L 11 KR 1559/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 3 KR 3499/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 1559/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Erwerbsmäßigkeit der künstlerischen Betätigung, wenn ein Maler beinahe sieben Jahre kein Bild verkauft und statt dessen von Sozialleistungen lebt.
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27. Februar 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Feststellung der Versicherungspflicht des Klägers nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG).

Der am 27. Juli 1970 geborene Kläger studierte sieben Semester von 1997 bis 2001 an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste K. und wirkte anschließend als freier Maler. Er stellte seine Bilder wiederholt in Einzel- und Gruppenausstellungen in Deutschland und Russland aus. Im Juni 2001 wurden Bilder im Wert von 600 DM verkauft. Das Sozialamt berücksichtigte weiterhin im Monat Dezember 2001 Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit des Klägers in Höhe von 250 DM. Weitere Einkünfte aus dem Verkauf von Bildern erlangte der Kläger nicht. Der Kläger, seine Ehefrau und seine beiden Kinder (geboren am 19. September 2001 bzw. 13. Dezember 2004) leben seit Jahren von Kindergeld, Erziehungsgeld sowie Sozialhilfe bzw. Leistungen zur Sicherheit des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Mit Bescheid vom 22. April 2002 stellte die Beklagte die Versicherungspflicht des Klägers nach § 1 KSVG in der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung seit 12. Dezember 2001 fest. Sie ging von einem Beginn der künstlerischen Tätigkeit ab 1. April 2001 aus. Als Jahreseinkommen nahm die Beklagte - entsprechend den Angaben des Klägers - jährlich 1.200 DM an. Für die Zeit vom 1. April 2001 bis 31. Februar 2006 gelte der Kläger als Berufsanfänger nach § 3 Abs. 2 KSVG.

Mit Bescheid vom 9. September 2005 stellte die Beklagte die Versicherungsfreiheit in der Kranken- und Pflegeversicherung ab 1. Januar 2005 wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld II und damit vorrangiger Versicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch fest.

Die Anfrage der Beklagten, ob der Kläger seine selbstständige künstlerische/publizistische Tätigkeit weiterhin in erwerbsmäßigem Umfang ausübe und daraus Gewinn erziele, sowie die Aufforderung, entsprechende Nachweise vorzulegen, blieben unbeantwortet. Der Kläger teilte lediglich seinen weiteren Bezug von Arbeitslosengeld II mit. Nach vorheriger Anhörung (Schreiben vom 19. September 2006) stellte die Beklagte mit Bescheid vom 16. November 2006 fest, dass die Versicherungspflicht nach § 1 KSVG am 31. Oktober 2006 ende.

Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein. Er legte ein Schreiben des Kulturamtes der Stadt K. vor, wonach er als aktiver Künstler gut bekannt und in der zurückliegenden Zeit an verschiedenen, auch vom Kulturamt unterstützten Ausstellungen in K. beteiligt gewesen sei. Weiterhin legte der Kläger die Beschreibung eines Altars vor, den er nach eigenen Angaben für den Dom der Stadt K. geschaffen hat, die Preisliste einer Ausstellung von Februar bis März 2007, an der er beteiligt war, und den Ausdruck einer Internetpräsentation einer Künstlergruppe, in der sein Name genannt wurde.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Juni 2007 wurde der Widerspruch zurückgewiesen, da die Tätigkeitsnachweise nicht als ausreichend angesehen wurden.

Der Kläger hat hiergegen am 16. Juli 2007 Klage bei dem Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Er übe seine Tätigkeit erwerbsmäßig und nicht nur als Hobby oder aus Liebhaberei aus. Er verfolge mit seinem Schaffen die Absicht, auf Dauer Einnahmen zu erzielen. Es liege aber nicht in seiner Hand, dass seine Werke auch gekauft würden. Er sei jedoch redlich bemüht, sich und seine Kunst zu vermarkten. Die wirtschaftliche Lage erlaube es derzeit den Menschen offensichtlich nicht, sich der Kunst auch durch Erwerb von Kunstwerken moderner Künstler zu widmen. Zwar habe er in der Vergangenheit die Einkommensgrenze von 3900 EUR (§ 3 Abs. 1 KSVG) unterschritten. Es könne aber nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass dies auch in Zukunft der Fall sei. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass er in den Jahren 2002 bis 2004 und 2005 bis 2007 seine künstlerische Tätigkeit unterbrochen habe, weil er mit der Erziehung seiner Kinder betraut gewesen sei. Vorsorglich werde mitgeteilt, dass er eine Versicherungsfreiheit nicht in Anspruch nehmen wolle.

Mit Gerichtsbescheid vom 27. Februar 2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Voraussetzung für eine erwerbsmäßige künstlerische Tätigkeit sei, dass diese in einem so nennenswerten Umfang während zumindest eines Teil des Jahres ausgeübt werde, dass die Erzielung eines Erwerbseinkommen möglich erscheine. Dies könne beim Kläger nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden. Der Kläger bestreite vollumfänglich seinen Lebensunterhalt über Leistungen nach dem SGB II. Zwar möge es zutreffen, dass der Kläger mit seinem künstlerischen Schaffen die Absicht verfolge, hieraus auf Dauer Einnahmen zu erzielen. Sofern diese Absicht sich jedoch über mehrere Jahre nicht in Einnahmen realisiere, lasse sich der Nachweis der erwerbsmäßigen künstlerischen Tätigkeit im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KSVG nicht erbringen.

