L 8 R 298/07

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 52 (27) R 198/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 R 298/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 13.11.2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsrechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Regelaltersrente unter Berücksichtigung des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG).

Sie wurde am 00.00.1929 in U, seinerzeit Polen, zur Zeit Ukraine, als polnische Staatsangehörige geboren, ist jüdischen Glaubens und lebt seit 1990 in Israel. Sie ist israelische Staatsbürgerin und als Verfolgte des Nationalsozialismus gemäß § 1 Bundesentschädigungsgesetz (BEG) anerkannt, wonach sie Entschädigungsleistungen für Schaden an Freiheit und für Schaden an Körper und Gesundheit erhielt bzw. erhält.

Im Entschädigungsverfahren gab die Klägerin mit eidesstattlicher Versicherung vom 23.11.1956 an, sie habe in Tluste bei ihren Eltern gelebt, als die deutschen Truppen im Juli 1941 Tluste besetzten. Sie habe sodann den Judenstern tragen müssen und sei in der Folge in das Ghetto Tluste gekommen, Anfang Juni 1942 in das Zwangsarbeitslager (ZAL) Holowcince, das 4 bis 5 Kilometer von Tluste entfernt gewesen sei. Über das Lager Kojugure (ebenfalls einiger Kilometer von Tluste entfernt) sei sie schließlich zurück in das ZAL Tluste verbracht worden, aus dem sie am 02.04.1944 von der russischen Armee befreit worden sei. Im August 1945 sei sie in das DP-Lager Kremona (Italien) gefahren, von wo sie im Sommer 1947 nach Paraguay und schließlich am 13.01.1948 nach Brasilien ausgewandert sei.

In einer im Entschädigungsverfahren abgegebenen Zeugenerklärung von K H vom 16.10.1956 wird bestätigt, dass die Klägerin ab Juli 1941 den Judenstern habe tragen müssen. Anfang Juni 1942 sei die Klägerin dann in das ZAL Holowcince gekommen, anschließend nach Kojugure und wieder zurück nach Tluste, wo sie am 09.04.1944 befreit worden seien.

Mit eidestattlicher Versicherung vom 26.06.1958 führte Frau G U1 aus: Sie habe sich mit der Klägerin im Ghetto Tluste aufgehalten, dann ab Frühjahr/Sommer 1942 im ZAL Tluste, "wo wir unter Bewachung deutscher SS und ukrainischer Miliz bei Feldarbeiten und vor allem bei Gummipflanzungen in der Umgebung von Tluste eingesetzt wurden." Anschließend sei sie zusammen mit der Klägerin in das ZAL Holowcince gebracht worden. Die Klägerin sei von dort in ein anderes ZAL und dann zurück in ein ZAL in der Nähe von Tluste gekommen. Dort sei man gemeinsam im April 1944 befreit worden.

Auf Grundlage der BEG-Entschädigungsakte gewährte die Jewish Claims Conference (JCC) der Klägerin eine Entschädigung aus dem Zwangsarbeiterfonds. Leistungen aus dem Hardshipfonds wurden nicht beantragt. Die Klägerin bezieht oder bezog keine Rente nach dem Artikel 2-Fonds.

Am 26.06.2003 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Altersrente. Sie notierte im Formantrag eine Beschäftigung im Ghetto Tluste von Ende 1941 bis März 1944 als Arbeiterin. Die Höhe des Entgelts sei aber nicht erinnerlich.

In dem Fragebogen für die Anerkennung von Zeiten unter Berücksichtigung der Vorschriften des ZRBG teilte sie mit, sie habe Arbeitsleistungen im "Feld" im Ghetto Tluste von März 1942 bis März 1944 und auch außerhalb des Ghettos in der Zeit von März 1942 bis März 1944 geleistet. Sie habe zusammen mit anderen Arbeitskräften das Ghetto verlassen und sei auf dem Weg zur Arbeit durch jüdische Polizisten bewacht worden. Der Arbeitseinsatz sei durch Vermittlung des Judenrates zustande gekommen. Für die Tätigkeit habe sie wöchentlich zusätzliche Lebensmittel und Mittagessen erhalten.

Ergänzend erkundigte sich die Beklagte nach Entschädigungsverfahren bei der JCC, erhielt aber eine negative Auskunft. Sie zog sodann die Akten des BEG-Verfahrens der Klägerin bei.

Mit Bescheid vom 10.01.2005 lehnte sie den Antrag der Klägerin ab. Die Angaben der Klägerin im Antragsverfahren und ihre Angaben bzw. die Angaben der Zeugen im Entschädigungsverfahren seien widersprüchlich. Die Zeugen im Entschädigungsverfahren bestätigten lediglich eine Tätigkeitsaufnahme ab Juni 1942 im ZAL Tluste. Tätigkeiten im Ghetto seien nicht glaubhaft gemacht.

