L 5 AL 25/06

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 38 AL 752/00
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 5 AL 25/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 10. Januar 2006 dahin abgeändert, dass die Beklagte verpflichtet wird, dem Kläger die Hälfte der Kosten des Klageverfahrens zu erstatten. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Rechtswidrigkeit des Bescheides der Beklagten vom 16. Mai 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31. Mai 2000, mit dem die Beklagte die Bewilligung von Leistungen zur Förderung der Teilnahme des Klägers an einer Bildungsmaßnahme mit Wirkung für die Zukunft aufhob.

Mit Bescheid vom 23. Juni 1999 bewilligte die Beklagte dem Kläger, gestützt auf die Richtlinien des Sofortprogramms zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit, zur Förderung seiner Teilnahme an dem von der A. GmbH durchgeführten Lehrgang "Umschulung zum Mediengestalter Bild und Ton" für die Zeit vom 27. April 1999 bis zum 22. Dezember 2000 Unterhaltsgeld sowie die Übernahme der Lehrgangs- und Fahrkosten. Der Lehrgang sollte sich gliedern in Phasen des Unterrichts vom 27. April 1999 bis 31. Mai 2000 und 1. November bis 22. Dezember 2000 sowie ein Praktikum vom 13. Juni bis 31. Oktober 2000. Mit Bescheid vom 16. Mai 2000 hob die Beklagte die Bewilligung mit Wirkung vom 19. Mai 2000 auf. Zur Begründung führte sie aus, die Voraussetzungen für die bisherige Förderung lägen ab dem 19. Mai 2000 nicht mehr vor. Das Maßnahmeziel könne nicht mehr erreicht werden. Auf Grund einer Mitteilung der A. müsse die Maßnahme aufgrund erheblicher, meist unentschuldigter Fehlzeiten des Klägers sowie wegen mehrfacher Verstöße gegen die Schulordnung abgebrochen werden. Grundlage dieses Bescheides war die schriftliche Empfehlung der A. vom 11. Mai 2000, den Kläger aus disziplinarischen Gründen auszuschulen. Dieser habe sich nicht in den Klassenverband integrieren können und den Gesamtunterricht erheblich behindert. Darüber hinaus habe er seit Beginn der Umschulung eklatante Fehlzeiten – bisher 57 Tage – entstehen lassen. Ferner habe er zusammen mit anderen seine Anwesenheit durch Manipulation nachweisen wollen. Besonders ins Gewicht falle der Umstand, dass er an mehreren Tagen ohne Absprache bzw. schriftliche Erlaubnis eines Trainers den Unterricht verlassen bzw. gar nicht erst angetreten habe. Er sei nicht in der Lage, eine ihm gestellte Arbeitsaufgabe gewissenhaft, zuverlässig und pünktlich zu erfüllen.

Nach erfolglosem Widerspruch (Widerspruchsbescheid vom 31. Mai 2000) hat der Kläger am 13. Juni 2000 vor dem Sozialgericht Hamburg (SG) Klage mit dem Begehren erhoben, den Bescheid der Beklagten vom 16. Mai 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31. Mai 2000 aufzuheben und Beklagte zur weiteren Förderung seiner Teilnahme an der vormals bewilligten Bildungsmaßnahme zu verurteilen.

Während des Klageverfahrens hat der Kläger, der in der Zeit vom 22. Mai 2000 bis zum 27. Oktober 2000 ein Praktikum bei der Firma L. GmbH in H. absolviert hatte, am 17. Januar 2001 vor der Handelskammer Hamburg erfolgreich die Abschlussprüfung zum Mediengestalter für Bild und Ton abgelegt.

Das Landesarbeitsgericht Hamburg (LAG) verurteilte auf die Berufung des Klägers die A. durch das Urteil vom 1. November 2004 (4 Sa 75/01) unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Hamburg vom 13. Juli 2001 (22 Ca 80/01) u.a., an ihn 700,47 EUR zu zahlen und ihm ein qualifiziertes und berufsförderndes Zeugnis für eine Umschulungszeit vom 24. April 1999 bis zum 19. Mai 2000 zu erteilen. Der bezifferte Betrag beinhaltete Schadensersatz in Höhe der Differenz zwischen dem infolge der Aufhebung der Bewilligung nicht mehr zur Auszahlung gelangten Unterhaltsgeld und der stattdessen bezogenen Sozialhilfe sowie die vom Kläger verauslagte Prüfungsgebühr. Das LAG leitete den Anspruch auf Schadensersatz aus der Verletzung einer Nebenpflicht aus dem Umschulungsverhältnis durch die A. ab. Diese habe ihre Fürsorgepflicht gegenüber dem Kläger insofern verletzt, als sie in ihrem Schreiben an die Beklagte vom 11. Mai 2000, das Anlass für die Aufhebung der Bewilligung der Förderung gewesen sei, unzutreffende Behauptungen über ihn aufgestellt habe. Es sei ihr jedenfalls nicht gelungen, darzulegen, dass die von ihr dort erhobenen Vorwürfe tatsächlich zuträfen.

