tätigkeit nicht in der Lage zu sein. Im September 2003 habe die Beklagte ihm die Auskunft gegeben, dass er Leistungen erhalten werde, bis über die Klage gegen die LVA entschieden sei. Bei dem Gespräch am 24. Februar 2004 habe man ihn genötigt, seine Arbeitsfähigkeit zu erklären, was er aber verweigert habe. Selbst wenige Stunden am Tag könne er nicht mehr arbeiten. Seine fehlende Leistungsfähigkeit stelle einen wichtigen Grund dafür dar, dass er sich der Arbeitsvermittlung nicht mehr zur Verfügung stellen könne.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Oktober 2004 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Nach dem ärztlichen Gutachten vom 2. Februar 2004 könne der Kläger mindestens 15 Stunden wöchentlich leichte Tätigkeiten ausüben. Das Ergebnis der Begutachtung durch den ärztlichen Dienst decke sich mit der Einschätzung des Rentenversicherungsträgers. Der Kläger habe demgegenüber erklärt, überhaupt nicht mehr arbeiten zu können. Verwaltungsakte mit Dauerwirkung seien mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, wenn in den Verhältnissen eine wesentliche Änderung eintrete. Der Kläger habe aufgrund der am 24. Februar 2004 erteilten Rechtsfolgenbelehrung erkennen können, dass ihm ab diesem Zeitpunkt keine Leistungen mehr zustünden.
Am 4. November 2004 hat der Kläger vor dem Sozialgericht Berlin Klage erhoben mit dem Begehren, unter Aufhebung der Bescheide auch über den 1. März 2004 hinaus Arbeitslosengeld zu erhalten. Unter Einreichung ärztlicher Atteste hat er dabei weiterhin den Standpunkt vertreten, erwerbsunfähig und deswegen gar nicht in der Lage zu sein, sich der Arbeitsvermittlung zur Verfügung zu stellen. In einem Schreiben vom 12. Oktober 2005 hat er diesbezüglich ausdrücklich geschrieben: "Durch die Arbeits-/Erwerbsunfähigkeit kann ich mich der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung stellen."
Mit Urteil vom 24. April 2006, dem Kläger zugestellt am 5. Mai 2006, hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen. Zu Recht habe die Beklagte die Leistungsbewilligung ab dem 1. März 2004 aufgehoben, denn der Kläger habe wegen fehlender subjektiver Verfügbarkeit keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld mehr gehabt. Es bestünden keine Zweifel, dass der Kläger von der Beklagten zutreffend über die Folgen seiner Weigerung, sich dem Arbeitsmarkt im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit zur Verfügung zu stellen, belehrt worden sei. Hätte sich der Kläger zur Verfügung gestellt, wäre die Beklagte nach § 125 SGB III zur Weiterleistung von Arbeitslosengeld verpflichtet gewesen, denn über den Rentenantrag des Klägers sei noch nicht abschließend entschieden worden. Am 17. Mai 2006 hat der Kläger gegen die Entscheidung des Sozialgerichts Berlin Berufung eingelegt. Die Gutachter seien unehrlich, wenn sie ihn für erwerbsfähig erklärten. Er habe das starke Gefühl, dass sie so etwas nur schrieben, damit die Beklagte und andere Leistungsträger keine Leistungen gewähren müssten.
Der Kläger hat keinen ausdrücklichen Antrag gestellt.
Er beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. April 2006 sowie den Aufhebungsbescheid der Beklagten vom 25. Februar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Oktober 2004 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und auf die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung und Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte über die Berufung durch Beschluss entscheiden, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen, denn die Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 22. September 2003, mit dem Arbeitslosengeld für 240 Tage gewährt worden war, ist rechtmäßig gewesen. Der Kläger hat folglich keinen Anspruch auf Fortzahlung des ursprünglich bewilligten Arbeitslosengeldes.
Rechtsgrundlage für den Aufhebungsbescheid vom 25. Februar 2004 ist § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt.
