Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
26
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 26 R 361/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 14 R 160/08
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer Witwenrente unter Berücksichtigung des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG).
Die Klägerin ist die Witwe von Herrn B L. Herr L war am 00.00.1916 in U in Polen geboren. Er war Jude und Verfolgter des Nazi-Regimes und lebte seit Mitte 1947 in Palästina, bzw. Israel mit der dortigen Staatsangehörigkeit. Seine Ehefrau, die Klägerin, heiratete er am 24.03.1950 in Israel. Herr L verstarb am 21.07.1981.
Die Klägerin beantragte am 26.06.2003 die Gewährung einer Witwenrente aus der deutschen Rentenversicherung, unter Berücksichtigung von Zeiten ihres Ehemannes nach dem ZRBG. Sie gab dabei an, ihr Ehemann habe von Januar 1940 bis August 1942 während seines Aufenthaltes im Ghetto von Tschenstochau außerhalb des Ghettos Tätigkeiten als Arbeiter im Straßenbau (Straßen bauen, Steine schleppen) verrichtet. Er habe dafür zusätzliche Versorgung erhalten, deren Höhe nicht erinnerlich sei. Er habe acht bis zehn Stunden täglich gearbeitet. Er sei auf dem Weg von und zur Arbeit täglich bewacht worden. Die Arbeit habe der Judenrat vermittelt. Bekommen habe ihr Ehemann für die Arbeit neben den Lebensmitteln auch Sonderverpflegung. Die Beklagte zog die Entschädigungsvorgänge nach dem BEG von der OFD München bei. Dort hatte der Verstorbene 1950 selbst angegeben: Im Ghetto von Tschenstochau sei er von April 1941 bis August 1942 gewesen. Während seiner Haft im Ghetto, und anschließend im Zwangsarbeitslager Hrubieszow, sei er durch Zwangsarbeit geschwächt gewesen (Bl. 29, 33 der Rentenakte). Im Jahr 1942 sei er dann nach Treblinka gekommen. In 1944 sei er von den Russen befreit worden, dann nach Lodz gekommen, und 1946 in das DP-Lager Föhrenwald bzw. nach München. Seit Mitte 1947 lebe er in Israel.
Mit Bescheid vom 21.02.2005 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Witwenrente ab. Zur Begründung führte sie aus, vom für eine Rente notwendigen Vorliegen einer entgeltlichen aus eigenem Willensentschluss zustande gekommenen freiwilligen Beschäftigung des Ehemannes der Klägerin habe sich die Beklagte nicht überzeugen können. Eine solche Beschäftigung sei nicht glaubhaft gemacht. Im einzelnen heißt es dort: Die Eigenerklärung der Klägerin von 2004 reiche zur Glaubhaftmachung nicht aus, da die Klägerin die Angaben im Fragebogen nur vom Hörensagen kennen könne. Denn sie habe den Verstorbenen erst 1950 geheiratet. Außerdem lasse sich auch der genaue Umfang der gewährten Sonderverpflegung und der Lebensmittel nicht mehr feststellen. Von einem echten Entgelt im Sinne des ZRBG habe sie sich nicht überzeugen können.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein, der nicht begründet wurde.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19.07.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, zumal dieser schon nicht begründet worden sei.
Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 22.07.2005 Klage zum Sozialgericht Düsseldorf erhoben.
Zur Begründung trägt sie vor, ihr Ehemann sei für seine Tätigkeit ihrer Meinung nach wie alle jüdischen Arbeiter entlohnt worden. Zeugen habe sie nicht finden können (Bl. 8 der Gerichtsakte). Sie stütze sich deshalb auf ein Gutachten von A (Bl. 79 ff der Gerichtsakte).
Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21.02.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.07.2005 zu verurteilen, ihr unter Berücksichtigung von Beitragszeiten nach dem ZRBG - für die von ihrem verstorbenen Ehemann anlässlich des Aufenthalts im Ghetto von Tschenstochau von April 1941 bis August 1942 zurückgelegten Zeiten einer Beschäftigung - und unter Berücksichtigung von wegen Verfolgung anzuerkennenden Ersatzzeiten (entsprechend dem Schriftsatz der Beklagten vom 07.06.2006) eine Witwenrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte nimmt Bezug auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden. Ergänzend macht die Beklagte geltend, allein die Gewährung von - wenn auch zusätzlicher - Verpflegung sei nur als freie Unterhaltsgewährung zu werten, nicht aber als für das ZRBG erforderliche Entgeltzahlung. Unter Berücksichtigung des Urteils des 13. Senats des Bundessozialgerichts vom 07.10.2004 - dem sie weiterhin folge - sei hier von schon nicht ausreichendem versicherungspflichtigem Entgelt im Sinne des ZRBG auszugehen, bzw. sei ein solches Entgelt auch nicht hinreichend glaubhaft gemacht worden. Die Wartezeit wäre allerdings im Fall der Anerkennung von ZRBG-Zeiten mit den Ersatzzeiten erfüllt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte in dieser Streitsache in Abwesenheit des Bevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung entscheiden, weil dieser in der ordnungsgemäß zugestellten Terminsmitteilung auf diese Verfahrensmöglichkeit hingewiesen worden ist, die sich aus § 124 Abs. 1, 126 und 127 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ergibt.
Die Klage ist zwar zulässig. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht erhoben.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Denn die angefochtenen Verwaltungsakte der Beklagten, nämlich der Bescheid vom 21.02.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.07.2005, sind nicht rechtswidrig und beschweren die Klägerin nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG, weil die Beklagte mit diesen Bescheiden zu Recht die Gewährung einer Witwenrente abgelehnt hat. Der dahingehenden begehrten Verpflichtung der Beklagten (§ 54 Abs. 4 SGG) war somit nicht zu entsprechen, weil Beitragszeiten nach dem ZRBG hier nicht vorliegen bzw. nicht hinreichend glaubhaft gemacht sind und weil allein Ersatzzeiten wegen Verfolgung nicht ausreichen, einen Rentenanspruch zu begründen.
Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen nimmt das Sozialgericht Düsseldorf gemäß § 136 Abs. 3 SGG Bezug auf die Ausführungen der Beklagten in dem angefochtenen Bescheid vom 21.02.2005, erklärt sie für richtig und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Insbesondere hat die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid vom 21.02.2005 auch die Vorschrift des § 1 Abs. 1 ZRBG mit den dortigen wesentlichen Voraussetzungen wiedergegeben.
Ergänzend führt das Gericht noch folgendes aus: Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass ihr eine Witwenrente gezahlt wird. Diese setzt nämlich gemäß § 46 SGB VI in Verbindung mit § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. SGB VI die Zurücklegung der allgemeinen Wartezeit (Mindestversicherungszeit) von 5 Jahren voraus, und diese Wartezeit hat sie hier nicht erfüllt, weil im Fall der Klägerin keinerlei Versicherungszeiten - ihres Ehemannes - in der deutschen Rentenversicherung anrechenbar sind. Neben auf die Wartezeit anrechenbaren etwaigen Ersatzzeiten und grundsätzlich zahlbaren freiwilligen Beiträgen müßte zumindest ein Monat mit einer echten Versicherungszeit vorliegen, wofür hier allein Ghetto-Beitragszeiten ihres Ehemannes nach §§ 1, 2 ZRBG in Betracht kämen. Solche Beitragszeiten sind aber zur Überzeugung der Kammer hier nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Es fehlt nämlich an einem wirklich schlüssigem Vortrag für solche