Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 19 AL 744/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 406/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 06.09.2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Bewilligung von Insolvenzgeld.
Der Kläger ist - nach eigenen Angaben - deutscher Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Polen. Am 13.06.2005 beantragte er bei der Beklagten die Bewilligung von Insolvenzgeld. Er sei von Mai 2000 bis Juli 2003 bei der Fa. E. Elektronik GmbH in E. beschäftigt gewesen. Das Arbeitsverhältnis sei durch den Arbeitgeber zum 31.07.2003 gekündigt worden. Für die Monate Juni 2003 und Juli 2003 habe er kein Arbeitsentgelt erhalten. Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers wurde mit Beschluss des Amtsgerichts O. (Insolvenzgericht) vom 07.07.2005 mangels Masse abgelehnt (69 IN 29/05).
Mit der Antragstellung legte der Kläger einen arbeitsgerichtlichen Vergleich vom 09.07.2004 vor. Der Kläger hatte mit seinem Arbeitgeber vor dem Arbeitsgericht O. einen Vergleich geschlossen, in dem u.a. geregelt war: " 1 ... 2. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das Arbeitsverhältnis bis zum Beendigungszeitpunkt ordnungsgemäß abgerechnet und abgewickelt worden ist. 3. Nur für den Verlust des Arbeitsplatzes zahlt die Beklagte an den Kläger in entsprechender Anwendung der §§ 9, 10 KSchG, § 3 Ziff.9 EStG eine Abfindung in Höhe von 1.500,- EUR. 4. Mit der Erfüllung der Verpflichtungen dieses Vergleiches sind sämtliche wechselseitigen Ansprüche der Parteien aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung erledigt. 5 ... 6.
Die Beklagte lehnte den Insolvenzgeldantrag mit Bescheid vom 08.11.2005 ab. Der Kläger habe aus dem arbeitsgerichtlichen Vergleich lediglich eine Abfindung zu erhalten. Dies sei jedoch kein Arbeitsentgelt i.S. der Insolvenzgeldvorschriften.
Mit dem Widerspruch brachte der Kläger vor, dass der Arbeitgeber das Bestehen der Lohnforderung nicht bestritten habe; dieser habe lediglich mit Schadensersatzforderungen aufgerechnet, die jedoch nicht bestanden hätten. Der arbeitsgerichtliche Vergleich sei auf Anraten des Gerichts zustande gekommen, wobei eine Nettozahlung vereinbart worden sei, um weitere Abrechnungen zu vermeiden. Dies sei insbesondere vor dem Hintergrund geschehen, dass die damals vorliegende Abrechnung des Monats Juni 2003 einen Nettobetrag ausgewiesen habe und die Sozialabgaben bereits abgeführt gewesen seien. Eine Abfindung wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes sei zu keinem Zeitpunkt Gegenstand des arbeitsgerichtlichen Verfahrens gewesen, sodass sich sämtliche Vereinbarungen aus dem Vergleich auf die Abgeltung des geschuldeten Arbeitsentgeltes bezogen hätten.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 01.12.2005 zurück. Der Kläger könne nicht belegen, dass Arbeitsentgeltansprüche noch offen seien.
Die am 21.12.2005 zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhobene Klage begründete der Kläger damit, dass die Arbeitsentgeltansprüche streitig geblieben seien und sich die Beklagte nicht auf die Vereinbarungen eines Vergleiches stützen dürfe. Derartige Feststellungen seien nicht bindend und die Beklagte habe den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären. Die Lohnforderungen seien berechtigt gewesen und die vom Arbeitgeber erhobenen Einwendungen hätten im Ergebnis nicht durchgegriffen, sodass ein Anspruch auf Insolvenzgeld bestehe.
Das SG wies die Klage mit Urteil vom 06.09.2006 unter Bezugnahme auf die Gründe der Widerspruchsentscheidung ab. Der Kläger müsse sich an seiner - im Rahmen des arbeitsgerichtlichen Vergleiches abgegebenen Erklärung, es bestünden keine Lohnansprüche mehr - festhalten lassen.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger am 20.12.2006 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Die im arbeitsgerichtlichen Vergleich als Abfindung bezeichneten Ansprüche seien nach den Gesamtumständen als Arbeitsentgelt zu werten. Die Arbeitsentgeltansprüche seien vom Arbeitgeber zu keinem Zeitpunkt bestritten worden; dieser habe lediglich mit nicht bestehenden Schadensersatzforderungen aufgerechnet. Es sei im Rahmen des Vergleiches nicht auf Arbeitsentgeltansprüche verzichtet worden. Der Hinweis auf die ordnungsgemäße Abrechnung und Abwicklung beziehe sich lediglich auf den Umstand, dass für Juni 2003 eine Lohnabrechnung erfolgt und darüber hinaus das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß beendet worden sei. Im Übrigen sei der Vergleich auch unwirksam. Der Arbeitgeber habe über seine Zahlungsfähigkeit getäuscht und so einen Irrtum hervorgerufen, der zur Anfechtung des Vergleiches berechtige. Auch lägen die Voraussetzungen vor, von dem arbeitsgerichtlichen Vergleich zurückzutreten, und es werde dieser Rücktritt erklärt, sodass die noch offenen Lohnansprüche von der Beklagten zu begleichen seien. Auch bei Wirksamkeit des Vergleiches bestünde ein Arbeitsentgeltanspruch, denn dieser sei nach dem Wortlaut des Vergleiches erst mit der Erfüllung der vereinbarten Zahlung erledigt.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 06.09.2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 08.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.12.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger das Insolvenzgeld antragsgemäß zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend.
