Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
28
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 28 AS 145/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern ein Darlehen in Höhe von 2362,68 Euro zur Tilgung von Mietschulden zu gewähren. Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller dem Grunde nach.
Gründe:
Der am 10.7.2008 von den Antragstellern gestellte Antrag,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen ein Darlehen nach § 22 Abs. 5 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) zur Tilgung von Mietschulden zu gewähren,
hat keinen Erfolg.
Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen vor.
Nach § 86 b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht in der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn die Regelung zur Abwehr wesentlicher Nachteile oder aus anderen Gründen notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d.h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Unzumutbarkeit, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten, voraus. Der geltend gemachte (Leistungs-)Anspruch (Anordnungsanspruch) und die besonderen Gründe für die Notwendigkeit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -).
Im Fall der Antragsteller sind Anordnungsanspruch (1) und Anordnungsgrund (2) hinreichend glaubhaft gemacht.
(1) Es ist überwiegend wahrscheinlich, dass die Antragsteller gegen die Antragsgegnerin einen Anspruch aus § 22 Abs. 5 SGB II auf eine darlehensweise Übernahme der bestehenden Mietschulden haben. Nach § 22 Abs. 5 Satz 1 SGB II können, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden, auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht (Satz 2). Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden (Satz 4). Während die Fallkonstellation des Satzes 1 auf der Rechtsfolgenseite für die Entscheidung der Behörde einen Ermessensspielraum eröffnet, bindet der Gesetzgeber in Satz 2 die behördliche Entscheidung durch die Formulierung "sollen", es handelt sich um einen Fall des so genannten gebundenen Ermessens. Liegen die Voraussetzungen des Satzes 2 vor, ist im Regelfall von einem Anspruch des Leistungsberechtigten auf Übernahme der Schulden auszugehen (Ausnahme: Atypik) (vgl. Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 22 Rdn. 108).
Im Fall der Antragsteller sind die Voraussetzungen des § 22 Abs. 5 Satz 2 SGB II erfüllt. Das Gericht sieht nach Würdigung der vorliegenden Akten auch keinen atypischen Fall.
Für die Unterkunft der Antragsteller Lstraße 00, 00000 N bestehen Mietschulden in Höhe von 2362,68 Euro. Es handelt sich ausweislich der Klageschrift des Vermieters an das Amtsgericht N-S vom 24.1.2008 um rückständige Mieten für die Zeit April 2007 bis November 2007 in Höhe von 1614,68 Euro und die bislang nicht gezahlte Kaution in Höhe von 768,00 Euro. Mietschulden sind alle Schulden, die im Mietverhältnis gründen (Eicher/Spellbrink, aaO, Rdn. 102). Erfasst werden daher nicht nur die Mietrückstände aus 2007, sondern auch die rückständige Kaution.
Die Antragsteller sind ernsthaft von Wohnungslosigkeit bedroht. Der Mietvertrag für ihre Unterkunft ist von Seiten des Vermieters mit Schreiben vom 11.12.2007 wegen Zahlungsverzuges außerordentlich und fristlos gekündigt worden. Des weiteren ist mit Klageschrift vom 24.1.2008 von Seiten des Vermieters vor dem Amtsgericht N-S Räumungsklage erhoben worden. Bei Nichtzahlung der Mietrückstände droht den Antragstellern ein Räumungsurteil und eine Zwangsräumung aus ihrer Unterkunft.
Die Übernahme der Schulden ist auch gerechtfertigt und notwendig. Die Übernahme von Mietschulden durch den Sozialhilfeträger ist gerechtfertigt und notwendig, wenn hierdurch die drohende Wohnungslosigkeit (noch) erfolgreich abgewendet werden kann, des weiteren zukünftig keine neuen Mietrückstände zur Befürchtung stehen und damit die Unterkunft durch die Schuldenübernahme auf Dauer gesichert werden kann und dem Betroffenen keine Selbsthilfemöglichkeiten mehr zur Verfügung stehen. Zudem ist zu berücksichtigen, wie es zu der Notlage, d.h. zur Gefährdung der Unterkunft gekommen ist und ob es sich ggf. um einen Missbrauchsfall, einen vom Regelfall nicht erfassten atypischen Fall, handelt.
