Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 8 AL 1375/01
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 5 AL 37/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 7. Februar 2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die gegen den Kläger bestehenden Erstattungs- bzw. Rückzahlungsansprüche der Beklagten verjährt sind.
Der Kläger stand seit dem Jahre 1990 mit Unterbrechungen im Leistungsbezug bei der Beklagten. In dieser Zeit ergingen gegen ihn folgende bestandskräftige Erstattungsbescheide:
1. Bescheid vom 24. Januar 1991: Erstattung von für die Zeit vom 2. bis 5. Januar 1991 gezahltem Arbeitslosengeld in Höhe von DM 46,40 2. Bescheid vom 19. November 1992: Erstattung von für die Zeit vom 18. Oktober bis 14. November 1992 gezahltem Arbeitslosengeld in Höhe von DM 1.008,- 3. Bescheid vom 6. Mai 1993: Erstattung von für die Zeit vom 24. November bis 5. Dezember 1992 gezahltem Arbeitslosengeld in Höhe von DM 462,- 4. Bescheid vom 2. Februar 1993: Rückzahlung einer als Darlehen gewährten Überbrückungsbeihilfe in Höhe von DM 400,- 5. Bescheid vom 9. Januar 1995: Erstattung von für die Zeit vom 1. Juni bis 31. August 1994 gezahlten Fahrkosten in Höhe von DM 193,80 6. Bescheid vom 27. Juni 1995: Erstattung von für die Zeit vom 1. bis 3. Juni 1995 gezahlter Arbeitslosenhilfe in Höhe von DM 110,10 7. Bescheid vom 20. April 1998: Erstattung von für die Zeit vom 28. Januar bis 28. Februar 1998 gezahlter Arbeitslosenhilfe in Höhe von DM 1.018,24
Mit einem ausdrücklich als Stundungsantrag überschriebenen Schreiben vom 4. August 1994 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass gegen ihn noch eine Forderung in Höhe von DM 1.950,- bestehe, er aber zurzeit keine Raten zahlen könne, weil er arbeitslos sei. Diese erwiderte darauf mit Schreiben vom 20. September 1994, dass die Forderung bis zu seinem Ausscheiden aus dem Leistungsbezug ruhend gestellt sei. Am 28. November 1995 erließ sie eine Vollstreckungsanordnung, die jedoch zu keinem Erfolg führte.
Mit einem an das Landesarbeitsamt gerichteten Schreiben vom 20. Dezember 1996 bot der Kläger die Zahlung von Raten in Höhe von DM 20,- monatlich an. Am 5. März 1997 zahlte er DM 40,- ein. Unter dem 26. August 1997 erging sodann eine weitere Vollstreckungsanordnung der Beklagten, die ebenfalls erfolglos blieb.