Der Kläger hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem SG am 10. Januar 2006 seine Klage als Feststellungsklage, gerichtet auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit des ursprünglich angefochtenen Bescheides, fortgeführt. Dieses Begehren sei zulässig wegen seines Interesses an einer Rehabilitation und der noch zu prüfenden Möglichkeit von Schadensersatzansprüchen gegen die Beklagte. Das SG hat diese Klage durch das Urteil vom 10. Januar 2006 abgewiesen. Sie sei zulässig, denn dem Kläger sei ein Rehabilitationsinteresse zuzubilligen, da er sich durch die streitgegenständlichen Bescheide in seiner Ehre verletzt sehe. Da diese jedoch rechtmäßig seien, sei die Klage unbegründet.

Dieser Bewertung ist der Kläger mit seiner am 20. Februar 2006 eingelegten Berufung gegen das ihm am 23. Januar 2006 zugestellte Urteil entgegengetreten. Zu Unrecht habe sich die Beklagte in ihrem Aufhebungsbescheid auf eine nachträgliche Änderung der für die Bewilligung der Förderung nach § 1 der Anordnung des Verwaltungsrates der BA über die Förderung der beruflichen Weiterbildung (A FbW) wesentlichen Verhältnisse berufen. Er habe durchaus die individuellen Voraussetzungen für die Förderung im Sinne des § 1 der A FbW erfüllt. Die für die Aufhebung maßgeblichen Gründe hätten nicht innerhalb seines Einflussbereichs gelegen. Seine letztlich erfolgreiche Teilnahme an der Maßnahme sei damit nicht anders zu bewerten als zum Zeitpunkt der Bewilligung. Ein Fehlverhalten könne ihm nicht vorgeworfen werden. In diesem Zusammenhang verweist er auf die Akten des Landesarbeitsgerichts zum o. g. Urteil. Die Beklagte habe eine fehlerhafte Darstellung der Tatsachen im Verfahren vor dem Landesarbeitsgerichts nicht behauptet bzw. nichts dafür vorgetragen.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 10. Januar 2006 aufzuheben und festzustellen, dass der Bescheid der Beklagten vom 16. Mai 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31. Mai 2000 rechtswidrig war.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Bei der Beurteilung der Frage, ob der Teilnehmer einer Maßnahme diese voraussichtlich mit Erfolg abschließen werde, sei sie auf die Informationen und Einschätzungen des Maßnahmeträgers angewiesen und dürfe diese ihrer Entscheidung über die Aufhebung der Bewilligungsentscheidung zugrunde legen. Dies habe sie in nicht zu beanstandende Weise getan.

Die Beteiligten haben übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung über die Berufung ohne (erneute) mündliche Verhandlung erklärt.

Zu weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der folgenden Akten verwiesen, die Gegenstand der Beratung des Senats gewesen sind: die von der Beklagten für den Kläger geführte Leistungsakte Stamm-Nummer , die Prozessakten von SG und LSG S 7 AL 638/00 ER / L 5 B 132/00 ER, L 5 B 133/00 PKH sowie die Akte dieses Verfahrens.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet, soweit sie sich gegen die Abweisung der Klage durch das SG richtet; sie ist begründet, soweit sie die Kostenentscheidung des SG betrifft.

Allerdings ist der Senat anders als das SG der Auffassung, dass die Klage unzulässig ist, weil dem Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit nicht zuzubilligen ist (§ 131 Abs. 1 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Das für die Feststellung vorausgesetzte schutzwürdige Interesse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Art sein. Ein Feststellungsinteresse kommt in Betracht bei • Präjudizialität, das heißt, wenn in die Entscheidung in einem anderen streitigen Rechtsverhältnis wie beispielsweise für Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche bedeutsam sein kann, • Wiederholungsgefahr sowie • Rehabilitationsinteresse. Keiner dieser Fälle liegt hier vor.

Wegen Präjudizialität besteht ein Feststellungsinteresse dann, wenn die Feststellung für die Geltendmachung von Ansprüchen aus Amtshaftung nach Art. 34 Grundgesetz, § 839 Bürgerliches Gesetzbuch oder von sonstigen Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüchen erheblich ist, ein entsprechender Prozess mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist und nicht offenbar aussichtslos erscheint (Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Auflage 2007, § 113 RdNr. 136). Ein in dieser Weise legitimiertes Interesse des Klägers an der von ihm begehrten Feststellung ist nicht ersichtlich. Es ist schon nicht erkennbar, welcher Art Schaden bzw. Schadensersatzansprüche er jetzt – acht Jahre nach dem maßgeblichen Geschehen – mit Hilfe der begehrten Feststellung noch geltend machen will. Wie schon das SG zutreffend bemerkt, hat er insofern bisher nichts substantiiert vorgetragen, sondern lediglich in der mündlichen Verhandlung vor dem SG von der noch zu prüfenden Möglichkeit von Schadensersatzansprüchen gesprochen. Auch in der seither verstrichenen Zeit hat er seine Vorstellungen nicht konkretisiert bzw. durchblicken lassen, welche Ansprüche über die ihm vom LAG zuerkannten hinaus er mit Hilfe der begehrten Feststellung geltend zu machen gedenkt.

Ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit eines erledigten Verwaltungsaktes unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr setzt die hinreichend konkrete Gefahr voraus, dass in naher Zukunft oder doch in absehbarer Zeit unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen oder rechtlichen Umständen ein gleichartiger Verwaltungsakt ergehen wird (Beschluss des BSG vom 16. Mai 2007 - B 7b AS 40/06 R -, info also 2007, S. 220 ff., 221, und Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 8. Auflage 2005, § 131 RdNr. 10 b). Vorliegend ist eine solche Wiederholungsgefahr nach erfolgreichem Abschluss der Umschulung nicht gegeben.

Ein Rehabilitationsinteresse ist zu bejahen, wenn die begehrte Feststellung, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, als Genugtuung und/oder zur Rehabilitation erforderlich ist, weil der Verwaltungsakt diskriminierenden Charakter hatte und sich aus ihm eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen ergibt (Kopp/Schenke a. a. O., RdNr. 142). Eine solche Qualität hatte der streitgegenständliche Bescheid, wenn man unterstellt, dass die von der Beklagten zu seiner Begründung herangezogenen Vorwürfe der A. über wiederholtes Fehlverhalten des Klägers in der Bildungsmaßnahme nicht zutreffen. Deshalb hatte der Kläger ursprünglich durchaus ein legitimes Interesse, dies feststellen zu lassen. Dem ist jedoch durch die Verurteilung der A. zur Zahlung von Schadensersatz sowie zur Erteilung eines berufsfördernden Zeugnisses durch das LAG und die Ausführungen in der Entscheidung des Senats vom 14. März 2007 über die Kosten des Eilverfahrens L 5 B 132/00 ER ausreichend Rechnung getragen worden. Eine darüber hinausgehende Rehabilitierung könnte der Kläger durch die begehrte Feststellung der Rechtswidrigkeit des Aufhebungsbescheides nicht erreichen. Dabei ist noch darauf hinzuweisen, dass sich die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden erkennbar auf die Mitteilungen der A. berufen und keine eigenen Äußerungen gemacht hat.

Hingegen war die Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils abzuändern, da sie nicht billigem Ermessen entspricht (vgl. Meyer-Ladewig/Leitherer a.a.O., § 193 Rdnr. 12).

Überprüfung und Änderung allein der Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils unterliegen nicht schon grundsätzlichen Bedenken. Auf die Berufung wird nämlich die Entscheidung des SG insgesamt überprüft, auch die vom SG im Urteil getroffene Kostenentscheidung. Letztere kann geändert werden, auch wenn es – wie hier – bei der Entscheidung in der Hauptsache bleibt (Meyer-Ladewig/Leitherer a.a.O., Rdnr. 16).

Bei der nach billigem Ermessen zu treffenden Kostenentscheidung sind ungeachtet der Besonderheiten des sozialgerichtlichen Verfahrens die Erfolgsaussichten des Rechtsschutzgesuchs angemessen zu berücksichtigen. Allerdings ist der Erfolgsgesichtspunkt nicht der allein entscheidende und es sind im Einzelfall als Korrektiv durchaus auch Veranlassungsgesichtspunkte (also Gründe für die Führung und die Erledigung des Rechtsstreits) zu berücksichtigen (Meyer-Ladewig/Leitherer a.a.O., RdNr. 13 m. w. N.).

Unter diesem Gesichtspunkt wäre es unbillig, den Kläger auch die Kosten des Verfahrens vor dem SG im vollen Umfang allein tragen zu lassen. Die ursprünglich erhobene Anfechtungsklage war bis zur Erledigung des angefochtenen Bescheides durchaus nicht ohne Aussicht auf Erfolg, denn es waren erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides gerechtfertigt. Der Senat verweist insofern zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die den Beteiligten bekannten diesbezüglichen Ausführungen in seiner o.a. Entscheidung vom 14. März 2007. Diesen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 16. Mai 2000, die nach seiner Erledigung nicht allein für die Kostenentscheidung abschließend geklärt werden müssen, ist billigerweise dadurch Rechnung zu tragen, dass die Beklagte verpflichtet wird, dem Kläger die Kosten des Klageverfahrens zur Hälfte zu erstatten, und der Kläger mit der verbleibenden Hälfte belastet bleibt. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung. Das teilweise Obsiegen des Klägers in Bezug auf die Kostenentscheidung des SG ist gemessen am eigentlichen Ziel der - von Beginn an unzulässigen – Berufung zu gering, als dass es billigerweise bei der Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens zu berücksichtigen gewesen wäre.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil hierfür eine Veranlassung im Sinne des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht bestanden hat.
Rechtskraft
Aus
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