Hiergegen erhob die Klägerin am 13.01.2005 Widerspruch, den sie nicht weiter begründete. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 07.04.2005 zurück. Sie verwies auf den Ausgangsbescheid.

Mit der am 12.04.2005 zum Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhobenen Klage möchte die Klägerin insbesondere den Zeitraum von November 1941 bis Juni 1942 als Ghettobeitragszeit berücksichtigt wissen. Während dieser Zeit habe sie sich im Ghetto Tluste aufgehalten und sich freiwillig über die Arbeitsverwaltung des Judenrates eine Tätigkeit als Arbeiterin in der Landwirtschaft gesucht. Hierfür habe sie Lohn in Form von Sachbezügen (täglich Essen am Arbeitsplatz und zusätzliche Lebensmittel für zu Hause) erhalten. Vor dem historischen Hintergrund könne es keinen Zweifel geben, dass es im eigenen Interesse der jüdischen Bevölkerung gelegen habe, einer Beschäftigung nachzugehen, um so den Lebensunterhalt zu sichern, aber auch sicher zu stellen, nicht beschäftigungslos aufgegriffen, deswegen deportiert und letztlich ermordet zu werden. Mit eidestattlicher Versicherung vom 03.07.2005 hat die Klägerin nochmals bestätigt, dass sie bis Juni 1942 im Ghetto Tluste gewesen sei. Sowohl während der Zeit des Aufenthalts im Ghetto als auch anschließend im ZAL habe sie landwirtschaftliche Arbeiten erfüllt. In der Ghettozeit habe sie diese Arbeiten freiwillig geleistet und hierfür von der Ghettoverwaltung ein Mittagessen sowie zusätzliche Lebensmittel für zu Hause, wöchentlich Brot, Gemüse, Kartoffeln, Kohl, Salz, Zucker, Öl usw. erhalten. Anschließend, im ZAL, habe sie für die Arbeit nichts zu essen bekommen.

Das SG Düsseldorf hat die Klage mit Urteil vom 13.11.2007 mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin sei bereits für die Zeit im Ghetto Tluste nach dem Gesetz zur Errichtung einer Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" (EVZStiftG) entschädigt worden, so dass Forderungen gegenüber der Sozialversicherung gemäß § 16 Abs. 1 Satz 2 EVZStiftG ausgeschlossen seien. Dabei sei es auch ohne Bedeutung, dass die nach dem EVZStiftG gewährte Zwangsarbeiterentschädigung für die Tätigkeit im Ghetto auf das Jahr 1941 beschränkt worden sei, während hier auch Zeiten bis einschließlich Juni 1942 geltend gemacht würden, denn es handele sich bei den Entschädigungen nach dem EVZStiftG um Pauschalentschädigungen für zwangsweise ausgeübte Tätigkeiten im Ghetto. Damit könne letztlich dahin stehen, ob die Klägerin überhaupt im Ghetto Tluste Tätigkeiten verrichtet habe, die materiell rechtlich als entgeltliche Beschäftigung aus eigenem Willensentschluss zu werten seien.

Gegen das ihr am 26.11.2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 27.11.2007 Berufung eingelegt. Die freiwillige Aufnahme von Feldarbeiten in der Zeit von März 1942 bis Juni 1942 sei im Sinne einer Glaubhaftmachung eidesstattlich erklärt. Es gebe keinen Grund, der entsprechenden eidesstattlichen Versicherung die Glaubhaftigkeit abzusprechen. Die relative Wahrscheinlichkeit ihrer Angaben ergebe sich aus einer Vielzahl von vorliegenden gutachterlichen Aussagen, die bestätigten, dass eine Tätigkeit im Ghetto höchst begehrt gewesen sei, die Tätigkeiten im Sinne des ZRBG auch entlohnt worden seien und damit ihre Angaben unterstützten. Der Klägerbevollmächtigte hat nach Bitte des Senats um Ausfüllung eines umfangreichen Fragebogens durch die Klägerin mitgeteilt, dass diese aufgrund ihres Gesundheitszustandes nicht mehr in der Lage sei, die aufgeworfenen Fragen zu beantworten; mögliche Zeugen seien mittlerweile verstorben.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,

die Beklagte zu verurteilen, unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Sozialgerichts Düsseldorf vom 13.11.2007 und unter Aufhebung des Bescheides vom 10.01.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.04.2005 die Tätigkeit von März 1942 bis Juni 1942 nach dem ZRBG anzuerkennen und die Regelaltersrente ab 01.07.1997 mit der Verfolgungszeit als Ersatzzeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist hierzu insbesondere auf die Ausführungen des Sozialgerichts im erstinstanzlichen Urteil. Die Klägerin habe nach Auskunft des israelischen Versicherungsträgers dort keine Beitragszeit zurück gelegt. Ob sie eine brasilianische oder andere ausländische Rente erhielte, habe nicht geklärt werden können.

