Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 15 RJ 1921/04
Datum
-
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 R 62/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Geschiedenenwitwenrente nach K. A. M., ihrem ersten Ehemann.
Die am XX.XXXXXXXXX 1934 in L. (XXXXX) geborene Klägerin (geb. T.) schloss mit dem am X.XXXXXXXXXX 1923 in H. geborenen K. A. M. (Versicherter) am 2. März 1957 vor dem Standesamt Hamburg-1 die Ehe. Aus dieser Ehe sind die Töchter B. (geboren XX.XXXXXXX 1958) und B1 (geboren XX.XXXXX 1961) hervorgegangen. Die Ehe wurde durch Urteil des Landgerichts Hamburg vom 4. März 1974 (71 R 26/73) aus dem Verschulden der Klägerin geschieden. Die Klägerin hatte die Scheidungsklage erhoben und diese, nachdem der Versicherte Widerklage erhoben hatte, zurückgenommen, aber keinen Klageabweisungsantrag gestellt. Rechtskraft trat am 4. März 1974 ein.
Am 25. Oktober 1974 schloss die Klägerin mit dem österreichischen Staatsangehörigen K1 A1 S. vor dem Standesamt Hamburg-2 eine neue Ehe, aus der Kinder nicht hervorgegangen sind. Diese Ehe wurde durch Urteil des Amtsgerichts Hamburg – Familiengericht - vom 21. Mai 1981 (288 (260) F 197/80), rechtskräftig mit Ablauf des 27. Juli 1981, geschieden. Nach dem Versorgungsausgleichsbeschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 13. Januar 1983 wurden vom Versicherungskonto des K1 A1 S. 95,95 DM, bezogen auf den 31. Mai 1980, auf das Versicherungskonto der Klägerin übertragen.
K1 A1 S. verstarb zwischen dem 1982 in H ... K. A. M., der Versicherte, verstarb zwischen dem 2001 in H ... Beide hatten nach ihrer Ehe mit der Klägerin nicht wieder geheiratet. Auch die Klägerin hat - nach ihrer zweiten Ehe - nicht wieder geheiratet.
Am 17. Oktober 2003 beantragte die Klägerin Hinterbliebenenrente nach K. A. M ... Die Rechtsvorgängerin der Beklagten lehnte diesen Antrag durch Bescheid vom 10. November 2003 ab. Die Voraussetzungen des § 243 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) lägen nicht vor, weil die Klägerin vor dem Tod ihres geschiedenen Ehemannes K. A. M. wieder, nämlich K1 A1 S., geheiratet habe und hierdurch die Notwendigkeit eines Unterhaltsersatzes entfallen sei. Der Bescheid vom 10. November 2003 blieb unangefochten.
Am 17. Mai 2004 beantragte die Klägerin, die eine eigene Versichertenrente (ca. 590,- EUR) und eine VBL-Betriebsrente (ca. 390,- EUR) bezieht, erneut Hinterbliebenenrente nach K. A. M ... Auch diesen Antrag lehnte die Rechtsvorgängerin der Beklagten ab (Bescheid vom 27. Juli 2004). Die Klägerin habe bereits vor dem Tode des Versicherten wieder geheiratet. Im Übrigen habe sie keinen Unterhaltsanspruch nach dem Ehegesetz gehabt, weil sie nach dem Scheidungsurteil Schuld an der Scheidung habe. Der Widerspruch der Klägerin hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 11. November 2004). In ihm ist ausgeführt, dass bereits die Wiederheirat der Klägerin zu Lebzeiten des Versicherten K. A. M. für eine Hinterbliebenenrente nach diesem sich anspruchsvernichtend auswirke. Daher könne dahingestellt bleiben, ob K. A. M. gegenüber der Klägerin im letzten Jahr vor seinem Tode Unterhaltsleistungen tatsächlich erbracht habe.