Zum Vorbringen der Beteiligten im Einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten, des Arbeitsgerichtes O. , des SG und des Bayer. Landessozialgerichtes sowie auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerechte Berufung, §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG), ist zulässig, in der Sache aber unbegründet.
Das Urteil des SG ist nicht zu beanstanden. Der Bescheid der Beklagten vom 08.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.12.2005 ist rechtmäßig. Der Kläger wird durch diese Entscheidung in seinen Rechten nicht verletzt, denn die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, dem Kläger das geltend gemachte Arbeitsentgelt als Insolvenzgeld zu bewilligen. Auch besteht kein Anspruch auf Erstattung der im arbeitsgerichtlichen Vergleich zugesagten Abfindung.
Einen Anspruch auf Arbeitsentgelt für die streitigen Zeiträume Juni und Juli 2003 kann der Kläger nicht belegen, weil er mit dem arbeitsgerichtlichen Vergleich vom 09.07.2004 wirksam auf eventuell bestehende Arbeitsentgeltansprüche für diese Zeiträume verzichtet hat. Darüber hinaus kann der Kläger nicht belegen, dass der arbeitsgerichtliche Vergleich unwirksam sei, und es ist ihm auch nicht gelungen, die Wirksamkeit dieser Vereinbarung durch Anfechtung oder Rücktritt zu beseitigen.
Arbeitnehmer haben Ansprsuch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse (Insolvenzereignis) für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben, § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr 2 SGB III.
Soweit der Kläger für die streitgegenständlichen Zeiträume Juni und Juli 2003 Arbeitsentgelt zu beanspruchen hatte, hat er auf dieses in Ziff. 2 des arbeitsgerichtlichen Vergleiches vom 09.07.2004 verzichtet, indem er eingeräumt hat, dass das Arbeitsverhältnis bis zum Beendigungszeitpunkt (31.07.2003) ordnungsgemäß abgerechnet und abgewickelt worden sei. Diese Erklärung ist dahingehend zu verstehen, dass keinerlei Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis mehr bestehen, wobei es für einen Verzicht auch aus Sicht des Klägers nachvollziehbare Gründe gab. Zum einen hätte er im arbeitsgerichtlichen Verfahren für wesentliche Teile des Juligehaltes den Beweis erbringen müssen, dass ihm Urlaub bewilligt war, und er nicht unentschuldigt der Arbeit ferngeblieben war. Zum anderen war er dem nicht unerheblichen Prozessrisiko ausgesetzt, die Rückgabe der ihm übergebenen Werkzeuge nicht belegen zu können, sodass ihm berechtigte Schadensersatzforderungen des Arbeitgebers drohten, und eine Aufrechnung mit dem Junigehalt nicht offenkundig auszuschließen war.
Auch hatte der Verzicht auf das Arbeitsentgelt für den Kläger den Vorteil, im Gegenzug einen mit der Klage nicht geltend gemachten Abfindungsanspruch zu erhalten, der anders als der Arbeitsentgeltanspruch steuer- und sozialversicherungsfrei war.
Darüber hinaus ist nach den Gesamtumständen auch kein zweifelsfreier Schluss möglich, dass mit dem arbeitsgerichtlichen Vergleich lediglich die Arbeitsentgeltansprüche geregelt werden sollten. Mit der Klageschrift vom 27.10.2003 hat der Kläger lediglich das ausstehende Arbeitsentgelt von 3.657,88 EUR (brutto) geltend gemacht, sodass keinerlei Anlass bestanden hätte, den Streitwert im arbeitsgerichtlichen Verfahren mit einem höheren Betrag anzusetzen. Gleichwohl wurde ein Streitwert von 5.367,96 EUR angenommen, sodass der Schluss nahe liegt, die Parteien des Arbeitsrechtsstreites hätten sich nicht allein über die Abgeltung der Arbeitsentgeltansprüche geeinigt, sondern eine "echte" Abfindung anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vereinbart, insbesondere, weil nach Lage der arbeitsgerichtlichen Akten weder seitens des Klägers, noch seitens des Arbeitgebers eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.07.2003 ausgesprochen war.
Soweit der Kläger in diesem Zusammehang einwendet, der Sachverhalt sei von Amts wegen aufzuklären und die Erklärungen in Vergleichen hätten keinerlei Bindungswirkung zwischen dem Kläger und der Beklagten, so gilt dies nur soweit, wie die tatsächlichen Grundlagen des Arbeitsentgeltanspruches in Frage stehen.