Im Fall der Antragsteller kann der drohende Verlust ihrer Unterkunft durch die Übernahme der Mietschulden noch abgewendet werden. Dem steht nicht entgegen, dass von Seiten des Vermieters bereits eine außerordentliche fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzuges ausgesprochen und Räumungsklage vor dem zuständigen Amtsgericht erhoben worden ist. Denn gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) wird eine außerordentliche fristlose Kündigung auch dann unwirksam, wenn der Vermieter spätestens bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs hinsichtlich der fälligen Miete ( ...) befriedigt wird oder sich eine öffentliche Stelle zur Befriedigung verpflichtet. Diese Frist ist im Fall der Antragsteller noch nicht abgelaufen. Nach ihren Angaben, die mit Blick auf das Übersendungsanschreiben des Amtsgerichtes N vom 21.5.2008 glaubhaft erscheinen, ist ihnen die Klageschrift vom 24.1.2008 am 28.5.2008 zugestellt worden, so dass die Frist nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB mit Ablauf des 28.7.2008 endet. Werden die Mietschulden bis zu diesem Zeitpunkt an den Vermieter gezahlt bzw. wird von der Antragsgegnerin als Träger der Grundsicherung eine Erklärung zur Übernahme der Mietschulden abgegeben, wird die außerordentliche fristlose Kündigung (rückwirkend) unwirksam und das Mietverhältnis besteht weiter. Es liegen zudem keine Anhaltspunkte dafür vor, dass zukünftig mit erneuten Mietrückständen zu rechnen ist. Nach November 2007 sind weitere Mietrückstände nicht mehr angefallen und ausweislich des Bescheides vom 17.7.2008 wird die Miete von der Antragsgegnerin aus den bewilligten Leistungen direkt an den Vermieter überwiesen. Selbsthilfemöglichkeiten der Antragsteller dürften keine mehr bestehen.
Das Gericht hält die Übernahme der Mietschulden auch nicht für ausgeschlossen, weil sich die Antragsteller zu 1) und 2) in der Vergangenheit bzw. im Juni 2008 im Rahmen des Leistungsbezuges unredlich verhalten haben. Insbesondere geht das Gericht davon aus, dass in Bezug auf die Entstehung der Mietschulden kein Missbrauchsfall, der eine Schuldenübernahme ausschließen würde, vorliegt. Ein Missbrauchsfall kann allein angenommen werden, wenn der Leistungsberechtigte vorsätzlich bzw. wiederholt Mietschulden hat entstehen lassen im Vertrauen darauf, dass der Sozialhilfeträger die Schulden zur gegebener Zeit übernehmen wird (vgl. Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Auflage 2008, § 34 Rdn. 7). Dies kann das Gericht hier mangels hinreichender Anhaltspunkte nicht feststellen. Die rückständigen Mietanteile für die Zeit April 2007 bis November 2007 dürften (zumindest auch) darauf beruhen, dass die Antragsgegnerin ab März 2007 gegen die laufenden Leistungen der Antragsteller zu 1) und 2) mit Erstattungsforderungen (aus den Erstattungsbescheiden vom 12.10.2005) in Höhe von 186,60 Euro monatlich aufgerechnet hat und damit den Antragstellern Mittel zur Sicherstellung ihres Lebensunterhalts fehlten. Dass der Aufrechnungsbetrag in seiner Höhe angreifbar war, zeigt der Umstand, dass die Antragsgegnerin im Rahmen der Vergleichsregelungen vom 11.10.2007 in den Verfahren S 37 AS 58/07 und S 37 AS 59/07 SG Düsseldorf der Absenkung der monatlichen Aufrechnung auf einen Betrag von 150,00 Euro monatlich zugestimmt hat. Dass die Aufrechnung dem Grunde nach berechtigt war bzw. ist, weil die Antragsteller zu 1) und 2) durch unredliches Verhalten die Überzahlung von Grundsicherungsleistungen schuldhaft verursacht haben, führt vorliegend nicht zum Ausschluss der Übernahme der Mietschulden durch den Sozialhilfeträger, weil Anhaltspunkte fehlen, dass auch die Mietschulden durch missbräuchliches Verhalten verursacht worden sind. Nur wenn feststeht, dass die Mietschulden missbräuchlich bzw. wiederholt verursacht