Mit Schreiben vom 17. Juni 1999 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass gegen ihn eine Gesamtforderung in Höhe von DM 3.209,04 bestehe, und forderte ihn auf, die fälligen Raten von monatlich DM 20,- zu zahlen. Dieser entgegnete darauf mit Schreiben vom 21. Juni 1999, dass die zugrunde liegenden Bescheide zwar bestandskräftig, einige der Forderungen aber verjährt seien. Er werde die Ratenzahlung aufnehmen, sobald ihm bekannt sei, für welche Forderungen dies zutreffe. Mit Schreiben vom 30. Juni 1999 erklärte er ergänzend, die Forderungen zu 1. bis 4. seien verjährt. Die Forderungen zu 5. bis 7. bestünden zwar noch, er könne sie zurzeit jedoch nicht begleichen. Mit weiterem Schreiben vom 12. Juli 1999 bekräftigte er nochmals seine Ansicht, einige Forderungen seien verjährt. Die Beklagte wertete einen am 4. August 1999 von ihm ausgefüllten Fragebogen zur Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse als Stundungsantrag und gewährte ihm mit Bescheid vom 29. September 1999 Ratenzahlung in Höhe von DM 20,- monatlich für die Gesamtforderung von mittlerweile DM 3.210,54, befristet bis zum 15. Oktober 2000. Der Kläger erhob dagegen unter dem 15. Oktober 1999 Widerspruch und führte aus, eine Forderung über DM 3.210,54 bestehe nicht, da die Verjährungsfrist abgelaufen sei. Er habe keinen Stundungsantrag gestellt, sondern lediglich auf seine Zahlungsunfähigkeit hingewiesen. Die am 5. März 1997 geleistete Einzahlung sei nur aus Kulanz geschehen. Mit Schreiben vom 19. Mai 2001 teilte er außerdem mit, die Einzahlung habe mit der Forderung nichts zu tun, sondern sei zur Begleichung einer Geldbuße erfolgt. Mit Bescheid vom 21. August 2001 lehnte die Beklagte eine weitere Stundung ab 16. Oktober 2000 wegen fehlender Mitwirkung ab. Mit Widerspruchsbescheid vom 29. August 2001 wies sie sodann den Widerspruch des Klägers zurück und gab zur Begründung an, dieser sei den wiederholten Aufforderungen, seine wirtschaftliche Situation nachzuweisen, nicht nachgekommen, sodass der Stundungsantrag abzulehnen sei. Sein Einwand, die Forderungen seien verjährt, greife nicht durch.
Der Kläger hat dagegen am 24. September 2001 Klage erhoben und die Feststellung begehrt, dass die Forderungen verjährt seien. Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 7. Februar 2006 – zugestellt am 23. Februar 2006 – abgewiesen und ausgeführt, die Erstattungsansprüche seien nicht verjährt. Zwar verjähre ein Erstattungsanspruch nach § 50 Abs. 4 S. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) in vier Jahren nach Ablauf des Jahres, in dem der Erstattungsbescheid unanfechtbar geworden sei. Der Stundungsantrag des Klägers vom 4. August 1994 stelle aber ein Schuldanerkenntnis dar und habe daher nach § 50 Abs. 4 S. 2 SGB X i.V.m. § 208 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung (a.F.) die Verjährung für die Forderungen zu 1. bis 3. unterbrochen. Eine weitere Verjährungsunterbrechung für die Forderungen zu 1. bis 6. sei durch die am 5. März 1997 geleistete Einzahlung von DM 40,- erfolgt, da durch eine Abschlagszahlung grundsätzlich die bestehende Restschuld anerkannt werde. Soweit der Kläger hiergegen einwende, die Zahlung sei nur aus Kulanz geschehen, könne dies nur als Schutzbehauptung gewertet werden. Auch sein Vortrag, die Zahlung sei zur Begleichung einer Geldbuße erfolgt, sei nicht nachvollziehbar, da diese erst mit Bescheid vom 5. Juni 1998 – also nach der Einzahlung – verhängt worden sei. Schließlich sei die Verjährung aller Forderungen durch den Bescheid der Beklagten vom 17. Juni 1999 unterbrochen worden, da es sich hierbei um einen Verwaltungsakt zur Durchsetzung der Ansprüche i.S.v. § 52 Abs. 1 S. 1 SGB X in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (a.F.) handele.
Der Kläger hat dagegen am 23. März 2006 Berufung eingelegt. Er trägt vor, es ginge nicht um eine Feststellungs-, sondern um eine Anfechtungsklage. Eine Unterbrechung der Verjährung nach § 52 SGB X könne durch einfache Forderungsbescheide nicht bewirkt werden. § 208 BGB sei unanwendbar. Stundungsanträge habe er nicht gestellt und Zahlungen seien lediglich aufgrund von Kulanz und Repressionen der Beklagten vorgenommen worden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 7. Februar 2006 sowie die Bescheide der Beklagten vom 29. September 1999 und 21. August 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. August 2001 aufzuheben und festzustellen, dass die Forderungen der Beklagten aus den Bescheiden vom 24. Januar 1991, 19. November 1992, 6. Mai 1993, 2. Februar 1993, 9. Januar 1995, 27. Juni 1995 und 20. April 1998 verjährt sind.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 7. Februar 2006 zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und trägt vor, eine Anfechtungsklage sei nicht zulässig gewesen, da die zugrundeliegenden Erstattungsbescheide bestandskräftig seien. Die Forderungen seien aus den vom Sozialgericht genannten Gründen nicht verjährt.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte und der Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch sonst zulässige Berufung (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG) ist unbegründet.