Soweit die Parteien eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens jedoch rechtsgestaltende Erklärungen in Bezug auf einen Anspruch abgegeben haben, die - wie im Falle eines Verzichtes - dessen Bestand beseitigen, sind diese Erklärungen und die daraus resultierenden Rechtsfolgen, d.h. das Erlöschen des Anspruches zu beachten (vgl. Niesel in Niesel, SGB III, 4.Aufl 2007, § 183 Rdnr. 106 mwN).
Der Kläger kann für sich auch nicht in Anspruch nehmen, dass der Vergleich unwirksam sei, oder dass dessen Wirksamkeit durch rechtsgestaltende Erklärungen wie Anfechtung oder Rücktritt beseitigt worden sei.
Der Vergleich vor dem Arbeitsgericht O. hat als Prozessvergleich dabei eine Doppelnatur. Er ist einerseits materiell-rechtlicher Vertrag, für den materielles Recht gilt, andererseits aber auch Prozesshandlung der Beteiligten, die den Rechtsstreit unmittelbar beendet und deren Wirksamkeit sich nach den Grundsätzen des Prozessrechtes richtet (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8.Aufl., § 101 Rdnr. 3 mwN zur Rechtsprechung).
Vorliegend gibt es keine Anhaltspunkte, dass der Vergleich vom 09.07.2004 unter prozessualen Gesichtspunkten formell zu beanstanden wäre. Darüber hinaus ist er materiell-rechtlich wirksam, insbesondere ist nicht belegt, dass sich die Parteien des Vergleiches, der Kläger und sein Arbeitgeber, über die Geschäftsgrundlagen des Vergleiches geirrt hätten.
Ein Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird (Vergleich), ist unwirksam, wenn der nach dem Inhalt des Vertrags als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspricht und der Streit oder die Ungewissheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden sein würde, § 779 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).
Eine Streitbeilegung durch Vergleich findet typischerweise in einem Rahmen nicht streitiger Umstände statt, die von den Beteiligten zur für sie wesentlichen Voraussetzung der Streitbeilegung erhoben werden. Fehlt es in Wahrheit an dieser Vergleichsgrundlage, so ist die hierauf begründete Rechtsfeststellung unwirksam. Dagegen übernehmen die Vertragsparteien dafür, dass streitige oder ungewisse Umstände, deren Bedeutung und Folgen sie zur Streitbeilegung geregelt haben, in Wahrheit für sie günstiger waren, also für den vorliegenden Vergleichsgegenstand, das Risiko (vgl. Habersack in MüKo zum BGB, 4.Aufl., 2004, § 779 Rdnr. 62).
Letzteres haben der Kläger und sein Arbeitgeber im Rahmen des arbeitsgerichtlichen Vergleiches geregelt. Streitig war zum einen - für die Zeit ab dem 11.07.2003 - ob Lohnansprüche entstanden sind, da der Arbeitgeber bestritten hatte, dass dem Kläger Urlaub bewilligt war. Im Weiteren war zweifelhaft, in welcher Höhe für die Zeit vom 01.07.2003 bis 10.07.2003 ein Arbeitsentgeltanspruch bestanden hatte. Zuletzt war auch ungewiss, ob die Lohnansprüche, soweit sie entstanden waren, nicht durch Aufrechnung erloschen waren. Es bestand insgesamt für den Kläger im arbeitsgerichtlichen Verfahren ein nicht unerhebliches Prozessrisiko, das es naheliegend erscheinen ließ, auf einen erheblichen Teil der geltend gemachten Ansprüche zu verzichten, um im Gegenzug einen sicheren Anspruch, die Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes zu erhalten. Der Kläger und sein Arbeitgeber sind daher nicht irrtümlich davon ausgegangen, dass eine Abrechnung und Abwicklung des Arbeitsverhältnisses tatsächlich nicht stattgefunden hat, sondern sie haben mit der Ziff. 2 des Vergleiches - im Hinblick auf das beiderseitige Prozessrisiko - darauf verzichtet, das Arbeitsverhältnis für die Zeit ab dem 01.06.2003 bis zu dessen rechtlichen Ende am 31.07.2003 ordnungsgemäß abzuwickeln. Ein Wegfall der Geschäftsgrundlage, der zur Unwirksamkeit des Vergleiches führen könnte, ist daher nach den Umständen des Vergleichsabschlusses nicht anzunehmen.
Darüber hinaus hat der Kläger die Wirksamkeit des Vergleiches weder durch Anfechtung noch durch Rücktritt beseitigt.
Unabhängig von einer Unwirksamkeit iSd § 779 BGB kann sich die Unwirksamkeit auch nach den allgemeinen Regeln ergeben, wofür jedoch keinerlei Anhaltspunkte vorliegen, denn es ist nicht ersichtlich, dass der Vergleich wegen des Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot (§§ 134, 138 BGB) o.ä. unwirksam sein könnte.