Gegen den am 15 November 2004 zur Post gegebenen Widerspruchsbescheid richtet sich die am 14. Dezember 2004 erhobene Klage. Das Sozialgericht hat die Beteiligten auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 20. Oktober 2004 (B 5 RJ 39/03, juris = SozR 4-2600 § 243 Nr. 2) hingewiesen und die Klage durch Urteil vom 9. Januar 2006 abgewiesen. Die Voraussetzungen für die Gewährung einer (kleinen oder großen) Witwenrente nach § 243 Abs. 1 bis Abs. 3 SGB VI lägen (schon) nicht vor, weil es am Tatbestand der "Nichtwiederheirat" der Klägerin iSd § 243 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 SGB VI mangele. Zwar bestehe Anspruch auf kleine oder große Witwenrente nach § 243 Abs. 4 SGB VI nach dem vorletzten Ehegatten "unter den sonstigen Voraussetzungen des § 243 Absätze 1 bis 3 SGB VI auch für geschiedene Ehegatten, die wieder geheiratet haben, wenn die erneute Ehe aufgelöst oder für nichtig erklärt ist"; jedoch dürfe die Wiederheirat nicht zu Lebzeiten des Versicherten erfolgt sein (BSG 20. Oktober 2004 – B 5 RJ 39/03 R, a. a. O.). Bereits unter der Geltung der §§ 1265, 1291 Reichsversicherungsordnung (RVO) sei es Rechtsprechung gewesen, dass der Anspruch einer früheren Ehefrau auf Geschiedenenwitwenrente nach dem früheren Ehemann nur dann bestehen könne, wenn sie zu Lebzeiten desselben nicht wieder geheiratet hatte (BSG 5. März 1965 – 11 RA 12/64, SozR § 1265 RVO Nr. 30; 9. September 1986 – 5b RJ 68/85, SozR 2200 § 1265 Nr. 81; Bundesverfassungsgericht ( BVerfG ), 8. Juli 1987 – 1 BvR 568/87, SozR 2200 § 1265 Nr. 85). Daran habe sich unter der Geltung des SGB VI nichts geändert. Daher schieden hier Ansprüche auf kleine oder große Witwenrente nach § 243 Abs. 1 bis 4 SGB VI aus.
Gegen das ihr am 3. März 2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 31. März 2006 eingelegte Berufung der Klägerin, die im Berufungsverfahren nicht mehr anwaltlich vertreten ist. Ihr, so die Klägerin, gehe es im Wesentlichen darum, dass die Zeit, während der sie mit dem Versicherten K. A. M. verheiratet gewesen sei und zwei Kinder groß gezogen habe, "entschädigt" werde. Auch ansonsten sei sie der Auffassung, dass ihr irgendeine Entschädigung/Rente für die Ehezeit mit K. A. M. zustehen müsse. Dass sie für die Zeit nach der Scheidung von dem Versicherten M., als sie ihn gepflegt habe, keine Leistungen beanspruchen könne, habe sie verstanden.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 9. Januar 2006 und den Bescheid der Beklagten vorm 27. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. November 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 1. Juni 2004 Hinterbliebenenrente nach dem Versicherten K. A. M. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und weist darauf hin, dass Kindererziehungszeiten für die Kinder B. und B1 vom 1. Februar 1958 bis 31. Januar 1959 und vom 1. August 1961 bis 31. Juli 1962 sowie jeweils Kinderberücksichtigungszeiten vom XX.XXXXXXX 1958 bis X.XXXXXXX 1968 bzw. vom XX.XXXXX 1961 bis XX.XXXXX 1971 bei der Altersrente der Klägerin Berücksichtigung gefunden haben.
Ergänzend wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der Verwaltungsakten der Beklagten und der Akten des Amtsgerichts Hamburg, die in der Sitzungsniederschrift näher bezeichnet worden sind und in der mündlichen Verhandlung vorgelegen haben, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte trotz des Ausbleibens der Klägerin in der mündlichen Verhandlung den Rechtsstreit entscheiden, weil die Klägerin mit der ihr am 12. Januar 2008 zugestellten Ladung darauf hingewiesen worden ist, dass auch im Falle ihres Ausbleibens entschieden werden kann (vgl. § 110 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz ( SGG )).