Zeiten nach §§ 1, 2 ZRBG, also an einem schlüssigen Vortrag für die Annahme einer regelmäßigen und auch regelmäßig entgeltlichen Tätigkeit, die aus freiem Willensentschluss aufgenommen wurde und infolge dessen freiwillig ausgeübt wurde. Gleich ob man zur Prüfung nach §§ 1, 2 ZRBG das Urteil des BSG vom 07.10.2004 (B 13 RJ 59/03 R) heranzieht oder das in weiten Teilen im Widerspruch dazu stehende Urteil des 4. Senats des BSG vom 14.12.2006 (B 4 R 29/06 R) oder aber das neuerliche Urteil des 13. Senats vom 26.07.2007 (B 13 R 28/06 R) mit welchen Urteilen das BSG immer wieder entschieden hat, ohne bisher zu einer einheitlichen senatsübergreifenden Rechtsmeinung zu den Voraussetzungen des § 1 ZRBG zu kommen, ist hier davon auszugehen, dass der verstorbene Ehemann der Klägerin hier nicht ausreichend die Merkmale einer entgeltlichen, auch aus freiem Willensentschluss aufgenommenen Beschäftigung erfüllt. Der Verstorbene hat nämlich 1950 im BEG-Verfahren wesentlich zeitnäher als heute schon damals Angaben gemacht, die für die Annahme von Zwangsarbeit sprechen, was dem ersten Anschein nach gegen ein aus eigenem Willensentschluss aufgenommenes Beschäftigungsverhältnis spricht. So hat er angegeben, dass er durch Zwangsarbeit während seiner Haft im Ghetto und anschließend im Zwangsarbeitslager geschwächt gewesen sei, ohne dass sich die Erklärung zur Zwangsarbeit nur auf das Zwangsarbeitslager Hrubieszow beziehen würde. Dies sind Indizien, die sich nicht ohne weiteres beiseite schieben lassen, da diese Angaben noch vom verstorbenen Ehemann der Klägerin selbst gemacht worden waren. Dass die Tätigkeit ihres Ehemannes im Ghetto anders zu bewerten wäre, wäre erst von der Klägerin substanziiert, schlüssig und nachvollziehbar durch nähere Angaben zu belegen. Irgendwelche Zeugen, die dafür in Betracht gekommen wären, hat die Klägerin nach ihren eigenen Angaben nicht finden können (Schriftsatz vom 08.03.2006). Ihre eigenen Angaben, die sie 2004 machte, stammen nur "vom Hörensagen", wie die Beklagte bereits im angefochtenen Bescheid ausgeführt hat; denn die Klägerin hat den verstorbenen Ehemann erst 1950 in Israel geheiratet, und dass sie ihn schon früher - insbesondere im Ghetto - gekannt hätte, ist zu keinem Zeitpunkt vorgetragen worden. Allein die heutigen Angaben der Klägerin seit Beginn des Rentenverfahrens reichen daher für sich allein nicht zur Glaubhaftmachung aus. Parteiangaben bzw. selbst Parteivernehmungen sind auch kein zulässiges Beweismittel, denn § 118 SGG verweist auf zahlreiche Vorschriften der Beweisaufnahme in der Zivilprozessordnung, nicht aber auf die jenigen Vorschriften zur Parteivernehmung (Bundessozialgericht Entscheidung vom 03.06.2004 - B 11 AL 71/03 B; SG b 04,479; Meyer-Ladewig, SGG, 8. Aufl. § 118 Rdnr. 8). Allein auf ein allgemeines historisches Gutachten zum Ghetto Tschenstochau kann sich die Klägerin zur Glaubhaftmachung nicht berufen, denn solche Gutachten können nicht dazu dienen, einen zuvor nötigen individuellen Tatsachen-Vortrag überflüssig zu machen und die Klage erst schlüssig zu machen. Historiker können nämlich nur allgemeine Umstände in einem Ghetto darlegen; dies ersetzt aber nicht die individuell erst zu erbringende Glaubhaftmachung, jedenfalls dann nicht, wenn abweichend vom heutigen Vortrag der Klägerin früher die individuelle Arbeit vom verfolgten Ehemann generell als Zwangsarbeit wie hier dargestellt wurde. Ist also wie hier früher im Entschädigungsverfahren - vom verstorbenen Ehemann selbst - wesentlich zeitnäher von Zwangsarbeit gesprochen worden, kann eine so als Zwangsarbeit bezeichnete und geschilderte Arbeit auch durchaus so im tatsächlichen bzw. juristischen Sinne angenommen werden (vgl. LSG NRW Urteil vom 18.07.2005 - L 3 RJ 101/04), wenn das Gegenteil nicht individuell und auch substanziirt heute derart glaubhaft gemacht wird, dass die heutige Darstellung wahrscheinlicher erscheint als die frühere.