Im Weiteren greift auch eine Anfechtung des Vergleiches wegen arglistiger Täuschung oder wegen Irrtums nicht. Diesbezüglich hat der Kläger erstmals mit seinem Vorbringen im Rahmen der Berufungsbegründungsschrift am 20.12.2006 die Unwirksamkeit des Vergleiches geltend gemacht, wobei nach den Ausführungen des Klägers zweifelhaft erscheint, ob die Anfechtung gegenüber dem Arbeitgeber überhaupt erklärt worden ist. Soweit der Kläger die Auffassung vertreten sollte, es genüge eine Anfechtungserklärung gegenüber der Beklagten, bedarf es keiner Entscheidung, dass die Beklagte hier nicht der richtige Empfänger für eine Anfechtungserklärung ist, denn die Fristen für eine Anfechtung (§§ 120, 124 BGB) wären ohnehin weit überschritten, nachdem der Kläger spätestens seit dem Antrag auf Insolvenzgeld im Juni 2005 von der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers wusste.
Die Wirksamkeit des Vergleiches wird auch nicht dadurch beseitigt, dass der Kläger eine Störung der Geschäftsgrundlage und damit den nachträglichen Wegfall der Vergleichsgrundlage geltend machen kann, der ihn in der Folge berechtigen würde, den Rücktritt vom Vergleich zu erklären (vgl. hierzu Habersack aaO § 779 Rdnr. 68f), denn es ist nicht ersichtlich, dass ein Wegfall der Geschäftsgrundlage zu belegen wäre, weil weder eine Äquivalenzstörung noch eine Zweckstörung zu erkennen ist, aus der sich eine Störung der Geschäftsgrundlage begründen ließe (vgl. hierzu Habersack aaO § 779 Rdnr. 69 mwN).
Vorliegend hat der Kläger allenfalls die zukünftige Zahlungsfähigkeit des Arbeitgebers falsch eingeschätzt. Dieses Kriterium war jedoch für den Abschluss des Vergleiches in der gewählten Form nicht ausschlaggebend, denn auch im Falle einer Vereinbarung über Arbeitsentgelt hätte keine andere Beurteilung der zukünftigen Solvenz des Arbeitgebers zugrundegelegt werden können. Soweit sich der Kläger jedoch bei Abschluss des Vergleiches über die damit verbundenen rechtlichen Konsequenzen, insbesondere die fehlende Durchsetzbarkeit der Forderung in einem Insolvenzgeldverfahren bei Insolvenz des Arbeitgebers, geirrt haben sollte, ist dies als einseitige Erwartung der Risikosphäre des Klägers zuzurechnen (vgl. Roth aaO § 313 Rdnr. 253), die eine Anpassung des Vergleichs iSd § 313 BGB bzw. einen Rücktritt wegen Unmöglichkeit der Anpassung nicht rechtfertigen kann.
Darüber hinaus wäre ein Rücktritt allein gegenüber dem Partner des Vergleiches, d.h. dem Arbeitgeber zu erklären, § 349 BGB. Eine Rücktrittserklärung gegenüber der Sozialgerichtsbarkeit, wie sie mit dem Berufungsbegründungsschriftsatz vom 20.12.2006 ausgesprochen worden ist, genügt in diesem Zusammenhang in keiner Weise.
Der Kläger kann auch nicht damit durchdringen, dass trotz eines wirksamen Vergleiches die Arbeitsentgeltansprüche noch offen seien, weil die Gegenleistung, d.h. die Abfindung noch nicht erbracht worden sei.
Die Formulierung des Vergleiches (Ziff.4: Mit der Erfüllung der Verpflichtungen dieses Vergleiches sind sämtliche wechselseitigen Ansprüche der Parteien aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung erledigt) lässt keinen zweifelsfreien Schluss zu, dass der Verzicht auf Arbeitsentgelt davon abhängig war, dass die Verpflichtung des Arbeitgebers - die Auszahlung der Abfindung - erfüllt werde.
Die Vereinbarung besagt lediglich, dass die mit Vergleich seitens des Arbeitgebers anerkannten Ansprüche anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, d.h. der Abfindungsanspruch, mit deren Zahlung erfüllt seien. Auf die Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, die Arbeitsentgeltansprüche, hatte der Kläger bereits in Ziff.2 des Vergleiches verzichtet (siehe hierzu oben); der diesbezüglichen Erklärung in Ziff.4 kann nur deklaratorischer Wert beigemessen werden, denn Arbeitsentgeltansprüche, die mit der Zahlung der Abfindung erlöschen könnten, haben nach dem Verzicht nicht mehr bestanden. Im Ergebnis sind daher - nach dem wirksamen Verzicht des Klägers im Rahmen des arbeitsgerichtlichen Vergleiches - keine Arbeitsentgeltansprüche des Klägers nachzuweisen, welche die Beklagte im Rahmen des Insolvenzgeldes auszugleichen hätte.
Zuletzt ist auch die vereinbarte Abfindung in Höhe von 1.500,- EUR nicht im Rahmen einer Insolvenzgeldbewilligung zu berücksichtigen, denn es handelt sich hierbei um einen Anspruch, der wegen der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses zu beanspruchen ist, dessen Berücksichtigung nach § 184 Abs.1 Nr.1 SGB III jedoch ausgeschlossen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG und ergibt sich aus dem Unterliegen des Klägers.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs.2 Nr.1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Bewilligung von Insolvenzgeld.