Die Berufung der Klägerin ist statthaft, form und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig (§§ 143, 151 SGG).
Sie ist aber unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Beklagte – bzw. deren Rechtsvorgängerin - hat den Hinterbliebenenrentenantrag zu Recht abgelehnt.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung so genannter Witwenrente an vor dem 1. Juli 1977 geschiedene Ehegatten. Denn die Voraussetzungen des § 243 SGB VI liegen, wie das Sozialgericht zutreffend erkannt hat, nicht vor.
Nach § 243 Abs. 1 SGB VI in der bei Rentenantragstellung geltenden Fassung besteht Anspruch auf kleine Witwenrente ohne Beschränkung auf 24 Kalendermonate auch für geschiedene Ehegatten, 1. deren Ehe vor dem 1. Juli 1977 geschieden ist, 2. die nicht wieder geheiratet haben und 3. die im letzten Jahr vor dem Tod des geschiedenen Ehegatten (Versicherter) Unterhalt von diesem erhalten haben oder im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dessen Tod einen Anspruch hierauf hatten,
wenn der Versicherte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat und nach dem 30. April 1942 gestorben ist.
Anspruch auf große Witwenrente besteht nach § 243 Abs. 2 SGB VI unter denselben – vorstehend aufgeführten - Voraussetzungen des § 243 Abs. 1 SGB VI, wenn zusätzlich die geschiedenen Ehegatten nach § 243 Abs. 2 Nr. 4 SGB VI entweder
a) ein eigenes Kind oder ein Kind des Versicherten erziehen (§ 46 Abs. 2 SGB VI), b) das 45. Lebensjahr vollendet haben, c) erwerbsgemindert sind, d) vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig (§ 240 Abs. 2 SGB VI) sind oder e) am 31. Dezember 2000 bereits berufsunfähig oder erwerbsunfähig waren und dies ununterbrochen sind.
Ferner besteht Anspruch auf große Witwenrente auch ohne Vorliegen der in § 243 Abs. 2 Nr. 3 SGB VI (= § 243 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI) genannten Unterhaltsvoraussetzungen für geschiedene Ehegatten, die
1. einen Unterhaltsanspruch nach § 243 Abs. 2 Nr. 3 SGB VI wegen eines Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens aus eigener Beschäftigung oder selbständiger Tätigkeit oder entsprechender Ersatzleistungen oder wegen des Gesamteinkommens des Versicherten nicht hatten und 2. zum Zeitpunkt der Scheidung entweder a) ein eigenes Kind oder ein Kind des Versicherten erzogen haben (§ 46 Abs. 2 SGB VI) oder b) das 45. Lebensjahr vollendet hatten und
3. entweder a) ein eigenes Kind oder ein Kind des Versicherten erziehen (§ 46 Abs. 2 SGB VI), b) erwerbsgemindert sind, c) vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig (§ 240 Abs. 2 SGB VI) sind, d) am 31. Dezember 2000 bereits berufsunfähig oder erwerbsunfähig waren und dies ununterbrochen sind oder e) das 60. Lebensjahr vollendet haben,
wenn auch vor Anwendung der Vorschriften über die Einkommensanrechnung auf Renten wegen Todes ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente für eine Witwe des Versicherten aus dessen Rentenanwartschaften nicht besteht.
Die Klägerin erfüllt keinen dieser drei Anspruchstatbestände.
