S 14 AS 206&07

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Dortmund (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
14
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 14 AS 206&07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind zwischen den Beteiligten nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um den Anspruch der Klägerin auf Mehrbedarf für Alleinerziehende nach § 21 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).

Die am xxx1985 geborene Klägerin bezieht seit 01.01.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Mit einem Änderungsbescheid vom 19.07.2007 gewährte die Beklagte aus Anlass der Geburt der Tochter xxx am xxx2007 der Klägerin und ihrer Tochter für den Monat Februar 2007 Leistungen in Höhe von 677,95 Euro und für die Monate März und April 2007 in Höhe von 666,00 Euro. Ein Mehrbedarf für Alleinerziehende wurde dabei nicht berücksichtigt.

Mit einem Schreiben vom 23.02.2007 beantragte die Klägerin die Erhöhung der Leistungen um 36 vom Hundert der Regelleistung wegen eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende nach § 21 Abs. 3 Nr. 1 SGB II.

Mit Bescheid vom 01.03.2007 lehnte die Beklagte den Antrag ab, weil die Klägerin mit ihrem zusammen im Haushalt der Eltern der Klägerin lebt.

Die Eltern der Klägerin teilten der Beklagten mit einem Schreiben vom 03.03.2007 mit, dass sie die Ablehnung des Antrags ihrer Tochter als Auftragserteilung der Beklagten an das von ihnen betriebene Unternehmen Herms Handel und Dienstleistungen ansähen, sich um Pflege und Erziehung ihrer Enkeltochter zu kümmern. Dem Schreiben war eine Rechnung dieses Unternehmens beigefügt, mit der für die Zeit vom 03.03.2007 bis 05.03.2007 für insgesamt 32 Stunden Pflege- und Erziehungsleistungen zu unterschiedlichen Tages- und Nachtzeiten ein Betrag von 3.021,76 Euro berechnet wurde (Bl. 78 der Verwaltungsakte). In der Folgezeit reichten die Eltern weitere Rechnungen dieser Art bei der Beklagten ein, mit denen insgesamt im Zeitraum vom 12.03.2007 bis 10.04.2007 Betreuungsleistungen in ähnlichem Umfang angegeben waren (Blatt 83-85, 97-108 der Verwaltungsakte). Wegen der weiteren Einzelheiten dieser Dokumente wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Mit Schreiben vom 04.03.2007 legte die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid der Beklagten vom 01.03.2007 ein, den sie damit begründete, alleine für Pflege und Erziehung ihrer Tochter xxx verantwortlich zu sein. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.04.2007 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass unter Verwandten, die in Haushaltsgemeinschaft leben, eine gegenseitige Unterstützung erwartet werden könne.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit der am 21.05.2008 erhobenen Klage, mit der sie weiterhin geltend macht, sie sei alleinerziehend. Ihr Vater habe sich sich erst ab dem Zeitpunkt um Pflege und Erziehung ihrer Tochter gekümmert, zu dem die Gewährung des Mehrbedarfs abgelehnt worden sei.

Nach ihrem Auszug aus der elterlichen Wohnung zum 01.04.2008, ab dem durch die Beklagte bei der weiteren Leistungsgewährung der Mehrbedarf für Alleinerziehende berücksichtigt wurde, beantragt die Klägerin,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 01.03.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2007 zu verurteilen, ihr unter Anrechnung der bereits erbrachten Leistungen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende in der Zeit vom 06.02.2007 bis 01.04.2008 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass der Klägerin kein Mehrbedarf für Alleinerziehende zusteht, da sie mit ihren Eltern in einem gemeinsamen Haushalt lebt und bezieht sich dabei auf einen Bericht ihres Ermittlungsdienstes über einen Hausbesuch bei der Klägerin am 12.09.2007 (Blatt 6f. der Gerichtsakte). Der Großvater des Kindes leiste Erziehungbeiträge in erheblichem Umfang, dies werde durch die bei der Beklagten vorgelegten Rechnungen belegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten, insbesondere der Einlassung der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung, wird auf den Inhalt der Verfahrensakte und der beigezogenen Akten der Beklagten verwiesen. Die Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Streitgegenstand ist der Anspruch der Klägerin auf Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende gemäß § 21 Abs. 3 Nr. 1 SGB II in der Zeit vom 06.02.2007 bis 01.04.2008. Zwar hat die Beklagten den Bescheid vom 01.03.2007 während des nur noch bis zum 30.04.2007 laufenden Bewilligungszeitraums erlassen, durch die fehlende zeitliche Bestimmung im Bescheid muss die Regelung jedoch so verstanden werden, dass grundsätzlich über den Anspruch der Klägerin auf Zahlung der Leistungen für diesen Mehrbedarf entschieden werden sollte.

