S 3 EG 59/08

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 3 EG 59/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Zugrundelegung einer höheren Einkommensgrundlage bei der Berechnung ihres Anspruchs auf Elterngeld für ihr zweites Kind J C.

Die Klägerin ist seit März 2001 bei der Firma S GmbH Co ... KG mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden angestellt. Sie erzielte bis zum Mutterschutz für ihr erstes Kind zuletzt ein monatliches Einkommen in Höhe von etwa 1.400,00 EUR Brutto.

Am 9. Juli 2004 gebar die Klägerin ihren Sohn D. Von Juni 2004 bis Dezember 2006 unterbrach sie ihre Beschäftigung und nahm Mutterschutz und Elternzeit in Anspruch.

Die Schutzfrist für ihre am 1. Januar 2007 geborene Tochter begann am 20. November 2006 und endete am 26. Februar 2007. In diesem Zeitraum bezog sie Mutterschaftsgeld in Höhe von 13,00 EUR pro Kalendertag.

Am 20. Februar 2007 beantragte die Klägerin Elterngeld für die Lebensmonate eins bis zwölf ihres zweiten Kindes.

Mit Bescheid vom 16. März 2007 bewilligte der Beklagte den Anspruch der Klägerin für den zweiten Lebensmonat ihrer Tochter in Höhe von 37,00 EUR, für den dritten bis siebenten Lebensmonat in Höhe von 375,00 EUR und für den achten bis zwölften Lebensmonat in Höhe von 300,00 EUR und wies ihren Antrag im Übrigen zurück.

Mit Schreiben vom 16. April 2007 legte die Klägerin Widerspruch ein. Zur Begründung führt sie aus, die vorgenommene Berechnung des Elterngeldes berücksichtige nicht, dass sie ohne die Geburt ihres zweiten Kindes ab dem 1. Januar 2007 wieder ihr volles Gehalt bezogen hätte. Es sei auf das Einkommen vor der Geburt des ersten Kindes abzustellen. Der Vermögensausfall, der durch die Geburt des zweiten Kindes entstehe, werde ebenso wenig beachtet, wie der Einkommensverzicht aufgrund des Erziehungsurlaubes für ihr erstes Kind. Zwar stehe der Klägerin nach dem Wortlaut des Gesetzes kein Elterngeld zu. Aus den Gesetzgebungsmaterialien und dem Sinn und Zweck der Norm ergebe sich aber ein Anspruch. Die Berücksichtigung des Erziehungsurlaubs bei denen der Einkommensberechnung zugrunde liegenden Kalendermonaten widerspreche dem Gleichheitssatz.

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 17. Juli 2007 unter Hinweis auf die Berechnungsmodalitäten des § 2 BEEG zurück.

Am 22. August 2007 hat die Klägerin beim erkennenden Gericht Klage erhoben.

Zur Begründung vertieft sie ihre Ausführungen aus dem Widerspruch.

Die Klägerin beantragt, den Bescheid des Beklagten vom 16. März 2007 und seinen Widerspruchsbescheid vom 17. Juli 2007 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihr für das am 1. Januar 2007 geborene Kind J C Elterngeld für Februar 2007 in Höhe von 226,41 EUR, für die Monate März bis Juli 2007 in Höhe von jeweils 639,41 EUR und für die Monate August bis Dezember 2007 in Höhe von jeweils 564,41 EUR zu bewilligen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung das Bundeselterngeldgesetz korrekt angewandt zu haben und verweist auf seine Ausführungen im Verwaltungsverfahren.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung der Kammer gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Bescheid des Beklagten vom 16. März 2007 und der Widerspruchsbescheid vom 17. Juli 2007 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf höhere Leistungen nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz.

Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit vom 5. Dezember 2006 (BGBl. I S. 2748 – BEEG) wird Elterngeld in Höhe von 67 Prozent des in den zwölf Monaten vor dem Monat der Geburt des Kindes durchschnittlich erzielten monatlichen Einkommens aus Erwerbstätigkeit bis zu einem Höchstbetrag von 1.800 EUR monatlich für volle Monate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt.