§ 243 SGB VI – auch in der nunmehr geltenden Fassung des Art. 3 des Gesetzes zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechtes vom 15. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3396), in Kraft ab 1. Januar 2005 – setzt sowohl für den Anspruch auf kleine Witwenrente (§ 243 Abs. 1 Nr. 2) als auch für den Anspruch auf große Witwenrente (§ 243 Abs. 2 Nr. 2) jeweils voraus, dass der eine solche Rente beanspruchende geschiedene Ehegatte "nicht wieder geheiratet hat". Diese Voraussetzung erfüllt die Klägerin nicht. Denn sie hatte, und zwar noch vor dem Tode des Versicherten K. A. M., wieder geheiratet, nämlich K1 A1 S ... Dieser Umstand schließt einen Anspruch nach § 243 Abs. 1 bis 3 SGB VI aus. Das ergibt sich aus dem Zusammenhang, in dem die einzelnen Regelungen des § 243 SGB VI zueinander und zur Grundvorschrift über die Gewährung von Witwenrente und Witwerrente in § 46 SGB VI stehen (und an die der Gesetzeswortlaut in § 243 Abs. 4 SGB VI begrifflich anschließt). Die Entstehungsgeschichte des § 243 SGB VI bestätigt diesen Ausschluss. Die Differenzierung bei der Rente nach dem vorletzten Ehegatten zwischen geschiedenen Ehegatten, die erst nach dem Tod des vorletzten Ehegatten wieder geheiratet haben, und solchen, die zu dessen Lebzeiten wieder geheiratet haben, ist mit dem Grundgesetz vereinbar (BVerfG 8. Juli 1987 – 1 BvR 568/87, a. a. O.; BSG 20. Oktober 2004 – B 5 RJ 39/03 R, a. a. O.).
Ein Anspruch besteht auch nicht nach § 243 Abs. 4 SGB VI. Zwar bestimmt diese Vorschrift, dass Anspruch auf kleine oder große Witwenrente oder Witwerrente nach dem vorletzten Ehegatten unter den sonstigen Voraussetzungen des § 243 Abs. 1 bis 3 SGB VI auch für geschiedene Ehegatten besteht, die wieder geheiratet haben, wenn die erneute Ehe aufgelöst oder für nichtig erklärt ist. Innerhalb des § 243 SGB VI stellt § 243 Abs. 4 SGB VI damit eine Ausnahmevorschrift zu § 243 Abs. 1 bis 3 SGB VI dar, bei der auf die Voraussetzung, dass die geschiedenen Ehegatten "nicht wieder geheiratet haben" (§ 243 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 SGB VI), verzichtet wird. Gleichzeitig handelt es sich um eine Ergänzung zu § 46 Abs. 3 SGB VI; es wird der nach § 46 Abs. 3 SGB VI den überlebenden Ehegatten, die wieder geheiratet haben, nach Auflösung der erneuten Ehe gewährte Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente auch geschiedenen Ehegatten gewährt, die wieder geheiratet haben. Diese Wiederheirat ist aber nur dann nicht anspruchsschädlich, wenn sie nicht zu Lebzeiten des Versicherten erfolgte. Im Falle der Klägerin war dies aber der Fall. Das BSG hat im Urteil vom 20. Oktober 2004 (B 5 RJ 39/03 R, SozR 4-2600 § 243 Nr. 2) ausführlich, insbesondere unter Hinweis auf § 46 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 SGB VI und anhand der Textgeschichte der Norm sowie ihren zivilrechtlichen, unterhaltsrechtlichen Implikationen, begründet, warum die Wiederheirat zu Lebzeiten des Versicherten den Anspruch auf eine sog. Geschiedenenwitwenrente ausschließt. Die mit "Wiederheirat" gemeinte erneute Ehe ist nur diejenige, die auf die Ehe mit dem oder der Versicherten nach dessen oder deren Tod, der Anknüpfungspunkt für die Rente ist, folgt.
Das Sozialgericht hat all dies im angefochtenen Urteil ausführlich und zutreffend dargelegt. Darauf nimmt der Senat, um Wiederholungen zu vermeiden, Bezug. Er weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurück und sieht deshalb von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Geschiedenenwitwenrente nach K. A. M., ihrem ersten Ehemann.