Die Kammer kann deshalb an dieser Stelle offen lassen, ob die Beklagte berechtigt war, isoliert, d.h. ohne Prüfung der weiteren individuellen Anspruchsvoraussetzungen für die Leistungen nach dem SGB II, nur über den Mehrbedarf zu entscheiden, oder ob es sich bei der Entscheidung über Mehrbedarfe nicht vielmehr um eine nicht abtrennbare Verfügung eines Gesamtbescheides handelt (so Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 14.03.2008, Az.: L 8 AS 3940/07), da nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts lediglich die Entscheidung über Kosten für Unterkunft und Heizung als eigenständiger Streitgegenstand anerkannt ist (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 07.11.2006, Az.: B 7b AS 8/06 R).

Auch durch den so verstandene Bescheid ist die Klägerin jedenfalls nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Beklagte hat zu Recht die Berücksichtigung eines Mehrbedarfes für Alleinerziehende bei der Klägerin abgelehnt.

Der Mehrbedarf für Alleinerziehende wird gemäß § 21 Abs. 3 SGB II dann gewährt, wenn Personen mit einem oder mehreren Kindern zusammen leben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen. Dabei liegt alleinige Sorge dann vor, wenn keine anderer – dies kann auch ein Großelternteil sein - gleichberechtigt und unentgeltlich in erheblichem Umfang mitwirkt, solange dies nicht nur geringfügig oder gegen Bezahlung erfolgt. Für die Feststellung kommt es insoweit auf die konkreten Verhältnisse im Einzelfall an (vgl. hierzu Lang/Knickrehm in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage, § 21 Rn. 29f. m.w.N.).

Die Kammer ist im Fall der Klägerin zu der Überzeugung gelangt, dass sich deren Vater in so erheblichem Umfang unentgeltlich an der Pflege und Erziehung seiner Enkeltochter beteiligt, dass die Gewährung des Mehrbedarf an die Klägerin dadurch ausgeschlossen wird. Die Kammer stützt sich dabei auf den durch die der Beklagten vorgelegten Rechnungen des Vaters der Klägerin dokumentierten Betreuungsleistungen (Blatt 78, 83-85, 97-108 der Verwaltungsakte). Der Einlassung der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung, wonach ihr Vater erst nach Ablehnung der Berücksichtigung eines Mehrbedarfes begonnen habe, sich um seine Enkelin zu kümmern, vermag die Kammer hingegen keinen Glauben zu schenken, spricht doch bereits die durch die Beklagte festgestellte räumliche Aufteilung der Wohnung (Blatt 6f. der Gerichtsakte) dafür, dass die Klägerin und ihre Eltern den gemeinsamen Haushalt so eingerichtet haben, dass eine Betreuung des Kindes auch durch die Großeltern erfolgen kann.

Die Klägerin bewohnt zusammen mit ihrer Tochter keinen eigenen, abgetrennten Bereich, sondern nutzt gemeinsam mit ihren Eltern und dem weiter noch im Haushalt lebenden Bruder Küche und Wohnzimmer im Erdgeschoss und das im Obergeschoss liegende Bad. Im Obergeschoss befinden sich zudem sämtliche Schlafzimmer der Familie, das Zimmer des Kindes liegt dabei neben dem Schlafzimmer der Großeltern. Diese Umstände sowie die dokumentierten Tages- und Nachtzeiten, zu denen der Großvater die Betreuung seiner Enkelin übernommen hat, lassen den Schluss zu, dass die Klägerin durch regelmäßige außerhäusliche Aktivitäten an der Pflege und Erziehung ihrer Tochter gehindert ist und dies dann durch den Vater übernommen wird.

Die Betreuungsleistungen des Vaters der Klägerin erfolgten auch trotz der in Rechnung gestellten Beträge unentgeltlich, da die Bezahlung nur gegenüber der Beklagten verlangt wurde, nicht jedoch gegenüber der Klägerin selbst. Die Kammer wertet die Vorlage der Rechnungen bei der Beklagten als den der Prozesslage angepassten Versuch, den geltend gemachten Anspruch zu untermauern. Die Annahme, dass die Betreuungsleistungen des Großvaters tatsächlich nur unter der Voraussetzung einer späteren Bezahlung, insbesondere in dem verlangten Umfang, erfolgt sind, erscheint der Kammer indes mehr als lebensfremd zu sein.

Die Klage konnte deshalb keinen Erfolg haben. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Zulässigkeit der Berufung ergibt sich unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen zum Streitgegenstand aus § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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