Der Kläger ist - nach eigenen Angaben - deutscher Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Polen. Am 13.06.2005 beantragte er bei der Beklagten die Bewilligung von Insolvenzgeld. Er sei von Mai 2000 bis Juli 2003 bei der Fa. E. Elektronik GmbH in E. beschäftigt gewesen. Das Arbeitsverhältnis sei durch den Arbeitgeber zum 31.07.2003 gekündigt worden. Für die Monate Juni 2003 und Juli 2003 habe er kein Arbeitsentgelt erhalten. Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers wurde mit Beschluss des Amtsgerichts O. (Insolvenzgericht) vom 07.07.2005 mangels Masse abgelehnt (69 IN 29/05).
Mit der Antragstellung legte der Kläger einen arbeitsgerichtlichen Vergleich vom 09.07.2004 vor. Der Kläger hatte mit seinem Arbeitgeber vor dem Arbeitsgericht O. einen Vergleich geschlossen, in dem u.a. geregelt war: " 1 ... 2. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das Arbeitsverhältnis bis zum Beendigungszeitpunkt ordnungsgemäß abgerechnet und abgewickelt worden ist. 3. Nur für den Verlust des Arbeitsplatzes zahlt die Beklagte an den Kläger in entsprechender Anwendung der §§ 9, 10 KSchG, § 3 Ziff.9 EStG eine Abfindung in Höhe von 1.500,- EUR. 4. Mit der Erfüllung der Verpflichtungen dieses Vergleiches sind sämtliche wechselseitigen Ansprüche der Parteien aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung erledigt. 5 ... 6.
Die Beklagte lehnte den Insolvenzgeldantrag mit Bescheid vom 08.11.2005 ab. Der Kläger habe aus dem arbeitsgerichtlichen Vergleich lediglich eine Abfindung zu erhalten. Dies sei jedoch kein Arbeitsentgelt i.S. der Insolvenzgeldvorschriften.
Mit dem Widerspruch brachte der Kläger vor, dass der Arbeitgeber das Bestehen der Lohnforderung nicht bestritten habe; dieser habe lediglich mit Schadensersatzforderungen aufgerechnet, die jedoch nicht bestanden hätten. Der arbeitsgerichtliche Vergleich sei auf Anraten des Gerichts zustande gekommen, wobei eine Nettozahlung vereinbart worden sei, um weitere Abrechnungen zu vermeiden. Dies sei insbesondere vor dem Hintergrund geschehen, dass die damals vorliegende Abrechnung des Monats Juni 2003 einen Nettobetrag ausgewiesen habe und die Sozialabgaben bereits abgeführt gewesen seien. Eine Abfindung wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes sei zu keinem Zeitpunkt Gegenstand des arbeitsgerichtlichen Verfahrens gewesen, sodass sich sämtliche Vereinbarungen aus dem Vergleich auf die Abgeltung des geschuldeten Arbeitsentgeltes bezogen hätten.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 01.12.2005 zurück. Der Kläger könne nicht belegen, dass Arbeitsentgeltansprüche noch offen seien.
Die am 21.12.2005 zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhobene Klage begründete der Kläger damit, dass die Arbeitsentgeltansprüche streitig geblieben seien und sich die Beklagte nicht auf die Vereinbarungen eines Vergleiches stützen dürfe. Derartige Feststellungen seien nicht bindend und die Beklagte habe den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären. Die Lohnforderungen seien berechtigt gewesen und die vom Arbeitgeber erhobenen Einwendungen hätten im Ergebnis nicht durchgegriffen, sodass ein Anspruch auf Insolvenzgeld bestehe.
Das SG wies die Klage mit Urteil vom 06.09.2006 unter Bezugnahme auf die Gründe der Widerspruchsentscheidung ab. Der Kläger müsse sich an seiner - im Rahmen des arbeitsgerichtlichen Vergleiches abgegebenen Erklärung, es bestünden keine Lohnansprüche mehr - festhalten lassen.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger am 20.12.2006 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Die im arbeitsgerichtlichen Vergleich als Abfindung bezeichneten Ansprüche seien nach den Gesamtumständen als Arbeitsentgelt zu werten. Die Arbeitsentgeltansprüche seien vom Arbeitgeber zu keinem Zeitpunkt bestritten worden; dieser habe lediglich mit nicht bestehenden Schadensersatzforderungen aufgerechnet. Es sei im Rahmen des Vergleiches nicht auf Arbeitsentgeltansprüche verzichtet worden. Der Hinweis auf die ordnungsgemäße Abrechnung und Abwicklung beziehe sich lediglich auf den Umstand, dass für Juni 2003 eine Lohnabrechnung erfolgt und darüber hinaus das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß beendet worden sei. Im Übrigen sei der Vergleich auch unwirksam. Der Arbeitgeber habe über seine Zahlungsfähigkeit getäuscht und so einen Irrtum hervorgerufen, der zur Anfechtung des Vergleiches berechtige. Auch lägen die Voraussetzungen vor, von dem arbeitsgerichtlichen Vergleich zurückzutreten, und es werde dieser Rücktritt erklärt, sodass die noch offenen Lohnansprüche von der Beklagten zu begleichen seien. Auch bei Wirksamkeit des Vergleiches bestünde ein Arbeitsentgeltanspruch, denn dieser sei nach dem Wortlaut des Vergleiches erst mit der Erfüllung der vereinbarten Zahlung erledigt.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 06.09.2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 08.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.12.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger das Insolvenzgeld antragsgemäß zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend.
