Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
23
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 20 SO 60/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 23 B 59/08 SO PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 18. September 2007 aufgehoben und dem Kläger für das sozialgerichtliche Verfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt F M-F, Tstraße, W, mit der Maßgabe beigeordnet, dass von der Staatskasse Kosten nicht übernommen werden, die dadurch entstehen, dass der Prozessbevollmächtigte nicht im Gerichtsbezirk ansässig ist (§§ 153 Abs. 1, 73 a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG - i. V. m. §§ 114 ff. Zivilprozessordnung).
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten in der Hauptsache über die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - SGB XII -.
Der Kläger, der Leistungen des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - SGB II - bezieht, beantragte am 14. September 2005 bei dem Beklagten Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII und gab das Bestehen einer Arbeitsunfähigkeit wegen "Mobbing der Justiz" und orthopädische Erkrankungen an. Mit der Antragstellung benannte er seine behandelnden Ärzte und entband diese von der ärztlichen Schweigepflicht.
Zunächst forderte der Beklagte weitere Unterlagen und Erklärungen zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen sowie zu den Kosten der Unterkunft an und bat um Übersendung von Unterlagen, die die volle und dauerhafte Erwerbsunfähigkeit des Klägers bestätigen sollten, so z. B. eventuell vorhandene ärztliche Gutachten. Der Beklagte führte ferner mit Schreiben vom 09. Dezember 2005 aus, dass der Kläger sich im erwerbsfähigen Alter befände. Unterlagen, welche seine volle, dauerhafte Erwerbsunfähigkeit eindeutig bestätigten, seien nicht vorgelegt worden. Liege keine eindeutige Bestätigung der Erwerbsunfähigkeit vor, müsse gemäß § 45 Abs. 1 SGB XII der zuständige Träger der Rentenversicherung ersucht werden, die Erwerbsunfähigkeit zu prüfen.
Der Kläger reichte daraufhin u. a. Unterlagen aus einem beim Träger der Leistungen nach dem SGB II geführten Verfahren zur Verwaltungsakte.
Nachdem der Beklagte vom Jobcenter L telefonisch die Auskunft erhalten hatte, dass der Kläger Empfänger von Leistungen nach dem SGB II sei und der ärztliche Dienst des Jobcenters die Erwerbsfähigkeit prüfe, lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 16. Februar 2006 den Antrag auf Leistungen nach dem SGB XII mit der Begründung ab, dass nicht habe festgestellt werden können, dass der Kläger zum Personenkreis der voll Erwerbsgeminderten nach § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII gehöre.
Im Widerspruchsverfahren zog der Beklagte ein amtsärztliches Gutachten des Gesundheitsamtes des Landkreises Oberspreewald-Lausitz, welches am 21. Dezember 2004 für den Träger der Leistungen nach dem SGB II erstattet worden war, bei und wies den Widerspruch mit Bescheid vom 25. Juli 2006 mit der Begründung zurück, der Kläger beziehe seit 2005 Arbeitslosengeld II und gehöre zum anspruchsberechtigten Personenkreis im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB II. Es sei daher davon auszugehen, dass die Prüfung, ob er erwerbsfähig sei, bereits vom Jobcenter erfolgt sei.
Daraufhin hat der Kläger am 11. August 2006 vor dem Sozialgericht Cottbus Klage erhoben und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Er macht mit der Klage geltend, vor dem Sozialgericht sei bereits ein Rechtsstreit anhängig, in dem ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung Streitgegenstand sei.
Nachdem das Sozialgericht aus einem bei ihm anhängigen Rechtsstreit des Klägers ein Gutachten des Dr. H der Agentur für Arbeit C vom 12. Juni 2006 beigezogen hatte, hat es mit Beschluss vom 18. September 2007 den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit der Begründung abgelehnt, die Klage biete keine Aussicht auf Erfolg.
Der Kläger erfülle nicht die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach §§ 41 ff. SGB XII, da er nicht voll erwerbsgemindert sei.
Gegen den am 22. September 2007 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 25. September 2007 Beschwerde eingelegt. Er macht geltend, er sei schwerbehindert und nicht durchgehend drei Stunden arbeitstäglich einsetzbar. Das Gericht habe sich unzulässiger Weise an das Gutachten angelehnt und eine Aufklärung und Ermittlung unzulässigerweise abgelehnt.
