L 4 KNR 2389/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 2 KNR 5773/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KNR 2389/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 11. April 2008 wird verworfen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger wendet sich gegen die Pflicht zur Erstattung einer überzahlten Rente in Höhe von netto EUR 968,27. Vorrangig zu prüfen ist die Rechtzeitigkeit der Berufungseinlegung.

Der Kläger ist Sohn der am 15. Januar 2006 verstorbenen E. K., die aus der Versicherung ihres Ehemannes A. K. Witwenrente bezog. Diese betrug zuletzt brutto EUR 1.016,05, nach Abzug der Eigenanteile zur Kranken- und Pflegeversicherung EUR 968,27. Da die Beklagte zu Monatsbeginn Februar 2006 noch keine Kenntnis vom Tod der Mutter des Klägers hatte, wurde die Rente für diesen Monat auf das Konto bei der Kreissparkasse L. überwiesen. Der Kläger hob am 04./05. Februar 2006 einen Betrag von insgesamt EUR 1.270,00 ab. Auf Anfrage der Beklagten teilte die Kreissparkasse mit Schreiben vom 14. Februar 2006 mit, über den Rentenbetrag sei bereits verfügt worden.

Mit Anhörungsschreiben vom 22. Juni 2006 forderte die Beklagte den Kläger zur Rückzahlung des überzahlten Betrages in Höhe von EUR 968,27 binnen eines Monats auf. Der Kläger sei Verfügender über den Betrag im Sinne von § 118 Abs. 4 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) gewesen. Der Kläger kam dieser Aufforderung nicht nach.

Durch Bescheid vom 07. September 2006 verpflichtete die Beklagte den Kläger, den Betrag von EUR 968,27 zu erstatten. Der Kläger erhob Widerspruch. Es habe keinen Nachlass der Mutter gegeben. Auch sonstige finanzielle Mittel für eine Erstattung stünden nicht zur Verfügung. Er habe bereits die Bestattung der Mutter bezahlen müssen. Zur Verfügung stünden allenfalls noch Rundfunkgebühren, die trotz zwischenzeitlicher Befreiung als Schwerbehinderte noch eingezogen worden seien. Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies den Widerspruch des Klägers zurück (Widerspruchsbescheid vom 02. Mai 2007). Der Kläger sei als Verfügender im Sinne von § 118 Abs. 4 SGB VI erstattungspflichtig. Auf die Erbeneigenschaft oder die vom Kläger geltend gemachten Gesichtspunkte komme es nach den genannten Vorschriften nicht an. Der Widerspruchsbescheid wurde am 18. Mai 2007 an den Kläger durch persönliche Übergabe zugestellt.

Am 18. Juni 2007 erhob der Kläger zum Sozialgericht Heilbronn Klage (S 5 R 2292/07). Das Sozialgericht Heilbronn verwies durch Beschluss vom 30. Oktober 2007 den Rechtsstreit an das für Angelegenheiten aus der knappschaftlichen Versicherung allein zuständige Sozialgericht Freiburg (SG - S 2 KNR 5773/07). Der Kläger verblieb dabei, er habe bereits die Beerdigungskosten und die sonstigen Aufwendungen des Todesfalles tragen müssen. Die Beklagte habe das Konto sperren lassen. Als Alleinverdiener mit sechs Kindern sei er zur Erstattung auch nicht in der Lage. Die Beklagte könne sich aus den überzahlten Rundfunkgebühren befriedigen.

Die Beklagte trat unter Aufrechterhaltung ihres Standpunkts der Klage entgegen. Bei der Erstattungspflicht gemäß § 118 Abs. 4 SGB VI habe der Gesetzgeber keinen Ermessensspielraum gelassen.

Durch Urteil vom 11. April 2008 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung legte es dar, gemäß der in den angefochtenen Bescheiden zutreffend dargestellten Sach- und Rechtslage habe der Kläger als Verfügender den überwiesenen Geldbetrag zu erstatten. Die Einrede der Entreicherung - wegen der Bezahlung der Beerdigungskosten - und der Verweis auf eine mögliche Befriedigung über zurückzuzahlende Rundfunkgebühren griffen nicht durch. Das Urteil ist am 17. April 2008 an der Wohnanschrift des Klägers zugestellt worden.