Auf Anfrage des Senats hat die JCC bestätigt, dass die Leistungen lediglich aus dem Zwangsarbeiterfonds erbracht worden seien. Zum Gegenstand des Verfahrens hat der Senat die geschichtswissenschaftliche gutachterliche Stellungnahme des Prof. Dr. Frank Golczewski, Professor für Osteuropäiche Geschichte an der Universität Hamburg, vom 08.03.2007 gemacht, die der Senat zum Az.: L 8 R 54/05 eingeholt hat. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Akten (Verwaltungsakte der Beklagten, Entschädigungsakten die Klägerin betreffend) Bezug genommen. Der Inhalt dieser Akten ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte gemäß §§ 153 Abs. 1, 110 Abs. 1, 126 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Abwesenheit der Klägerin und ihres Bevollmächtigten verhandeln und entscheiden, weil der Prozessbevollmächtigte in der Terminsmitteilung, die ihm am 02.06.2008 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt worden ist, auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind nicht rechtswidrig und beschweren die Klägerin daher nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Altersrente.

I.

Entgegen der Auffassung des SG scheitert der Anspruch der Klägerin allerdings nicht bereits daran, dass sie für die Zeit "im Ghetto Tluste" eine Entschädigung nach dem am 12.08.2000 in Kraft getretenen EVZStiftG erhalten hat. Der Senat hält insoweit an seiner Rechtsprechung (statt aller: Urteil v. 29.06.2005, L 8 RJ 97/02, sozialgerichtsbarkeit.de), wonach sich die in § 16 Abs. 1 Satz 2 EVZStiftG geregelte Ausschlusswirkung und die Verzichtswirkung des § 16 Abs. 2 Satz 2 EVZStiftG nicht auf den Anspruch auf Zahlung einer (ggf. höheren) Rente aufgrund von Beitragszeiten nach § 2 Abs. 1 ZRBG erstrecken, auch unter dem Eindruck der neueren Argumente des SG fest.

1.
Die Vorschrift des § 16 EVZStiftG ist in folgendem Regelungszusammenhang zu sehen: Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EVZStiftG war (bis zum 30.09.2006, vgl. § 14 Abs. 4 Satz 1 EVZStiftG) unter anderem leistungsberechtigt, wer in einem Ghetto außerhalb des Gebietes der heutigen Republik Österreich unter Bedingungen inhaftiert war, die denen eines Konzentrationslagers im Sinne von § 42 Abs. 2 BEG oder einer anderen Haftstätte vergleichbar sind, und zur Arbeit gezwungen wurde. Während die Konzentrationslager in Anlage I (Verzeichnis der Konzentrationslager und ihrer Außenkommandos gemäß § 42 Abs. 2 BEG) der Sechsten Verordnung zur Durchführung des BEG (in der Fassung ihrer Dritten Änderungsverordnung v. 24.11.1982, BGBl. I, S. 1571) enummerativ aufgeführt sind, sind die "anderen Haftstätten" in § 12 Abs. 1 EVZStiftG ihrem Charakter nach durch die Merkmale unmenschliche Haftbedingungen, unzureichende Ernährung und fehlende medizinische Versorgung beschrieben. Die weiteren Anspruchstatbestände des § 11 Abs. 1 EVZStiftG beziehen sich ebenfalls auf Zwangsarbeit (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 EVZStiftG) bzw. auf Vermögensschäden durch nationalsozialistisches Unrecht (§ 11 Abs. 1 Nr. 3 EVZStiftG).

Berechtigte nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EVZStiftG konnten nach § 9 Abs. 1 Satz 3 EVZStiftG eine einmalige Entschädigungsleistung in Höhe von bis zu 15.000 DM erhalten. Die Gewährung und die Auszahlung erfolgten gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 EVZStiftG durch die Partnerorganisationen der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft". Hierbei handelt es sich um nationale Organisationen (in Weisrussland, der russischen Föderation und der Ukraine jeweils die Stiftung "Verständigung und Aussöhnung" für Weißrussland, den Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds und die Stiftung "Polnisch-Deutsche Aussöhnung") sowie - als supranationale Organisationen - die JCC und die International Organisation für Migration (IOM). Diese Partnerorganisationen entschieden in ihrem Zuständigkeitsbereich allein verantwortlich und abschließend. Die Stiftung selbst war zur Entscheidung wie zur Leistung weder berechtigt noch verpflichtet (§ 10 Abs. 1 Satz 2 EVZStiftG). Anträge auf Leistungen konnten bis zum 31.12.2001 nach näherer Maßgabe des § 13 EVZStiftG gestellt werden (§ 14 Abs. 1 Satz 1 EVZStiftG).

Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 EVZStiftG können "Leistungen aus Mitteln der öffentlichen Hand einschließlich der Sozialversicherung für erlittenes nationalsozialistisches Unrecht im Sinne von § 11" nur nach dem EVZStiftG beantragt werden. Etwaige weitergehende Ansprüche "im Zusammenhang mit nationalsozialistischem Unrecht" sind ausgeschlossen (§ 16 Abs. 1 Satz 2 EVZStiftG). Zudem musste jeder Leistungsberechtigte im Antragsverfahren eine Erklärung abgeben, dass er vorbehaltlich weiterer, hier nicht interessierender Ausnahmeregelungen mit Erhalt einer Leistung nach dem EVZStiftG "auf jede darüber hinausgehende Geltendmachung von Forderungen gegen die öffentliche Hand für Zwangsarbeit unwiderruflich verzichtet", wobei dieser Verzicht mit dem Erhalt einer Leistung wirksam wurde (§ 16 Abs. 2 Satz 2 EVZStiftG). Weitergehende Wiedergutmachungs- und Kriegsfolgenregelungen gegen die öffentliche Hand bleiben nach § 16 Abs. 3 EVZStiftG unberührt.

2.
Weder nach Wortlaut oder Systematik noch nach Entstehungsgeschichte und Sinn des EVZStiftG werden Ansprüche auf der Grundlage des ZRBG von den Ausschlussregelungen des § 16 Abs. 1 oder 2 EVZStiftG erfasst.

a)
Die Vorschrift des § 16 Abs. 1 Satz 2 EVZStiftG, die "weitergehende Ansprüche im Zusammenhang mit nationalsozialistischem Unrecht" ausschließt, bezieht sich nur auf solche Ansprüche, die von Sinn und Zweck des EVZStiftG erfasst werden, nämlich auf Ansprüche wegen Zwangsarbeit und Vermögensschäden. Das erschließt sich bereits aus dem Wortlaut des § 16 Abs. 1 Satz 1 EVZStiftG, wonach Leistungen "für erlittenes nationalsozialistisches Unrecht im Sinne von § 11" nur nach dem EVZStiftG beantragt werden können. Bei den von § 11 Abs. 1 EVZStiftG erfassten Unrechtstatbeständen handelt es sich dabei einmal um die Leistung von Zwangsarbeit (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EVZStiftG), zum anderen um Vermögensschäden im Sinne der Wiedergutmachungsgesetze (§ 11 Abs. 1 Nr. 3 EVZStiftG). Für die Sichtweise, dass die Ausschlusswirkung des § 16 Abs. 1 Satz 2 EVZStiftG sich nur auf Ansprüche wegen Zwangsarbeit und Vermögensschäden bezieht, spricht zudem die Formulierung des § 16 Abs. 2 EVZStiftG, der diese Ausschlusswirkung um eine zusätzliche individuelle Verzichtserklärung ergänzt (zu dieser Funktion siehe BT-Drs. 14/3206, S. 18 zu Absatz 2) und den Verzicht auf die genannten beiden Unrechtstatbestände beschränkt. Schließlich hat der Gesetzgeber auch in den Entwurfsmaterialien zum EVZStiftG zum Ausdruck gebracht, das Gesetze solle eine abschließende Regelung für Ansprüche "wegen Zwangsarbeit und Vermögensschäden" treffen (BT-Drs. 14/3206, S. 17 zu § 16 Abs. 1).

b)
Demgegenüber begründet § 2 Abs. 1 ZRBG, auf dessen Grundlage Beitragszeiten und damit Ansprüche auf Zahlung von (höheren) Renten für Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto entstehen, keine Ansprüche wegen Zwangsarbeit, die von der Ausschlusswirkung des § 6 Abs. 1 Satz 2 EVZStiftG bzw. der Verzichtswirkung nach § 6 Abs. 2 EVZStiftG erfasst werden. Vielmehr beruhen die fiktiven Ghettobeitragszeiten nach § 2 Abs. 1 ZRBG nicht auf der Leistung von Zwangsarbeit, sondern auf aus eigenem Willensentschluss aufgenommenen Beschäftigungen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZRBG). Zwangsarbeit und aus eigenem Willensentschluss aufgenommene Beschäftigungen schließen einander nach dem Willen des Gesetzgebers jedoch aus. Dies hat er in den Materialien zum ZRBG eindeutig zum Ausdruck gebracht (vgl. BT-Drs. 14/8583, S. 5). Die Richtigkeit der hier vertretenen Sichtweise und ihre Übereinstimmung mit dem gesetzgeberischen Willen hat die Bundesregierung dabei in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage von Abgeordneten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bestätigt. Dort heißt es: "Sowohl das ZRBG und als auch das Gesetz zur Errichtung einer Stiftung ‚Erinnerung, Verantwortung und Zukunft’ (Stiftungsgesetz) befassen sich mit Arbeiten im Ghetto. Dabei setzt das ZRBG eine aus eigenem Willensentschluss zustande gekommene Beschäftigung voraus, während das Stiftungsgesetz bei Zwangsarbeit zur Anwendung kommt. Bei der erforderlichen Differenzierung zwischen ‚freiwilliger’ Beschäftigung und Zwangsarbeit sehen die Rentenversicherungsträger eine Leistung nach dem Stiftungsgesetz im Rahmen der allgemeinen Beweiswürdigung im Einzelfall nicht als Ausschlussgrund für die Anerkennung von Ghetto-Beitragszeiten nach dem ZRBG an. An eine Änderung ist nicht gedacht" (BT-Drs. 16/5720, S. 6 f. zu Frage 9). Damit hat die Bundesregierung die (zumindest bisherige) Praxis der Rentenversicherungsträger gebilligt, sich gegenüber Ansprüchen nach dem ZRBG nicht auf die Vorschrift des § 16 EZVStiftG zu berufen. Außerdem hat sie klar gestellt, dass ein gesetzlicher Ausschluss von Ansprüchen nach dem ZRBG aufgrund von Leistungen oder Anträgen nach dem EVZStiftG in keinem Fall in Betracht kommt, sondern lediglich im Einzelfall die Gewährung von Leistungen nach dem EVZStiftG im Rahmen der Beweiswürdigung berücksichtigt werden kann. Dieser Auffassung folgt auch der Senat, indem er regelmäßig Auskünfte der JCC nach der Gewährung von Leistungen insbesondere nach dem EZVStiftG einholt und die von der JCC in diesem Rahmen verwerteten Kenntnisse in seine Beweiswürdigung mit einbezieht.