Er beantragt noch sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 18. September 2007 aufzuheben und ihm für das Verfahren vor dem Sozialgericht Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Herrn Rechtsanwalt FM zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts beizuordnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und auf die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen, die vorgelegen und Gegenstand der Beratung gewesen sind.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und begründet.
Das Sozialgericht hat zu Unrecht den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe - PKH - abgelehnt.
Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG - i. V. m. § 114 Zivilprozessordnung - ZPO - erhält ein Beteiligter auf Antrag PKH, wenn er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann und wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Der Kläger ist nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung aufzubringen. Dies ergibt sich aus der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II und den mit den Bewilligungsbescheiden bekannten Einkommens- und Vermögensverhältnissen.
Der Rechtsstreit bietet auch hinreichende Aussicht auf Erfolg und erscheint nicht mutwillig. An die Prüfung der Erfolgsaussichten dürfen dabei keine überspannten Anforderungen gestellt werden (BVerfG, Kammerbeschluss vom 30. Oktober 1991, 1 BvR 1386/91, NJW 1992, 889). Eine Rechtsverfolgung ist dann hinreichend Erfolg versprechend, wenn das Gericht nach vorläufiger summarischer Prüfung den Rechtsstandpunkt des Antragstellers unter Berücksichtigung des Vortrages des anderen Beteiligten zumindest für vertretbar und den Prozesserfolg für wahrscheinlich hält. Eine Vorwegnahme der Entscheidung der Hauptsache erfolgt im Rahmen der Prüfung der Erfolgswahrscheinlichkeit im Prozesskostenhilfeverfahren nicht (BVerfG, Beschluss vom 13. März 1990, 2 BvR 94/88, NJW 1991, 413). Bei der Beurteilung der Erfolgsaussicht der Klage ist vom Antrag des Klägers auszugehen, der ggf. auszulegen ist. Der Kläger beantragt im Klageverfahren die Gewährung von Leistungen zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach §§ 41 ff. SGB XII.
Der Klage kann danach eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit nicht abgesprochen werden. Eine Erfolgswahrscheinlichkeit ist in aller Regel dann anzunehmen, wenn noch eine Beweisaufnahme durchzuführen ist (Hartmann in: Baumbach, Lauterbach und andere, ZPO, § 114 Rn. 86 m.w.N.; Keller/Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage, § 73 a Rn. 7 a). Dies gilt in Verfahren mit Amtsermittlung für den Fall, dass weitere Ermittlungen erforderlich sind. Deshalb war PKH zu bewilligen, da es nicht unwahrscheinlich ist, dass sich nach weiterer vorzunehmender Sachverhaltsaufklärung (ggf. mit Beweisaufnahme) ergeben kann, dass der Kläger einen Anspruch auf Gewährung von Leistungen zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach SGB XII hat.
Nach § 41 Abs. 1 SGB XII hat Anspruch auf Leistungen zur Grundsicherung bei Erwerbsminderung, wer seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht aus Einkommen und Vermögen beschaffen kann und wegen einer dauerhaften vollen Erwerbsminderung unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage voll erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI - ist und es unwahrscheinlich ist, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden kann und das 18. Lebensjahr vollendet ist (§ 41 Abs. 3 SGB XII).
Ob der Kläger, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, voll erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI ist, der Kläger wegen Krankheit und Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI), kann erst nach einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen festgestellt werden. Nach den mit der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte des Beklagten vorliegenden medizinischen Unterlagen und Stellungnahmen kann das Leistungsvermögen des Klägers nicht abschließend festgestellt werden. Dem von dem Beklagten vor Erlass des Widerspruchsbescheides beigezogenen amtsärztlichen Gutachten vom 21. Dezember 2004 kommt ohne die Beiziehung aktueller ärztlicher Aussagen zum Gesundheitszustand kein Aussagegehalt zum derzeitigen Leistungsvermögen des Klägers zu. Unabhängig davon, dass aus dem Gutachten nicht die erhobenen Befunde hervorgehen, trifft dieses Gutachten schon für den Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides keine ausreichende Aussage zur Leistungsfähigkeit des Klägers.