Die Klage hat auch keinen Erfolg unter dem Gesichtspunkt, dass dem verstorbenen Ehemann möglicherweise früher ein Anspruch auf Lohn im Ghetto zugestanden hätte. Denn für die Zuerkennung einer auch ins Ausland zahlbaren Rente nach § 1 ZRBG kommt es darauf an, ob tatsächlich Entgelt gezahlt wurde, und nicht ob Anspruch darauf bestanden hätte oder Beiträge dafür hätten entrichtet werden müssen; denn das ZRBG ist ein lex spezialis gegenüber anderen insbesondere älteren Vorschriften, auch gegenüber den WGSVG. Außerdem fingiert § 14 WGSVG auch nur eine Beitragsentrichtung, nicht aber schon die Entgeltzahlung selbst. Auch nach der Rechtsprechung des 13. und des 3. Senats des LSG NRW, der sich die Kammer weiterhin anschließt, greift eine Anspruchstheorie nicht ein (Urteile vom 27.01.2006 - L 13 R 123/05 und vom 13.02.2006 - L 3 R 43/05 und 168/05).
Letztlich ergibt sich auch aus anderen Rechtsgrundlagen - insbesondere nach Vorschriften des FRG - kein Anspruch. Denn die Klägerin erfüllt nicht die sachlichen Voraussetzungen für die Berücksichtigung von Beitrags- oder Beschäftigungszeiten nach §§ 15, 16 FRG. Denn auch hierzu wäre die Ausübung einer nach deutschen Vorschriften rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung ihres Ehemannes durch die Klägerin nachzuweisen bzw. zumindest glaubhaft zu machen. Wie bereits ausgeführt, ist eine versicherungspflichtige Beschäftigung des Ehemannes der Klägerin nicht ausreichend glaubhaft gemacht, vielmehr bisher von versicherungsfreier Zwangsarbeit auszugehen.
Die Kammer verkennt nicht das Verfolgungsschicksal des verstorbenen Ehemannes der Klägerin, sieht aber nach Lage der gesetzlichen Vorschriften ohne substanziierte ausreichende Beweisangebote keine Möglichkeit, dem geltend gemachten Anspruch der Klägerin zu entsprechen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1, 4 SGG.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer Witwenrente unter Berücksichtigung des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG).
Die Klägerin ist die Witwe von Herrn B L. Herr L war am 00.00.1916 in U in Polen geboren. Er war Jude und Verfolgter des Nazi-Regimes und lebte seit Mitte 1947 in Palästina, bzw. Israel mit der dortigen Staatsangehörigkeit. Seine Ehefrau, die Klägerin, heiratete er am 24.03.1950 in Israel. Herr L verstarb am 21.07.1981.
Die Klägerin beantragte am 26.06.2003 die Gewährung einer Witwenrente aus der deutschen Rentenversicherung, unter Berücksichtigung von Zeiten ihres Ehemannes nach dem ZRBG. Sie gab dabei an, ihr Ehemann habe von Januar 1940 bis August 1942 während seines Aufenthaltes im Ghetto von Tschenstochau außerhalb des Ghettos Tätigkeiten als Arbeiter im Straßenbau (Straßen bauen, Steine schleppen) verrichtet. Er habe dafür zusätzliche Versorgung erhalten, deren Höhe nicht erinnerlich sei. Er habe acht bis zehn Stunden täglich gearbeitet. Er sei auf dem Weg von und zur Arbeit täglich bewacht worden. Die Arbeit habe der Judenrat vermittelt. Bekommen habe ihr Ehemann für die Arbeit neben den Lebensmitteln auch Sonderverpflegung. Die Beklagte zog die Entschädigungsvorgänge nach dem BEG von der OFD München bei. Dort hatte der Verstorbene 1950 selbst angegeben: Im Ghetto von Tschenstochau sei er von April 1941 bis August 1942 gewesen. Während seiner Haft im Ghetto, und anschließend im Zwangsarbeitslager Hrubieszow, sei er durch Zwangsarbeit geschwächt gewesen (Bl. 29, 33 der Rentenakte). Im Jahr 1942 sei er dann nach Treblinka gekommen. In 1944 sei er von den Russen befreit worden, dann nach Lodz gekommen, und 1946 in das DP-Lager Föhrenwald bzw. nach München. Seit Mitte 1947 lebe er in Israel.