Der Kläger hat gegen den seiner Prozessbevollmächtigten am 3. März 2008 zugestellten Gerichtsbescheid am 2. April 2008 Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholt und vertieft er seine erstinstanzlichen Angaben. Für eine erwerbsmäßige künstlerische Tätigkeit genüge die nachhaltige, auf Dauer angelegte Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen. Es gebe immer wieder Nachfragen von Kaufinteressenten.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27. Februar 2008 und den Bescheid der Beklagten vom 16. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juni 2007 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Auf Anforderung des Senats hat der Kläger die Bescheide über Leistungen nach dem SGB II sowie über die Gewährung von Bundes- bzw. Landeserziehungsgeld übersandt. Einkommen¬steuerbescheide, so hat er auf Nachfrage angegeben, lägen nicht vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des SG und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG die Klage zu Recht abgewiesen.

Der Bescheid vom 16. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Juni 2007 ist rechtmäßig.

Selbstständige Künstler und Publizisten werden in der allgemeinen Rentenversicherung versichert, wenn sie u. a. die künstlerische oder publizistische Tätigkeit erwerbsmäßig und nicht nur vorübergehend ausüben (§ 1 Nr. 1 KSVG). Die künstlerische oder publizistische Tätigkeit muss mindestens auch zum Zweck des Broterwerbs ausgeübt und nicht nur zum Zweck einer reinen Liebhaberei betrieben werden (Finke in: Finke/Brachmann/Nordhausen, KSVG, 3. Aufl. 2004, § 1 Rdnr. 21).

Der Senat ist zu der Überzeugung gelangt, dass eine Erwerbsmäßigkeit der künstlerischen Betätigung nicht vorliegt. Allein die Auflistung von Ausstellungen, an denen der Kläger teilgenommen hatte, reicht nicht aus, um eine erwerbsmäßigen Betätigung nachzuweisen. Gleiches gilt für die Internetpräsentation, die auch nur den Namen des Klägers innerhalb einer größeren Gruppe anderer Künstler aufführt. Denn auch eine akademische Ausbildung hindert einen Künstler nicht daran, sich ausschließlich als Hobby oder aus Liebhaberei künstlerisch zu betätigen, wobei der Verkauf einzelner Bilder dem nicht zwingend entgegensteht. In den vom Kläger vorgelegten Berechnungsbögen des Jobcenter Stadt K. sind im hier streitigen Zeitraum keine Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit vermerkt. Die behaupteten Kaufinteressenten haben sich niemals entschlossen, auch ein Werk des Klägers zu erstehen. Der Umstand, dass der Kläger seit Jahren keinerlei Einnahmen aus seiner Tätigkeit als Maler nachweisen kann, spricht dagegen, dass seine Tätigkeit auf die Erzielung von Einnahmen ausgerichtet war, damit auch gegen eine erwerbsmäßige Betätigung. Wenn der Kläger angibt, er habe sich in der Vergangenheit über längere Zeit der Betreuung und Erziehung seiner Kinder gewidmet, spricht dies ebenfalls mehr gegen als für eine Bestrebung, die wirtschaftlichen Grundlagen der eigenen Existenz auf eine künstlerische Betätigung zu stellen. Es ist auch nicht zu erkennen, warum sich die Ausrichtung der künstlerischen Tätigkeit in Zukunft dahingehend ändern soll, dass sie auf ein Erwerbseinkommen ausgerichtet ist. Jedenfalls hat der Kläger solches nicht vorgetragen. Die erst in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gemachten Angaben zu - den wenigen und nur gering bezahlten - Kursen an der Volkshochschule, die der Kläger in der letzten Zeit gibt, sind bei der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung ohne Bedeutung.

Die Beklagte war daher berechtigt den Bescheid nach § 48 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zu ändern. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorlagen, eine wesentliche Änderung eintritt. Nach § 8 Abs. 2 Satz 2 KSVG ist der Bescheid über die Versicherungspflicht bei Änderung der Verhältnisse nur mit Wirkung zum ersten des Monats an aufzuheben, der auf den Monat folgt, in dem die Künstlersozialkasse von der Änderung Kenntnis erhält. Dies ist geschehen, nachdem sich die Beklagte im Verwaltungsverfahren davon überzeugen konnte, dass der Kläger keine ausreichenden Unterlagen über Einkünfte aus dem Verkauf seiner Bilder vorlegen kann. Entgegen seinen Angaben bei Erteilung des Bescheids vom 22. April 2002, wo noch zumindest der Verkauf eines Bildes angezeigt und ein Jahreseinkommen von 1.200 DM angegeben wurde, stellte sich der Charakter der künstlerischen Tätigkeit nunmehr anders dar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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