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage zulässig.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen, da die gegen den Kläger bestehenden Forderungen aus den Erstattungsbescheiden vom 24. Januar 1991, 19. November 1992, 2. Februar 1993, 6. Mai 1993, 9. Januar 1995, 27. Juni 1995 und 20. April 1998 nicht verjährt sind.
Nach § 50 Abs. 4 S. 1 SGB X verjährt der Erstattungsanspruch in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Erstattungsbescheid unanfechtbar geworden ist. Gemäß § 50 Abs. 4 S. 2 SGB X i.V.m. § 208 BGB a.F. wird die Verjährung unterbrochen, wenn der Verpflichtete dem Berechtigten gegenüber den Anspruch durch Abschlagzahlung, Zinszahlung, Sicherheitsleistung oder in anderer Weise anerkennt. Nach § 52 Abs. 1 S. 1 SGB X a.F. unterbricht ein Verwaltungsakt, der zur Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers erlassen wird, die Verjährung dieses Anspruchs. Die Unterbrechung dauert fort, bis der Verwaltungsakt unanfechtbar geworden ist oder das Verwaltungsverfahren, das zu seinem Erlass geführt hat, anderweitig erledigt ist (§ 52 Abs. 1 S. 2 SGB X a.F.). Ist ein solcher Verwaltungsakt unanfechtbar geworden, gilt § 218 BGB a.F. entsprechend (§ 52 Abs. 2 SGB X a.F.), d.h. es gilt die dreißigjährige Verjährung.
Ein Verwaltungsakt zur Durchsetzung des Anspruchs liegt vor, wenn der Empfänger zur Leistung bzw. Rückzahlung aufgefordert wird. Daher unterliegen sämtliche Forderungen – da die zugrunde liegenden Erstattungsbescheide unanfechtbar sind – von vornherein der dreißigjährigen Verjährung gemäß § 52 Abs. 2 SGB X a.F. i.V.m. § 218 Abs. 1 BGB a.F ... Als Verwaltungsakt i.S.d. § 52 Abs. 1 SGB X a.F. ist nämlich bereits derjenige anzusehen, der den Verpflichteten erstmalig zur Leistungserbringung auffordert, also der Erstattungsbescheid nach § 50 Abs. 3 S. 1 SGB X selbst (vgl. BSG vom 28.2.1996 – 3 RK 12/95 – SozR 3-5425 § 25 Nr. 9, S. 47).
Darüber hinaus sind die Forderungen auch deswegen nicht verjährt, weil Unterbrechungstatbestände nach § 50 Abs. 4 S. 2 SGB X i.V.m. § 208 BGB a.F. gegeben sind. Ein Anerkenntnis im Sinne dieser Vorschriften ist das rein tatsächliche Verhalten des Schuldners gegenüber dem Gläubiger, aus dem sich das Bewusstsein vom Bestehen der Forderung unzweideutig ergibt. Hierunter fallen neben den in § 208 BGB ausdrücklich genannten Tatbeständen u.a. Stundungsgesuche (Palandt-Heinrichs, BGB, 61. Aufl., § 208 Rn. 2 und 4).
Dementsprechend wurde die Verjährung der Forderungen aus den Bescheiden vom 24. Januar 1991, 19. November 1992 und 6. Mai 1993 zunächst durch den Stundungsantrag des Klägers vom 4. August 1994 unterbrochen, mit dem der Kläger eine Forderung über DM 1.950,- ausdrücklich anerkannt hat. Auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts wird insoweit Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG).
