L 3 U 279/07

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 2 U 108/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 279/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 11. Januar 2007 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Berufung wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Verletztengeld.

Der Kläger erlitt am 24. Januar 2000 während seiner Tätigkeit als Installateur auf der Baustelle Zstraße in P einen Unfall, als er - Material und Werkzeug in den Händen – auf einer schneebedeckten Treppe ausrutschte und mit den Füßen nach vorne auf den Rücken fiel, wobei er sich mit dem rechten Ellenbogen auffing. Er arbeitete zunächst weiter, stellte sich wegen Beschwerden jedoch am 26. Januar 2000 bei dem Chirurgen Dr. K vor. Dieser stellte ein Hämatom am rechten mittleren Oberarm von ca. 3 cm Größe, einen Druckschmerz an der rechten Schulter im Bereich der vorderen Gelenkkapsel, eine vollständige seitliche Anhebbarkeit der rechten Schulter unter Schmerzen, einen Druckschmerz sowie ein Hämatom am rechten Ellenbogen radial und ein ca. 5 Grad betragendes Streckdefizit des Ellenbogengelenks bei ansonsten freier Beweglichkeit fest. Die Röntgenuntersuchung ergab keine Fraktur. Er diagnostizierte eine Schulter- und Ellenbogenprellung rechts (H-Arzt-Bericht vom 26. Januar 2000). Am 05. Februar 2000 nahm der Kläger seine Arbeit wieder auf.

Am 03. März 2000 stellte sich der Kläger erneut bei Dr. K vor und beklagte weiterhin Schmerzen im Bereich der rechten Schulter, insbesondere nachts und bei starker Belastung. Die rechte Schulter war frei und vollständig beweglich. Es fand sich ein geringer Druck- und Bewegungsschmerz an der rechten vorderen Gelenkkapsel (Krankheitsauskunft vom 20. März 2000). Die Sehnenfunktion war intakt. Eine erneute Röntgenuntersuchung ergab keine Hinweise auf eine Verkalkung im Sehnenbereich (H-Arzt-Bericht vom 03. März 2000). Am 22. März 2000 wurde zur weiteren Diagnostik ein MRT der rechten Schulter durchgeführt, das eine Supraspinatussehnenruptur in der kritischen Zone ansatznah mit einer etwa 1,5 cm breiten Lücke ergab. Die Muskelretraktion wurde als mäßig beschrieben. Es fanden sich eine deutliche Ödemreaktion sowie ein geringer Erguss in der Bursa subdeltoidea subacromialis bei einem geringen Gelenkerguss. Labren, Kapselstrukturen, Infraspinatus, Subscapularis sowie die Bizepssehne waren unauffällig.

Daraufhin wurde der Kläger am 30. März 2000 im Klinikum B operiert. Dabei wurde eine Reinsertion der Supraspinatussehne über einen 4-Fadenanker durchgeführt (Arztbrief vom 06. April 2000). Laut dem Operationsbericht vom 30. März 2000 fand sich ein breitbasiger Abriss der Supraspinatussehne. Die Rotatorenmanschette musste mit Kletterzügeln schrittweise aus dem Schulterdach herausgezogen werden. Vom 01. Mai 2000 bis zum 15. Dezember 2000 bezog der Kläger Krankengeld.

Nachdem die Beklagte zunächst die Behandlungskosten – auch die Operationskosten – übernommen hatte, teilte sie nach Einholung einer Stellungnahme des Facharztes für Chirurgie Dr. W am 25. Mai 2000 der Krankenkasse des Klägers mit, dass eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit wegen einer Ellenbogen- und Schulterprellung rechts vom 24. Januar 2000 bis zum 04. Februar 2000 anerkannt werde. Darüber hinaus sei sie nicht leistungspflichtig und bitte um Erstattung der Kosten, die die Krankenkasse nach ihren Leistungspflichten hätte tragen müssen.