Die am XX.XXXXXXXXX 1934 in L. (XXXXX) geborene Klägerin (geb. T.) schloss mit dem am X.XXXXXXXXXX 1923 in H. geborenen K. A. M. (Versicherter) am 2. März 1957 vor dem Standesamt Hamburg-1 die Ehe. Aus dieser Ehe sind die Töchter B. (geboren XX.XXXXXXX 1958) und B1 (geboren XX.XXXXX 1961) hervorgegangen. Die Ehe wurde durch Urteil des Landgerichts Hamburg vom 4. März 1974 (71 R 26/73) aus dem Verschulden der Klägerin geschieden. Die Klägerin hatte die Scheidungsklage erhoben und diese, nachdem der Versicherte Widerklage erhoben hatte, zurückgenommen, aber keinen Klageabweisungsantrag gestellt. Rechtskraft trat am 4. März 1974 ein.
Am 25. Oktober 1974 schloss die Klägerin mit dem österreichischen Staatsangehörigen K1 A1 S. vor dem Standesamt Hamburg-2 eine neue Ehe, aus der Kinder nicht hervorgegangen sind. Diese Ehe wurde durch Urteil des Amtsgerichts Hamburg – Familiengericht - vom 21. Mai 1981 (288 (260) F 197/80), rechtskräftig mit Ablauf des 27. Juli 1981, geschieden. Nach dem Versorgungsausgleichsbeschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 13. Januar 1983 wurden vom Versicherungskonto des K1 A1 S. 95,95 DM, bezogen auf den 31. Mai 1980, auf das Versicherungskonto der Klägerin übertragen.
K1 A1 S. verstarb zwischen dem 1982 in H ... K. A. M., der Versicherte, verstarb zwischen dem 2001 in H ... Beide hatten nach ihrer Ehe mit der Klägerin nicht wieder geheiratet. Auch die Klägerin hat - nach ihrer zweiten Ehe - nicht wieder geheiratet.
Am 17. Oktober 2003 beantragte die Klägerin Hinterbliebenenrente nach K. A. M ... Die Rechtsvorgängerin der Beklagten lehnte diesen Antrag durch Bescheid vom 10. November 2003 ab. Die Voraussetzungen des § 243 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) lägen nicht vor, weil die Klägerin vor dem Tod ihres geschiedenen Ehemannes K. A. M. wieder, nämlich K1 A1 S., geheiratet habe und hierdurch die Notwendigkeit eines Unterhaltsersatzes entfallen sei. Der Bescheid vom 10. November 2003 blieb unangefochten.
Am 17. Mai 2004 beantragte die Klägerin, die eine eigene Versichertenrente (ca. 590,- EUR) und eine VBL-Betriebsrente (ca. 390,- EUR) bezieht, erneut Hinterbliebenenrente nach K. A. M ... Auch diesen Antrag lehnte die Rechtsvorgängerin der Beklagten ab (Bescheid vom 27. Juli 2004). Die Klägerin habe bereits vor dem Tode des Versicherten wieder geheiratet. Im Übrigen habe sie keinen Unterhaltsanspruch nach dem Ehegesetz gehabt, weil sie nach dem Scheidungsurteil Schuld an der Scheidung habe. Der Widerspruch der Klägerin hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 11. November 2004). In ihm ist ausgeführt, dass bereits die Wiederheirat der Klägerin zu Lebzeiten des Versicherten K. A. M. für eine Hinterbliebenenrente nach diesem sich anspruchsvernichtend auswirke. Daher könne dahingestellt bleiben, ob K. A. M. gegenüber der Klägerin im letzten Jahr vor seinem Tode Unterhaltsleistungen tatsächlich erbracht habe.