In dem im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Gutachten der Agentur für Arbeit C, (Dr. med. H) vom 12. Juni 2006 werden eine psychosomatische Störung verschiedener Organsysteme bei nervlicher Fehlentwicklung, eine Einengung des Wirbelkanals der unteren Halswirbelsäule mit Schmerzsyndrom der Halswirbelsäule, ein Schmerzsyndrom der Lendenwirbelsäule bei degenerativen Veränderungen, ein Bluthochdruckleiden, beginnende degenerative Veränderungen beider Hüftgelenke sowie eine Hörminderung beidseits (mit Hörgeräten versorgt) als Gesundheitsstörungen angegeben. Das Leistungsbild wird wie folgt beschrieben: Körperlich leichte, zeitweise mittelschwere Arbeiten, im Freien, in Werkhallen, in geschlossenen Räumen, in temperierten Räumen, überwiegend stehend, gehend, sitzend in einem Umfang von täglich drei bis unter sechs Stunden. Eine Leistungseinschränkung in zeitlicher Hinsicht soll danach also bestehen. Weiter heißt es in dem Gutachten: "Die psychische Leistungsfähigkeit ist erheblich gemindert, die körperliche Belastbarkeit ist deutlich eingeschränkt.". Eine fachpsychiatrische Beurteilung der gesundheitlichen Situation des Klägers liegt mit den Akten nicht vor, so dass diesbezüglich weitere Ermittlungen vorzunehmen sein dürften. Weiter ging schon aus diesem Gutachten hervor, dass ein Verfahren gegen den Rentenversicherungsträger anhängig sei. Ob in diesem Verfahren bereits ärztliche Stellungnahmen zum zeitlichen Leistungsvermögen des Klägers vorgelegt oder eingeholt worden sind, ist der Gerichtsakte nicht zu entnehmen.
Ob das Leistungsvermögen zum Zeitpunkt der Entscheidung des Sozialgerichts über den Antrag auf Prozesskostenhilfe bzw. derzeit noch dem durch Dr. H festgestellten entspricht, kann mangels Beiziehung von aktuellen ärztlichen Unterlagen nicht beurteilt werden.
Da somit der medizinische Sachverhalt weiter aufzuklären ist, kann eine gewisse Erfolgwahrscheinlichkeit nicht abgesprochen werden.
Der Anspruch auf Leistungen nach § 41 ff. SGB XII ist auch nicht von vornherein dadurch ausgeschlossen, dass der Kläger Leistungen nach dem SGB II erhält. Liegen die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach § 41 ff. SGB XII wegen voller Erwerbsminderung vor, wäre der Kläger nicht mehr anspruchsberechtigt nach dem SGB II (§ 8 Abs. 1 SGB II). Die Feststellung des Leistungsträgers nach dem SGB II, dass der Kläger erwerbsfähig ist, entbindet den Beklagten daher nicht davon, in eigener Zuständigkeit die Erwerbsfähigkeit zu prüfen. Dies ergibt sich bereits aus § 45 Abs. 1 SGB XII, wonach der Beklagte den nach § 109 a Abs. 2 SGB VI zuständigen Träger der Rentenversicherung zu ersuchen hat, die medizinischen Voraussetzungen zu prüfen, wenn es aufgrund der Angaben und Nachweise des Leistungsberechtigten als wahrscheinlich erscheint, dass diese erfüllt sind und dass zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen nicht ausreicht, um den Lebensunterhalt vollständig zu decken. Bezieht ein Antragsteller aber bedarfsdeckende Leistungen nach dem SGB XII, kann der zuständige Träger nach dem SGB XII die Prüfung, ob ein Leistungsanspruch nach § 41 ff. SGB XII besteht, nicht unter Hinweis auf die durch den Träger des SGB II gewährte Bedarfsdeckung verneinen. Dies würde nämlich dazu führen, dass Anspruchssteller nach § 41 SGB XII in der Regel nicht leistungsberechtigt wären, da bei ungeklärter Erwerbsfähigkeit der Träger der Leistungen nach dem SGB II vorleistungspflichtig ist (§ 44 a Abs. 1 Satz 3 SGB II).