Am 28. August 2000 erstellte der Chirurg Dr. T im Auftrag der Beklagten ein Zusammenhangsgutachten, in welchem er einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Sturz und der Ruptur der Supraspinatussehne bejahte. Der Unfallhergang entspreche einer Stauchung des Oberarmknochens in leicht abgespreizter Stellung gegen das Schulterdach. An dieser Stelle des Oberarmkopfes befinde sich die Insertion der Supraspinatussehne. Durch Quetsch- und Scherbewegung könne hier die Sehne aus ihrem Knochenansatz herausgerissen bzw. abgeschert werden. Unfallhergang und Verletzung stimmten überein. Die Beklagte veranlasste ergänzend ein Gutachten nach Aktenlage von dem Chirurgen Dr. L, der in seinem Gutachten vom 22. September 2000 einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Sturz und der Supraspinatussehnenruptur unter Verweis auf die Mechanik im Schultergelenk, den Unfallhergang, das Fehlen äußerer Verletzungszeichen an der Schulter, das Fehlen eines gravierenden Funktionsverlustes der Schulter unmittelbar nach dem Unfall und den Umstand, dass Zusammenhangstrennungen im Bereich der Supraspinatussehne typischerweise allein anlagebedingt seien, verneinte.

Die Beklagte lehnte daraufhin mit Bescheid vom 17. Oktober 2000 die Gewährung von Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls ab. Als Folgen des Arbeitsunfalls wurden anerkannt: "Die Prellung des rechten Ellenbogengelenks ist folgenlos ausgeheilt." Hingegen nicht als Folge anerkannt wurde: "Rotatorenmanschettenruptur der rechten Schulter". Die Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit ab dem 22. März 2000 bestehe wegen der unfallunabhängigen Rotatorenmanschettenruptur. Der Widerspruch hiergegen blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 01. Dezember 2000). Im Rahmen der dagegen erhobenen Klage vor dem Sozialgericht (SG) Potsdam – S 19 U 14/01 - erstellte der Chirurg und Unfallchirurg Dr. S am 30. August 2001 ein fachärztliches Gutachten, in welchem er sich in vollem Umfang der Beurteilung durch Dr. L anschloss. Bei dem Kläger fänden sich keinerlei Gesundheitsstörungen, die sich auf den Unfall zurückführen ließen. Der Unfall habe lediglich zu einer Prellung des rechten Schultergelenks und Distorsion des rechten Ellenbogengelenks sowie einer Hämatombildung im Bereich des rechten Ellenbogens und des rechten mittleren Oberarms geführt. Die Zusammenhangstrennung im kritischen Ansatzbereich der Supraspinatussehne sei degenerativ bedingt und als unfallunabhängig zu werten. Auch nach Kenntnisnahme des nachgereichten histologischen Befundes vom 30. März 2000 verblieb der Sachverständige bei seiner Beurteilung.

Mit Urteil vom 27. Februar 2004 wies das SG Potsdam die auf die Zahlung von Verletztengeld gerichtete Klage als unzulässig zurück, da der Bescheid vom 17. Oktober 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Dezember 2000 hierzu keine Regelung enthielten.