Gegen den am 15 November 2004 zur Post gegebenen Widerspruchsbescheid richtet sich die am 14. Dezember 2004 erhobene Klage. Das Sozialgericht hat die Beteiligten auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 20. Oktober 2004 (B 5 RJ 39/03, juris = SozR 4-2600 § 243 Nr. 2) hingewiesen und die Klage durch Urteil vom 9. Januar 2006 abgewiesen. Die Voraussetzungen für die Gewährung einer (kleinen oder großen) Witwenrente nach § 243 Abs. 1 bis Abs. 3 SGB VI lägen (schon) nicht vor, weil es am Tatbestand der "Nichtwiederheirat" der Klägerin iSd § 243 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 SGB VI mangele. Zwar bestehe Anspruch auf kleine oder große Witwenrente nach § 243 Abs. 4 SGB VI nach dem vorletzten Ehegatten "unter den sonstigen Voraussetzungen des § 243 Absätze 1 bis 3 SGB VI auch für geschiedene Ehegatten, die wieder geheiratet haben, wenn die erneute Ehe aufgelöst oder für nichtig erklärt ist"; jedoch dürfe die Wiederheirat nicht zu Lebzeiten des Versicherten erfolgt sein (BSG 20. Oktober 2004 – B 5 RJ 39/03 R, a. a. O.). Bereits unter der Geltung der §§ 1265, 1291 Reichsversicherungsordnung (RVO) sei es Rechtsprechung gewesen, dass der Anspruch einer früheren Ehefrau auf Geschiedenenwitwenrente nach dem früheren Ehemann nur dann bestehen könne, wenn sie zu Lebzeiten desselben nicht wieder geheiratet hatte (BSG 5. März 1965 – 11 RA 12/64, SozR § 1265 RVO Nr. 30; 9. September 1986 – 5b RJ 68/85, SozR 2200 § 1265 Nr. 81; Bundesverfassungsgericht ( BVerfG ), 8. Juli 1987 – 1 BvR 568/87, SozR 2200 § 1265 Nr. 85). Daran habe sich unter der Geltung des SGB VI nichts geändert. Daher schieden hier Ansprüche auf kleine oder große Witwenrente nach § 243 Abs. 1 bis 4 SGB VI aus.
Gegen das ihr am 3. März 2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 31. März 2006 eingelegte Berufung der Klägerin, die im Berufungsverfahren nicht mehr anwaltlich vertreten ist. Ihr, so die Klägerin, gehe es im Wesentlichen darum, dass die Zeit, während der sie mit dem Versicherten K. A. M. verheiratet gewesen sei und zwei Kinder groß gezogen habe, "entschädigt" werde. Auch ansonsten sei sie der Auffassung, dass ihr irgendeine Entschädigung/Rente für die Ehezeit mit K. A. M. zustehen müsse. Dass sie für die Zeit nach der Scheidung von dem Versicherten M., als sie ihn gepflegt habe, keine Leistungen beanspruchen könne, habe sie verstanden.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 9. Januar 2006 und den Bescheid der Beklagten vorm 27. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. November 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 1. Juni 2004 Hinterbliebenenrente nach dem Versicherten K. A. M. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und weist darauf hin, dass Kindererziehungszeiten für die Kinder B. und B1 vom 1. Februar 1958 bis 31. Januar 1959 und vom 1. August 1961 bis 31. Juli 1962 sowie jeweils Kinderberücksichtigungszeiten vom XX.XXXXXXX 1958 bis X.XXXXXXX 1968 bzw. vom XX.XXXXX 1961 bis XX.XXXXX 1971 bei der Altersrente der Klägerin Berücksichtigung gefunden haben.
Ergänzend wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der Verwaltungsakten der Beklagten und der Akten des Amtsgerichts Hamburg, die in der Sitzungsniederschrift näher bezeichnet worden sind und in der mündlichen Verhandlung vorgelegen haben, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte trotz des Ausbleibens der Klägerin in der mündlichen Verhandlung den Rechtsstreit entscheiden, weil die Klägerin mit der ihr am 12. Januar 2008 zugestellten Ladung darauf hingewiesen worden ist, dass auch im Falle ihres Ausbleibens entschieden werden kann (vgl. § 110 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz ( SGG )).
