L 26 B 1188/08 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
26
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 24 AS 1421/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 26 B 1188/08 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 26. Mai 2008 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 26. Mai 2008 ist gemäß §§ 172 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in der seit dem 01. April 2008 geltenden Fassung statthaft und im Übrigen zulässig, insbesondere schriftlich und fristgerecht eingelegt (§ 173 SGG). Sie ist jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht es abgelehnt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragstellern unter Ansatz höherer Unterkunftskosten einerseits und geringeren anrechenbaren Einkommens andererseits höhere Leistungen zur Grundsicherung nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) zu gewähren.

Nach § 86b Abs. 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dies setzt voraus, dass nach materiellem Recht ein Anspruch auf die begehrte Leistung besteht (Anordnungsanspruch) und die Regelungsanordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig ist (Anordnungsgrund). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind jeweils glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung). Dies ist den Antragstellern nicht gelungen.

Der Senat schließt nicht aus, dass die Antragsteller von der Antragsgegnerin weitergehende Leistungen beanspruchen können. Sicher aber stehen ihnen im Zeitraum vom 1. Mai bis zum 30. Juni 2008 nicht – wie geltend gemacht - monatlich 698,05 EUR statt der ihnen von der Antragsgegnerin mit Bescheid vom 1. April 2008 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 17. Juli 2008 für diesen Zeitraum gewährten 532,59 EUR zu. Gleiches gilt, soweit die Antragsteller für die Zeit vom 1. Juli bis zum 31. Oktober 2008 statt der ihnen bewilligten 540,59 EUR (Bescheid vom 1. April 2008 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 17. Mai und 17. Juli 2008) Leistungen in Höhe von 706,05 EUR begehren. Ein monatlich je Antragsteller um 82,73 EUR höherer Leistungsanspruch ist nicht glaubhaft.

Unstreitig sind auf der Bedarfsseite für die beiden Antragsteller bis zum 30. Juni 2008 als Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts je 312,00 EUR, seit dem 1. Juli 2008 je 316,00 EUR anzusetzen. Differenzen bestehen insoweit allein mit Blick auf die zu berücksichtigenden Kosten für Unterkunft und Heizung. Soweit die Antragsgegnerin diesbezüglich für den Zeitraum Mai bis Oktober 2008 durchgehend 174,69 EUR angesetzt hat, kann dies schon im Hinblick auf die fehlende Anpassung der in Abzug zu bringenden Warmwasserpauschale zum 1. Juli 2008 nicht zutreffend sein. Im Übrigen gehen sie selbst – wie ihre Schriftsätze vom 24. April und 21. Juli 2008 zeigen – davon aus, dass den Antragstellern statt der bewilligten 174,69 EUR tatsächlich für Mai und Juni 2008 je 184,75 EUR bzw. für Juli bis Oktober 2008 184,61 EUR (jeweils für beide Antragsteller zusammen) zustehen, wobei die von ihr in den einzelnen Berechnungen angesetzten Kosten für Wasser/Abwasser, Müll und Heizung teilweise zugunsten, teilweise zu Ungunsten der Antragsteller variieren. Welche der hier angesetzten Posten insoweit tatsächlich maßgeblich sind, oder ob auf die - teilweise nochmals abweichenden - von den Antragstellern geltend gemachten abzustellen ist, bedarf im einstweiligen Rechtsschutzverfahren keiner Klärung. Denn soweit umgekehrt die Antragsteller ihre Unterkunftskosten zuletzt auf 259,30 EUR beziffert haben, enthält dieser Betrag mit 12,65 EUR (Kraftfahrzeugsteuern) und 8,11 EUR (Kraftfahrzeugversicherung) Rechnungsposten, die offensichtlich nicht den Unterkunftskosten zuzurechnen sind. Der Differenzbetrag zwischen den für Unterkunft und Heizung tatsächlich gewährten Leistungen in Höhe von 174,69 EUR und den den Antragstellern zusammen möglicherweise zustehenden 238,54 EUR (geltend gemachte Kosten für Unterkunft und Heizung ohne Kfz-Steuern und Kfz-Versicherung) beläuft sich damit lediglich auf 63,85 EUR.

