L 11 AS 292/07

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 9 AS 717/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 292/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 22.08.2007 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Rücknahme der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II - Alg II -) gemäß dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.08.2005 bis 31.07.2006 und die Rückforderung überzahlter Leistungen einschließlich überzahlter Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von 6.936,14 EUR.

Die 1955 geborene, 1996 aus den USA zugezogene Klägerin bezog bis 30.07.2005 Arbeitslosengeld. Am 15.06.2005 beantragte sie die Bewilligung von Alg II für die Zeit ab 01.08.2005. Am 01.08.2005 verfügte sie über folgendes Vermögen: - Girokonto: 376,25 EUR - Bausparguthaben: 1.825,65 EUR - Depotguthaben: 2.132,86 EUR. - Lebens-/Rentenversicherung Rückkaufswert: 7.244,53 EUR, eingezahlte Beiträge: 7.919,13 EUR, - Depotguthaben für diese Versicherung: 4.908,31 EUR, somit insgesamt über 16.487,60 EUR. Ohne Vermögen zu berücksichtigen bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 25.07.2005 und nach Fortzahlungsantrag mit Bescheid vom 27.12.2005 Alg II für die Zeit vom 01.08.2005 bis 31.01.2006 bzw. vom 01.02.2006 bis 31.07.2006 in Höhe von 631,67 EUR monatlich inkl. eines Zuschlages gemäß § 24 SGB II.

Aufgrund eines Datenabgleiches erfuhr die Beklagte von Zinseinkünften der Klägerin in 2004 in Höhe von 1.060,00 EUR. Auf Nachfrage teilte die Klägerin mit, ein Sparbuch mit einem Wert von 11.668,59 EUR und ein Guthaben bei der D.-Bank in Höhe von 19.879,06 EUR am 05. und 08.07.2005 aufgelöst und mit diesem Geld ein ihr von ihren Eltern gewährtes Darlehen an diese vor deren Rückflug in die USA am 14.07.2005 zurückgezahlt zu haben. Es handele sich um die Rückzahlung eines von den Eltern in den USA gewährten Darlehens für eine Hausreparatur und einen Kfz-Kauf. Die in den USA lebenden Eltern hätten die Klägerin in der Zeit vom 17.05.2005 bis 14.07.2005 besucht. Vor dem Rückflug habe sie das Darlehen in bar in Höhe von 22.000,00 EUR bei einem Darlehensbetrag von 25.000,00 US-Dollar an diese zurückgezahlt. Einen schriftlichen Darlehensvertrag habe es nicht gegeben, Kontoauszüge für die Auszahlung des Darlehensbetrages seien nicht mehr vorhanden. Sie sei bei Rückzahlung des Darlehens davon ausgegangen, alsbald eine Arbeitsstelle zu erhalten.

Ohne Anhörung nahm die Beklagte die Bewilligung von Alg II für die Zeit ab 01.08.2005 ganz zurück und forderte die Erstattung überzahlter Leistungen einschließlich überzahlter Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge (Bescheid vom 07.06.2006). Ein Darlehensvertrag sei nicht nachgewiesen. Es habe sich bei der Zahlung an die Eltern vielmehr um eine Schenkung gehandelt, die die Klägerin gemäß §§ 528, 812 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zurückfordern könne. Die Geltendmachung dieses Rückforderungsanspruches sei der Klägerin zuzumuten. Sie habe die Bewilligung der Leistung durch arglistige Täuschung erwirkt und habe ohne Weiteres erkennen können, dass der Bewilligungsbescheid nicht den tatsächlichen Verhältnissen zum Tag der Antragstellung entsprochen habe.