c)
Entgegen der Annahme des SG rechtfertigt § 1 Abs. 1 Satz 1 der vom Bundesfinanzministerium (BMF) erlassenen "Richtlinie der Bundesregierung über eine Anerkennungsleistung an Verfolgte für Arbeiten in einem Ghetto, die keine Zwangsarbeit war und bisher ohne sozialversicherungsrechtliche Berücksichtigung geblieben ist" (RL-Anerkennungsleistung, BAnz. 2007, S. 7693), keine andere Beurteilung. Bereits im Ansatz ist es methodisch unzulässig, die im Jahre 2007 erlassene Richtlinie eines Ministeriums zur Auslegung eines im Jahre 2000 in Kraft getretenen Gesetzes heranzuziehen. Unabhängig davon steht die Bestimmung des § 1 Abs. 1 RL-Anerkennungsleistung der hier vertretenen Auffassung jedoch auch nicht entgegen. Sie regelt, dass die Anerkennungsleistung nur solchen Verfolgten zustehen soll, die sich zwangsweise in einem Ghetto innerhalb des nationalsozialistischen Einflussbereichs aufgehalten und dort in einem beschäftigungsähnlichen Verhältnis gearbeitet haben. Verfolgte, die diese Voraussetzungen erfüllen, erhalten gleichwohl in drei Fallgruppen keine Anerkennungsleistung: wenn ihnen die betreffende Zeit als Ghettobeitragszeit nach dem ZRBG anerkannt worden ist (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RL-Anerkennungsleistung), wenn sie hierfür eine Leistung aus Mitteln der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" erhalten haben oder wenn sie diese Leistung hätten erhalten können (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 RL-Anerkennungsleistung). Dabei ist die letztgenannte Ausschlussalternative im Prinzip gegenstandslos. Denn für die Berechtigten nach § 11 Abs. 1 EVZStiftG kommt ein Anspruch auf die Anerkennungsleistung ohnehin nicht in Betracht. Während für Leistungen nach dem EVZStiftG nämlich die Leistung von Zwangsarbeit erforderlich ist, schließt dies den Anspruch auf die Anerkennungsleistung gerade aus. Demgegenüber beruhen die - praktisch bedeutsamen - ersten beiden Ausschlussalternativen jeweils auf dem Umstand, dass die betreffenden Verfolgten für die Beschäftigungszeit im Ghetto überhaupt eine Leistung erhalten haben, gleichgültig ob zu Recht und nach welchem Gesetz. Damit wird der subsidiäre Charakter der Anerkennungsleistung unterstrichen, der einen Ausgleich lediglich für diejenigen schaffen soll, denen bislang keinerlei finanzielle Leistung zuteil geworden ist (vgl. hierzu bereits BT-Drs. 16/5720, S. 3 zu den Gesprächen zwischen BMF und JCC). Auf die Frage der Leistungsberechtigung nach dem ZRBG bzw. dem EVZStiftG lässt die RL-Anerkennungsleistung daher keine Rückschlüsse zu.