Mit Bescheid vom 21.02.2005 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Witwenrente ab. Zur Begründung führte sie aus, vom für eine Rente notwendigen Vorliegen einer entgeltlichen aus eigenem Willensentschluss zustande gekommenen freiwilligen Beschäftigung des Ehemannes der Klägerin habe sich die Beklagte nicht überzeugen können. Eine solche Beschäftigung sei nicht glaubhaft gemacht. Im einzelnen heißt es dort: Die Eigenerklärung der Klägerin von 2004 reiche zur Glaubhaftmachung nicht aus, da die Klägerin die Angaben im Fragebogen nur vom Hörensagen kennen könne. Denn sie habe den Verstorbenen erst 1950 geheiratet. Außerdem lasse sich auch der genaue Umfang der gewährten Sonderverpflegung und der Lebensmittel nicht mehr feststellen. Von einem echten Entgelt im Sinne des ZRBG habe sie sich nicht überzeugen können.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein, der nicht begründet wurde.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19.07.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, zumal dieser schon nicht begründet worden sei.
Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 22.07.2005 Klage zum Sozialgericht Düsseldorf erhoben.
Zur Begründung trägt sie vor, ihr Ehemann sei für seine Tätigkeit ihrer Meinung nach wie alle jüdischen Arbeiter entlohnt worden. Zeugen habe sie nicht finden können (Bl. 8 der Gerichtsakte). Sie stütze sich deshalb auf ein Gutachten von A (Bl. 79 ff der Gerichtsakte).
Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21.02.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.07.2005 zu verurteilen, ihr unter Berücksichtigung von Beitragszeiten nach dem ZRBG - für die von ihrem verstorbenen Ehemann anlässlich des Aufenthalts im Ghetto von Tschenstochau von April 1941 bis August 1942 zurückgelegten Zeiten einer Beschäftigung - und unter Berücksichtigung von wegen Verfolgung anzuerkennenden Ersatzzeiten (entsprechend dem Schriftsatz der Beklagten vom 07.06.2006) eine Witwenrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte nimmt Bezug auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden. Ergänzend macht die Beklagte geltend, allein die Gewährung von - wenn auch zusätzlicher - Verpflegung sei nur als freie Unterhaltsgewährung zu werten, nicht aber als für das ZRBG erforderliche Entgeltzahlung. Unter Berücksichtigung des Urteils des 13. Senats des Bundessozialgerichts vom 07.10.2004 - dem sie weiterhin folge - sei hier von schon nicht ausreichendem versicherungspflichtigem Entgelt im Sinne des ZRBG auszugehen, bzw. sei ein solches Entgelt auch nicht hinreichend glaubhaft gemacht worden. Die Wartezeit wäre allerdings im Fall der Anerkennung von ZRBG-Zeiten mit den Ersatzzeiten erfüllt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte in dieser Streitsache in Abwesenheit des Bevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung entscheiden, weil dieser in der ordnungsgemäß zugestellten Terminsmitteilung auf diese Verfahrensmöglichkeit hingewiesen worden ist, die sich aus § 124 Abs. 1, 126 und 127 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ergibt.
Die Klage ist zwar zulässig. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht erhoben.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Denn die angefochtenen Verwaltungsakte der Beklagten, nämlich der Bescheid vom 21.02.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.07.2005, sind nicht rechtswidrig und beschweren die Klägerin nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG, weil die Beklagte mit diesen Bescheiden zu Recht die Gewährung einer Witwenrente abgelehnt hat. Der dahingehenden begehrten Verpflichtung der Beklagten (§ 54 Abs. 4 SGG) war somit nicht zu entsprechen, weil Beitragszeiten nach dem ZRBG hier nicht vorliegen bzw. nicht hinreichend glaubhaft gemacht sind und weil allein Ersatzzeiten wegen Verfolgung nicht ausreichen, einen Rentenanspruch zu begründen.
Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen nimmt das Sozialgericht Düsseldorf gemäß § 136 Abs. 3 SGG Bezug auf die Ausführungen der Beklagten in dem angefochtenen Bescheid vom 21.02.2005, erklärt sie für richtig und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Insbesondere hat die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid vom 21.02.2005 auch die Vorschrift des § 1 Abs. 1 ZRBG mit den dortigen wesentlichen Voraussetzungen wiedergegeben.