Die Berufung der Klägerin ist statthaft, form und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig (§§ 143, 151 SGG).
Sie ist aber unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Beklagte – bzw. deren Rechtsvorgängerin - hat den Hinterbliebenenrentenantrag zu Recht abgelehnt.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung so genannter Witwenrente an vor dem 1. Juli 1977 geschiedene Ehegatten. Denn die Voraussetzungen des § 243 SGB VI liegen, wie das Sozialgericht zutreffend erkannt hat, nicht vor.
Nach § 243 Abs. 1 SGB VI in der bei Rentenantragstellung geltenden Fassung besteht Anspruch auf kleine Witwenrente ohne Beschränkung auf 24 Kalendermonate auch für geschiedene Ehegatten, 1. deren Ehe vor dem 1. Juli 1977 geschieden ist, 2. die nicht wieder geheiratet haben und 3. die im letzten Jahr vor dem Tod des geschiedenen Ehegatten (Versicherter) Unterhalt von diesem erhalten haben oder im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dessen Tod einen Anspruch hierauf hatten,
wenn der Versicherte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat und nach dem 30. April 1942 gestorben ist.
Anspruch auf große Witwenrente besteht nach § 243 Abs. 2 SGB VI unter denselben – vorstehend aufgeführten - Voraussetzungen des § 243 Abs. 1 SGB VI, wenn zusätzlich die geschiedenen Ehegatten nach § 243 Abs. 2 Nr. 4 SGB VI entweder
a) ein eigenes Kind oder ein Kind des Versicherten erziehen (§ 46 Abs. 2 SGB VI), b) das 45. Lebensjahr vollendet haben, c) erwerbsgemindert sind, d) vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig (§ 240 Abs. 2 SGB VI) sind oder e) am 31. Dezember 2000 bereits berufsunfähig oder erwerbsunfähig waren und dies ununterbrochen sind.
Ferner besteht Anspruch auf große Witwenrente auch ohne Vorliegen der in § 243 Abs. 2 Nr. 3 SGB VI (= § 243 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI) genannten Unterhaltsvoraussetzungen für geschiedene Ehegatten, die
1. einen Unterhaltsanspruch nach § 243 Abs. 2 Nr. 3 SGB VI wegen eines Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens aus eigener Beschäftigung oder selbständiger Tätigkeit oder entsprechender Ersatzleistungen oder wegen des Gesamteinkommens des Versicherten nicht hatten und 2. zum Zeitpunkt der Scheidung entweder a) ein eigenes Kind oder ein Kind des Versicherten erzogen haben (§ 46 Abs. 2 SGB VI) oder b) das 45. Lebensjahr vollendet hatten und
3. entweder a) ein eigenes Kind oder ein Kind des Versicherten erziehen (§ 46 Abs. 2 SGB VI), b) erwerbsgemindert sind, c) vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig (§ 240 Abs. 2 SGB VI) sind, d) am 31. Dezember 2000 bereits berufsunfähig oder erwerbsunfähig waren und dies ununterbrochen sind oder e) das 60. Lebensjahr vollendet haben,
wenn auch vor Anwendung der Vorschriften über die Einkommensanrechnung auf Renten wegen Todes ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente für eine Witwe des Versicherten aus dessen Rentenanwartschaften nicht besteht.
Die Klägerin erfüllt keinen dieser drei Anspruchstatbestände.