Die mit 16. Mai 2008 datierte Berufungsschrift des Klägers ist am Dienstag, 20. Mai 2008 beim Landessozialgericht eingegangen. Der Briefumschlag trägt den Poststempel vom 19. Mai 2008 21.00 Uhr. In der Sache bleibt der Kläger dabei, die Bestattungskosten seien weit über den geforderten Betrag hinausgegangen. Durch die Sperrung des Kontos seien weitere Kosten entstanden. Die Beklagte könne auf die für April bis Dezember 2005 zurückzuerstattenden Rundfunkgebühren verwiesen werden. Bei seiner Familie mit sechs Kindern sei er nicht in der Lage, das Geld zurückzuzahlen.

Nach Hinweis des Berichterstatters, dass die Berufungsfrist versäumt sei, hat der Kläger darauf hingewiesen, dass er am Samstag, 17. Mai 2008 21:36 Uhr per E-Mail bei der Poststelle des Gerichts Berufung eingelegt habe. Die Gerichtsverwaltung (Amtsrätin W.) habe am 19. Mai 2008 per E-Mail mitgeteilt, abgesehen davon, dass sich die angehängte Datei nicht öffnen lasse, sei die Einlegung einer Berufung mittels E-Mail unzulässig. Letzteres bestreite er, da eine digital signierte Berufung - wie er sie daraufhin am 19. Mai 2008 um 14.00 Uhr übermittelt habe - von Gerichten offiziell akzeptiert werde. Im Übrigen habe er zusätzlich per Telefax am selben Tag Berufung eingelegt und er habe die Berufungsschrift schon am Samstagabend in den Briefkasten eingeworfen, wobei der Briefkasten anscheinend erst am Montag geleert worden sei.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 11. April 2008 und den Bescheid vom 07. September 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02. Mai 2007 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil und die streitgegenständlichen Bescheide für zutreffend.

Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten und der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

II.

Der Senat hat über die Berufung des Klägers nach dem ihm eingeräumten Ermessen gemäß § 158 Sätze 1 und 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch Beschluss entschieden, weil die Berufung nicht in der gesetzlichen Frist eingelegt worden ist und Gründe für ein fehlendes Verschulden des Klägers (vgl. § 67 Abs. 1 SGG) nicht glaubhaft gemacht sind.

Nach § 151 Abs. 1 SGG ist die Berufung bei dem Landessozialgericht - oder bei dem Sozialgericht (vgl. Abs. 2 der Vorschrift) - innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Für die Berechnung der Frist sind (vgl. § 153 Abs. 1 SGG) im Berufungsverfahren die Vorschriften des § 64 SGG entsprechend anzuwenden. Der Lauf einer Frist beginnt, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit dem Tage nach der Zustellung oder, wenn diese nicht vorgeschrieben ist, mit dem Tage nach der Eröffnung oder Verkündung (Satz 1). Eine nach Monaten bestimmte Frist endet mit dem Ablauf desjenigen Tages des letzten Monats, welcher nach seiner Zahl dem Tage entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt (vgl. Abs. 2 Satz 1). Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages (Abs. 3).

Das Urteil des SG ist gemäß Zustellungsurkunde am (Donnerstag) 17. April 2008 vom Zusteller in Abwesenheit des Klägers in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten eingelegt worden. Den Zugang und dessen Datum hat der Kläger nicht bestritten. Da dem Urteil des SG eine ordnungsgemäße Rechtsmittelbelehrung beigefügt ist, begann (vgl. § 66 Abs. 1 SGG) die einmonatige Frist des § 151 Abs. 1 SGG am 18. April 2008 zu laufen und endete nach den zitierten Vorschriften des § 64 SGG mit Montag, 19. Mai 2008. Der einfache Brief mit der "16.05.2008" datierten Berufungsschrift trägt den Poststempel des Briefzentrums 70 vom 19. Mai 2008 21.00 Uhr und ist am folgenden Tag, Dienstag 20. Mai 2008, bei Gericht eingegangen, mithin nach Ablauf der Berufungsfrist.