Zur Begründung des hiergegen eingelegten Widerspruches legte die Klägerin sowohl eine Erklärung ihres Vaters, S. I. , vom 21.05.2006 darüber vor, dass sie ihm ein lange ausstehendes privates Darlehen in Höhe von 25.00,00 US-Dollar am 12.07.2005 in bar zurückgezahlt habe (22.000,00 EUR), als auch eine Erklärung ihres Vermieters H. D. vom 06.06.2006, worin dieser angab, die Geldübergabe gesehen zu haben. Die Klägerin erklärte, die Eltern seien schwer krank, hätten aber keine Krankenversicherung und daher das Geld benötigt.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20.07.2006 zurück. Die Klägerin habe bei Abgabe des Antrages am 19.07.2005 arglistig über die vorherige Auflösung zweier Konten getäuscht.

Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Bayreuth (SG) erhoben. Sie habe das Darlehen ihrer Eltern zum 12.07.2005 an diese bar zurückgezahlt, denn ihre Eltern seien schwer behindert bzw. krank und benötigten dieses. Eine arglistige Täuschung gegenüber der Beklagten läge nicht vor. Die Klägerin hat eine Aufstellung über Grund und Höhe der darlehensweise erhaltenen Beträge und der bisherigen Rückzahlungen übersandt. Sie habe aus den aufgelösten Konten nach Rückzahlung des Darlehens noch 9.496,37 EUR übrig gehabt, habe hiervon die Hälfte während des Aufenthaltes der Eltern in Deutschland gemeinsam mit diesen u.a. für gemeinsame Geburtstagsfeiern verbraucht, 2.000,00 EUR an ihre Tante, H. N. , für ein kurzfristig gewährtes Darlehen und 1.200,00 EUR an ihren Vermieter für Nebenkosten 2005 bis 2006 gezahlt. Die Eltern hätten sich zwischenzeitlich von dem zurückgezahlten Geld ein behindertengerechtes Kraftfahrzeug gekauft. Zum Geburtstag habe sie Geldgeschenke in Höhe von 500,00 bis 600,00 EUR erhalten.

Das SG hat den Vater der Klägerin und deren Tante - wegen deren häuslichen Unabkömmlichkeit - schriftlich als Zeugen vernommen. Der Vater der Klägerin hat seine Angaben - im Rahmen des Berufungsverfahrens auch unterschriftlich - bestätigt. Die Zeugin N. hat angegeben, der Klägerin im April 2005 aufgrund mündlicher Vereinbarung ein Darlehen in Höhe von 2.000,00 EUR gewährt zu haben, das die Klägerin Mitte Juni zurückgezahlt habe. Vom Lebensversicherer hat das SG Auskünfte zu den Rückkaufswerten und dem Kapitalbestand des Beitragsdepots, von der Bank der Klägerin Auskünfte zum Guthabenstand u.a. am 01.08.2005 angefordert.

Mit Urteil vom 22.08.2007 hat das SG den Bescheid vom 07.06.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.07.2006 aufgehoben. Die Bewilligung von Alg II sei rechtmäßig gewesen. Unter Einbeziehung der von dem Vermieter D. im Rahmen des beigezogenen einstweiligen Rechtschutzverfahrens S 9 AS 1/07 ER protokollierten Zeugenaussage sei nach den glaubwürdigen Angaben der Zeugen von einer Darlehensrückzahlung durch die Klägerin, nicht aber von einer Schenkung auszugehen. Die Klägerin sei hilfebedürftig gewesen, das verwertbare Vermögen habe den Freibetrag zum 01.08.2005 von 10.750,00 EUR nicht überstiegen. Die Verwertung der Lebensversicherung sei bei eingezahlten Beiträgen in Höhe von 7.919,13 EUR und einem Rückkaufswert in Höhe von 7.177,73 EUR offensichtlich unwirtschaftlich, sie sei daher nicht als Vermögen anzurechnen. Ab 26.03.2006 sei die Lebensversicherung wegen Abschlusses eines Verwertungsausschlusses nach § 165 Abs 3 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) als Altersvorsorgevermögen nicht mehr zu berücksichtigen. Im Übrigen sei arglistiges Verhalten der Klägerin nicht nachweisbar. Selbst bei Annahme einer Schenkung könne durch einen Rückforderungsanspruch nur der aktuelle Bedarf, nicht jedoch der Bedarf für Zeiträume gedeckt werden, während derer der Rückforderungsanspruch nicht geltend gemacht worden sei. Eine fiktive Vermögensanrechnung komme nicht in Betracht.