Eine weitere Unterbrechung der Verjährung dieser Forderungen sowie der Forderungen aus den Bescheiden vom 9. Januar 1995 und 27. Juni 1995 erfolgte sodann durch das Ratenzahlungsangebot des Klägers vom 20. Dezember 1996, da das Angebot einer Ratenzahlung ebenfalls das grundsätzliche Anerkenntnis der Forderungen beinhaltet.
Des Weiteren hat der Kläger mit seinem Schreiben vom 30. Juni 1999 die Forderungen aus den Bescheiden vom 9. Januar 1995, 27. Juni 1995 und 20. April 1998 ausdrücklich als bestehend anerkannt hat, sodass hierdurch wiederum deren Verjährung unterbrochen wurde.
Schließlich hat die Beklagte mit Bescheid vom 29. September 1999 die Gesamtforderung über DM 3.210,54 festgestellt und dem Kläger Ratenzahlung in Höhe von DM 20,- monatlich eingeräumt. Da auch feststellende Verwaltungsakte über den Bestand des Anspruchs die Voraussetzungen eines Verwaltungsakts zur Durchsetzung des Erstattungsanspruchs i.S.d. § 52 SGB X erfüllen (BSG, Urteil vom 7.10.2004 – B 11 AL 43/03 R – Juris Rn. 23), wurde hierdurch die Verjährung sämtlicher Ansprüche erneut und bis heute andauernd unterbrochen.
Die Forderung aus dem Bescheid vom 2. Februar 1993 betrifft die Rückzahlung eines Darlehens und unterliegt daher gemäß § 195 BGB a.F. der dreißigjährigen Verjährung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.
Der Senat hat die Revision gegen das Urteil nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 (grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache) oder Nr. 2 SGG (Abweichung von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts) nicht vorliegen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die gegen den Kläger bestehenden Erstattungs- bzw. Rückzahlungsansprüche der Beklagten verjährt sind.
Der Kläger stand seit dem Jahre 1990 mit Unterbrechungen im Leistungsbezug bei der Beklagten. In dieser Zeit ergingen gegen ihn folgende bestandskräftige Erstattungsbescheide:
1. Bescheid vom 24. Januar 1991: Erstattung von für die Zeit vom 2. bis 5. Januar 1991 gezahltem Arbeitslosengeld in Höhe von DM 46,40 2. Bescheid vom 19. November 1992: Erstattung von für die Zeit vom 18. Oktober bis 14. November 1992 gezahltem Arbeitslosengeld in Höhe von DM 1.008,- 3. Bescheid vom 6. Mai 1993: Erstattung von für die Zeit vom 24. November bis 5. Dezember 1992 gezahltem Arbeitslosengeld in Höhe von DM 462,- 4. Bescheid vom 2. Februar 1993: Rückzahlung einer als Darlehen gewährten Überbrückungsbeihilfe in Höhe von DM 400,- 5. Bescheid vom 9. Januar 1995: Erstattung von für die Zeit vom 1. Juni bis 31. August 1994 gezahlten Fahrkosten in Höhe von DM 193,80 6. Bescheid vom 27. Juni 1995: Erstattung von für die Zeit vom 1. bis 3. Juni 1995 gezahlter Arbeitslosenhilfe in Höhe von DM 110,10 7. Bescheid vom 20. April 1998: Erstattung von für die Zeit vom 28. Januar bis 28. Februar 1998 gezahlter Arbeitslosenhilfe in Höhe von DM 1.018,24
Mit einem ausdrücklich als Stundungsantrag überschriebenen Schreiben vom 4. August 1994 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass gegen ihn noch eine Forderung in Höhe von DM 1.950,- bestehe, er aber zurzeit keine Raten zahlen könne, weil er arbeitslos sei. Diese erwiderte darauf mit Schreiben vom 20. September 1994, dass die Forderung bis zu seinem Ausscheiden aus dem Leistungsbezug ruhend gestellt sei. Am 28. November 1995 erließ sie eine Vollstreckungsanordnung, die jedoch zu keinem Erfolg führte.