Vorliegend ist eine wesentliche Änderung durch den Umstand eingetreten, dass sich der Kläger ab dem 24. Februar 2004 der Arbeitsvermittlung nicht mehr zur Verfügung gestellt hat. Damit ist eine Voraussetzung für den Bezug von Arbeitslosengeld entfallen. Gemäß § 117 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) in der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung haben Anspruch auf Arbeitslosengeld nämlich nur Arbeitnehmer, die 1. arbeitslos sind, 2. sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet haben und 3. die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Arbeitslos ist nach § 118 Abs. 1 SGB III in der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung ein Arbeitnehmer, der 1. vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und 2. eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung sucht. Eine Beschäftigung sucht nach § 119 Abs. 1 SGB III in der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung, wer 1. alle Möglichkeiten nutzt und nutzen will, um seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden, und 2. den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes zur Verfügung steht. Gemäß § 119 Abs. 2 SGB III steht den Vermittlungsbemühungen zur Verfügung, wer arbeitsfähig und seiner Arbeitsfähigkeit entsprechend arbeitsbereit ist.
Im Gegensatz zu anderen Sozialleistungen, insbesondere der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII), dienen Leistungen der Arbeitsförderung also nicht in erster Linie der Sicherung des Lebensunterhaltes, sondern setzen eine besondere Nähe zum Arbeitsmarkt voraus. Wie dargestellt, kann nur derjenige Leistungen der Arbeitsförderung in Anspruch nehmen, der arbeiten kann und arbeiten will. Fallen diese Voraussetzungen weg, endet grundsätzlich die Zuständigkeit der Bundesagentur für Arbeit.
Während der Kläger sich noch bei Antragstellung im September 2003 dem Arbeitsmarkt uneingeschränkt zur Verfügung gestellt hatte, so dass er die oben aufgezeigten Leistungsvoraussetzungen erfüllte, hat er am 24. Februar 2004 zum Ausdruck gebracht, nicht (mehr) arbeitsbereit zu sein. Er hat sich laut dem von der Beklagten gefertigten Gesprächsvermerk trotz ausführlicher Rechtsfolgenbelehrung nicht im Rahmen des ärztlichen Gutachtens vom 2. Februar 2004 zur Verfügung gestellt. Dass seine Weigerung, sich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stellen, tatsächlich in voller Kenntnis der Rechtsfolgen erklärt worden ist, ergibt sich auch für den Senat nicht zuletzt deutlich daraus, dass er seine Haltung in der Folgezeit mehrmals bekräftigt hat, so in seinem Widerspruch, aber auch noch während des Klageverfahrens, beispielsweise im zitierten Schreiben vom 12. Oktober 2005. Damit hat der Kläger keinen Anspruch auf Leistungen mehr gehabt.
Zu keinem Zeitpunkt einschlägig war im vorliegenden Fall im Übrigen die sogenannte Nahtlosigkeitsregelung des § 125 SGB III. Nach § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB III hat auch derjenige Anspruch auf Arbeitslosengeld, der allein deshalb nicht arbeitslos ist, weil er wegen einer mehr als sechsmonatigen Minderung seiner Leistungsfähigkeit versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigungen nicht unter den Bedingungen ausüben kann, die auf dem für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarkt ohne Berücksichtigung der Minderung der Leistungsfähigkeit üblich sind, wenn verminderte Erwerbsfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung nicht festgestellt worden ist. Durch die Regelung soll vermieden werden, dass die Träger der Arbeitslosenversicherung und der Rentenversicherung das Leistungsvermögen des Arbeitslosen unterschiedlich beurteilen und dieser deshalb weder Leistungen der Rentenversicherung (wegen verneinter Erwerbsminderung) noch Leistungen der Arbeitslosenversicherung (wegen verneinter Arbeitsfähigkeit) erhält, mithin ein Streit zwischen Sozialleistungsträgern gewissermaßen auf dem Rücken des Versicherten ausgetragen wird (Bundessozialgericht, Urteil vom 9. 9. 1999 – B 11 AL 13/99 – S. 6 des amtlichen Umdrucks; auch Niesel, SGB III, 3. Aufl., Rnr. 1 zu § 125). Vorliegend jedoch haben die Beklagte und die LVA übereinstimmend die Erwerbsfähigkeit des Klägers bejaht. Selbst wenn sich der Kläger arbeitsbereit gezeigt hätte, wären ihm – wie die Beklagte während des Klageverfahrens völlig zutreffend dargelegt hat – deshalb Leistungen nicht aufgrund von § 125 SGB III zu gewähren gewesen, sondern nach den allgemeinen Regelungen der §§ 117 ff. SGB III.