Zur Begründung der dagegen zum Bayer. Landessozialgericht eingelegten Berufung hat die Beklagte vorgetragen, Indizien, die gegen eine Darlehensgewährung sprächen, seien in den fehlenden Angaben der Klägerin bei Abgabe des Antrages und in dem zeitlichen Zusammenhang zwischen Antragstellung und Auflösung der Konten zu sehen. Die Klägerin habe die Leistungsbewilligung durch arglistige Täuschung herbeigeführt. Bezüglich der Darlehensgewährung fehle es an jeglichem schriftlichen Nachweis. Die Zeugenaussagen seien nicht glaubwürdig. Im Antragsformular habe die Klägerin die Frage nach verschenktem oder übertragenem Vermögen nicht beantwortet. Einen etwaigen Rückgabeanspruch könne die Klägerin in Deutschland geltend machen.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 22.08.2007 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 07.06.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.07.2006 abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Auch bei Annahme einer Schenkung sei das Geld nicht rückwirkend als Vermögen zu berücksichtigen. Sie habe sich zudem verpflichtet gefühlt, den Eltern noch zu deren Lebzeiten finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen, da diese alt und krank waren.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz und die Akten des SG S 9 AS 1/07 ER Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig, jedoch nicht begründet. Zutreffend hat das SG den Bescheid vom 07.06.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.07.2006 aufgehoben. Die Rücknahme der Bewilligungsbescheide war rechtswidrig.

Als Rechtsgrundlage für die Rücknahme der Bewilligungsbescheide vom 25.07.2005 (Leistungen ab 01.08.2005) und 27.12.2005 (Leistungen ab 01.02.2006) kommt allein § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) iVm § 40 Abs 1 SGB II, § 330 Abs 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) in Betracht, denn, wenn die Klägerin einen Rückforderungsanspruch hätte, wären die Bewilligungsbescheide von Anfang an rechtswidrig gewesen. Die Voraussetzungen für eine solche Rücknahme liegen jedoch nicht vor.

Gemäß § 45 Abs 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur ganz oder teilweise mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat (Nr 1), der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (Nr 2) oder er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (Nr 3 des § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X). Ein Ermessen hat die Beklagte bei Vorliegen dieser Voraussetzung nicht auszuüben (§ 330 Abs 2 SGB III iVm § 40 Abs 1 Nr 1 SGB II).

Die Bewilligungsbescheide waren jedoch entweder nicht rechtswidrig, denn die Klägerin war hilfebedürftig, oder eine Rücknahme für die Vergangenheit kann nicht erfolgen, denn die Klägerin hat die Beklagte über die Hilfebedürftigkeit nicht arglistig getäuscht, sie hat keine unvollständigen Angaben gemacht und auch nicht wissen können, dass die Leistungsbewilligung rechtswidrig war.

Anspruch auf Alg II haben Berechtigte, die u.a. hilfebedürftig sind (§ 7 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB II). Hilfebedürftig ist, wer u.a. seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem u.a. nicht aus dem zu berücksichtigenden Einkommen und Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält (§ 9 Abs 1 SGB II). Als Vermögen sind alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen (§ 12 Abs 1 SGB II jeweils in der vom 01.01.2005 bis 31.07.2006 geltenden Fassung). Vom Vermögen sind abzusetzen (Nr 1) ein Grundfreibetrag in Höhe von 200,00 EUR je vollendetem Lebensjahr des volljährigen Hilfebedürftigen und seines Partners, mindestens jedoch jeweils 4.100,00 EUR, (Nr 3) geldwerte Ansprüche, die der Altersvorsorge dienen, soweit der Inhaber sie vor dem Eintritt in den Ruhestand aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung nicht verwerten kann und der Wert der geldwerten Ansprüche 200,00 EUR je vollendetem Lebensjahr des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und seines Partners, höchstens jedoch jeweils 13.000,00 EUR nicht übersteigt, (Nr 4) ein Freibetrag für notwendige Anschaffungen in Höhe von 750,00 EUR für jeden in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Hilfebedürftigen (§ 12 Abs 2 SGB II). Als Vermögen sind nicht zu berücksichtigen Sachen und Rechte, soweit ihre Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich ist oder für den Betroffenen eine besondere Härte bedeuten würde (§ 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 SGB II).