Das zweite Kind der Klägerin wurde am 1. Januar 2007 geboren. Seit dem 20. November 2006 befand sich die Klägerin in Mutterschutz. Für die Berechnung der Höhe des Elterngeldes ist daher auf das Einkommen der Klägerin vom November 2005 bis Oktober 2006 abzustellen. Nach § 2 Abs. 7 Satz 6 BEEG bleiben Kalendermonate bei der Bestimmung der zwölf für die Einkommensermittlung vor der Geburt des Kindes zu Grunde zu legenden Kalendermonate unberücksichtigt, in denen die berechtigte Person Mutterschaftsgeld nach der Reichsversicherungsordnung bezogen hat oder in denen während der Schwangerschaft wegen einer maßgeblich auf die Schwangerschaft zurückzuführenden Erkrankung Einkommen aus Erwerbstätigkeit ganz oder teilweise weggefallen ist. Aufgrund des Bezuges von Mutterschaftsgeld ab dem 20. November 2006 sind die Monate November und Dezember 2006 für den Zwölf-Monats-Zeitraum nicht zu berücksichtigen.

Weitere Kalendermonate, in denen die Klägerin Elternzeit für die Betreuung ihres ersten Kindes in Anspruch genommen hat, führen hingegen nicht zu einer Änderung des maßgeblichen Zwölf-Monats-Zeitraums. Insbesondere findet § 2 Abs. 7 Satz 5 BEEG keine Anwendung.

Danach bleiben Kalendermonate, in denen die berechtigte Person vor der Geburt des Kindes ohne Berücksichtigung einer Verlängerung des Auszahlungszeitraumes nach § 6 Satz 2 Elterngeld für ein älteres Kind bezogen hat, bei der Bestimmung der zwölf für die Einkommensermittlung vor der Geburt des Kindes zu Grunde zu legenden Kalendermonate unberücksichtigt.

Indes gibt es keine Regelung der Nichtberücksichtigung von Monaten bei der Einkommensberechnung, wenn ohne den Bezug von Elterngeld Elternzeit in Anspruch genommen wird. Dies trifft gleichermaßen auf Geburten vor und nach dem Stichtag, dem 1. Januar 2007, zu. Aufgrund des klaren gesetzlichen Wortlautes scheidet eine Übertragung der Regelung in § 2 Abs. 7 Satz 5 BEEG auf Zeiten der Elternzeit oder des Erziehungsgeldbezuges aus (vgl. auch Richtlinien zum BEEG des BMFSFJ vom 18. Dezember 2006, Punkt 2.7.5.).

Der Gesetzgeber hat insbesondere auch berücksichtigt, dass in den grundsätzlich maßgeblichen 12-Monaten vor der Geburt des Kindes kein Einkommen oder nur in einigen Monaten ein Einkommen erzielt wird. In der Begründung heißt es, dieser Zeitraum bilde die durchschnittlichen Einkommensverhältnisse im Jahr vor der Geburt am besten ab. Der Wegfall von Erwerbseinkommen wegen nicht schwangerschaftsbedingter Erkrankung, der Wegfall oder das Fehlen von Erwerbseinkommen aus anderen Gründen wie zum Beispiel der Arbeitsmarktlage oder andere konkrete Lebensumstände der betreffenden Person führen zu einer Minderung des maßgeblichen Einkommens bzw. dazu, dass kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt worden ist (BR-Drs 426/06, S. 43) und die Regelung des § 2 Abs. 5 BEEG greift.

Die konkreten Lebensumstände der Klägerin, ihre Entscheidung für ihr erstes Kind bis zum 31. Dezember 2006 Elternzeit in Anspruch zu nehmen, haben zur Folge, dass sie vor der Geburt ihres zweiten Kindes ein (deutlich) geringeres Einkommen erzielt hat, als etwa im Kalenderjahr 2003. Wird die Berufstätigkeit nach Ablauf des Elterngeldbezuges nicht wieder aufgenommen, tritt eine Änderung der konkreten Lebensumstände durch Einkommensverlust auf. Wird in diesem Zeitraum ein weiteres Kind geboren, tritt hingegen kein zusätzlicher Einkommensverlust ein, der nach dem Willen des Gesetzgebers abgefedert werden soll. Im Vergleich zu der Zeit, in der Elternzeit für das erste Kind in Anspruch genommen und kein Einkommen erzielt worden ist, tritt mit der Gewährung eines Sockelbetrages für das zweite Kind auch für die Klägerin eine Verbesserung der finanziellen Situation der Familie ein.

Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen insoweit nicht. Das Elterngeld stellt eine Leistung des Staates im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit dar. Die Bereitstellung einer solchen Leistung ist aus verfassungsrechtlichen Gründen keine Verpflichtung. Bei nicht beitragsgestützten Sozialleistungen wie Erziehungs- oder Elterngeld kommt dem Gesetzgeber traditionell ein weiter Spielraum zu (vgl. zur Problematik der Stichtagsregelung und ihrer verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit etwa SG München, Urteil vom 11. Juli 2007 – S 30 EG 34/07 – bestätigt durch Bundessozialgericht, Urteil vom 23. Januar 2008 – B 10 EG 3/07 R). Nach Überzeugung der Kammer bewegt sich die Anknüpfung für das regelmäßig zur Verfügung stehende Einkommen an die zwölf Monaten vor der Geburt des Kindes – mit nur sehr engen Ausnahmeregelungen – innerhalb des dem Gesetzgeber eingeräumten Ermessensspielraums.

Mit dem Inkrafttreten des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes wird gegenüber dem Bundeserziehungsgeldgesetz eine völlig neue Zielsetzung verfolgt. Das Elterngeld dient dazu, die wirtschaftliche Lage von Familien gerade im ersten Lebensjahr des Kindes und die Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern (BR-Drs 426/06, S. 3; BT-Drs 16/2785, S. 2) und dadurch die Entscheidung für ein Kind zu fördern. Während das Erziehungsgeld nur bei niedrigen Einkommen der Ehegatten, Lebenspartner bzw. der eheähnlichen Gemeinschaft gezahlt worden ist, steht Elterngeld grundsätzlich allen Elternteilen zu, die Erziehungsaufgaben wahrnehmen. Anknüpfungspunkt ist das Einkommen desjenigen Partners, der die Ausübung seiner Berufstätigkeit zur Wahrnehmung der Kindererziehung unterbricht oder reduziert. Mit dieser Zielsetzung nicht vereinbar wäre, wenn die Zeit in denen Elterngeld bezogen worden ist, als Zeiten ohne Einkommen gewertet würden. Der Gesetzgeber hat daher für kurze Geburtenfolgen, eine Sonderreglung getroffen, dass diese Zeiten bei der Ermittlung des maßgeblichen Einkommens außer Betracht bleiben sollen. Eine sich aus der Verfassung ergebene Verpflichtung, diese Ausnahme auf die gesamte Elternzeit auszudehnen, gibt es nicht.

Nach diesen Grundsätzen hat der Beklagte die Höhe des der Klägerin zustehenden Elterngeldes zutreffend ermittelt.

Da die Klägerin im maßgeblichen Zeitraum kein Einkommen erzielt hat, greift die Regelung des § 2 Abs. 5 Satz 1 BEEG. Nach § 2 Abs. 4 BEEG erfolgt eine Erhöhung um 75,00 EUR bis zum siebenten Lebensmonat ihres zweiten Kindes, weil die Klägerin bis zu diesem Zeitpunkt mit zwei Kindern, die das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, in einem Haushalt lebte.

Auf den Anspruch auf Elterngeld in Höhe von 375,00 EUR für die ersten beiden Lebensmonate, werden nach § 3 Abs. 1 BEEG u. a. das Mutterschaftsgeld angerechnet. Stehen die Leistungen nur für einen Teil des Lebensmonats des Kindes zu, sind sie nur auf den entsprechenden Teil des Elterngeldes anzurechnen.

Da die Klägerin bis zum 26. Februar 2007 Mutterschaftsgeld bezogen hat und diese Leistungen im ersten Lebensmonat höher als der Anspruch auf Elterngeld waren (Elterngeld anteilig bei 31 Kalendertagen: 12,09 EUR, Mutterschaftsgeld 13,00 EUR), war für den ersten Lebensmonat kein Elterngeld zu bewilligen.

Für den zweiten Lebensmonat war der Anspruch anteilig auf 37,00 EUR zu kürzen. Die Klägerin hat vom 1. Februar bis 26. Februar 2007 Mutterschaftsgeld in Höhe von 13,00 EUR kalendertäglich, insgesamt in Höhe von 338,00 EUR bezogen. In dieser Zeit stand ihr ein Elterngeldanspruch in Höhe von 348,21 EUR zu. Der das Mutterschaftsgeld bis zum 26. Februar 2007 übersteigende Elterngeldanspruch von 10,21 EUR wurde ebenso wie der auf den 27. und 28. Februar 2008 anteilig bestehende Anspruch auf Elterngeld von 26,79 EUR (375,00 EUR./. 28 Tage x 2 Tage) bewilligt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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