Zum Vorbringen der Beteiligten im Einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten, des Arbeitsgerichtes O. , des SG und des Bayer. Landessozialgerichtes sowie auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerechte Berufung, §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG), ist zulässig, in der Sache aber unbegründet.
Das Urteil des SG ist nicht zu beanstanden. Der Bescheid der Beklagten vom 08.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.12.2005 ist rechtmäßig. Der Kläger wird durch diese Entscheidung in seinen Rechten nicht verletzt, denn die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, dem Kläger das geltend gemachte Arbeitsentgelt als Insolvenzgeld zu bewilligen. Auch besteht kein Anspruch auf Erstattung der im arbeitsgerichtlichen Vergleich zugesagten Abfindung.
Einen Anspruch auf Arbeitsentgelt für die streitigen Zeiträume Juni und Juli 2003 kann der Kläger nicht belegen, weil er mit dem arbeitsgerichtlichen Vergleich vom 09.07.2004 wirksam auf eventuell bestehende Arbeitsentgeltansprüche für diese Zeiträume verzichtet hat. Darüber hinaus kann der Kläger nicht belegen, dass der arbeitsgerichtliche Vergleich unwirksam sei, und es ist ihm auch nicht gelungen, die Wirksamkeit dieser Vereinbarung durch Anfechtung oder Rücktritt zu beseitigen.
Arbeitnehmer haben Ansprsuch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse (Insolvenzereignis) für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben, § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr 2 SGB III.
Soweit der Kläger für die streitgegenständlichen Zeiträume Juni und Juli 2003 Arbeitsentgelt zu beanspruchen hatte, hat er auf dieses in Ziff. 2 des arbeitsgerichtlichen Vergleiches vom 09.07.2004 verzichtet, indem er eingeräumt hat, dass das Arbeitsverhältnis bis zum Beendigungszeitpunkt (31.07.2003) ordnungsgemäß abgerechnet und abgewickelt worden sei. Diese Erklärung ist dahingehend zu verstehen, dass keinerlei Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis mehr bestehen, wobei es für einen Verzicht auch aus Sicht des Klägers nachvollziehbare Gründe gab. Zum einen hätte er im arbeitsgerichtlichen Verfahren für wesentliche Teile des Juligehaltes den Beweis erbringen müssen, dass ihm Urlaub bewilligt war, und er nicht unentschuldigt der Arbeit ferngeblieben war. Zum anderen war er dem nicht unerheblichen Prozessrisiko ausgesetzt, die Rückgabe der ihm übergebenen Werkzeuge nicht belegen zu können, sodass ihm berechtigte Schadensersatzforderungen des Arbeitgebers drohten, und eine Aufrechnung mit dem Junigehalt nicht offenkundig auszuschließen war.
Auch hatte der Verzicht auf das Arbeitsentgelt für den Kläger den Vorteil, im Gegenzug einen mit der Klage nicht geltend gemachten Abfindungsanspruch zu erhalten, der anders als der Arbeitsentgeltanspruch steuer- und sozialversicherungsfrei war.
Darüber hinaus ist nach den Gesamtumständen auch kein zweifelsfreier Schluss möglich, dass mit dem arbeitsgerichtlichen Vergleich lediglich die Arbeitsentgeltansprüche geregelt werden sollten. Mit der Klageschrift vom 27.10.2003 hat der Kläger lediglich das ausstehende Arbeitsentgelt von 3.657,88 EUR (brutto) geltend gemacht, sodass keinerlei Anlass bestanden hätte, den Streitwert im arbeitsgerichtlichen Verfahren mit einem höheren Betrag anzusetzen. Gleichwohl wurde ein Streitwert von 5.367,96 EUR angenommen, sodass der Schluss nahe liegt, die Parteien des Arbeitsrechtsstreites hätten sich nicht allein über die Abgeltung der Arbeitsentgeltansprüche geeinigt, sondern eine "echte" Abfindung anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vereinbart, insbesondere, weil nach Lage der arbeitsgerichtlichen Akten weder seitens des Klägers, noch seitens des Arbeitgebers eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.07.2003 ausgesprochen war.
Soweit der Kläger in diesem Zusammehang einwendet, der Sachverhalt sei von Amts wegen aufzuklären und die Erklärungen in Vergleichen hätten keinerlei Bindungswirkung zwischen dem Kläger und der Beklagten, so gilt dies nur soweit, wie die tatsächlichen Grundlagen des Arbeitsentgeltanspruches in Frage stehen.