Der Vortrag des Klägers, er habe bei Antragstellung im September 2003 von der Beklagten die Auskunft erhalten, dass ihm Leistungen bis zu einer Entscheidung der LVA gewährt würden, findet in den beigezogenen Unterlagen keine Stütze. Eine Zusicherung bedarf im Übrigen der Schriftform, um verbindliche Wirkung zu entfalten (§ 34 SGB X) – die Abgabe einer derartigen Zusicherung ist weder behauptet worden noch ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Berufungsverfahrens.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG).
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Aufhebung einer Leistungsbewilligung wegen Wegfalls der Verfügbarkeit des Klägers.
Der 1956 geborene Kläger, bei dem ein Grad der Behinderung von 50 anerkannt ist, bezog vom 28. April 2002 bis zum 17. September 2003 Krankengeld. Am 14. August 2003 meldete er sich bei der Beklagten arbeitslos und stellte sich ausweislich der Angaben in dem von ihm unterschriebenen Antragsformular dem Arbeitsmarkt uneingeschränkt zur Verfügung. Zugleich zeigte er an, dass er einen Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung gestellt hatte. Diesen Rentenantrag lehnte die LVA Schwaben zuletzt mit Widerspruchsbescheid vom 12. November 2003 ab. Die hiergegen vom Kläger eingelegte Klage wies das Sozialgericht Berlin durch Gerichtsbescheid ab. Diese Entscheidung bestätigte das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg durch Urteil vom 19. Juni 2008 (L 22 R 2040/05).
Mit Bescheid vom 22. September 2003 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab dem 18. September 2003 Arbeitslosengeld für 240 Tage. Daneben beauftragte sie ihren ärztlichen Dienst mit der Erstellung eines Gutachtens. Am 2. Februar 2004 kam Frau F-R in ihrem nach Aktenlage erstellten ärztlichen Gutachten zu dem Ergebnis, dass der Kläger bei Beachtung gewisser Leistungseinschränkungen noch vollschichtig leichte Arbeiten im Haltungswechsel verrichten könne. In einem anlässlich einer früheren Arbeitslosmeldung erstellten Gutachten vom 10. Februar 2003 hatte sie demgegenüber nach eigener Untersuchung des Klägers noch die Auffassung vertreten, dass bei ihm eine voraussichtlich länger als sechs Monate andauernde Leistungsunfähigkeit vorliege. Am 24. Februar 2004 führte die Beklagte zur Auswertung des Ergebnisses der Begutachtung ein Gespräch mit dem Kläger. In dem hierüber angefertigten Gesprächsvermerk hieß es unter anderem: "T. lehnt das amtsärztliche Gutachten vom 2. Februar 2004 ab T. ist trotz mehrfacher Erläuterung der Rechtsfolgen nicht bereit, sich im Rahmen des ärztlichen Gutachtens zur Verfügung zu stellen". Ebenfalls am 24. Februar 2004 legte der Kläger Widerspruch gegen das Ärztliche Gutachten vom 2. Februar 2004 ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 2. März 2004 als unzulässig zurückwies.
Mit Bescheid vom 25. Februar 2004 hob die Beklagte die Arbeitslosengeldbewilligung ab dem 1. März 2004 auf. Der Kläger habe trotz Belehrung über die Rechtsfolgen erklärt, dass er sich nicht im Rahmen des festgestellten Leistungsvermögens zur Verfügung stelle. Er stehe dem Arbeitsmarkt und der Arbeitsvermittlung somit nicht mehr zur Verfügung. Ein Leistungsanspruch sei nicht mehr gegeben. Am 1. April 2004 legte der Kläger hiergegen Widerspruch ein, mit dem er nochmals vortrug, gesundheitlich zu einer Tätigkeit nicht in der Lage zu sein. Im September 2003 habe die Beklagte ihm die Auskunft gegeben, dass er Leistungen erhalten werde, bis über die Klage gegen die LVA entschieden sei. Bei dem Gespräch am 24. Februar 2004 habe man ihn genötigt, seine Arbeitsfähigkeit zu erklären, was er aber verweigert habe. Selbst wenige Stunden am Tag könne er nicht mehr arbeiten. Seine fehlende Leistungsfähigkeit stelle einen wichtigen Grund dafür dar, dass er sich der Arbeitsvermittlung nicht mehr zur Verfügung stellen könne.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Oktober 2004 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Nach dem ärztlichen Gutachten vom 2. Februar 2004 könne der Kläger mindestens 15 Stunden wöchentlich leichte Tätigkeiten ausüben. Das Ergebnis der Begutachtung durch den ärztlichen Dienst decke sich mit der Einschätzung des Rentenversicherungsträgers. Der Kläger habe demgegenüber erklärt, überhaupt nicht mehr arbeiten zu können. Verwaltungsakte mit Dauerwirkung seien mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, wenn in den Verhältnissen eine wesentliche Änderung eintrete. Der Kläger habe aufgrund der am 24. Februar 2004 erteilten Rechtsfolgenbelehrung erkennen können, dass ihm ab diesem Zeitpunkt keine Leistungen mehr zustünden.