Unter dem Datum vom 03. Mai 2004 erließ die Beklagte schließlich einen Bescheid, mit welchem sie die Gewährung von Verletztengeld über den 04. Februar 2000 hinaus ablehnte. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit habe vom 24. Januar bis zum 04. Februar 2000 bestanden. Die ab dem 22. März 2000 eingetretene Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit habe sich in der unfallunabhängigen Rotatorenmanschettenruptur begründet und ziehe keinen Verletztengeldanspruch nach sich. In seinem hiergegen gerichteten Widerspruch rügte der Kläger, die Beklagte habe sich nicht mit dem konkreten Einzelfall auseinander gesetzt, sondern sich auf allgemeine Erfahrungssätze zurückgezogen. Mit Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, Dr. L sei in seinem Gutachten vom 22. September 2000 zu dem Ergebnis gekommen, die nach dem 24. Januar 2000 gesicherten und behandelten Veränderungen im Bereich der rechten Rotatorenmanschette stünden nicht in einem ursächlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit am 24. Januar 2000. Objektive Verletzungszeichen im Bereich der rechten Schulter seien nicht gesichert worden. Zusammenhangstrennungen im Bereich der Supraspinatussehne seien ein typisch anlagebedingtes Schadensbild. Die Rotatorenmanschette reiße weder durch direkte Quetschung noch durch einen Stauchungsmechanismus. Ungeeignete Vorgänge für eine traumatische Rotatorenmanschettenruptur seien deswegen das direkte Anpralltrauma der Schulter ebenso wie der Sturz auf den ausgestreckten Arm und der Sturz in den angehobenen Arm. Geeignete Mechanismen seien demgegenüber diejenigen, bei denen eine Dehnungsbeanspruchung der Sehne erkennbar sei. Der vom Kläger angegebene Hergang des Unfalls sei daher nicht geeignet, eine Rotatorenmanschettenruptur herbeizuführen. Das Schadensbild sei als solches nach seiner Lokalisation im ansatznahen Bereich und in seiner Ausprägung (isoliert im Bereich der Supraspinatussehne) typisch allein degenerativ bedingt. Außerdem habe er nach dem Unfall weiter gearbeitet. Das rechte Schultergelenk habe im weiteren Verlauf frei bewegt werden können. Dieser Befund sei mit einer frischen Verletzung der Rotatorenmanschette unvereinbar. Denn der eindrucksvolle Funktionsverlust im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der als Ursache zu diskutierenden – versicherten – Tätigkeit sei bei einer Verletzung im Bereich der Rotatorenmanschette zwingend. Die notwendige Wahrscheinlichkeit des Zusammenhangs zwischen Unfallgeschehen und Beschwerdebild sei aufgrund der gesicherten MRT-Befunde und des Unfallhergangs nicht gegeben. Der Unfall könne daher allenfalls als Anlass, nicht jedoch als Ursache im Sinne der Lehre von der wesentlichen Bedingung angesehen werden.

Mit der dagegen erhobenen Klage vor dem SG Potsdam hat der Kläger die Auffassung vertreten, die im März 2000 festgestellte Ruptur der Supraspinatussehne beruhe auf dem Arbeitsunfall, dies werde überzeugend von dem ersten Gutachter der Beklagten, Dr. T, begründet. Dr. L habe demgegenüber lediglich allgemeine Erfahrungssätze zum Alterungsprozess wiedergegeben und aus dem geschilderten Unfallhergang gefolgert, dass der Sehnenabriss nicht unfallbedingt sei. Eine konkrete Untersuchung des Klägers habe ebenso wenig stattgefunden wie eine histologische Untersuchung des Sehnenmaterials. Der Kläger sei bis zu seinem Unfall beschwerdefrei gewesen, dies habe sich erst nach dem Unfall geändert. Auch zum Zeitpunkt der Wiederaufnahme der Arbeit am 05. Februar 2000 sei er nicht beschwerdefrei gewesen. Er habe lediglich zur Sicherung seines Arbeitsplatzes eine weitere Krankschreibung vermeiden wollen.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 11. Januar 2007 abgewiesen. Der Kläger habe für den Zeitraum vom 01. Mai bis zum 15. Dezember 2000 keinen Anspruch auf Nachzahlung der Differenz zwischen dem erhaltenen Krankengeld und Verletztengeld. Zur Begründung hat das SG auf den Widerspruchsbescheid sowie auf das Gutachten des Dr. S in dem Rechtsstreit S 19 U 14/01 verwiesen. Dr. S habe in überzeugender Weise ausgeführt, dass die Zusammenhangstrennung im kritischen Ansatzbereich der Supraspinatussehne als unfallunabhängig zu werten sei, da sie bereits vorher degenerativ bedingt gewesen sei.