Soweit die Parteien eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens jedoch rechtsgestaltende Erklärungen in Bezug auf einen Anspruch abgegeben haben, die - wie im Falle eines Verzichtes - dessen Bestand beseitigen, sind diese Erklärungen und die daraus resultierenden Rechtsfolgen, d.h. das Erlöschen des Anspruches zu beachten (vgl. Niesel in Niesel, SGB III, 4.Aufl 2007, § 183 Rdnr. 106 mwN).
Der Kläger kann für sich auch nicht in Anspruch nehmen, dass der Vergleich unwirksam sei, oder dass dessen Wirksamkeit durch rechtsgestaltende Erklärungen wie Anfechtung oder Rücktritt beseitigt worden sei.
Der Vergleich vor dem Arbeitsgericht O. hat als Prozessvergleich dabei eine Doppelnatur. Er ist einerseits materiell-rechtlicher Vertrag, für den materielles Recht gilt, andererseits aber auch Prozesshandlung der Beteiligten, die den Rechtsstreit unmittelbar beendet und deren Wirksamkeit sich nach den Grundsätzen des Prozessrechtes richtet (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8.Aufl., § 101 Rdnr. 3 mwN zur Rechtsprechung).
Vorliegend gibt es keine Anhaltspunkte, dass der Vergleich vom 09.07.2004 unter prozessualen Gesichtspunkten formell zu beanstanden wäre. Darüber hinaus ist er materiell-rechtlich wirksam, insbesondere ist nicht belegt, dass sich die Parteien des Vergleiches, der Kläger und sein Arbeitgeber, über die Geschäftsgrundlagen des Vergleiches geirrt hätten.
Ein Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird (Vergleich), ist unwirksam, wenn der nach dem Inhalt des Vertrags als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspricht und der Streit oder die Ungewissheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden sein würde, § 779 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).
Eine Streitbeilegung durch Vergleich findet typischerweise in einem Rahmen nicht streitiger Umstände statt, die von den Beteiligten zur für sie wesentlichen Voraussetzung der Streitbeilegung erhoben werden. Fehlt es in Wahrheit an dieser Vergleichsgrundlage, so ist die hierauf begründete Rechtsfeststellung unwirksam. Dagegen übernehmen die Vertragsparteien dafür, dass streitige oder ungewisse Umstände, deren Bedeutung und Folgen sie zur Streitbeilegung geregelt haben, in Wahrheit für sie günstiger waren, also für den vorliegenden Vergleichsgegenstand, das Risiko (vgl. Habersack in MüKo zum BGB, 4.Aufl., 2004, § 779 Rdnr. 62).
Letzteres haben der Kläger und sein Arbeitgeber im Rahmen des arbeitsgerichtlichen Vergleiches geregelt. Streitig war zum einen - für die Zeit ab dem 11.07.2003 - ob Lohnansprüche entstanden sind, da der Arbeitgeber bestritten hatte, dass dem Kläger Urlaub bewilligt war. Im Weiteren war zweifelhaft, in welcher Höhe für die Zeit vom 01.07.2003 bis 10.07.2003 ein Arbeitsentgeltanspruch bestanden hatte. Zuletzt war auch ungewiss, ob die Lohnansprüche, soweit sie entstanden waren, nicht durch Aufrechnung erloschen waren. Es bestand insgesamt für den Kläger im arbeitsgerichtlichen Verfahren ein nicht unerhebliches Prozessrisiko, das es naheliegend erscheinen ließ, auf einen erheblichen Teil der geltend gemachten Ansprüche zu verzichten, um im Gegenzug einen sicheren Anspruch, die Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes zu erhalten. Der Kläger und sein Arbeitgeber sind daher nicht irrtümlich davon ausgegangen, dass eine Abrechnung und Abwicklung des Arbeitsverhältnisses tatsächlich nicht stattgefunden hat, sondern sie haben mit der Ziff. 2 des Vergleiches - im Hinblick auf das beiderseitige Prozessrisiko - darauf verzichtet, das Arbeitsverhältnis für die Zeit ab dem 01.06.2003 bis zu dessen rechtlichen Ende am 31.07.2003 ordnungsgemäß abzuwickeln. Ein Wegfall der Geschäftsgrundlage, der zur Unwirksamkeit des Vergleiches führen könnte, ist daher nach den Umständen des Vergleichsabschlusses nicht anzunehmen.
Darüber hinaus hat der Kläger die Wirksamkeit des Vergleiches weder durch Anfechtung noch durch Rücktritt beseitigt.
Unabhängig von einer Unwirksamkeit iSd § 779 BGB kann sich die Unwirksamkeit auch nach den allgemeinen Regeln ergeben, wofür jedoch keinerlei Anhaltspunkte vorliegen, denn es ist nicht ersichtlich, dass der Vergleich wegen des Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot (§§ 134, 138 BGB) o.ä. unwirksam sein könnte.