worden sind, ist eine Schuldenübernahme nach § 22 Abs. 5 SGB II nicht gerechtfertigt. Dagegen kann nicht jegliches unredliche Verhalten des Leistungsberechtigten im Rahmen des Leistungsbezuges zum Ausschluss der Schuldenübernahme führen, auch nicht wenn die Mietschulden durch eine zu Recht wegen überzahlten Leistungen erfolgte Aufrechnung ausgelöst worden sind (ähnlich für den Fall grundsicherungsrechtlicher Sanktionen Eicher/Spellbrink, aaO, Rdn. 112). Dies liefe der Zielsetzung der Regelung des § 22 Abs. 5 SGB II, Obdachlosigkeit gar nicht entstehen zu lassen, weil die hiermit verbundenen Kosten für die öffentliche Hand in der Regel höher sind als die einer Schuldenübernahme, entgegen. Dass die streitbefangenen Mietrückstände aus April 2007 bis November 2007 teilweise den seinerzeit aufgerechneten Betrag von 186,60 Euro monatlich übersteigen und damit ggf. die Mietrückstände teilweise von den Antragstellern verschuldet worden sind, führt ebenfalls nicht zum Ausschluss der Schuldenübernahme. Grundsätzlich führt der Umstand, dass der Leistungsberechtigte die Gefährdung der Unterkunft durch Nichtzahlung von Mietanteilen verschuldet hat, nicht zum Ausschluss der Schuldenübernahme, weil es sich bei der Vorschrift des § 22 Abs. 5 SGB II nicht vorrangig um eine Sanktionsnorm handelt, sondern um eine Hilfenorm, mit der die drohende Obdachlosigkeit (oder eine andere Notlage) abgewendet werden soll. Eine Versagung der Hilfe zur Wohnraumsicherung kommt wegen der existenziellen Bedeutung des Wohnraums erst in vom Leistungsberechtigten verschuldeten Wiederholungs- bzw. anderweitig akzentuierten Extremfällen in Betracht (Eicher/Spellbrink, aaO, Rdn. 110, ähnlich Grube/Wahrendorf, aaO). Für die Annahme einer dieser Fallgestaltungen fehlen hier hinreichende Anhaltspunkte, insbesondere kann das Gericht den ihm vorliegenden Verwaltungsakten (Leistungsakten Band IV und V und Prozesshandakten der Verfahren S 37 AS 26/07, S 37 AS 58/07, S 37 AS 59/07 und S 37 AS 75/07 ER SG Düsseldorf) nicht entnehmen, dass die Antragsgegnerin in der Vergangenheit bereits Mietschulden der Antragsteller übernommen hat. Im wesentlich Gleiches muss für die rückständige Kaution gelten. Dem Gericht ist nicht bekannt, weshalb die Kaution von Seiten der Antragsteller seinerzeit im Oktober/November 2006 bei Einzug in die Unterkunft Lstraße 00 nicht gezahlt worden ist. Mit Blick auf die Dringlichkeit einer Entscheidung bis zum 28.7.2008 als Datum des Fristablaufs nach § 569 Abs 3 Nr. 2 Satz 1 BGB kann dies im Eilverfahren nicht weiter aufgeklärt werden. Den hier vorliegenden Akten können Anhaltspunkte für einen Missbrauchsfall bzw. Wiederholungsfall aber nicht entnommen werden. Allein ein von den Antragstellern verschuldetes Unterlassen der Kautionszahlung kann nicht zum Ausschluss der Schuldenübernahme führen.
Schließlich steht nach Auffassung des Gerichtes die Höhe des von der Antragsgegnerin zu übernehmenden Schuldenbetrages nicht in einem inakzeptablen Missverhältnis zu dem beabsichtigten Zweck der Sicherung der Unterkunft der Antragsteller. Das Gericht hat insoweit berücksichtigt, dass die der öffentlichen Hand zu Last fallenden (Folge-)Kosten einer Obdachlosigkeit der drei Antragsteller den Übernahmebetrag in der Höhe übersteigen dürften und die Antragsgegnerin zudem das Darlehen für die Kautionsschulden unter der Bedingung vergeben kann, dass die Antragsteller ihren Anspruch gegen den Vermieter auf Rückzahlung der Kaution nach Auszug aus der Wohnung an die Antragsgegnerin abtreten.
(2) Es besteht auch ein Anordnungsgrund für den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Im Falle eines Räumungsurteils droht den Antragstellern eine Zwangsräumung aus ihrer Unterkunft und damit die Obdachlosigkeit.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog.