Der Senat konnte dahinstehen lassen, ob der Beklagte den Antrag des Klägers im Hinblick auf die vom Träger der Leistungen nach dem SGB II unterstellte Erwerbsfähigkeit rechtmäßig ablehnen konnte, ohne den Träger der Rentenversicherung um Prüfung zu ersuchen. Ein Ersuchen ist nach § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB XII dann zu stellen, wenn es aufgrund der Angaben und Nachweise des Leistungsberechtigten als wahrscheinlich erscheint, dass die Voraussetzungen des § 41 Abs. 3 SGB XII erfüllt sind. Zwar hat der Kläger mit seiner Antragstellung keine ärztlichen Unterlagen vorgelegt. Er hat aber durch Benennung der ihn behandelnden Ärzte und Entbindung dieser von der ärztlichen Schweigepflicht den Beklagten in die Lage versetzt, den Sachverhalt weiter nach § 20 SGB X aufzuklären.
In gerichtlichen Verfahren ist der Sachverhalt jedenfalls von Amts wegen weiter aufzuklären und zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 41 Abs. 3 SGB XII vorliegen. Dies macht eine Prüfung dahin erforderlich, welche Gesundheitsbeeinträchtigungen und/oder Behinderungen bestehen und wie diese sich auf das Leistungsvermögen auswirken. Ein Verweis auf den Leistungsbezug nach dem SGB II reicht zur Feststellung des Leistungsvermögens nicht aus.
Die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erscheint auch erforderlich (§ 121 Abs. 2 ZPO). Kriterien für die Erforderlichkeit einer Beiordnung sind Umfang, Schwierigkeitsgrad und Bedeutung der Sache sowie die Fähigkeit des Antragsstellers zur Prozessführung. Weder tatsächlich noch rechtlich ist hier die Sache so einfach gelagert, dass anwaltliche Unterstützung entbehrlich erscheint. Die Erforderlichkeit einer Beiordnung kann nicht mit dem Hinweis auf § 103 SGG, dass der Sachverhalt von Amts wegen erforscht wird und das Gericht bei seiner Entscheidung an Recht und Gesetz gebunden ist, verneint werden. Dies macht eine eigenständige Auseinandersetzung der Beteiligten mit dem Verfahrensgegenstand nicht überflüssig. Den Beteiligten im Sozialgerichtsprozess trifft eine Mitwirkungspflicht, deren Wahrnehmung auch bei Hilfestellung durch das Gericht voraussetzt, dass sie insbesondere im vorbereitenden Verfahren plan- und sinnvoll handeln können. Andernfalls wären die Beteiligten nicht in der Lage, dass ihnen zu gewährende rechtliche Gehör in der gebotenen Art und Weise zu nutzen.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden, § 177 SGG.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten in der Hauptsache über die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - SGB XII -.
Der Kläger, der Leistungen des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - SGB II - bezieht, beantragte am 14. September 2005 bei dem Beklagten Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII und gab das Bestehen einer Arbeitsunfähigkeit wegen "Mobbing der Justiz" und orthopädische Erkrankungen an. Mit der Antragstellung benannte er seine behandelnden Ärzte und entband diese von der ärztlichen Schweigepflicht.
Zunächst forderte der Beklagte weitere Unterlagen und Erklärungen zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen sowie zu den Kosten der Unterkunft an und bat um Übersendung von Unterlagen, die die volle und dauerhafte Erwerbsunfähigkeit des Klägers bestätigen sollten, so z. B. eventuell vorhandene ärztliche Gutachten. Der Beklagte führte ferner mit Schreiben vom 09. Dezember 2005 aus, dass der Kläger sich im erwerbsfähigen Alter befände. Unterlagen, welche seine volle, dauerhafte Erwerbsunfähigkeit eindeutig bestätigten, seien nicht vorgelegt worden. Liege keine eindeutige Bestätigung der Erwerbsunfähigkeit vor, müsse gemäß § 45 Abs. 1 SGB XII der zuständige Träger der Rentenversicherung ersucht werden, die Erwerbsunfähigkeit zu prüfen.
Der Kläger reichte daraufhin u. a. Unterlagen aus einem beim Träger der Leistungen nach dem SGB II geführten Verfahren zur Verwaltungsakte.
Nachdem der Beklagte vom Jobcenter L telefonisch die Auskunft erhalten hatte, dass der Kläger Empfänger von Leistungen nach dem SGB II sei und der ärztliche Dienst des Jobcenters die Erwerbsfähigkeit prüfe, lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 16. Februar 2006 den Antrag auf Leistungen nach dem SGB XII mit der Begründung ab, dass nicht habe festgestellt werden können, dass der Kläger zum Personenkreis der voll Erwerbsgeminderten nach § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII gehöre.
