Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 8 KR 3503/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 1918/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Der für die Beitragsbemesseung freiwilliger Mitglieder, die hauptberuflich selbstständig erwerbstätig sind und Anspruch auf einen monatlichen Existenzgründungszuschuss haben, nach § 240 IV 2 SGB V maßgebliche 60. Teil der monatlichen Bezugsgröße ist eine Untergrenze und kein Fixum. (Revision zugelassen)
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 11. März 2008 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten beider Instanzen sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe der Beiträge des Klägers in der Kranken- und Pflegeversicherung vom 1. Februar 2004 bis 4. Januar 2006.
Der Kläger ist seit 5. Januar 2004 als Fahrlehrer selbstständig tätig und erhielt für die Zeit vom 5. Januar 2004 bis 4. Januar 2006 einen Existenzgründungszuschuss der Bundesanstalt bzw. Bundesagentur für Arbeit (Bescheide vom 26. Januar 2004 und 15. Dezember 2004). Er ist bei der Beklagten zu 1 freiwillig kranken- und bei der bei der Beklagten zu 1 errichteten Pflegekasse, der Beklagten zu 2, pflegeversichert.
Gegenüber der Beklagten zu 1 gab der Kläger bei Aufnahme seiner selbstständigen Tätigkeit voraussichtliche monatliche Einkünfte in Höhe von 1.200 EUR an. Mit Bescheid vom 18. Dezember 2003 setzte die Beklagte zu 1 daraufhin den Beitrag zur Kranken- bzw. zur Pflegeversicherung ab 5. Januar 2004 auf 170,26 EUR bzw. auf 20,53 EUR fest, ausgehend von Einkünften in Höhe von 50 % der monatlichen Bezugsgröße. Im Bescheid ist vermerkt, dass die Beitragseinstufung lediglich unter Vorbehalt gelte und überprüft werde, sobald zu der selbstständigen Tätigkeit der erste Einkommensteuerbescheid vorliege. Sollte sich aus diesem ein höheres als das geschätzte Einkommen ergeben, würden Beiträge nacherhoben. Nachdem der Kläger im folgenden Jahr mitgeteilt hatte, an seinen Einkünften habe sich nichts geändert, setzte die Beklagte zu 1 den Beitrag ab 5. Januar 2005 mit Bescheid vom 22. Dezember 2004 in gleicher Höhe fest. Auch dieser Bescheid erging unter dem genannten Vorbehalt.
Am 31. Mai 2006 legte der Kläger die Einkommensteuerbescheide für 2004 (vom 18. Oktober 2005; Aktenseite 21 der Verwaltungsakten der Beklagten) und für 2005 (vom 26. Mai 2006; Aktenseite 16 der Verwaltungsakten der Beklagten) vor, wonach er im Jahr 2004 Einkünfte aus selbstständiger Arbeit in Höhe von 52.232 EUR und im Jahr 2005 in Höhe von 31.895 EUR erzielt hatte.