Mit einem an das Landesarbeitsamt gerichteten Schreiben vom 20. Dezember 1996 bot der Kläger die Zahlung von Raten in Höhe von DM 20,- monatlich an. Am 5. März 1997 zahlte er DM 40,- ein. Unter dem 26. August 1997 erging sodann eine weitere Vollstreckungsanordnung der Beklagten, die ebenfalls erfolglos blieb.
Mit Schreiben vom 17. Juni 1999 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass gegen ihn eine Gesamtforderung in Höhe von DM 3.209,04 bestehe, und forderte ihn auf, die fälligen Raten von monatlich DM 20,- zu zahlen. Dieser entgegnete darauf mit Schreiben vom 21. Juni 1999, dass die zugrunde liegenden Bescheide zwar bestandskräftig, einige der Forderungen aber verjährt seien. Er werde die Ratenzahlung aufnehmen, sobald ihm bekannt sei, für welche Forderungen dies zutreffe. Mit Schreiben vom 30. Juni 1999 erklärte er ergänzend, die Forderungen zu 1. bis 4. seien verjährt. Die Forderungen zu 5. bis 7. bestünden zwar noch, er könne sie zurzeit jedoch nicht begleichen. Mit weiterem Schreiben vom 12. Juli 1999 bekräftigte er nochmals seine Ansicht, einige Forderungen seien verjährt. Die Beklagte wertete einen am 4. August 1999 von ihm ausgefüllten Fragebogen zur Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse als Stundungsantrag und gewährte ihm mit Bescheid vom 29. September 1999 Ratenzahlung in Höhe von DM 20,- monatlich für die Gesamtforderung von mittlerweile DM 3.210,54, befristet bis zum 15. Oktober 2000. Der Kläger erhob dagegen unter dem 15. Oktober 1999 Widerspruch und führte aus, eine Forderung über DM 3.210,54 bestehe nicht, da die Verjährungsfrist abgelaufen sei. Er habe keinen Stundungsantrag gestellt, sondern lediglich auf seine Zahlungsunfähigkeit hingewiesen. Die am 5. März 1997 geleistete Einzahlung sei nur aus Kulanz geschehen. Mit Schreiben vom 19. Mai 2001 teilte er außerdem mit, die Einzahlung habe mit der Forderung nichts zu tun, sondern sei zur Begleichung einer Geldbuße erfolgt. Mit Bescheid vom 21. August 2001 lehnte die Beklagte eine weitere Stundung ab 16. Oktober 2000 wegen fehlender Mitwirkung ab. Mit Widerspruchsbescheid vom 29. August 2001 wies sie sodann den Widerspruch des Klägers zurück und gab zur Begründung an, dieser sei den wiederholten Aufforderungen, seine wirtschaftliche Situation nachzuweisen, nicht nachgekommen, sodass der Stundungsantrag abzulehnen sei. Sein Einwand, die Forderungen seien verjährt, greife nicht durch.