Im Widerspruchsverfahren zog der Beklagte ein amtsärztliches Gutachten des Gesundheitsamtes des Landkreises Oberspreewald-Lausitz, welches am 21. Dezember 2004 für den Träger der Leistungen nach dem SGB II erstattet worden war, bei und wies den Widerspruch mit Bescheid vom 25. Juli 2006 mit der Begründung zurück, der Kläger beziehe seit 2005 Arbeitslosengeld II und gehöre zum anspruchsberechtigten Personenkreis im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB II. Es sei daher davon auszugehen, dass die Prüfung, ob er erwerbsfähig sei, bereits vom Jobcenter erfolgt sei.
Daraufhin hat der Kläger am 11. August 2006 vor dem Sozialgericht Cottbus Klage erhoben und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Er macht mit der Klage geltend, vor dem Sozialgericht sei bereits ein Rechtsstreit anhängig, in dem ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung Streitgegenstand sei.
Nachdem das Sozialgericht aus einem bei ihm anhängigen Rechtsstreit des Klägers ein Gutachten des Dr. H der Agentur für Arbeit C vom 12. Juni 2006 beigezogen hatte, hat es mit Beschluss vom 18. September 2007 den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit der Begründung abgelehnt, die Klage biete keine Aussicht auf Erfolg.
Der Kläger erfülle nicht die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach §§ 41 ff. SGB XII, da er nicht voll erwerbsgemindert sei.
Gegen den am 22. September 2007 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 25. September 2007 Beschwerde eingelegt. Er macht geltend, er sei schwerbehindert und nicht durchgehend drei Stunden arbeitstäglich einsetzbar. Das Gericht habe sich unzulässiger Weise an das Gutachten angelehnt und eine Aufklärung und Ermittlung unzulässigerweise abgelehnt.
Er beantragt noch sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 18. September 2007 aufzuheben und ihm für das Verfahren vor dem Sozialgericht Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Herrn Rechtsanwalt FM zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts beizuordnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und auf die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen, die vorgelegen und Gegenstand der Beratung gewesen sind.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und begründet.
Das Sozialgericht hat zu Unrecht den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe - PKH - abgelehnt.
Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG - i. V. m. § 114 Zivilprozessordnung - ZPO - erhält ein Beteiligter auf Antrag PKH, wenn er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann und wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Der Kläger ist nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung aufzubringen. Dies ergibt sich aus der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II und den mit den Bewilligungsbescheiden bekannten Einkommens- und Vermögensverhältnissen.
Der Rechtsstreit bietet auch hinreichende Aussicht auf Erfolg und erscheint nicht mutwillig. An die Prüfung der Erfolgsaussichten dürfen dabei keine überspannten Anforderungen gestellt werden (BVerfG, Kammerbeschluss vom 30. Oktober 1991, 1 BvR 1386/91, NJW 1992, 889). Eine Rechtsverfolgung ist dann hinreichend Erfolg versprechend, wenn das Gericht nach vorläufiger summarischer Prüfung den Rechtsstandpunkt des Antragstellers unter Berücksichtigung des Vortrages des anderen Beteiligten zumindest für vertretbar und den Prozesserfolg für wahrscheinlich hält. Eine Vorwegnahme der Entscheidung der Hauptsache erfolgt im Rahmen der Prüfung der Erfolgswahrscheinlichkeit im Prozesskostenhilfeverfahren nicht (BVerfG, Beschluss vom 13. März 1990, 2 BvR 94/88, NJW 1991, 413). Bei der Beurteilung der Erfolgsaussicht der Klage ist vom Antrag des Klägers auszugehen, der ggf. auszulegen ist. Der Kläger beantragt im Klageverfahren die Gewährung von Leistungen zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach §§ 41 ff. SGB XII.
Der Klage kann danach eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit nicht abgesprochen werden. Eine Erfolgswahrscheinlichkeit ist in aller Regel dann anzunehmen, wenn noch eine Beweisaufnahme durchzuführen ist (Hartmann in: Baumbach, Lauterbach und andere, ZPO, § 114 Rn. 86 m.w.N.; Keller/Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage, § 73 a Rn. 7 a). Dies gilt in Verfahren mit Amtsermittlung für den Fall, dass weitere Ermittlungen erforderlich sind. Deshalb war PKH zu bewilligen, da es nicht unwahrscheinlich ist, dass sich nach weiterer vorzunehmender Sachverhaltsaufklärung (ggf. mit Beweisaufnahme) ergeben kann, dass der Kläger einen Anspruch auf Gewährung von Leistungen zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach SGB XII hat.