Gründe:
Der am 10.7.2008 von den Antragstellern gestellte Antrag,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen ein Darlehen nach § 22 Abs. 5 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) zur Tilgung von Mietschulden zu gewähren,
hat keinen Erfolg.
Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen vor.
Nach § 86 b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht in der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn die Regelung zur Abwehr wesentlicher Nachteile oder aus anderen Gründen notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d.h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Unzumutbarkeit, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten, voraus. Der geltend gemachte (Leistungs-)Anspruch (Anordnungsanspruch) und die besonderen Gründe für die Notwendigkeit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -).
Im Fall der Antragsteller sind Anordnungsanspruch (1) und Anordnungsgrund (2) hinreichend glaubhaft gemacht.
(1) Es ist überwiegend wahrscheinlich, dass die Antragsteller gegen die Antragsgegnerin einen Anspruch aus § 22 Abs. 5 SGB II auf eine darlehensweise Übernahme der bestehenden Mietschulden haben. Nach § 22 Abs. 5 Satz 1 SGB II können, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden, auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht (Satz 2). Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden (Satz 4). Während die Fallkonstellation des Satzes 1 auf der Rechtsfolgenseite für die Entscheidung der Behörde einen Ermessensspielraum eröffnet, bindet der Gesetzgeber in Satz 2 die behördliche Entscheidung durch die Formulierung "sollen", es handelt sich um einen Fall des so genannten gebundenen Ermessens. Liegen die Voraussetzungen des Satzes 2 vor, ist im Regelfall von einem Anspruch des Leistungsberechtigten auf Übernahme der Schulden auszugehen (Ausnahme: Atypik) (vgl. Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 22 Rdn. 108).
Im Fall der Antragsteller sind die Voraussetzungen des § 22 Abs. 5 Satz 2 SGB II erfüllt. Das Gericht sieht nach Würdigung der vorliegenden Akten auch keinen atypischen Fall.
Für die Unterkunft der Antragsteller Lstraße 00, 00000 N bestehen Mietschulden in Höhe von 2362,68 Euro. Es handelt sich ausweislich der Klageschrift des Vermieters an das Amtsgericht N-S vom 24.1.2008 um rückständige Mieten für die Zeit April 2007 bis November 2007 in Höhe von 1614,68 Euro und die bislang nicht gezahlte Kaution in Höhe von 768,00 Euro. Mietschulden sind alle Schulden, die im Mietverhältnis gründen (Eicher/Spellbrink, aaO, Rdn. 102). Erfasst werden daher nicht nur die Mietrückstände aus 2007, sondern auch die rückständige Kaution.
Die Antragsteller sind ernsthaft von Wohnungslosigkeit bedroht. Der Mietvertrag für ihre Unterkunft ist von Seiten des Vermieters mit Schreiben vom 11.12.2007 wegen Zahlungsverzuges außerordentlich und fristlos gekündigt worden. Des weiteren ist mit Klageschrift vom 24.1.2008 von Seiten des Vermieters vor dem Amtsgericht N-S Räumungsklage erhoben worden. Bei Nichtzahlung der Mietrückstände droht den Antragstellern ein Räumungsurteil und eine Zwangsräumung aus ihrer Unterkunft.
Die Übernahme der Schulden ist auch gerechtfertigt und notwendig. Die Übernahme von Mietschulden durch den Sozialhilfeträger ist gerechtfertigt und notwendig, wenn hierdurch die drohende Wohnungslosigkeit (noch) erfolgreich abgewendet werden kann, des weiteren zukünftig keine neuen Mietrückstände zur Befürchtung stehen und damit die Unterkunft durch die Schuldenübernahme auf Dauer gesichert werden kann und dem Betroffenen keine Selbsthilfemöglichkeiten mehr zur Verfügung stehen. Zudem ist zu berücksichtigen, wie es zu der Notlage, d.h. zur Gefährdung der Unterkunft gekommen ist und ob es sich ggf. um einen Missbrauchsfall, einen vom Regelfall nicht erfassten atypischen Fall, handelt.