Mit Bescheid vom 6. Juni 2006 setzte die Beklagte zu 1 daraufhin den Beitrag ab 1. Juni 2006 auf der Grundlage monatlicher beitragspflichtiger Einnahmen in Höhe von 2.674,50 EUR in Höhe von 371,76 EUR zur Kranken- und in Höhe von 52,15 EUR zur Pflegeversicherung neu fest. Mit Bescheid vom 15. September 2006 setzte die Beklagte zu 1 die Beiträge für die Zeit vom 1. Februar 2004 bis 31. Mai 2006 neu fest. Auf der Grundlage monatlicher beitragspflichtiger Einnahmen von 3.487,50 EUR ergaben sich für den Zeitraum 1. Februar bis 31. März 2004 Beiträge in Höhe von 491,74 EUR zur Kranken- und in Höhe von 59,29 EUR zur Pflegeversicherung sowie für den Zeitraum 1. April bis 31. Dezember 2004 in Höhe von 484,76 EUR zur die Kranken- und in Höhe von 59,29 EUR zur Pflegeversicherung. Auf der Grundlage monatlicher beitragspflichtiger Einnahmen von 3.525,00 EUR ergaben sich für den Zeitraum 1. Januar bis 31. Dezember 2005 Beiträge in Höhe von 489,98 EUR zur Kranken- und in Höhe von 68,74 EUR zur Pflegeversicherung. Auf der Grundlage monatlicher beitragspflichtiger Einnahmen von 3.562,50 EUR ergaben sich für den Zeitraum 1. Januar bis 31. Mai 2006 Beiträge in Höhe von 495,19 EUR zur Kranken- und in Höhe von 69,47 EUR zur Pflegeversicherung. Die Nachforderung in Höhe betrug insgesamt 10.182,01 EUR. Wegen der Einzelheiten wird auf Aktenseiten 23 f der Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein. Er vertrat dabei die Ansicht, dass der 60. Teil der monatlichen Bezugsgröße (§ 240 Abs. 4 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB V) nicht als Mindesteinnahmen anzusehen sei, sondern die für die Beitragsbemessung maßgebende Einnahmen festschreibe. Die Beklagte, die dieser Ansicht nicht folgte, wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 11. April 2007 zurück.
Der Kläger hat seine Rechtsansicht mit der am 2. Mai 2007 bei dem Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobenen Klage weiterverfolgt.
Mit Urteil vom 11. März 2008 hat das SG den Bescheid vom 15. September 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. April 2007 dahingehend abgeändert, dass der Kläger nicht verpflichtet ist, für die Zeit vom 1. Februar 2004 bis 4. Januar 2006 Beiträge nachzuentrichten. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Regelung in § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V sehe vor, für die Bezugsdauer des Existenzgründungszuschusses Beiträge auch dann auf der Grundlage von Einkünften nach dem 60. Teil der monatlichen Bezugsgröße zu erheben, wenn die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds eine höhere Beitragsbemessungsgrundlage ergeben würde. Denn hätte der Gesetzgeber nicht eine Höchstgrenze, sondern wie bei anderen freiwillig Versicherten eine Mindesteinkommensgrenze festlegen wollen, hätte er im maßgeblichen Teil des § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V das Wort "mindestens" wiederholen müssen. Da er dies nicht getan habe, beziehe sich das Wort nur auf den ersten Satzteil. Im Übrigen trage die Einführung einer Fixgrenze dem Sinn und Zweck Rechnung, Existenzgründer in ihrer Gründungsphase besonders zu entlasten. Diese Entlastung erfolge nicht nur durch den Bezug des Existenzgründungszuschusses, sondern auch durch eine besondere Privilegierung bei der Beitragserhebung im Rahmen des SGB V. Hierdurch solle auch gewährleistet werden, dass der Existenzgründer während der Gründungsphase für ihn vorhersehbare und kalkulierbare Beiträge entrichte und im Falle eines höheren Einkommens nicht zur Nachentrichtung verpflichtet sei.
Mit Schreiben der "B. E." ist gegen das den Beklagten am 8. April 2008 zugestellte Urteil am 23. April 2008 Berufung eingelegt worden. Zur Begründung ist ausgeführt worden, die Interpretation des § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V durch das SG vermöge nicht zu überzeugen. Bezug genommen worden ist auf das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 14. Februar 2007, L 11 KR 69/06. Mit Schreiben vom 20. Juni 2008 ist "klargestellt" worden, dass die Berufung von beiden Beklagten (Kranken- und Pflegekasse) erhoben worden sei.
Die Beklagten beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 11. März 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die von den Beklagten bzw. dem LSG Nordrhein-Westfalen angestellten Erwägungen seien mit dem Wortlaut der fraglichen Regelung nicht vereinbar.
Der Senat hat die Satzungen der Beklagten im maßgeblichen Zeitraum beigezogen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.