Nach § 41 Abs. 1 SGB XII hat Anspruch auf Leistungen zur Grundsicherung bei Erwerbsminderung, wer seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht aus Einkommen und Vermögen beschaffen kann und wegen einer dauerhaften vollen Erwerbsminderung unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage voll erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI - ist und es unwahrscheinlich ist, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden kann und das 18. Lebensjahr vollendet ist (§ 41 Abs. 3 SGB XII).
Ob der Kläger, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, voll erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI ist, der Kläger wegen Krankheit und Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI), kann erst nach einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen festgestellt werden. Nach den mit der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte des Beklagten vorliegenden medizinischen Unterlagen und Stellungnahmen kann das Leistungsvermögen des Klägers nicht abschließend festgestellt werden. Dem von dem Beklagten vor Erlass des Widerspruchsbescheides beigezogenen amtsärztlichen Gutachten vom 21. Dezember 2004 kommt ohne die Beiziehung aktueller ärztlicher Aussagen zum Gesundheitszustand kein Aussagegehalt zum derzeitigen Leistungsvermögen des Klägers zu. Unabhängig davon, dass aus dem Gutachten nicht die erhobenen Befunde hervorgehen, trifft dieses Gutachten schon für den Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides keine ausreichende Aussage zur Leistungsfähigkeit des Klägers.
In dem im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Gutachten der Agentur für Arbeit C, (Dr. med. H) vom 12. Juni 2006 werden eine psychosomatische Störung verschiedener Organsysteme bei nervlicher Fehlentwicklung, eine Einengung des Wirbelkanals der unteren Halswirbelsäule mit Schmerzsyndrom der Halswirbelsäule, ein Schmerzsyndrom der Lendenwirbelsäule bei degenerativen Veränderungen, ein Bluthochdruckleiden, beginnende degenerative Veränderungen beider Hüftgelenke sowie eine Hörminderung beidseits (mit Hörgeräten versorgt) als Gesundheitsstörungen angegeben. Das Leistungsbild wird wie folgt beschrieben: Körperlich leichte, zeitweise mittelschwere Arbeiten, im Freien, in Werkhallen, in geschlossenen Räumen, in temperierten Räumen, überwiegend stehend, gehend, sitzend in einem Umfang von täglich drei bis unter sechs Stunden. Eine Leistungseinschränkung in zeitlicher Hinsicht soll danach also bestehen. Weiter heißt es in dem Gutachten: "Die psychische Leistungsfähigkeit ist erheblich gemindert, die körperliche Belastbarkeit ist deutlich eingeschränkt.". Eine fachpsychiatrische Beurteilung der gesundheitlichen Situation des Klägers liegt mit den Akten nicht vor, so dass diesbezüglich weitere Ermittlungen vorzunehmen sein dürften. Weiter ging schon aus diesem Gutachten hervor, dass ein Verfahren gegen den Rentenversicherungsträger anhängig sei. Ob in diesem Verfahren bereits ärztliche Stellungnahmen zum zeitlichen Leistungsvermögen des Klägers vorgelegt oder eingeholt worden sind, ist der Gerichtsakte nicht zu entnehmen.
Ob das Leistungsvermögen zum Zeitpunkt der Entscheidung des Sozialgerichts über den Antrag auf Prozesskostenhilfe bzw. derzeit noch dem durch Dr. H festgestellten entspricht, kann mangels Beiziehung von aktuellen ärztlichen Unterlagen nicht beurteilt werden.
Da somit der medizinische Sachverhalt weiter aufzuklären ist, kann eine gewisse Erfolgwahrscheinlichkeit nicht abgesprochen werden.