Am 4. November 2004 hat der Kläger vor dem Sozialgericht Berlin Klage erhoben mit dem Begehren, unter Aufhebung der Bescheide auch über den 1. März 2004 hinaus Arbeitslosengeld zu erhalten. Unter Einreichung ärztlicher Atteste hat er dabei weiterhin den Standpunkt vertreten, erwerbsunfähig und deswegen gar nicht in der Lage zu sein, sich der Arbeitsvermittlung zur Verfügung zu stellen. In einem Schreiben vom 12. Oktober 2005 hat er diesbezüglich ausdrücklich geschrieben: "Durch die Arbeits-/Erwerbsunfähigkeit kann ich mich der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung stellen."
Mit Urteil vom 24. April 2006, dem Kläger zugestellt am 5. Mai 2006, hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen. Zu Recht habe die Beklagte die Leistungsbewilligung ab dem 1. März 2004 aufgehoben, denn der Kläger habe wegen fehlender subjektiver Verfügbarkeit keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld mehr gehabt. Es bestünden keine Zweifel, dass der Kläger von der Beklagten zutreffend über die Folgen seiner Weigerung, sich dem Arbeitsmarkt im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit zur Verfügung zu stellen, belehrt worden sei. Hätte sich der Kläger zur Verfügung gestellt, wäre die Beklagte nach § 125 SGB III zur Weiterleistung von Arbeitslosengeld verpflichtet gewesen, denn über den Rentenantrag des Klägers sei noch nicht abschließend entschieden worden. Am 17. Mai 2006 hat der Kläger gegen die Entscheidung des Sozialgerichts Berlin Berufung eingelegt. Die Gutachter seien unehrlich, wenn sie ihn für erwerbsfähig erklärten. Er habe das starke Gefühl, dass sie so etwas nur schrieben, damit die Beklagte und andere Leistungsträger keine Leistungen gewähren müssten.
Der Kläger hat keinen ausdrücklichen Antrag gestellt.
Er beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. April 2006 sowie den Aufhebungsbescheid der Beklagten vom 25. Februar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Oktober 2004 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und auf die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung und Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte über die Berufung durch Beschluss entscheiden, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen, denn die Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 22. September 2003, mit dem Arbeitslosengeld für 240 Tage gewährt worden war, ist rechtmäßig gewesen. Der Kläger hat folglich keinen Anspruch auf Fortzahlung des ursprünglich bewilligten Arbeitslosengeldes.
Rechtsgrundlage für den Aufhebungsbescheid vom 25. Februar 2004 ist § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt.
Vorliegend ist eine wesentliche Änderung durch den Umstand eingetreten, dass sich der Kläger ab dem 24. Februar 2004 der Arbeitsvermittlung nicht mehr zur Verfügung gestellt hat. Damit ist eine Voraussetzung für den Bezug von Arbeitslosengeld entfallen. Gemäß § 117 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) in der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung haben Anspruch auf Arbeitslosengeld nämlich nur Arbeitnehmer, die 1. arbeitslos sind, 2. sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet haben und 3. die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Arbeitslos ist nach § 118 Abs. 1 SGB III in der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung ein Arbeitnehmer, der 1. vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und 2. eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung sucht. Eine Beschäftigung sucht nach § 119 Abs. 1 SGB III in der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung, wer 1. alle Möglichkeiten nutzt und nutzen will, um seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden, und 2. den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes zur Verfügung steht. Gemäß § 119 Abs. 2 SGB III steht den Vermittlungsbemühungen zur Verfügung, wer arbeitsfähig und seiner Arbeitsfähigkeit entsprechend arbeitsbereit ist.