Der Kläger hat dagegen am 24. September 2001 Klage erhoben und die Feststellung begehrt, dass die Forderungen verjährt seien. Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 7. Februar 2006 – zugestellt am 23. Februar 2006 – abgewiesen und ausgeführt, die Erstattungsansprüche seien nicht verjährt. Zwar verjähre ein Erstattungsanspruch nach § 50 Abs. 4 S. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) in vier Jahren nach Ablauf des Jahres, in dem der Erstattungsbescheid unanfechtbar geworden sei. Der Stundungsantrag des Klägers vom 4. August 1994 stelle aber ein Schuldanerkenntnis dar und habe daher nach § 50 Abs. 4 S. 2 SGB X i.V.m. § 208 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung (a.F.) die Verjährung für die Forderungen zu 1. bis 3. unterbrochen. Eine weitere Verjährungsunterbrechung für die Forderungen zu 1. bis 6. sei durch die am 5. März 1997 geleistete Einzahlung von DM 40,- erfolgt, da durch eine Abschlagszahlung grundsätzlich die bestehende Restschuld anerkannt werde. Soweit der Kläger hiergegen einwende, die Zahlung sei nur aus Kulanz geschehen, könne dies nur als Schutzbehauptung gewertet werden. Auch sein Vortrag, die Zahlung sei zur Begleichung einer Geldbuße erfolgt, sei nicht nachvollziehbar, da diese erst mit Bescheid vom 5. Juni 1998 – also nach der Einzahlung – verhängt worden sei. Schließlich sei die Verjährung aller Forderungen durch den Bescheid der Beklagten vom 17. Juni 1999 unterbrochen worden, da es sich hierbei um einen Verwaltungsakt zur Durchsetzung der Ansprüche i.S.v. § 52 Abs. 1 S. 1 SGB X in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (a.F.) handele.
Der Kläger hat dagegen am 23. März 2006 Berufung eingelegt. Er trägt vor, es ginge nicht um eine Feststellungs-, sondern um eine Anfechtungsklage. Eine Unterbrechung der Verjährung nach § 52 SGB X könne durch einfache Forderungsbescheide nicht bewirkt werden. § 208 BGB sei unanwendbar. Stundungsanträge habe er nicht gestellt und Zahlungen seien lediglich aufgrund von Kulanz und Repressionen der Beklagten vorgenommen worden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 7. Februar 2006 sowie die Bescheide der Beklagten vom 29. September 1999 und 21. August 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. August 2001 aufzuheben und festzustellen, dass die Forderungen der Beklagten aus den Bescheiden vom 24. Januar 1991, 19. November 1992, 6. Mai 1993, 2. Februar 1993, 9. Januar 1995, 27. Juni 1995 und 20. April 1998 verjährt sind.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 7. Februar 2006 zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und trägt vor, eine Anfechtungsklage sei nicht zulässig gewesen, da die zugrundeliegenden Erstattungsbescheide bestandskräftig seien. Die Forderungen seien aus den vom Sozialgericht genannten Gründen nicht verjährt.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte und der Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch sonst zulässige Berufung (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG) ist unbegründet.
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage zulässig.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen, da die gegen den Kläger bestehenden Forderungen aus den Erstattungsbescheiden vom 24. Januar 1991, 19. November 1992, 2. Februar 1993, 6. Mai 1993, 9. Januar 1995, 27. Juni 1995 und 20. April 1998 nicht verjährt sind.
Nach § 50 Abs. 4 S. 1 SGB X verjährt der Erstattungsanspruch in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Erstattungsbescheid unanfechtbar geworden ist. Gemäß § 50 Abs. 4 S. 2 SGB X i.V.m. § 208 BGB a.F. wird die Verjährung unterbrochen, wenn der Verpflichtete dem Berechtigten gegenüber den Anspruch durch Abschlagzahlung, Zinszahlung, Sicherheitsleistung oder in anderer Weise anerkennt. Nach § 52 Abs. 1 S. 1 SGB X a.F. unterbricht ein Verwaltungsakt, der zur Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers erlassen wird, die Verjährung dieses Anspruchs. Die Unterbrechung dauert fort, bis der Verwaltungsakt unanfechtbar geworden ist oder das Verwaltungsverfahren, das zu seinem Erlass geführt hat, anderweitig erledigt ist (§ 52 Abs. 1 S. 2 SGB X a.F.). Ist ein solcher Verwaltungsakt unanfechtbar geworden, gilt § 218 BGB a.F. entsprechend (§ 52 Abs. 2 SGB X a.F.), d.h. es gilt die dreißigjährige Verjährung.