Die Berufung ist auch für die Beklagte zu 2, also die Pflegekasse, zulässig. Zwar bestehen Zweifel, ob der Ansicht der Beklagten zu folgen ist, aus der "Personalunion" von Kranken- und Pflegekasse sei sowohl für das Gericht wie auch den Kläger erkennbar gewesen, dass beide Beklagte Berufung erheben wollen. Denn der Berufungsschriftsatz trägt allein den Briefkopf der Beklagten mit dem Zusatz "Vorstand", während etwa der Schriftsatz vom 20. Juni 2008 den Zusatz "Vorstand - u. Pflegekasse" enthält. Auch nennt der Berufungsschriftsatz allein eine Beklagte als Prozessbeteiligte, ohne hier auf die Trennung von Kranken- und Pflegekasse abzustellen. Hierauf kommt es jedoch nicht an. Denn in dem Schreiben vom 20. Juni 2008 ist zumindest ein Parteibeitritt der Beklagten zu 2 zu sehen, der sich nach den Regelungen der Klageänderung (§ 99 SGG) vollzieht und grundsätzlich auch in der Berufungsinstanz möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 31. Juli 2002, B 4 RA 20/01 R, SozR 3-1500 § 29 Nr. 1; Meyer-Ladewig, SGG, 8. Aufl. 2005, § 99 Rdnr. 6). Dieser ist hier zulässig, da der Kläger sich hierauf in der mündlichen Verhandlung eingelassen hat (§ 99 Abs. 2 SGG).
Streitgegenstand ist der Bescheid der Beklagten zu 1 vom 15. September 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 11. April 2007, jedoch nur insoweit, als er die Beitragsfestsetzung bzw. die entsprechende Nachentrichtung in der Zeit vom 1. Februar 2004 bis 4. Januar 2006 betrifft. Für die Zeiten danach, also vom 5. Januar bis 31. Mai 2006, ist in der Bescheid ausweislich des in der mündlichen Verhandlung vor dem SG gestellten Antrags nicht (mehr) angefochten worden. Hierüber hat das SG auch folgerichtig nicht entschieden.
Der so angefochtene Bescheid ist rechtmäßig. Das SG hätte ihn deswegen nicht abändern dürfen.
Nach § 240 Abs. 1 SGB V wird die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder durch die Satzung geregelt. Die Satzungen der Beklagten enthalten - soweit hier von Interesse - keine abweichenden Regelungen, sondern verweisen auf die gesetzlichen Regelungen (vgl. § 21 Abs. 1 und 5 Satz 1). § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V schreibt vor, dass für freiwillige Mitglieder, die hauptberuflich selbstständig erwerbstätig sind, als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag mindestens der 30. Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze gilt, bei Nachweis niedrigerer Einnahmen jedoch mindestens der 40. Teil, für freiwillige Mitglieder die Anspruch auf einen monatlichen Existenzgründungszuschuss nach § 421l des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) haben, der 60. Teil der monatlichen Bezugsgröße. Insoweit ist die Regelung seit der Änderung durch das Zweite Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 (BGBl. I S. 4621) mit Wirkung vom 1. Januar 2003 unverändert geblieben. Die später erfolgten Erweiterungen auf Versicherte mit Anspruch auf eine Leistung zur Eingliederung nach § 16 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) bzw. auf einen monatlichen Gründungszuschuss nach § 57 SGB III (durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitssuchende vom 20. Juli 2006, BGBl. I S. 1706) sind hier ohne Bedeutung.
Für die Beiträge zur Pflegeversicherung gilt § 240 SGB V entsprechend (§ 57 Abs. 4 Satz 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB XI). Die Beiträge sind an die Krankenkasse, bei der die zuständige Pflegekasse errichtet ist - hier also an die Beklagte zu 1 - zu Gunsten der Pflegeversicherung zu zahlen (§ 60 Abs. 3 Satz 1 SGB XI).