Im Gegensatz zu anderen Sozialleistungen, insbesondere der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII), dienen Leistungen der Arbeitsförderung also nicht in erster Linie der Sicherung des Lebensunterhaltes, sondern setzen eine besondere Nähe zum Arbeitsmarkt voraus. Wie dargestellt, kann nur derjenige Leistungen der Arbeitsförderung in Anspruch nehmen, der arbeiten kann und arbeiten will. Fallen diese Voraussetzungen weg, endet grundsätzlich die Zuständigkeit der Bundesagentur für Arbeit.
Während der Kläger sich noch bei Antragstellung im September 2003 dem Arbeitsmarkt uneingeschränkt zur Verfügung gestellt hatte, so dass er die oben aufgezeigten Leistungsvoraussetzungen erfüllte, hat er am 24. Februar 2004 zum Ausdruck gebracht, nicht (mehr) arbeitsbereit zu sein. Er hat sich laut dem von der Beklagten gefertigten Gesprächsvermerk trotz ausführlicher Rechtsfolgenbelehrung nicht im Rahmen des ärztlichen Gutachtens vom 2. Februar 2004 zur Verfügung gestellt. Dass seine Weigerung, sich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stellen, tatsächlich in voller Kenntnis der Rechtsfolgen erklärt worden ist, ergibt sich auch für den Senat nicht zuletzt deutlich daraus, dass er seine Haltung in der Folgezeit mehrmals bekräftigt hat, so in seinem Widerspruch, aber auch noch während des Klageverfahrens, beispielsweise im zitierten Schreiben vom 12. Oktober 2005. Damit hat der Kläger keinen Anspruch auf Leistungen mehr gehabt.
Zu keinem Zeitpunkt einschlägig war im vorliegenden Fall im Übrigen die sogenannte Nahtlosigkeitsregelung des § 125 SGB III. Nach § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB III hat auch derjenige Anspruch auf Arbeitslosengeld, der allein deshalb nicht arbeitslos ist, weil er wegen einer mehr als sechsmonatigen Minderung seiner Leistungsfähigkeit versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigungen nicht unter den Bedingungen ausüben kann, die auf dem für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarkt ohne Berücksichtigung der Minderung der Leistungsfähigkeit üblich sind, wenn verminderte Erwerbsfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung nicht festgestellt worden ist. Durch die Regelung soll vermieden werden, dass die Träger der Arbeitslosenversicherung und der Rentenversicherung das Leistungsvermögen des Arbeitslosen unterschiedlich beurteilen und dieser deshalb weder Leistungen der Rentenversicherung (wegen verneinter Erwerbsminderung) noch Leistungen der Arbeitslosenversicherung (wegen verneinter Arbeitsfähigkeit) erhält, mithin ein Streit zwischen Sozialleistungsträgern gewissermaßen auf dem Rücken des Versicherten ausgetragen wird (Bundessozialgericht, Urteil vom 9. 9. 1999 – B 11 AL 13/99 – S. 6 des amtlichen Umdrucks; auch Niesel, SGB III, 3. Aufl., Rnr. 1 zu § 125). Vorliegend jedoch haben die Beklagte und die LVA übereinstimmend die Erwerbsfähigkeit des Klägers bejaht. Selbst wenn sich der Kläger arbeitsbereit gezeigt hätte, wären ihm – wie die Beklagte während des Klageverfahrens völlig zutreffend dargelegt hat – deshalb Leistungen nicht aufgrund von § 125 SGB III zu gewähren gewesen, sondern nach den allgemeinen Regelungen der §§ 117 ff. SGB III.
Der Vortrag des Klägers, er habe bei Antragstellung im September 2003 von der Beklagten die Auskunft erhalten, dass ihm Leistungen bis zu einer Entscheidung der LVA gewährt würden, findet in den beigezogenen Unterlagen keine Stütze. Eine Zusicherung bedarf im Übrigen der Schriftform, um verbindliche Wirkung zu entfalten (§ 34 SGB X) – die Abgabe einer derartigen Zusicherung ist weder behauptet worden noch ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Berufungsverfahrens.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG).
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