Ergänzend führt das Gericht noch folgendes aus: Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass ihr eine Witwenrente gezahlt wird. Diese setzt nämlich gemäß § 46 SGB VI in Verbindung mit § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. SGB VI die Zurücklegung der allgemeinen Wartezeit (Mindestversicherungszeit) von 5 Jahren voraus, und diese Wartezeit hat sie hier nicht erfüllt, weil im Fall der Klägerin keinerlei Versicherungszeiten - ihres Ehemannes - in der deutschen Rentenversicherung anrechenbar sind. Neben auf die Wartezeit anrechenbaren etwaigen Ersatzzeiten und grundsätzlich zahlbaren freiwilligen Beiträgen müßte zumindest ein Monat mit einer echten Versicherungszeit vorliegen, wofür hier allein Ghetto-Beitragszeiten ihres Ehemannes nach §§ 1, 2 ZRBG in Betracht kämen. Solche Beitragszeiten sind aber zur Überzeugung der Kammer hier nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Es fehlt nämlich an einem wirklich schlüssigem Vortrag für solche Zeiten nach §§ 1, 2 ZRBG, also an einem schlüssigen Vortrag für die Annahme einer regelmäßigen und auch regelmäßig entgeltlichen Tätigkeit, die aus freiem Willensentschluss aufgenommen wurde und infolge dessen freiwillig ausgeübt wurde. Gleich ob man zur Prüfung nach §§ 1, 2 ZRBG das Urteil des BSG vom 07.10.2004 (B 13 RJ 59/03 R) heranzieht oder das in weiten Teilen im Widerspruch dazu stehende Urteil des 4. Senats des BSG vom 14.12.2006 (B 4 R 29/06 R) oder aber das neuerliche Urteil des 13. Senats vom 26.07.2007 (B 13 R 28/06 R) mit welchen Urteilen das BSG immer wieder entschieden hat, ohne bisher zu einer einheitlichen senatsübergreifenden Rechtsmeinung zu den Voraussetzungen des § 1 ZRBG zu kommen, ist hier davon auszugehen, dass der verstorbene Ehemann der Klägerin hier nicht ausreichend die Merkmale einer entgeltlichen, auch aus freiem Willensentschluss aufgenommenen Beschäftigung erfüllt. Der Verstorbene hat nämlich 1950 im BEG-Verfahren wesentlich zeitnäher als heute schon damals Angaben gemacht, die für die Annahme von Zwangsarbeit sprechen, was dem ersten Anschein nach gegen ein aus eigenem Willensentschluss aufgenommenes Beschäftigungsverhältnis spricht. So hat er angegeben, dass er durch Zwangsarbeit während seiner Haft im Ghetto und anschließend im Zwangsarbeitslager geschwächt gewesen sei, ohne dass sich die Erklärung zur Zwangsarbeit nur auf das Zwangsarbeitslager Hrubieszow beziehen würde. Dies sind Indizien, die sich nicht ohne weiteres beiseite schieben lassen, da diese Angaben noch vom verstorbenen Ehemann der Klägerin selbst gemacht worden waren. Dass die Tätigkeit ihres Ehemannes im Ghetto anders zu bewerten wäre, wäre erst von der Klägerin substanziiert, schlüssig und nachvollziehbar durch nähere Angaben zu belegen. Irgendwelche Zeugen, die dafür in Betracht gekommen wären, hat die Klägerin nach ihren eigenen Angaben nicht finden können (Schriftsatz vom 08.03.2006). Ihre eigenen Angaben, die sie 2004 machte, stammen nur "vom Hörensagen", wie die Beklagte bereits im angefochtenen Bescheid ausgeführt hat; denn die Klägerin hat den verstorbenen Ehemann erst 1950 in Israel geheiratet, und dass sie ihn schon früher - insbesondere im Ghetto - gekannt hätte, ist zu keinem Zeitpunkt vorgetragen worden. Allein die heutigen Angaben der Klägerin seit Beginn des Rentenverfahrens reichen daher für sich allein nicht zur Glaubhaftmachung aus. Parteiangaben bzw. selbst