Der Senat folgt der Ansicht des LSG Nordrhein-Westfalen im genannten Urteil vom 14. Februar 2007 und versteht die Regelung in § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V so, dass mit dem 60. Teil der monatlichen Bezugsgröße lediglich Mindesteinnahmen gemeint sind, hingegen nicht ein feststehender Betrag (Fixbetrag). Dies entspricht auch dem bisherigen Verständnis in der Rechtsprechung (vgl. BSG, Urteil vom 22. März 2006, B 12 KR 14/05 R, SozR 4-2500 § 240 Nr. 5, Juris-Rdnr. 17: "niedrigere Mindestbeitragsbemessungsgrenze") und Teilen der Literatur (Peters in: Kasseler Kommentar, § 240 SGB V Rdnr. 35: "der tägliche Mindestbeitrag"), wo die Problematik jedoch nicht ausdrücklich angesprochen wird (anders Krauskopf in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, § 240 SGB V Rdnr. 39, der zum gegenteiligen Ergebnis gelangt).
Dieser Auslegung steht der Wortlaut der Vorschrift, anders als das SG meint, nicht zwingend entgegen. Denn das Wort "mindestens" kann sich auch auf den hier maßgeblichen Teil des Satzes ("für freiwillige Mitglieder die Anspruch ...") beziehen, ohne dass es wiederholt werden muss.
Auch der Regelungszusammenhang spricht für die hier vertretene Ansicht. Denn § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V regelt in seinem ersten Teil einen Mindestbeitrag, sodass es nahe liegt, auch den zweiten Teil hierauf zu beziehen. Hätte der Gesetzgeber die Vorschrift anders verstanden, hätte er dies deutlich machen müssen. In der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 15/26, S. 26) ist jedoch von einem feststehender Beitrag nicht die Rede, vielmehr ausdrücklich von einem, für Existenzgründer geschaffenen neuen "Mindestbeitrag".
Sinn und Zweck der Regelung sprechen gleichfalls nicht gegen ein Verständnis als Mindestbeitrag. Zwar wollte der Gesetzgeber denjenigen, die Anspruch auf einen Existenzgründungszuschuss haben, entgegen kommen und verhindern, dass einer Existenzgründung übermäßig hohe Hindernisse entgegenstehen (BT-Drs. a.a.O.). Dies geschieht jedoch bereits dadurch, dass er ihnen den Weg in die gesetzliche Krankenversicherung als freiwillige Mitglieder zu einem günstigeren Beitragssatz eröffnet. Dass dieser günstige Beitragssatz auch dann gelten soll, wenn die Versicherten tatsächlich über höhere Einkünfte verfügen, ist nicht zwingend und auch nicht naheliegend. Immerhin steht der Gewährung eines Existenzgründungszuschusses ein voraussichtliches Arbeitseinkommen nach § 15 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch in Höhe von voraussichtlich 25.000 EUR im Jahr nicht entgegen (§ 421 l Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB III). Warum Einkünfte in dieser Größenordnung oder darüber hinausgehend (Prognose), auch sonstige Einkünfte, etwa aus Vermietung und Verpachtung oder aus Kapitalvermögen, der Beitragserhebung zur gesetzlichen Krankenversicherung entzogen sein sollen, ist nicht einzusehen, zumal diese die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Existenzgründers prägen.
Die Beklagte zu 1 durfte den Beitrag, nachdem der Einkommensteuerbescheid bei der Beitragsfestsetzung noch nicht vorlag, auch unter Vorbehalt festsetzen. Diese vorläufigen Bescheide vom 18. Dezember 2003 und 22. Dezember 2004 wurden nach Erlass des endgültigen Beitragsbescheids gemäß § 39 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch wirkungslos (vgl. BSG, Urteil vom 22. März 2006, a. a. O.) und standen der Beitragserhebung durch den hier angefochtenen Bescheid nicht entgegen.
Weitere Einwendungen gegen die Berechnung der Höhe der Beiträge sind nicht geltend gemacht worden und auch sonst nicht ersichtlich. Der Kläger überschritt ausgehend von den vorgelegten Einkommensteuerbescheiden in den Jahren 2004 bis 2006 jeweils die Beitragsbemessungsgrenze, so dass jeweils Einnahmen in dieser Höhe zugrunde gelegt werden konnten und darüber hinausgehende Einkünfte nicht zu berücksichtigen waren (§ 223 Abs. 3 SGB V).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zugelassen.