3.
Der Umstand, dass sich Ansprüche nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EVZStiftG und solche nach dem ZRBG nach der gesetzgeberischen Konzeption an und für sich ausschließen, rechtfertigt es nicht, an und für sich bestehende Ansprüche nach dem ZRBG zu versagen, wenn eine der Partnerorganisationen der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" (trotzdem) bereits eine Leistung nach dem EVZStiftG gewährt hat.

a)
Die Ausschlussregelung des § 16 Abs. 1 Satz 2 EVZStiftG kann auf solche Fälle nicht im Wege der Gesetzesanalogie entsprechend angewandt werden. Dem Gesetzgeber ist bei Erlass des EVZStiftG bereits die Entscheidung des BSG vom 18.06.1997 (5 RJ 66/95, SozR 3-2200 § 1248 Nr 15) bekannt gewesen, wonach auch unter den Bedingungen eines zwangsweisen Aufenthaltes in einem Ghetto sozialversicherungspflichtige Beschäftigung möglich war. Auch ohne das ZRBG waren dabei seinerzeit bereits Fallgestaltungen denkbar, in denen solche Beschäftigungszeiten zu Rentenansprüchen führten oder bestehende Renten erhöhten, sei es unmittelbar aufgrund der Reichsversicherungsgesetze (soweit diese, wie in den eingegliederten Gebieten, Anwendung fanden) oder aufgrund der Vorschriften des Fremdrentenrechts. Wie dargestellt, hat er die Ausschlusswirkung des § 16 EVZStiftG trotzdem nur auf Ansprüche wegen Zwangsarbeit beschränkt. Dies steht der Annahme einer planwidrigen Regelungslücke entgegen. Dabei muss davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit der Zuerkennung einer Leistung nach dem EVZStiftG trotz Vorliegens eines Beschäftigungsverhältnisses im Sinne der deutschen Rentenversicherung in Kauf genommen hat. Denn er hat die Entscheidung insoweit den vielfach im Ausland angesiedelten Partnerorganisationen der Stiftung übertragen. Diesen muss insbesondere die differenzierte Rechtsprechung des BSG, wonach die Beschränkung der Freizügigkeit durch den zwangsweisen Aufenthalt in einem Ghetto nicht jede dort aufgenommene Beschäftigung automatisch zur Zwangsarbeit macht, nicht geläufig gewesen sein. War demnach jedoch nicht gewährleistet, dass die Abgrenzung zwischen Zwangsarbeit und Beschäftigung bei der Anwendung des EVZStiftG nach den Maßstäben des deutschen Sozialversicherungsrechts zuverlässig erfolgte, so ist die Möglichkeit von Doppelleistungen für Zwangsarbeit nach dem EVZStiftG und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung nach deutschem Rentenrecht bereits in der Struktur des Gesetzes angelegt. Das steht einer Rechtsfortbildung im Sinne einer entsprechenden Anwendung des § 16 Abs. 1 Satz 2 EVZStiftG zwingend entgegen.

b)
Ebenso wenig ist es zulässig, Ansprüche nach dem ZRBG teleologisch auf solche Fälle zu reduzieren, in denen Leistungen nach dem EVZStiftG bereits gewährt worden sind. Hiergegen spricht bereits die Vorschrift des § 16 Abs. 3 EVZStiftG, wonach "weitergehende Wiedergutmachungs- und Kriegsfolgenregelungen gegen die öffentliche Hand" von der Ausschlusswirkung nach § 16 Abs. 1 EVZStiftG und der Verzichtswirkung nach § 16 Abs. 2 EVZStiftG unberührt bleiben sollten. Der Sinn dieser Regelung besteht unter anderem gerade darin, nach Inkrafttreten des EVZStiftG beschlossene "neue" Wiedergutmachungsregelungen vom Verzicht nach § 16 Abs. 2 EVZStiftG auszuschließen (so ausdrücklich Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses, BT-Drs. 14/3758, S. 26 zu Ziff. 13 Buchst. b). Unabhängig von der Frage, ob man das ZRBG als Wiedergutmachungsregelung in diesem Sinn versteht, lässt die Regelung jedenfalls erkennen, dass der Gesetzgeber nur solche Ansprüche aufgrund von Leistungen nach dem EVZStiftG ausschließen wollte, die zum Zeitpunkt dessen Inkrafttreten bereits bestanden, und keineswegs - wie das SG irrig annimmt - auch die Begründung von Ansprüchen nach erst künftig in Kraft tretenden Gesetzen.

II.

Das SG hat gleichwohl im Ergebnis richtig entschieden, weil die Klägerin aus anderen Gründen keinen Anspruch auf Altersrente hat.

Wie der Senat bereits mit näherer Begründung entschieden hat (z.B. Urteil vom 06.06.2007, L 8 R 54/05, sozialgerichtsbarkeit.de) folgt der Anspruch auf Altersrente allein aus dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), ohne dass das ZRBG eine eigenständige Anspruchsgrundlage darstellen würde (ebenso BSG Urteil vom 26.07.2007, B 13 R 28/06 R, SozR 4-5075 § 1 Nr. 4; a.A. BSG, Urteil vom 14.12.2006 B 4 R 29/06 R, SozR 4-5075 § 1 Nr. 3). Rechtsgrundlage für den Anspruch auf Altersrente kann daher im Fall der Klägerin nur § 35 SGB VI sein. Diese Vorschrift ist trotz Auslandswohnsitzes der Klägerin (vgl. § 30 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I)) anwendbar (vgl. dazu BSG Urteil vom 14.07.1999, B 13 RJ 75/98 R, juris; Urteil vom 13.08.2001, B 13 RJ 59/00 R, SozR 3-2200 § 1248 Nr. 17).