Parteivernehmungen sind auch kein zulässiges Beweismittel, denn § 118 SGG verweist auf zahlreiche Vorschriften der Beweisaufnahme in der Zivilprozessordnung, nicht aber auf die jenigen Vorschriften zur Parteivernehmung (Bundessozialgericht Entscheidung vom 03.06.2004 - B 11 AL 71/03 B; SG b 04,479; Meyer-Ladewig, SGG, 8. Aufl. § 118 Rdnr. 8). Allein auf ein allgemeines historisches Gutachten zum Ghetto Tschenstochau kann sich die Klägerin zur Glaubhaftmachung nicht berufen, denn solche Gutachten können nicht dazu dienen, einen zuvor nötigen individuellen Tatsachen-Vortrag überflüssig zu machen und die Klage erst schlüssig zu machen. Historiker können nämlich nur allgemeine Umstände in einem Ghetto darlegen; dies ersetzt aber nicht die individuell erst zu erbringende Glaubhaftmachung, jedenfalls dann nicht, wenn abweichend vom heutigen Vortrag der Klägerin früher die individuelle Arbeit vom verfolgten Ehemann generell als Zwangsarbeit wie hier dargestellt wurde. Ist also wie hier früher im Entschädigungsverfahren - vom verstorbenen Ehemann selbst - wesentlich zeitnäher von Zwangsarbeit gesprochen worden, kann eine so als Zwangsarbeit bezeichnete und geschilderte Arbeit auch durchaus so im tatsächlichen bzw. juristischen Sinne angenommen werden (vgl. LSG NRW Urteil vom 18.07.2005 - L 3 RJ 101/04), wenn das Gegenteil nicht individuell und auch substanziirt heute derart glaubhaft gemacht wird, dass die heutige Darstellung wahrscheinlicher erscheint als die frühere.
Die Klage hat auch keinen Erfolg unter dem Gesichtspunkt, dass dem verstorbenen Ehemann möglicherweise früher ein Anspruch auf Lohn im Ghetto zugestanden hätte. Denn für die Zuerkennung einer auch ins Ausland zahlbaren Rente nach § 1 ZRBG kommt es darauf an, ob tatsächlich Entgelt gezahlt wurde, und nicht ob Anspruch darauf bestanden hätte oder Beiträge dafür hätten entrichtet werden müssen; denn das ZRBG ist ein lex spezialis gegenüber anderen insbesondere älteren Vorschriften, auch gegenüber den WGSVG. Außerdem fingiert § 14 WGSVG auch nur eine Beitragsentrichtung, nicht aber schon die Entgeltzahlung selbst. Auch nach der Rechtsprechung des 13. und des 3. Senats des LSG NRW, der sich die Kammer weiterhin anschließt, greift eine Anspruchstheorie nicht ein (Urteile vom 27.01.2006 - L 13 R 123/05 und vom 13.02.2006 - L 3 R 43/05 und 168/05).
Letztlich ergibt sich auch aus anderen Rechtsgrundlagen - insbesondere nach Vorschriften des FRG - kein Anspruch. Denn die Klägerin erfüllt nicht die sachlichen Voraussetzungen für die Berücksichtigung von Beitrags- oder Beschäftigungszeiten nach §§ 15, 16 FRG. Denn auch hierzu wäre die Ausübung einer nach deutschen Vorschriften rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung ihres Ehemannes durch die Klägerin nachzuweisen bzw. zumindest glaubhaft zu machen. Wie bereits ausgeführt, ist eine versicherungspflichtige Beschäftigung des Ehemannes der Klägerin nicht ausreichend glaubhaft gemacht, vielmehr bisher von versicherungsfreier Zwangsarbeit auszugehen.
Die Kammer verkennt nicht das Verfolgungsschicksal des verstorbenen Ehemannes der Klägerin, sieht aber nach Lage der gesetzlichen Vorschriften ohne substanziierte ausreichende Beweisangebote keine Möglichkeit, dem geltend gemachten Anspruch der Klägerin zu entsprechen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1, 4 SGG.
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
Saved