Außergerichtliche Kosten beider Instanzen sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe der Beiträge des Klägers in der Kranken- und Pflegeversicherung vom 1. Februar 2004 bis 4. Januar 2006.
Der Kläger ist seit 5. Januar 2004 als Fahrlehrer selbstständig tätig und erhielt für die Zeit vom 5. Januar 2004 bis 4. Januar 2006 einen Existenzgründungszuschuss der Bundesanstalt bzw. Bundesagentur für Arbeit (Bescheide vom 26. Januar 2004 und 15. Dezember 2004). Er ist bei der Beklagten zu 1 freiwillig kranken- und bei der bei der Beklagten zu 1 errichteten Pflegekasse, der Beklagten zu 2, pflegeversichert.
Gegenüber der Beklagten zu 1 gab der Kläger bei Aufnahme seiner selbstständigen Tätigkeit voraussichtliche monatliche Einkünfte in Höhe von 1.200 EUR an. Mit Bescheid vom 18. Dezember 2003 setzte die Beklagte zu 1 daraufhin den Beitrag zur Kranken- bzw. zur Pflegeversicherung ab 5. Januar 2004 auf 170,26 EUR bzw. auf 20,53 EUR fest, ausgehend von Einkünften in Höhe von 50 % der monatlichen Bezugsgröße. Im Bescheid ist vermerkt, dass die Beitragseinstufung lediglich unter Vorbehalt gelte und überprüft werde, sobald zu der selbstständigen Tätigkeit der erste Einkommensteuerbescheid vorliege. Sollte sich aus diesem ein höheres als das geschätzte Einkommen ergeben, würden Beiträge nacherhoben. Nachdem der Kläger im folgenden Jahr mitgeteilt hatte, an seinen Einkünften habe sich nichts geändert, setzte die Beklagte zu 1 den Beitrag ab 5. Januar 2005 mit Bescheid vom 22. Dezember 2004 in gleicher Höhe fest. Auch dieser Bescheid erging unter dem genannten Vorbehalt.
Am 31. Mai 2006 legte der Kläger die Einkommensteuerbescheide für 2004 (vom 18. Oktober 2005; Aktenseite 21 der Verwaltungsakten der Beklagten) und für 2005 (vom 26. Mai 2006; Aktenseite 16 der Verwaltungsakten der Beklagten) vor, wonach er im Jahr 2004 Einkünfte aus selbstständiger Arbeit in Höhe von 52.232 EUR und im Jahr 2005 in Höhe von 31.895 EUR erzielt hatte.
Mit Bescheid vom 6. Juni 2006 setzte die Beklagte zu 1 daraufhin den Beitrag ab 1. Juni 2006 auf der Grundlage monatlicher beitragspflichtiger Einnahmen in Höhe von 2.674,50 EUR in Höhe von 371,76 EUR zur Kranken- und in Höhe von 52,15 EUR zur Pflegeversicherung neu fest. Mit Bescheid vom 15. September 2006 setzte die Beklagte zu 1 die Beiträge für die Zeit vom 1. Februar 2004 bis 31. Mai 2006 neu fest. Auf der Grundlage monatlicher beitragspflichtiger Einnahmen von 3.487,50 EUR ergaben sich für den Zeitraum 1. Februar bis 31. März 2004 Beiträge in Höhe von 491,74 EUR zur Kranken- und in Höhe von 59,29 EUR zur Pflegeversicherung sowie für den Zeitraum 1. April bis 31. Dezember 2004 in Höhe von 484,76 EUR zur die Kranken- und in Höhe von 59,29 EUR zur Pflegeversicherung. Auf der Grundlage monatlicher beitragspflichtiger Einnahmen von 3.525,00 EUR ergaben sich für den Zeitraum 1. Januar bis 31. Dezember 2005 Beiträge in Höhe von 489,98 EUR zur Kranken- und in Höhe von 68,74 EUR zur Pflegeversicherung. Auf der Grundlage monatlicher beitragspflichtiger Einnahmen von 3.562,50 EUR ergaben sich für den Zeitraum 1. Januar bis 31. Mai 2006 Beiträge in Höhe von 495,19 EUR zur Kranken- und in Höhe von 69,47 EUR zur Pflegeversicherung. Die Nachforderung in Höhe betrug insgesamt 10.182,01 EUR. Wegen der Einzelheiten wird auf Aktenseiten 23 f der Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein. Er vertrat dabei die Ansicht, dass der 60. Teil der monatlichen Bezugsgröße (§ 240 Abs. 4 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB V) nicht als Mindesteinnahmen anzusehen sei, sondern die für die Beitragsbemessung maßgebende Einnahmen festschreibe. Die Beklagte, die dieser Ansicht nicht folgte, wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 11. April 2007 zurück.