Dabei ist hinsichtlich des Zeitpunktes der Prüfung der Hilfebedürftigkeit auf den ersten in Betracht kommenden Leistungszeitpunkt, d.h. den 01.08.2005 bzw. den 01.02.2006 abzustellen; nur bezüglich der Ermittlung des Verkehrswertes einzelner Vermögensgegenstände ist auf den Zeitpunkt der Antragstellung gemäß § 12 Abs 4 SGB II abzustellen (vgl. hierzu Mecke in Eicher/ Spellbrink, SGB II, 2.Aufl § 12 RdNr 96).

Hilfebedürftigkeit bestand am 01.08.2005 und am 01.02.2006. Fiktives Vermögen - nämlich das mit den Eltern verbrauchte bzw. an diese übergebene Vermögen ist nicht zu berücksichtigen. Die Berücksichtigung von fiktiven Vermögen ist im Gesetz nämlich nicht vorgesehen (vgl. hierzu Mecke aaO RdNr 21). Ebensowenig ist ein Rückforderungsanspruch wegen Verarmung des Schenkers gemäß § 528 BGB zu berücksichtigen. Ein solcher ist nämlich von der Beklagten nicht nachgewiesen worden. Die Beklagte trägt jedoch für das Bestehen eines solchen Rückforderungsanspruchs und für die hierfür als Voraussetzung erforderliche Schenkung die Beweisführungslast. Es handelt sich um eine anspruchsvernichtende Einwendung, nachdem keinerlei Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Geldbetrag noch unter oder auf dem Namen der Klägerin festgelegt ist, diese also kein Eigentum und keinen Besitz an diesem Geld mehr hat. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig, nachdem durch den Zeugen D. die Geldübergabe bestätigt worden ist und die Eltern dieses Geld laut Auskunft des Vaters der Klägerin zur Anschaffung eines behindertengerechten Fahrzeuges verwendet haben (im Gegensatz zu LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.02.2007 - L 7 AS 117/07 ER-B -, wobei das LSG davon ausging, dass sowohl das Geld als auch das Kfz noch der Klägerin gehörte). Aufgrund der schriftlichen und im Rahmen des Berufungsverfahrens auch unterschriebenen Zeugenaussage des Vaters - eine schriftliche Zeugeneinvernahme war gemäß § 202 SGG, § 377 Abs 3 Zivilprozessordnung (ZPO) möglich - sowie gestützt auf das sich in der beigezogenen Akte des Verfahrens S 9 AS 1/07 ER befindende Protokoll über die Zeugeneinvernahme des Vermieters D. , der bei der Geldübergabe an die Eltern anwesend war, und unter Berücksichtigung der Ausführung der Klägerin zum Umfang des gewährten Darlehens ist das SG im Rahmen der Beweiswürdigung zu der Überzeugung gelangt, eine Darlehenshingabe und auch eine Darlehensrückzahlung durch die Klägerin sei nachgewiesen.