Der Anspruch auf Leistungen nach § 41 ff. SGB XII ist auch nicht von vornherein dadurch ausgeschlossen, dass der Kläger Leistungen nach dem SGB II erhält. Liegen die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach § 41 ff. SGB XII wegen voller Erwerbsminderung vor, wäre der Kläger nicht mehr anspruchsberechtigt nach dem SGB II (§ 8 Abs. 1 SGB II). Die Feststellung des Leistungsträgers nach dem SGB II, dass der Kläger erwerbsfähig ist, entbindet den Beklagten daher nicht davon, in eigener Zuständigkeit die Erwerbsfähigkeit zu prüfen. Dies ergibt sich bereits aus § 45 Abs. 1 SGB XII, wonach der Beklagte den nach § 109 a Abs. 2 SGB VI zuständigen Träger der Rentenversicherung zu ersuchen hat, die medizinischen Voraussetzungen zu prüfen, wenn es aufgrund der Angaben und Nachweise des Leistungsberechtigten als wahrscheinlich erscheint, dass diese erfüllt sind und dass zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen nicht ausreicht, um den Lebensunterhalt vollständig zu decken. Bezieht ein Antragsteller aber bedarfsdeckende Leistungen nach dem SGB XII, kann der zuständige Träger nach dem SGB XII die Prüfung, ob ein Leistungsanspruch nach § 41 ff. SGB XII besteht, nicht unter Hinweis auf die durch den Träger des SGB II gewährte Bedarfsdeckung verneinen. Dies würde nämlich dazu führen, dass Anspruchssteller nach § 41 SGB XII in der Regel nicht leistungsberechtigt wären, da bei ungeklärter Erwerbsfähigkeit der Träger der Leistungen nach dem SGB II vorleistungspflichtig ist (§ 44 a Abs. 1 Satz 3 SGB II).
Der Senat konnte dahinstehen lassen, ob der Beklagte den Antrag des Klägers im Hinblick auf die vom Träger der Leistungen nach dem SGB II unterstellte Erwerbsfähigkeit rechtmäßig ablehnen konnte, ohne den Träger der Rentenversicherung um Prüfung zu ersuchen. Ein Ersuchen ist nach § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB XII dann zu stellen, wenn es aufgrund der Angaben und Nachweise des Leistungsberechtigten als wahrscheinlich erscheint, dass die Voraussetzungen des § 41 Abs. 3 SGB XII erfüllt sind. Zwar hat der Kläger mit seiner Antragstellung keine ärztlichen Unterlagen vorgelegt. Er hat aber durch Benennung der ihn behandelnden Ärzte und Entbindung dieser von der ärztlichen Schweigepflicht den Beklagten in die Lage versetzt, den Sachverhalt weiter nach § 20 SGB X aufzuklären.
In gerichtlichen Verfahren ist der Sachverhalt jedenfalls von Amts wegen weiter aufzuklären und zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 41 Abs. 3 SGB XII vorliegen. Dies macht eine Prüfung dahin erforderlich, welche Gesundheitsbeeinträchtigungen und/oder Behinderungen bestehen und wie diese sich auf das Leistungsvermögen auswirken. Ein Verweis auf den Leistungsbezug nach dem SGB II reicht zur Feststellung des Leistungsvermögens nicht aus.
Die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erscheint auch erforderlich (§ 121 Abs. 2 ZPO). Kriterien für die Erforderlichkeit einer Beiordnung sind Umfang, Schwierigkeitsgrad und Bedeutung der Sache sowie die Fähigkeit des Antragsstellers zur Prozessführung. Weder tatsächlich noch rechtlich ist hier die Sache so einfach gelagert, dass anwaltliche Unterstützung entbehrlich erscheint. Die Erforderlichkeit einer Beiordnung kann nicht mit dem Hinweis auf § 103 SGG, dass der Sachverhalt von Amts wegen erforscht wird und das Gericht bei seiner Entscheidung an Recht und Gesetz gebunden ist, verneint werden. Dies macht eine eigenständige Auseinandersetzung der Beteiligten mit dem Verfahrensgegenstand nicht überflüssig. Den Beteiligten im Sozialgerichtsprozess trifft eine Mitwirkungspflicht, deren Wahrnehmung auch bei Hilfestellung durch das Gericht voraussetzt, dass sie insbesondere im vorbereitenden Verfahren plan- und sinnvoll handeln können. Andernfalls wären die Beteiligten nicht in der Lage, dass ihnen zu gewährende rechtliche Gehör in der gebotenen Art und Weise zu nutzen.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden, § 177 SGG.
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