Der Kläger hat seine Rechtsansicht mit der am 2. Mai 2007 bei dem Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobenen Klage weiterverfolgt.
Mit Urteil vom 11. März 2008 hat das SG den Bescheid vom 15. September 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. April 2007 dahingehend abgeändert, dass der Kläger nicht verpflichtet ist, für die Zeit vom 1. Februar 2004 bis 4. Januar 2006 Beiträge nachzuentrichten. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Regelung in § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V sehe vor, für die Bezugsdauer des Existenzgründungszuschusses Beiträge auch dann auf der Grundlage von Einkünften nach dem 60. Teil der monatlichen Bezugsgröße zu erheben, wenn die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds eine höhere Beitragsbemessungsgrundlage ergeben würde. Denn hätte der Gesetzgeber nicht eine Höchstgrenze, sondern wie bei anderen freiwillig Versicherten eine Mindesteinkommensgrenze festlegen wollen, hätte er im maßgeblichen Teil des § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V das Wort "mindestens" wiederholen müssen. Da er dies nicht getan habe, beziehe sich das Wort nur auf den ersten Satzteil. Im Übrigen trage die Einführung einer Fixgrenze dem Sinn und Zweck Rechnung, Existenzgründer in ihrer Gründungsphase besonders zu entlasten. Diese Entlastung erfolge nicht nur durch den Bezug des Existenzgründungszuschusses, sondern auch durch eine besondere Privilegierung bei der Beitragserhebung im Rahmen des SGB V. Hierdurch solle auch gewährleistet werden, dass der Existenzgründer während der Gründungsphase für ihn vorhersehbare und kalkulierbare Beiträge entrichte und im Falle eines höheren Einkommens nicht zur Nachentrichtung verpflichtet sei.
Mit Schreiben der "B. E." ist gegen das den Beklagten am 8. April 2008 zugestellte Urteil am 23. April 2008 Berufung eingelegt worden. Zur Begründung ist ausgeführt worden, die Interpretation des § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V durch das SG vermöge nicht zu überzeugen. Bezug genommen worden ist auf das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 14. Februar 2007, L 11 KR 69/06. Mit Schreiben vom 20. Juni 2008 ist "klargestellt" worden, dass die Berufung von beiden Beklagten (Kranken- und Pflegekasse) erhoben worden sei.
Die Beklagten beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 11. März 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die von den Beklagten bzw. dem LSG Nordrhein-Westfalen angestellten Erwägungen seien mit dem Wortlaut der fraglichen Regelung nicht vereinbar.
Der Senat hat die Satzungen der Beklagten im maßgeblichen Zeitraum beigezogen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.