Mit der hiergegen gerichteten Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren fort. Er macht geltend, das SG habe gegen seine Amtsermittlungspflichten verstoßen, indem es keine histologische Untersuchung der Sehnenstümpfe veranlasst habe. Soweit auf eine degenerative Vorschädigung des Gewebes abgestellt werde, sei diese nicht nachgewiesen. Er habe nach dem Unfall für eine Rotatorenmanschettenruptur typische Schmerzen gehabt. Auch habe er trotz Arbeitsaufnahme am 05. Februar 2000 weiterhin Beschwerden gehabt. Es sei außerdem verkannt worden, dass auch Bagatellverletzungen zu einem Sehnenriss führen könnten.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 11. Januar 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 03. Mai 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juni 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 24. Januar 2000 für den Zeitraum vom 01. Mai 2000 bis einschließlich 15. Dezember 2000 Verletztengeld zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Berufung für unbegründet und verweist auf den angefochtenen Bescheid, die Gutachten von Dr. L und Dr. S sowie die unfallmedizinische Standardliteratur.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 05. Juni 2008 sind die Beteiligten zu der beabsichtigten Entscheidung des Senats durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angehört worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Akte des SG Potsdam zum Aktenzeichen S 19 U 14/01 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte nach Anhörung der Beteiligten die Berufung gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss zurückweisen, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig aber unbegründet. Der Bescheid vom 03. Mai 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juni 2004 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger steht, wie das Sozialgericht zutreffend entschieden hat, mangels unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit über den 04. Februar 2000 hinaus kein Verletztengeld zu.

Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Siebtes Sozialgesetzbuch (SGB VII) wird Verletztengeld erbracht, wenn der Versicherte infolge des Versicherungsfalls – hier der Arbeitsunfall vom 24. Januar 2000 - arbeitsunfähig ist oder wegen einer Maßnahme der Heilbehandlung eine ganztägige Erwerbstätigkeit nicht ausüben kann.

Für die Anerkennung von Unfallfolgen und die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist erforderlich, dass sowohl zwischen der unfallbringenden Tätigkeit und dem Unfallereignis als auch zwischen dem Unfallereignis und der Gesundheitsschädigung ein innerer ursächlicher Zusammenhang besteht. Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, der Unfall und die Gesundheitsschädigung im Sinne des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, der nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit – nicht allerdings die bloße Möglichkeit – ausreicht (BSG SozR 3-2200 § 551 RVO Nr. 16 m. w. N.). Ein Zusammenhang ist wahrscheinlich, wenn bei Abwägung aller Umstände die für den Zusammenhang sprechenden Faktoren so stark überwiegen, dass darauf die Überzeugung des Gerichts gegründet werden kann.

Dass der Kläger am 24. Januar 2000 einen Arbeitsunfall erlitten hat, bei dem er sich eine Ellenbogenprellung rechts zugezogen hat, die nach rund 10 Tagen ausgeheilt war, hat die Beklagte anerkannt und ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.

Zur Überzeugung des Senats ist es jedoch nicht hinreichend wahrscheinlich, dass bei dem Kläger weitergehende Gesundheitsstörungen auf den Arbeitsunfall vom 24. Januar 2000 zurückzuführen sind. Zwar lehnte es die Beklagte mit bindendem Bescheid vom 178. Oktober 2000 ab, die Rotatorenmanschettenruptur der rechten Schulter, die ursächlich war für die über den 30. April 2000 andauernde Arbeitsunfähigkeit, als Folge des Arbeitsunfalls vom 24. Januar 2000 abzuerkennen. Eine Überprüfung dieser Entscheidung ist dem Senat gleichwohl nicht verwehrt, denn dem angefochtenen Bescheid vom 03. Mai 2004 sowie dem Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 2004 lässt sich mit noch ausreichender Deutlichkeit eine weitere Entscheidung zum Vorliegen von Arbeitsunfallfolgen entnehmen.