Nach § 35 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Altersrente, wenn sie das 65. Lebensjahr vollendet und die allgemeine Wartezeit von 5 Jahren erfüllt haben. Als auf die Wartezeit anrechenbare Versicherungszeiten kommen hier nur Beitrags- und Ersatzzeiten im Sinne der §§ 50 Abs. 1 Nr. 1, 51 Abs. 1 und 4 SGB VI in Betracht. Dabei finden nach § 250 Abs. 1 SGB VI Ersatzzeiten allerdings nur dann Berücksichtigung, wenn vor Beginn der Rente zumindest ein Beitrag wirksam entrichtet worden ist oder als wirksam entrichtet gilt; denn Ersatzzeiten sollen nach dem Gesetzeswortlaut nur "Versicherten", d.h. Personen zugute kommen, die bereits Beitragsleistungen erbracht haben (BSG Urteil vom 07.10.2004, B 13 RJ 59/03 R, SozR 4-5050 § 15 Nr. 1, m.w.N.).

Die Klägerin hat jedoch keine auf die Wartezeit anrechenbaren Beitragszeiten zurückgelegt. Beitragszeiten sind Zeiten, für die nach Bundesrecht oder dem Reichsversicherungsgesetz Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind (§§ 55 Abs. 1 Satz 1, 247 Abs. 3 Satz 1 SGB VI) oder als gezahlt gelten (§ 55 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).

Nach § 2 Abs. 1 ZRBG gelten Beiträge als gezahlt für Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto. Voraussetzung ist gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 ZRBG, dass die Verfolgten sich zwangsweise in einem Ghetto aufgehalten haben, das in einem von deutschem Reich besetzten oder im eingegliederten Gebiet gelegen hat, und dort eine Beschäftigung aus eigenem Willensentschluss gegen Entgelt ausgeübt haben. Ferner darf für die betreffenden Zeiten nicht bereits eine Leistung aus einem System der sozialen Sicherheit erbracht werden. Die Anspruchsvoraussetzungen müssen glaubhaft gemacht werden (§ 1 Abs. 2 ZRBG i.V.m. § 3 des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG)). Glaubhaft gemacht ist eine Tatsache, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche verfügbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist, d.h. mehr für als gegen sie spricht, wobei gewisse noch verbleibende Zweifel unschädlich sind (vgl. BSG, Beschluss vom 08.08.2001, B 8 V 23/01 B, SozR 3-3900 § 15 Nr. 4).

Von den vorgenannten Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 ZRBG kann bereits die Verrichtung einer Tätigkeit während des zwangsweisen Aufenthaltes in einem Ghetto nicht im Sinne einer Glaubhaftmachung festgestellt werden.

Aus den beigezogenen Unterlagen, insbesondere den Entschädigungsakten betreffend die Klägerin, ergeben sich keine Anhaltspunkte für die von der Klägerin behaupteten Tätigkeiten in der Landwirtschaft während des Ghettoaufenthaltes bis Juni 1942. Sie finden weder in der eidesstattlichen Versicherung der Klägerin vom 23.11.1956 noch in der schriftlichen Zeugenaussagen von K H vom 16.10.1956 Erwähnung. Eine Beschäftigung der Klägerin bei Feldarbeiten wird lediglich von Frau U1 in ihrer Erklärung vom 26.06.1958 erwähnt. Sie hat die betreffenden Arbeiten bei Gummipflanzungen jedoch dem späteren Aufenthalt der Klägerin im ZAL Tluste ab Frühjahr/Sommer 1942 und damit nicht, wie von § 1 Abs. 1 Satz 1 ZRBG gefordert, der Zeit ihres Aufenthaltes im Ghetto Tluste zugeordnet. Der Erklärung von Frau U1 kommt dabei erheblicher Beweiswert zu. Einmal ist sie noch vergleichsweise zeitnah abgegeben worden. Zudem steht sie nicht in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang zu einer eigenen Erklärung der Klägerin und beschränkt sich - im Gegensatz zu vielen Zeugenerklärung in anderen Entschädigungsverfahren - nicht lediglich auf eine Wiedergabe oder Wiederholung einer solchen Erklärung. Das spricht dafür, dass Frau U1 aus dem ernsthaften Bemühen eigener Erinnerung berichtet hat. Schließlich decken sich die Angaben von Frau U1 mit den seinerzeitigen der Klägerin, wonach sie nicht nur im Ghetto Tluste, sondern auch in verschiedenen Arbeitslagern eingesetzt gewesen sei.