Die Berufung ist auch für die Beklagte zu 2, also die Pflegekasse, zulässig. Zwar bestehen Zweifel, ob der Ansicht der Beklagten zu folgen ist, aus der "Personalunion" von Kranken- und Pflegekasse sei sowohl für das Gericht wie auch den Kläger erkennbar gewesen, dass beide Beklagte Berufung erheben wollen. Denn der Berufungsschriftsatz trägt allein den Briefkopf der Beklagten mit dem Zusatz "Vorstand", während etwa der Schriftsatz vom 20. Juni 2008 den Zusatz "Vorstand - u. Pflegekasse" enthält. Auch nennt der Berufungsschriftsatz allein eine Beklagte als Prozessbeteiligte, ohne hier auf die Trennung von Kranken- und Pflegekasse abzustellen. Hierauf kommt es jedoch nicht an. Denn in dem Schreiben vom 20. Juni 2008 ist zumindest ein Parteibeitritt der Beklagten zu 2 zu sehen, der sich nach den Regelungen der Klageänderung (§ 99 SGG) vollzieht und grundsätzlich auch in der Berufungsinstanz möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 31. Juli 2002, B 4 RA 20/01 R, SozR 3-1500 § 29 Nr. 1; Meyer-Ladewig, SGG, 8. Aufl. 2005, § 99 Rdnr. 6). Dieser ist hier zulässig, da der Kläger sich hierauf in der mündlichen Verhandlung eingelassen hat (§ 99 Abs. 2 SGG).
Streitgegenstand ist der Bescheid der Beklagten zu 1 vom 15. September 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 11. April 2007, jedoch nur insoweit, als er die Beitragsfestsetzung bzw. die entsprechende Nachentrichtung in der Zeit vom 1. Februar 2004 bis 4. Januar 2006 betrifft. Für die Zeiten danach, also vom 5. Januar bis 31. Mai 2006, ist in der Bescheid ausweislich des in der mündlichen Verhandlung vor dem SG gestellten Antrags nicht (mehr) angefochten worden. Hierüber hat das SG auch folgerichtig nicht entschieden.
Der so angefochtene Bescheid ist rechtmäßig. Das SG hätte ihn deswegen nicht abändern dürfen.
Nach § 240 Abs. 1 SGB V wird die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder durch die Satzung geregelt. Die Satzungen der Beklagten enthalten - soweit hier von Interesse - keine abweichenden Regelungen, sondern verweisen auf die gesetzlichen Regelungen (vgl. § 21 Abs. 1 und 5 Satz 1). § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V schreibt vor, dass für freiwillige Mitglieder, die hauptberuflich selbstständig erwerbstätig sind, als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag mindestens der 30. Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze gilt, bei Nachweis niedrigerer Einnahmen jedoch mindestens der 40. Teil, für freiwillige Mitglieder die Anspruch auf einen monatlichen Existenzgründungszuschuss nach § 421l des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) haben, der 60. Teil der monatlichen Bezugsgröße. Insoweit ist die Regelung seit der Änderung durch das Zweite Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 (BGBl. I S. 4621) mit Wirkung vom 1. Januar 2003 unverändert geblieben. Die später erfolgten Erweiterungen auf Versicherte mit Anspruch auf eine Leistung zur Eingliederung nach § 16 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) bzw. auf einen monatlichen Gründungszuschuss nach § 57 SGB III (durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitssuchende vom 20. Juli 2006, BGBl. I S. 1706) sind hier ohne Bedeutung.
Für die Beiträge zur Pflegeversicherung gilt § 240 SGB V entsprechend (§ 57 Abs. 4 Satz 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB XI). Die Beiträge sind an die Krankenkasse, bei der die zuständige Pflegekasse errichtet ist - hier also an die Beklagte zu 1 - zu Gunsten der Pflegeversicherung zu zahlen (§ 60 Abs. 3 Satz 1 SGB XI).