§ 243 SGB VI – auch in der nunmehr geltenden Fassung des Art. 3 des Gesetzes zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechtes vom 15. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3396), in Kraft ab 1. Januar 2005 – setzt sowohl für den Anspruch auf kleine Witwenrente (§ 243 Abs. 1 Nr. 2) als auch für den Anspruch auf große Witwenrente (§ 243 Abs. 2 Nr. 2) jeweils voraus, dass der eine solche Rente beanspruchende geschiedene Ehegatte "nicht wieder geheiratet hat". Diese Voraussetzung erfüllt die Klägerin nicht. Denn sie hatte, und zwar noch vor dem Tode des Versicherten K. A. M., wieder geheiratet, nämlich K1 A1 S ... Dieser Umstand schließt einen Anspruch nach § 243 Abs. 1 bis 3 SGB VI aus. Das ergibt sich aus dem Zusammenhang, in dem die einzelnen Regelungen des § 243 SGB VI zueinander und zur Grundvorschrift über die Gewährung von Witwenrente und Witwerrente in § 46 SGB VI stehen (und an die der Gesetzeswortlaut in § 243 Abs. 4 SGB VI begrifflich anschließt). Die Entstehungsgeschichte des § 243 SGB VI bestätigt diesen Ausschluss. Die Differenzierung bei der Rente nach dem vorletzten Ehegatten zwischen geschiedenen Ehegatten, die erst nach dem Tod des vorletzten Ehegatten wieder geheiratet haben, und solchen, die zu dessen Lebzeiten wieder geheiratet haben, ist mit dem Grundgesetz vereinbar (BVerfG 8. Juli 1987 – 1 BvR 568/87, a. a. O.; BSG 20. Oktober 2004 – B 5 RJ 39/03 R, a. a. O.).
Ein Anspruch besteht auch nicht nach § 243 Abs. 4 SGB VI. Zwar bestimmt diese Vorschrift, dass Anspruch auf kleine oder große Witwenrente oder Witwerrente nach dem vorletzten Ehegatten unter den sonstigen Voraussetzungen des § 243 Abs. 1 bis 3 SGB VI auch für geschiedene Ehegatten besteht, die wieder geheiratet haben, wenn die erneute Ehe aufgelöst oder für nichtig erklärt ist. Innerhalb des § 243 SGB VI stellt § 243 Abs. 4 SGB VI damit eine Ausnahmevorschrift zu § 243 Abs. 1 bis 3 SGB VI dar, bei der auf die Voraussetzung, dass die geschiedenen Ehegatten "nicht wieder geheiratet haben" (§ 243 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 SGB VI), verzichtet wird. Gleichzeitig handelt es sich um eine Ergänzung zu § 46 Abs. 3 SGB VI; es wird der nach § 46 Abs. 3 SGB VI den überlebenden Ehegatten, die wieder geheiratet haben, nach Auflösung der erneuten Ehe gewährte Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente auch geschiedenen Ehegatten gewährt, die wieder geheiratet haben. Diese Wiederheirat ist aber nur dann nicht anspruchsschädlich, wenn sie nicht zu Lebzeiten des Versicherten erfolgte. Im Falle der Klägerin war dies aber der Fall. Das BSG hat im Urteil vom 20. Oktober 2004 (B 5 RJ 39/03 R, SozR 4-2600 § 243 Nr. 2) ausführlich, insbesondere unter Hinweis auf § 46 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 SGB VI und anhand der Textgeschichte der Norm sowie ihren zivilrechtlichen, unterhaltsrechtlichen Implikationen, begründet, warum die Wiederheirat zu Lebzeiten des Versicherten den Anspruch auf eine sog. Geschiedenenwitwenrente ausschließt. Die mit "Wiederheirat" gemeinte erneute Ehe ist nur diejenige, die auf die Ehe mit dem oder der Versicherten nach dessen oder deren Tod, der Anknüpfungspunkt für die Rente ist, folgt.
Das Sozialgericht hat all dies im angefochtenen Urteil ausführlich und zutreffend dargelegt. Darauf nimmt der Senat, um Wiederholungen zu vermeiden, Bezug. Er weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurück und sieht deshalb von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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