Der Senat stützt sich bei seiner Entscheidung – wie die erste Instanz - auf das überzeugende Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Dr. S aus dem bereits abgeschlossenen Gerichtsverfahren vor dem SG Potsdam S 19 U 14/01 vom 30. August 2001 samt ergänzender Stellungnahme vom 18. Oktober 2001, das mit dem im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten nach Aktenlage von Dr. L vom 22. September 2000 übereinstimmt. Danach sprechen mehrere Faktoren dagegen, dass der Abriss der Supraspinatussehne in einem ursächlichen Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall steht. So ergibt sich aus dem Erstbefund kein sofortiges Schmerzmaximum im Bereich der rechten Schulter, das in den folgenden Wochen abklingt (vgl. hierzu Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit 7. A. 2003, Anmerkung 8.2.5.3 und 8.2.5.6 sowie M. L. Hansis und F. Mehrhoff, Rupturen der Rotatorenmanschette – traumatische und nichttraumatische Zusammenhangstrennungen in "Die BG" 2000, 98, 99 f). Der Kläger hat vielmehr zunächst noch weitergearbeitet und nach zwischenzeitlicher kurzer Arbeitsunfähigkeit am 05. Februar 2000 seine Arbeit wieder aufgenommen. Dabei haben nach seiner Angabe zwar Beschwerden bestanden, diese haben aber offensichtlich nicht zu einer völligen Unmöglichkeit der Ausübung der Tätigkeit als Installateur geführt. Gegen einen Kausalzusammenhang spricht außerdem, dass bei dem Kläger unmittelbar nach dem Unfall kein so genanntes drop-arm-Syndrom (Fallarm) vorlag (vgl. hierzu Schönberger/Mehrtens/Valentin a. a. O. sowie M. L. Hansis und F. Mehrhoff, Rupturen der Rotatorenmanschette – traumatische und nichttraumatische Zusammenhangstrennungen a. a. O.).

Die Behauptung des Klägers, es habe sehr wohl ein typisches Schmerzbild unmittelbar nach dem Unfall vorgelegen, lässt sich anhand der vorliegenden medizinischen Unterlagen nicht belegen. In dem H-Arzt-Bericht von Dr. K vom 26. Januar 2000 ist ein genauer Befund erhoben worden, aus dem sich eine Untersuchung der Schulter ergibt (keine Prellmarke, kein Hämatom, Druckschmerz über der rechten vorderen Gelenkkapsel der Schulter, vollständige seitliche Anhebbarkeit der Schulter bis 180 Grad), eine Veränderung des Bildes trat auch bis zum 03. März 2000 (H-Arzt-Bericht vom selben Tag) nicht ein. Weder aus diesen Berichten noch aus der Krankheitsauskunft vom 20. März 2000 oder dem Arztbrief des Klinikums B vom 06. April 2000 (der im Übrigen das falsche Schultergelenk nennt und tatsächlich nicht vordokumentierte Bewegungseinschränkungen behauptet) ergibt sich der Nachweis eines Fallarms oder eines Schmerzmaximums kurz nach dem Unfall.

Es fehlt auch an dem Nachweis einer frischen Gewalteinwirkung auf die rechte Schulter durch den Sturz. Im Rahmen der Erstuntersuchung waren keine direkten Weichteilverletzungen, Verschwellungen, Hautabschürfungen oder Hämatome im Bereich der rechten Schulter erkennbar. Die am 22. März 2000 durchgeführte MRT- Untersuchung wies ebenfalls keine direkten Verletzungsfolgen an den umliegenden Strukturen der Rotatorenmanschette nach. Eine Fraktur im Bereich der rechten Schulter konnte röntgenologisch ebenfalls ausgeschlossen werden. Unfallbedingte Verletzungen der Rotatorenmanschette führen jedoch in der Regel zu Begleitverletzungen im Bereich des Tuberculum majus, des Schulterdaches, der Schulterpfanne oder der langen Bizepssehne (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin Anm. 8.2.5.6).