Der Senat folgt der Ansicht des LSG Nordrhein-Westfalen im genannten Urteil vom 14. Februar 2007 und versteht die Regelung in § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V so, dass mit dem 60. Teil der monatlichen Bezugsgröße lediglich Mindesteinnahmen gemeint sind, hingegen nicht ein feststehender Betrag (Fixbetrag). Dies entspricht auch dem bisherigen Verständnis in der Rechtsprechung (vgl. BSG, Urteil vom 22. März 2006, B 12 KR 14/05 R, SozR 4-2500 § 240 Nr. 5, Juris-Rdnr. 17: "niedrigere Mindestbeitragsbemessungsgrenze") und Teilen der Literatur (Peters in: Kasseler Kommentar, § 240 SGB V Rdnr. 35: "der tägliche Mindestbeitrag"), wo die Problematik jedoch nicht ausdrücklich angesprochen wird (anders Krauskopf in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, § 240 SGB V Rdnr. 39, der zum gegenteiligen Ergebnis gelangt).
Dieser Auslegung steht der Wortlaut der Vorschrift, anders als das SG meint, nicht zwingend entgegen. Denn das Wort "mindestens" kann sich auch auf den hier maßgeblichen Teil des Satzes ("für freiwillige Mitglieder die Anspruch ...") beziehen, ohne dass es wiederholt werden muss.
Auch der Regelungszusammenhang spricht für die hier vertretene Ansicht. Denn § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V regelt in seinem ersten Teil einen Mindestbeitrag, sodass es nahe liegt, auch den zweiten Teil hierauf zu beziehen. Hätte der Gesetzgeber die Vorschrift anders verstanden, hätte er dies deutlich machen müssen. In der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 15/26, S. 26) ist jedoch von einem feststehender Beitrag nicht die Rede, vielmehr ausdrücklich von einem, für Existenzgründer geschaffenen neuen "Mindestbeitrag".
Sinn und Zweck der Regelung sprechen gleichfalls nicht gegen ein Verständnis als Mindestbeitrag. Zwar wollte der Gesetzgeber denjenigen, die Anspruch auf einen Existenzgründungszuschuss haben, entgegen kommen und verhindern, dass einer Existenzgründung übermäßig hohe Hindernisse entgegenstehen (BT-Drs. a.a.O.). Dies geschieht jedoch bereits dadurch, dass er ihnen den Weg in die gesetzliche Krankenversicherung als freiwillige Mitglieder zu einem günstigeren Beitragssatz eröffnet. Dass dieser günstige Beitragssatz auch dann gelten soll, wenn die Versicherten tatsächlich über höhere Einkünfte verfügen, ist nicht zwingend und auch nicht naheliegend. Immerhin steht der Gewährung eines Existenzgründungszuschusses ein voraussichtliches Arbeitseinkommen nach § 15 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch in Höhe von voraussichtlich 25.000 EUR im Jahr nicht entgegen (§ 421 l Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB III). Warum Einkünfte in dieser Größenordnung oder darüber hinausgehend (Prognose), auch sonstige Einkünfte, etwa aus Vermietung und Verpachtung oder aus Kapitalvermögen, der Beitragserhebung zur gesetzlichen Krankenversicherung entzogen sein sollen, ist nicht einzusehen, zumal diese die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Existenzgründers prägen.
Die Beklagte zu 1 durfte den Beitrag, nachdem der Einkommensteuerbescheid bei der Beitragsfestsetzung noch nicht vorlag, auch unter Vorbehalt festsetzen. Diese vorläufigen Bescheide vom 18. Dezember 2003 und 22. Dezember 2004 wurden nach Erlass des endgültigen Beitragsbescheids gemäß § 39 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch wirkungslos (vgl. BSG, Urteil vom 22. März 2006, a. a. O.) und standen der Beitragserhebung durch den hier angefochtenen Bescheid nicht entgegen.
Weitere Einwendungen gegen die Berechnung der Höhe der Beiträge sind nicht geltend gemacht worden und auch sonst nicht ersichtlich. Der Kläger überschritt ausgehend von den vorgelegten Einkommensteuerbescheiden in den Jahren 2004 bis 2006 jeweils die Beitragsbemessungsgrenze, so dass jeweils Einnahmen in dieser Höhe zugrunde gelegt werden konnten und darüber hinausgehende Einkünfte nicht zu berücksichtigen waren (§ 223 Abs. 3 SGB V).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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