Im Fall der Antragsteller kann der drohende Verlust ihrer Unterkunft durch die Übernahme der Mietschulden noch abgewendet werden. Dem steht nicht entgegen, dass von Seiten des Vermieters bereits eine außerordentliche fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzuges ausgesprochen und Räumungsklage vor dem zuständigen Amtsgericht erhoben worden ist. Denn gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) wird eine außerordentliche fristlose Kündigung auch dann unwirksam, wenn der Vermieter spätestens bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs hinsichtlich der fälligen Miete ( ...) befriedigt wird oder sich eine öffentliche Stelle zur Befriedigung verpflichtet. Diese Frist ist im Fall der Antragsteller noch nicht abgelaufen. Nach ihren Angaben, die mit Blick auf das Übersendungsanschreiben des Amtsgerichtes N vom 21.5.2008 glaubhaft erscheinen, ist ihnen die Klageschrift vom 24.1.2008 am 28.5.2008 zugestellt worden, so dass die Frist nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB mit Ablauf des 28.7.2008 endet. Werden die Mietschulden bis zu diesem Zeitpunkt an den Vermieter gezahlt bzw. wird von der Antragsgegnerin als Träger der Grundsicherung eine Erklärung zur Übernahme der Mietschulden abgegeben, wird die außerordentliche fristlose Kündigung (rückwirkend) unwirksam und das Mietverhältnis besteht weiter. Es liegen zudem keine Anhaltspunkte dafür vor, dass zukünftig mit erneuten Mietrückständen zu rechnen ist. Nach November 2007 sind weitere Mietrückstände nicht mehr angefallen und ausweislich des Bescheides vom 17.7.2008 wird die Miete von der Antragsgegnerin aus den bewilligten Leistungen direkt an den Vermieter überwiesen. Selbsthilfemöglichkeiten der Antragsteller dürften keine mehr bestehen.
Das Gericht hält die Übernahme der Mietschulden auch nicht für ausgeschlossen, weil sich die Antragsteller zu 1) und 2) in der Vergangenheit bzw. im Juni 2008 im Rahmen des Leistungsbezuges unredlich verhalten haben. Insbesondere geht das Gericht davon aus, dass in Bezug auf die Entstehung der Mietschulden kein Missbrauchsfall, der eine Schuldenübernahme ausschließen würde, vorliegt. Ein Missbrauchsfall kann allein angenommen werden, wenn der Leistungsberechtigte vorsätzlich bzw. wiederholt Mietschulden hat entstehen lassen im Vertrauen darauf, dass der Sozialhilfeträger die Schulden zur gegebener Zeit übernehmen wird (vgl. Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Auflage 2008, § 34 Rdn. 7). Dies kann das Gericht hier mangels hinreichender Anhaltspunkte nicht feststellen. Die rückständigen Mietanteile für die Zeit April 2007 bis November 2007 dürften (zumindest auch) darauf beruhen, dass die Antragsgegnerin ab März 2007 gegen die laufenden Leistungen der Antragsteller zu 1) und 2) mit Erstattungsforderungen (aus den Erstattungsbescheiden vom 12.10.2005) in Höhe von 186,60 Euro monatlich aufgerechnet hat und damit den Antragstellern Mittel zur Sicherstellung ihres Lebensunterhalts fehlten. Dass der Aufrechnungsbetrag in seiner Höhe angreifbar war, zeigt der Umstand, dass die Antragsgegnerin im Rahmen der Vergleichsregelungen vom 11.10.2007 in den Verfahren S 37 AS 58/07 und S 37 AS 59/07 SG Düsseldorf der Absenkung der monatlichen Aufrechnung auf einen Betrag von 150,00 Euro monatlich zugestimmt hat. Dass die Aufrechnung dem Grunde nach berechtigt war bzw. ist, weil die Antragsteller zu 1) und 2) durch unredliches Verhalten die Überzahlung von Grundsicherungsleistungen schuldhaft verursacht haben, führt vorliegend nicht zum Ausschluss der Übernahme der Mietschulden durch den Sozialhilfeträger, weil Anhaltspunkte fehlen, dass auch die Mietschulden durch missbräuchliches Verhalten verursacht worden sind. Nur wenn feststeht, dass die Mietschulden missbräuchlich bzw. wiederholt verursacht worden sind, ist eine