Da Zeugen nicht mehr vernommen werden können, kommt als einziges Mittel zur Glaubhaftmachung der von der Klägerin behaupteten Beschäftigung im Ghetto Tluste ihr zum Teil eidesstattlich versicherter Vortrag im vorliegenden Verfahren in Betracht. Diese Erklärungen reichen indessen nicht aus, um eine Beschäftigung während des Aufenthaltes der Klägerin im Ghetto Tluste überwiegend wahrscheinlich zu machen. Die Klägerin hat zunächst im Rentenantrag eine Beschäftigung ab Ende 1941 angeführt, im ihr von der Beklagten zur Verfügung gestellten Fragebogen zu rentenrechtlichen Zeiten nach dem ZRBG sodann eine Tätigkeit ab März 1942 behauptet, um sodann mit ihrem erstinstanzlichem Klageantrag wiederum die Berücksichtigung von Zeiten ab November 1941 zu begehren. In der der erstinstanzlichen Klagebegründung beigefügten eidesstattlichen Versicherung vom 03.07.2005 hat die Klägerin schließlich einen Beschäftigungsbeginn ganz unerwähnt gelassen. Sie hat nur nochmals fixiert "in Tluste war ich bis Juni 1942, dann in den anderen ZAL, dann wieder in Tluste. Und für mich war es ganz egal, ob ich im Ghetto oder im ZAL war." Dies deutet darauf hin, dass die Erinnerungen der Klägerin hinsichtlich ihres Aufenthalts im Ghetto und anschließend in den Zwangsarbeitslagern zu verschwimmen scheinen. Das ist angesichts des Alters der Klägerin, ihres offensichtlich angegriffenen Gesundheitszustandes und der seit den damaligen Ereignissen vergangenen langen Zeitspanne ohne weiteres verständlich. Andererseits räumt die Klägerin selbst zumindest indirekt ein, dass ihr eine genaue Zuordnung der Ereignisse zu den häufig wechselnden Inhaftierungssituationen schwer fällt, was wiederum die relativ zeitnahe Zuordnung der Feldarbeit auf Gummiplantagen zu dem ZAL-Aufenthalt ab Frühjahr/Sommer 1942 durch die Zeugin U1 wahrscheinlicher erscheinen lässt.

Zweifel an der Genauigkeit des Erinnerungsvermögens der Klägerin ergeben sich auch aus den Details ihrer im Gerichtsverfahren abgegebenen eidesstattlichen Versicherung vom 03.07.2005. Danach soll der Unterschied zwischen ihren Aufenthalten im Ghetto und im ZAL Tluste lediglich darin bestanden, dass sie im Ghetto für ihre Arbeit etwas zu essen bekommen habe, im ZAL dagegen nichts. Diese Darstellung ist dagegen unwahrscheinlich. Allein das fast zweijährige Überleben der Klägerin in den Zwangsarbeitslagern schließt es aus, dass sie dort gar nichts zu essen bekommen hat. Eine zumindest notdürftige Versorgung der jüdischen Zwangsarbeiter(innen) mit Nahrungsmitteln hat zudem nach aller Erfahrung auch im Interesse der deutschen Besatzer, um die Arbeitskraft der zum Teil mit kriegswichtigen Arbeiten beschäftigten Zwangsarbeiter(innen) aufrecht zu erhalten.

Zur Klärung weiterer im Rahmen der Glaubhaftmachung wichtiger Tatsachen (z.B. Ort der Arbeitsstätte, Zeitraum, tägliche Dauer und konkrete Arbeitsverrichtungen der verrichteten Arbeit, Behandlung während der Arbeit, Arbeitskollegen, Vorgesetzten, Betriebsleitern, besonderen Vorfällen etc.) kann die Klägerin gesundheitsbedingt nicht mehr beitragen. Dies rechtfertigt es jedoch nicht, über die vom Gesetz vorgesehene Glaubhaftmachung als Beweiserleichterung für die Verringerung des Beweismaßstabes weitere Beweiserleichterungen zuzulassen. Das Gesetz lässt sie nicht zu, und sie lassen sich auch nicht aus allgemeinen Grundsätzen ableiten. Insbesondere liegt es nicht im Verantwortungsbereich der Beklagten, dass der vorliegende Sachverhalt nicht mehr ausreichend aufgeklärt werden kann.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Für eine Zulassung der Berufung nach § 160 SGG sieht der Senat keinen Raum. Die Angelegenheit hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Sie basiert lediglich auf dem Umstand, dass der Senat die Tätigkeitsaufnahme während eines Ghettoaufenthaltes nicht im Sinne einer Glaubhaftmachung feststellen konnte. Die Entscheidung weicht insofern auch nicht von Entscheidungen des BSG, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts ab (§ 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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