Ein Telefaxschreiben des Klägers, wie von diesem behauptet, ist innerhalb der Frist nicht eingegangen. Diese an die Stelle der Schriftform tretende Form der Übermittlung ist inzwischen einhellig anerkannt (vgl. zuletzt Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes BGHZ 144, 160, 165; Bundesgerichtshof - BGH - BGHZ 167, 214). Eingehende Faxsendungen werden am hiesigen Gericht - auch außerhalb der Dienstzeiten - sofort ausgedruckt. Die Bediensteten der Poststelle sind angehalten, auf Schriftsätze, die eine Berufungseinlegung oder ähnliche bestimmende Erklärungen enthalten, besonders zu achten. Störungen oder sonstige besondere Vorkommnisse sind um den hier streitigen Zeitraum nicht bekannt geworden. Der Kläger hat auch einen von ihm behaupteten Sendebericht nicht vorgelegt.

Mit der am Samstag, 17. Mai 2008 21.36 Uhr übermittelten E-Mail konnte der Kläger die Berufungsfrist nicht wahren, weil eine E-Mail das Formerfordernis der schriftlichen Berufungseinlegung nicht erfüllt und eine mit E-Mail eingelegte Berufung deshalb nicht formgerecht ist. Zur Sicherung der Authentizitäts- und Sicherungsfunktion müssen für die Einlegung der Berufung besondere Anforderungen erfüllt sein. Für das Gericht muss erkennbar sein, dass die Berufung vom Berufungsführer herrührt und dieser sie wissentlich und willentlich in den Verkehr gebracht hat. Diese Authentizitätssicherung wird durch einfache E-Mails nicht gewährleistet. Der Absender ist nicht ausreichend sicher identifizierbar; es besteht die Gefahr von Missbrauch und Täuschung durch Unbefugte (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15. Februar 2008 - L 10 SB 53/06 -, veröffentlicht in juris). Die Beteiligten können nach § 65a Abs. 1 SGG dem Gericht elektronische Dokumente nur übermitteln, soweit dies für den jeweiligen Zuständigkeitsbereich durch Rechtsverordnung der Bundesregierung oder der Landesregierungen zugelassen worden ist. Eine entsprechende Rechtsverordnung ist bislang für Baden-Württemberg nicht ergangen. Des Weiteren ist auch nicht erkennbar, dass die E-Mail des Klägers vom 17. Mai 2008 mit einer qualifizierten Signatur versehen war.

Zwar hat der BGH inzwischen ausgesprochen (Beschluss des 10. Zivilsenats vom 15. Juli 2008 - X ZB 8/08 -, veröffentlicht in juris), ein Schriftstück sei in schriftlicher Form eingereicht, sobald dem Berufungsgericht ein Ausdruck der als Anhang einer elektronischen Nachricht übermittelten, die vollständige Berufung enthaltenden Bilddatei (PDF-Datei) vorliegt. Letzteres ist aber seitens des Klägers nicht ermöglicht worden. Wie Amtsrätin W. in ihrer Rückantwort vom Montag, 19. Mai 2008 gegen 14.00 Uhr dargelegt hat, ließ sich die vom Kläger als Anhang seines Begleitschreibens genannte Datei nicht öffnen. Die Möglichkeit, noch am 19. Mai 2008 - bis Mitternacht - eine der in der Rückantwort des Gerichts genannten Formen (schriftlich, zur Niederschrift oder mit Telefax) zu wahren, hat der Kläger nicht mehr genutzt.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen schuldlosen Versäumens der Berufungsfrist gemäß § 67 SGG ist dem Kläger nicht zu gewähren. Insbesondere kann sich der Kläger nicht auf ungewöhnliche Postlaufzeiten berufen. Der Poststempel belegt bei normalem Verlauf - abweichende Umstände sind nicht ersichtlich -, dass der Brief nicht in einen Briefkasten mit Sonntagsleerung eingeworfen sein kann. Letzteres hat der Kläger im Schriftsatz vom 31. Juli 2008 eingeräumt. Es wäre seine Pflicht gewesen, wenn er schon die Monatsfrist voll ausnutzen wollte, nach einem Briefkasten mit Sonntagsleerung zu suchen oder nach einer sonstigen Form der Übermittlung, die einen form- und fristgerechten Eingang bei Gericht ermöglichen würde.

Nach alledem ist dem Berufungsgericht eine Prüfung in der Sache verwehrt.

Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG.

Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
Rechtskraft
Aus
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