L 9 B 291/06 KR NZB

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 72 KR 1065/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 B 291/06 KR NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. April 2006 wird zurückgewiesen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. April 2006 ist gemäß § 145 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, aber unbegründet.

Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der bis zum 31. März 2008 geltenden, hier maßgeblichen Fassung bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 500,- Euro nicht übersteigt. Das ist hier der Fall, weil die Klage auf Erstattung von Kosten für einen Schwangerschaftsabbruch in Höhe von 357,42 Euro gerichtet ist.

Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr. 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.

Das Urteil weicht nicht von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts ab. Eine solche Abweichung wird von der Klägerin ebenso wenig geltend gemacht wie das Vorliegen eines Verfahrensfehlers.

Die Rechtssache hat auch nicht die von der Klägerin behauptete grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Die Klägerin sieht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darin, dass zu klären sei, ob Kindergeld als Einkommen einer Frau im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes zur Hilfe für Frauen bei Schwangerschaftsabbrüchen in besonderen Fällen (SchwHG) anzusehen sei. Dem liegt zugrunde, dass die Beklagte auf einen entsprechenden Antrag der Klägerin hin die Einkommensgrenze mit 1.382,48 Euro ermittelt und dem Einkünfte der Klägerin in Höhe von 1.614,72 Euro gegenübergestellt hatte, was dazu führte, dass der Antrag der Klägerin auf Übernahme der Kosten für den Schwangerschaftsabbruch abgelehnt wurde; bei Ermittlung der Einkünfte der Klägerin bezog die Beklagte Kindergeld in Höhe von 308,- Euro mit ein. Die Beklagte vertrat dabei die Auffassung, dass die Ermittlung der Einkünfte sich an den Vorschriften des BSHG zu orientieren habe, das in § 76 Abs. 1 auch das Kindergeld unter den Einkommensbegriff fasste.

Die Einwände der Klägerin gegen das sozialgerichtliche Urteil können die grundsätzliche Bedeutung der aufgeworfenen Rechtsfrage nicht aufzeigen. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn von ihrer Entscheidung erwartet werden kann, dass sie zur Erhaltung und Sicherung der Rechtseinheit und zur Fortbildung des Rechts beitragen wird. Das ist der Fall, wenn es in einem Rechtsstreit um eine klärungsbedürftige und klärungsfähige (entscheidungserhebliche) konkrete Rechtsfrage geht, deren Entscheidung über den Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt. Nicht klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn sie eine außer Kraft getretene Rechtsvorschrift betrifft, sofern nicht noch über eine erhebliche Zahl von Fällen nach altem Recht zu entscheiden ist (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 8. Aufl. 2005, Rdnr. 7 b zu § 160; Bundessozialgericht, Beschluss vom 28. November 1975, 12 BJ 150/75 sowie Beschluss vom 20. Juni 2001, B 10/14 KG 1/00 B, zitiert nach juris). Ähnlich liegt es hier, da die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage, ob Kindergeld zu den Einkünften der Frau im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 SchwHG zu zählen ist, nur die bis 31. Dezember 2004 gelebte Verwaltungspraxis betrifft. Zum 1. Januar 2005 trat das Bundessozialhilfegesetz außer Kraft, an dem sich die Krankenkassen – wie im Falle der Klägerin – bei der Einkommensermittlung im Rahmen von § 1 Abs. 2 Satz 1 SchwHG orientiert hatten. Gleichzeitig traten im Rahmen der "Hartz"-Reformen das zweite und das zwölfte Buch des Sozialgesetzbuchs in Kraft, in denen Kindergeld in der Regel als Einkommen des Kindes selbst angesehen wird (§ 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II; § 82 Abs. 1 Satz 2 SGB XII). Dementsprechend haben die Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen am 12. Oktober 2004 beschlossen, dass ab dem 1. Januar 2005 Kindergeld auch dann, wenn die Frau es beziehe, nicht mehr als Einkommen der Frau anzurechnen sei (Die Leistungen 2005, S. 210; zitiert nach juris). Hieraus wird deutlich, dass sich die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage ab dem 1. Januar 2005 erledigt hat. Gleichzeitig ist nichts dafür ersichtlich, dass die Rechtsfrage noch in parallel gelagerten Streitfällen relevant wäre. Zur Überzeugung des Senats fehlt der Rechtsfrage damit die notwendige Klärungsbedürftigkeit.

Ob das Sozialgericht den Rechtsstreit richtig entschieden hat, ist im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht zu prüfen. Vielmehr soll es gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bei Verfahren mit geringem Streitwert – wie hier – grundsätzlich mit einer gerichtlichen sachlichen Überprüfung des Klagebegehrens sein Bewenden haben.

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG). Nach § 145 Abs. 4 Satz 5 SGG wird das Urteil des Sozialgerichts mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Landessozialgericht rechtskräftig.
Rechtskraft
Aus
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