Ein Verwaltungsakt zur Durchsetzung des Anspruchs liegt vor, wenn der Empfänger zur Leistung bzw. Rückzahlung aufgefordert wird. Daher unterliegen sämtliche Forderungen – da die zugrunde liegenden Erstattungsbescheide unanfechtbar sind – von vornherein der dreißigjährigen Verjährung gemäß § 52 Abs. 2 SGB X a.F. i.V.m. § 218 Abs. 1 BGB a.F ... Als Verwaltungsakt i.S.d. § 52 Abs. 1 SGB X a.F. ist nämlich bereits derjenige anzusehen, der den Verpflichteten erstmalig zur Leistungserbringung auffordert, also der Erstattungsbescheid nach § 50 Abs. 3 S. 1 SGB X selbst (vgl. BSG vom 28.2.1996 – 3 RK 12/95 – SozR 3-5425 § 25 Nr. 9, S. 47).
Darüber hinaus sind die Forderungen auch deswegen nicht verjährt, weil Unterbrechungstatbestände nach § 50 Abs. 4 S. 2 SGB X i.V.m. § 208 BGB a.F. gegeben sind. Ein Anerkenntnis im Sinne dieser Vorschriften ist das rein tatsächliche Verhalten des Schuldners gegenüber dem Gläubiger, aus dem sich das Bewusstsein vom Bestehen der Forderung unzweideutig ergibt. Hierunter fallen neben den in § 208 BGB ausdrücklich genannten Tatbeständen u.a. Stundungsgesuche (Palandt-Heinrichs, BGB, 61. Aufl., § 208 Rn. 2 und 4).
Dementsprechend wurde die Verjährung der Forderungen aus den Bescheiden vom 24. Januar 1991, 19. November 1992 und 6. Mai 1993 zunächst durch den Stundungsantrag des Klägers vom 4. August 1994 unterbrochen, mit dem der Kläger eine Forderung über DM 1.950,- ausdrücklich anerkannt hat. Auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts wird insoweit Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG).
Eine weitere Unterbrechung der Verjährung dieser Forderungen sowie der Forderungen aus den Bescheiden vom 9. Januar 1995 und 27. Juni 1995 erfolgte sodann durch das Ratenzahlungsangebot des Klägers vom 20. Dezember 1996, da das Angebot einer Ratenzahlung ebenfalls das grundsätzliche Anerkenntnis der Forderungen beinhaltet.
Des Weiteren hat der Kläger mit seinem Schreiben vom 30. Juni 1999 die Forderungen aus den Bescheiden vom 9. Januar 1995, 27. Juni 1995 und 20. April 1998 ausdrücklich als bestehend anerkannt hat, sodass hierdurch wiederum deren Verjährung unterbrochen wurde.
Schließlich hat die Beklagte mit Bescheid vom 29. September 1999 die Gesamtforderung über DM 3.210,54 festgestellt und dem Kläger Ratenzahlung in Höhe von DM 20,- monatlich eingeräumt. Da auch feststellende Verwaltungsakte über den Bestand des Anspruchs die Voraussetzungen eines Verwaltungsakts zur Durchsetzung des Erstattungsanspruchs i.S.d. § 52 SGB X erfüllen (BSG, Urteil vom 7.10.2004 – B 11 AL 43/03 R – Juris Rn. 23), wurde hierdurch die Verjährung sämtlicher Ansprüche erneut und bis heute andauernd unterbrochen.
Die Forderung aus dem Bescheid vom 2. Februar 1993 betrifft die Rückzahlung eines Darlehens und unterliegt daher gemäß § 195 BGB a.F. der dreißigjährigen Verjährung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.
Der Senat hat die Revision gegen das Urteil nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 (grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache) oder Nr. 2 SGG (Abweichung von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts) nicht vorliegen.
Rechtskraft
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