Schuldenübernahme nach § 22 Abs. 5 SGB II nicht gerechtfertigt. Dagegen kann nicht jegliches unredliche Verhalten des Leistungsberechtigten im Rahmen des Leistungsbezuges zum Ausschluss der Schuldenübernahme führen, auch nicht wenn die Mietschulden durch eine zu Recht wegen überzahlten Leistungen erfolgte Aufrechnung ausgelöst worden sind (ähnlich für den Fall grundsicherungsrechtlicher Sanktionen Eicher/Spellbrink, aaO, Rdn. 112). Dies liefe der Zielsetzung der Regelung des § 22 Abs. 5 SGB II, Obdachlosigkeit gar nicht entstehen zu lassen, weil die hiermit verbundenen Kosten für die öffentliche Hand in der Regel höher sind als die einer Schuldenübernahme, entgegen. Dass die streitbefangenen Mietrückstände aus April 2007 bis November 2007 teilweise den seinerzeit aufgerechneten Betrag von 186,60 Euro monatlich übersteigen und damit ggf. die Mietrückstände teilweise von den Antragstellern verschuldet worden sind, führt ebenfalls nicht zum Ausschluss der Schuldenübernahme. Grundsätzlich führt der Umstand, dass der Leistungsberechtigte die Gefährdung der Unterkunft durch Nichtzahlung von Mietanteilen verschuldet hat, nicht zum Ausschluss der Schuldenübernahme, weil es sich bei der Vorschrift des § 22 Abs. 5 SGB II nicht vorrangig um eine Sanktionsnorm handelt, sondern um eine Hilfenorm, mit der die drohende Obdachlosigkeit (oder eine andere Notlage) abgewendet werden soll. Eine Versagung der Hilfe zur Wohnraumsicherung kommt wegen der existenziellen Bedeutung des Wohnraums erst in vom Leistungsberechtigten verschuldeten Wiederholungs- bzw. anderweitig akzentuierten Extremfällen in Betracht (Eicher/Spellbrink, aaO, Rdn. 110, ähnlich Grube/Wahrendorf, aaO). Für die Annahme einer dieser Fallgestaltungen fehlen hier hinreichende Anhaltspunkte, insbesondere kann das Gericht den ihm vorliegenden Verwaltungsakten (Leistungsakten Band IV und V und Prozesshandakten der Verfahren S 37 AS 26/07, S 37 AS 58/07, S 37 AS 59/07 und S 37 AS 75/07 ER SG Düsseldorf) nicht entnehmen, dass die Antragsgegnerin in der Vergangenheit bereits Mietschulden der Antragsteller übernommen hat. Im wesentlich Gleiches muss für die rückständige Kaution gelten. Dem Gericht ist nicht bekannt, weshalb die Kaution von Seiten der Antragsteller seinerzeit im Oktober/November 2006 bei Einzug in die Unterkunft Lstraße 00 nicht gezahlt worden ist. Mit Blick auf die Dringlichkeit einer Entscheidung bis zum 28.7.2008 als Datum des Fristablaufs nach § 569 Abs 3 Nr. 2 Satz 1 BGB kann dies im Eilverfahren nicht weiter aufgeklärt werden. Den hier vorliegenden Akten können Anhaltspunkte für einen Missbrauchsfall bzw. Wiederholungsfall aber nicht entnommen werden. Allein ein von den Antragstellern verschuldetes Unterlassen der Kautionszahlung kann nicht zum Ausschluss der Schuldenübernahme führen.
Schließlich steht nach Auffassung des Gerichtes die Höhe des von der Antragsgegnerin zu übernehmenden Schuldenbetrages nicht in einem inakzeptablen Missverhältnis zu dem beabsichtigten Zweck der Sicherung der Unterkunft der Antragsteller. Das Gericht hat insoweit berücksichtigt, dass die der öffentlichen Hand zu Last fallenden (Folge-)Kosten einer Obdachlosigkeit der drei Antragsteller den Übernahmebetrag in der Höhe übersteigen dürften und die Antragsgegnerin zudem das Darlehen für die Kautionsschulden unter der Bedingung vergeben kann, dass die Antragsteller ihren Anspruch gegen den Vermieter auf Rückzahlung der Kaution nach Auszug aus der Wohnung an die Antragsgegnerin abtreten.
(2) Es besteht auch ein Anordnungsgrund für den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Im Falle eines Räumungsurteils droht den Antragstellern eine Zwangsräumung aus ihrer Unterkunft und damit die Obdachlosigkeit.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog.
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