Als Indiz dagegen und für das Vorliegen einer Schenkung hat die Beklagte lediglich den zeitlichen Zusammenhang mit der Beantragung von Alg II genannt. Dabei ist jedoch nicht auszuschließen, dass der Besuch der Eltern in Verbindung mit dem 50. Geburtstag der Klägerin und die kurz nach dem Geburtstag der Klägerin erfolgte Rückreise der Eltern gerade und allein Ursache des zeitlichen Überschneidens von Darlehensrückzahlung und der Beantragung von Alg II gewesen ist. Allein das damit ggfs. zufällige zeitliche Zusammenfallen spricht nicht gegen die durch die übereinstimmenden Zeugenaussagen und Angaben der Klägerin gestützte Annahme einer Darlehensrückzahlung. Dafür, dass die Zeugen unzutreffende Angaben gemacht und in Absprache mit der Klägerin gehandelt haben, finden sich auch nach dem in der mündlichen Verhandlung von der Klägerin gewonnenen persönlichen Eindruck keine Anhaltspunkte. Eine Schriftform für die Darlehensgewährung ist von Gesetzes wegen nicht vorgesehen.

Letztendlich kann offengelassen werden, ob es sich um eine Darlehensrückzahlung gehandelt hat. Es ist nämlich nicht Sache der Klägerin, den Nachweis einer Darlehensgewährung und -rückzahlung zu führen, sondern die Beklagte hat nachzuweisen, dass es sich um eine Schenkung der Klägerin an die Eltern handelte und somit ein Rückforderungsanspruch besteht. Die Beklagte hat nach Ausübung der Ermittlungspflicht schließlich die Folgen der Nichterweislichkeit dieser anspruchsvernichtenden Einwendung zu tragen. Eine Schenkung aber konnte die Beklagte allein mit dem von ihr als Indiz gewerteten zeitlichen Zusammenhang nicht begründen.

Im Übrigen bestehen Bedenken, ob - eine Schenkung unterstellt - ein Rückforderungsanspruch überhaupt besteht, denn die - unbestellte - Schenkung an die alten und kranken Eltern kann einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprochen haben (§ 534 BGB), nachdem diese das Geld zur Anschaffung eines behindertengerechten Fahrzeugs verwendet haben.

Somit ist die Leistungsbewilligung nicht wegen eines bestehenden und von der Klägerin nach Auffassung der Beklagten arglistig verschwiegenen Rückforderungsanspruches rechtswidrig gewesen. Eine Rücknahme mit Wirkung für die Vegangenheit hierwegen kommt nicht in Betracht, die Leistungsbewilligung war rechtmäßig, denn die Klägerin war hilfebedüftig.

Eine Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit kommt auch wegen des den Freibetrag übersteigenden, vorhandenen und verwertbaren Vermögens nicht in Betracht. Die Lebens-/Rentenversicherung der Klägerin war zwar entgegen der Auffassung des SG als verwertbares Vermögen anzusehen, denn eine Verwertbarkeit - bis zum 25.03.2006 - war wegen des Verhältnisses des Rückkaufswertes zu den Beitragszahlungen nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 06.09.2007 -B 14/7b AS 66/06 R-) gegeben. Selbst wenn die Klägerin wegen Anrechnung dieser Lebensversicherung als Vermögen jedoch nicht hilfebedürftig gewesen wäre, so scheiterte eine Rücknahme der Bewilligungsbescheide mit Wirkung für die Vergangenheit am Fehlen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 1 bis 3 SGB X (§ 45 Abs 4 Satz 1 SGB X). Die Klägerin hat nämlich das Vorliegen einer Rentenversicherung im Antrag angegeben und nicht verschwiegen. Anhaltspunkte dafür, dass sie deren Verwertbarkeit und damit die Rechtswidrigkeit der Leistungsbewilligung erkennen konnte, ergeben sich nicht.

Mangels Vorliegens der Voraussetzungen für die Rücknahme der Bewilligung mit Wirkung für die Vergangenheit war die Berufung der Beklagten daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Beklagte hat als unterliegende Beteiligte die außergerichtlichen Kosten der Klägerin auch für das Berufungsverfahren zu tragen. Aufgrund des Berichtigungsbeschlusses des Senates war der Tenor in Punkt II. zu korrigieren.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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