Letztlich war der Unfallhergang, wie er von dem Kläger selber geschildert worden ist, nicht geeignet, die von ihm geltend gemachte Verletzung der Supraspinatussehne zu verursachen. Nach der unfallmedizinischen Literatur (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin Anm. 8.2.5.2) ist die direkte Krafteinwirkung auf die Schulter durch einen Sturz, eine Prellung oder einen Schlag ein ungeeigneter Unfallhergang, da die Rotatorenmanschette durch die Schulterhöhe (Acromion) und den Deltamuskel gut geschützt ist. Auch die fortgeleitete Krafteinwirkung bei seitlicher oder vorwärtsgeführter Armhaltung (Stauchung) stellt einen ungeeigneten Unfallhergang dar. Es gibt auch keinen isolierten, ausschließlich traumatischen Supraspinatussehnenriss (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin Anm. 8.2.5.2). Allein der Umstand, dass bei dem Kläger keine Vorschäden im Bereich der rechten Schulter nachgewiesen sind und er vor dem Unfall auch nicht wegen Schulterbeschwerden in ärztlicher Behandlung gewesen ist, lässt nicht den Schluss zu, dass der Abriss der Supraspinatussehne auf den Arbeitsunfall zurückzuführen ist. Der Sachverständige Dr. S hat dazu ebenso wie Dr. L ausgeführt, dass und aus welchen Gründen die Rotatorenmanschette in hohem Maß der Degeneration unterliegt. Diese Ausführungen stehen in völligem Einklang mit der unfallmedizinischen Literatur (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin Anm. 8.2.5.1).

Dem stehen auch nicht die Ergebnisse der am 30. März 2000 durchgeführten Operation und der Histologie vom selben Tag entgegen. Diese zeigen Befunde, die für vorbestehende degenerative Veränderungen am Sehnengewebe sprechen. Außerdem fehlen nicht nur frische Einblutungen in die ruptierten Sehnenanteile, sondern auch Reparationsvorgänge. Der Senat hat keine Bedenken, dem histologischen Bericht Aussagekraft beizumessen, denn die Operation am 30. März 2000 erfolgte noch in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfallereignis, der nach der unfallmedizinischen Literatur (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin Anm. 8.2.5.5) bis zu sechs, nach anderer Meinung sogar bis zu zwölf Wochen betragen kann.

Die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. S stimmen mit denen von Dr. L in seinem Gutachten nach Aktenlage vom 22. September 2001 überein. Die Aussagekraft dieses Gutachtens wird nicht dadurch entwertet, dass Dr. L sie im Auftrag der Beklagten abgegeben und den Kläger nicht selber untersucht hat. Im Übrigen stimmen seine Ausführungen mit der unfallmedizinischen Literatur überein.

Zusammenfassend ist dem gerichtlichen Sachverständigen darin zuzustimmen, dass die Supraspinatussehnenruptur wahrscheinlich durch einen degenerativen Vorschaden im Bereich der Muskelmanschette verursacht worden und nur gelegentlich des Unfallereignisses zu Tage getreten ist. Die unfallbedingte Ellenbogenprellung ist ausgeheilt und hat über den 04. Februar 2000 keine weitere Arbeitsunfähigkeit nach sich gezogen.

Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg auf das Gutachten von Dr. T vom 28. August 2000 stützen, denn dieses ignoriert die unfallmedizinische Standardliteratur und geht von falschen Überlegungen zur Mechanik im Gelenk beim Sturz aus, wie schon Dr. S und Dr. L überzeugend ausgeführt haben.

Soweit der Kläger geltend macht, degenerative Veränderungen des Schultergelenks seien nicht nachgewiesen, so ist dies zwar zutreffend. Daraus folgt jedoch nicht, dass der ursächliche Zusammenhang zwischen dem Sturz auf den Arm und dem Abriss der Supraspinatussehne wahrscheinlich wäre. Entscheidend ist vielmehr, dass schon der vom Kläger geschilderte Unfallhergang nach seinem Ablauf und seiner Einwirkung her nicht geeignet war, eine nicht vorgeschädigte Supraspinatussehne zu zerreißen.

Es ist auch nicht erkennbar, dass das SG seine Amtsermittlungspflichten dadurch verletzt hätte, dass es eine vom Kläger angeregte histologische Untersuchung der Sehnenstümpfe nicht veranlasst hat. Denn eine Histologie vom 30. März 2000 liegt bereits vor.

Nach alledem ist es nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die Supraspinatussehnenruptur rechts auf den Unfall vom 24. Januar 2000 zurückzuführen ist. Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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