Im Weiteren greift auch eine Anfechtung des Vergleiches wegen arglistiger Täuschung oder wegen Irrtums nicht. Diesbezüglich hat der Kläger erstmals mit seinem Vorbringen im Rahmen der Berufungsbegründungsschrift am 20.12.2006 die Unwirksamkeit des Vergleiches geltend gemacht, wobei nach den Ausführungen des Klägers zweifelhaft erscheint, ob die Anfechtung gegenüber dem Arbeitgeber überhaupt erklärt worden ist. Soweit der Kläger die Auffassung vertreten sollte, es genüge eine Anfechtungserklärung gegenüber der Beklagten, bedarf es keiner Entscheidung, dass die Beklagte hier nicht der richtige Empfänger für eine Anfechtungserklärung ist, denn die Fristen für eine Anfechtung (§§ 120, 124 BGB) wären ohnehin weit überschritten, nachdem der Kläger spätestens seit dem Antrag auf Insolvenzgeld im Juni 2005 von der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers wusste.
Die Wirksamkeit des Vergleiches wird auch nicht dadurch beseitigt, dass der Kläger eine Störung der Geschäftsgrundlage und damit den nachträglichen Wegfall der Vergleichsgrundlage geltend machen kann, der ihn in der Folge berechtigen würde, den Rücktritt vom Vergleich zu erklären (vgl. hierzu Habersack aaO § 779 Rdnr. 68f), denn es ist nicht ersichtlich, dass ein Wegfall der Geschäftsgrundlage zu belegen wäre, weil weder eine Äquivalenzstörung noch eine Zweckstörung zu erkennen ist, aus der sich eine Störung der Geschäftsgrundlage begründen ließe (vgl. hierzu Habersack aaO § 779 Rdnr. 69 mwN).
Vorliegend hat der Kläger allenfalls die zukünftige Zahlungsfähigkeit des Arbeitgebers falsch eingeschätzt. Dieses Kriterium war jedoch für den Abschluss des Vergleiches in der gewählten Form nicht ausschlaggebend, denn auch im Falle einer Vereinbarung über Arbeitsentgelt hätte keine andere Beurteilung der zukünftigen Solvenz des Arbeitgebers zugrundegelegt werden können. Soweit sich der Kläger jedoch bei Abschluss des Vergleiches über die damit verbundenen rechtlichen Konsequenzen, insbesondere die fehlende Durchsetzbarkeit der Forderung in einem Insolvenzgeldverfahren bei Insolvenz des Arbeitgebers, geirrt haben sollte, ist dies als einseitige Erwartung der Risikosphäre des Klägers zuzurechnen (vgl. Roth aaO § 313 Rdnr. 253), die eine Anpassung des Vergleichs iSd § 313 BGB bzw. einen Rücktritt wegen Unmöglichkeit der Anpassung nicht rechtfertigen kann.
Darüber hinaus wäre ein Rücktritt allein gegenüber dem Partner des Vergleiches, d.h. dem Arbeitgeber zu erklären, § 349 BGB. Eine Rücktrittserklärung gegenüber der Sozialgerichtsbarkeit, wie sie mit dem Berufungsbegründungsschriftsatz vom 20.12.2006 ausgesprochen worden ist, genügt in diesem Zusammenhang in keiner Weise.
Der Kläger kann auch nicht damit durchdringen, dass trotz eines wirksamen Vergleiches die Arbeitsentgeltansprüche noch offen seien, weil die Gegenleistung, d.h. die Abfindung noch nicht erbracht worden sei.
Die Formulierung des Vergleiches (Ziff.4: Mit der Erfüllung der Verpflichtungen dieses Vergleiches sind sämtliche wechselseitigen Ansprüche der Parteien aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung erledigt) lässt keinen zweifelsfreien Schluss zu, dass der Verzicht auf Arbeitsentgelt davon abhängig war, dass die Verpflichtung des Arbeitgebers - die Auszahlung der Abfindung - erfüllt werde.
Die Vereinbarung besagt lediglich, dass die mit Vergleich seitens des Arbeitgebers anerkannten Ansprüche anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, d.h. der Abfindungsanspruch, mit deren Zahlung erfüllt seien. Auf die Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, die Arbeitsentgeltansprüche, hatte der Kläger bereits in Ziff.2 des Vergleiches verzichtet (siehe hierzu oben); der diesbezüglichen Erklärung in Ziff.4 kann nur deklaratorischer Wert beigemessen werden, denn Arbeitsentgeltansprüche, die mit der Zahlung der Abfindung erlöschen könnten, haben nach dem Verzicht nicht mehr bestanden. Im Ergebnis sind daher - nach dem wirksamen Verzicht des Klägers im Rahmen des arbeitsgerichtlichen Vergleiches - keine Arbeitsentgeltansprüche des Klägers nachzuweisen, welche die Beklagte im Rahmen des Insolvenzgeldes auszugleichen hätte.
Zuletzt ist auch die vereinbarte Abfindung in Höhe von 1.500,- EUR nicht im Rahmen einer Insolvenzgeldbewilligung zu berücksichtigen, denn es handelt sich hierbei um einen Anspruch, der wegen der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses zu beanspruchen ist, dessen Berücksichtigung nach § 184 Abs.1 Nr.1 SGB III jedoch ausgeschlossen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG und ergibt sich aus dem Unterliegen des Klägers.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs.2 Nr.1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
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