Dass weiter das von der Antragstellerin monatlich in Höhe von 825,00 EUR erzielte Bruttoeinkommen in geringerem Umfang anzurechnen sein könnte, als in dem verfahrensgegenständlichen Bescheid in Höhe von 266,10 EUR erfolgt, ist unwahrscheinlich. Die Berechnungen der Antragsteller, die zu einer Anrechenbarkeit in Höhe von nur 185,25 EUR führen, sind nicht zutreffend. Soweit sie meinen, das zunächst als anrechenbar angesehene Einkommen in Höhe von 426,98 EUR um weitere 241,73 EUR bereinigen zu können, ist dies im Umfang von 100,00 EUR bereits methodisch fehlerhaft, ohne dass hier zu klären wäre, ob überhaupt der Betrag von 426,98 EUR zutreffend ist und nicht vielmehr von 432,34 EUR auszugehen wäre. Nach § 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II ist bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die erwerbstätig sind, an Stelle der Beträge nach Satz 1 Nr. 3 bis 5 ein Betrag von insgesamt 100,00 EUR monatlich abzusetzen. Hierbei handelt es sich um den so genannten Grundfreibetrag, der in die Berechnung des Antragsgegners zum anrechenbaren Einkommen der Antragstellerin eingeflossen ist und von den Antragstellern entsprechend übernommen wurde. Indes sieht Satz 3 der Vorschrift vor, dass Satz 2 nicht gilt, wenn das monatliche Einkommen – wie bei der Antragstellerin - mehr als 400,00 EUR beträgt und der erwerbsfähige Hilfebedürftige nachweist, dass die Summe der Beträge nach Satz 1 Nr. 3 bis 5 den Betrag von 100,00 EUR übersteigt. Dass letzteres der Fall ist, hat bereits die Antragsgegnerin anerkannt, indem sie in ihrem maßgeblichen Bescheid Absetzbeträge von 266,24 EUR berechnet und konsequenterweise – in Abzug des bereits berücksichtigen Grundfreibetrages von 100,00 EUR - das Einkommen um weitere 166,24 EUR bereinigt hat. Demgegenüber führte die Berechnung der Antragsteller zum ungerechtfertigten doppelten Ansatz von 100,00 EUR.

Soweit die Antragsteller weiter davon ausgehen, dass für Fahrten der Antragstellerin mit dem Pkw zur Arbeit an vier Tagen 110,40 EUR zu berücksichtigen seien, trifft dies ebenfalls nicht zu. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 b) der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Alg II-V) in der seit dem 1. Januar 2008 geltenden Fassung sind von dem Einkommen Erwerbstätiger für die Beträge nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 SGB II bei Benutzung eines Kraftfahrzeuges zusätzlich zur Werbungskostenpauschale für die Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte für Wegstrecken zur Ausübung der Erwerbstätigkeit 0,20 EUR für jeden Entfernungskilometer der kürzesten Straßenverbindung als Pauschbetrag abzusetzen, soweit der erwerbsfähige Hilfebedürftige nicht höhere notwendige Ausgaben nachweist. Gemäß Absatz 2 der Vorschrift sind in den Fällen, in denen die Berücksichtigung des Pauschbetrages nach Absatz 1 Nr. 2 Buchstabe b im Vergleich zu den bei Benutzung eines zumutbaren öffentlichen Verkehrsmittels anfallenden Fahrtkosten unangemessen hoch ist, nur diese als Pauschbetrag abzusetzen. Entgegen der Auffassung der Antragsteller ist die Kilometerpauschale jedoch nicht für den Hin- und den Rückweg, sondern lediglich – wie die Antragsgegnerin zu Recht angenommen hat – nur für die einfache Entfernung anzusetzen (vgl. Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 11 Rn. 114). Letztlich kann hier mithin nur fraglich sein, ob sich die kürzeste Straßenverbindung auf – so die Antragsgegnerin - 56 bzw. 57 km oder auf 69 km beläuft, wie die Antragsteller behaupten. Selbst unter Zugrundelegung der zuletzt genannten Entfernung wären damit bei den von den Antragstellern geltend gemachten monatlich vier Fahrten zur Arbeitsstätte mit dem Pkw 55,20 EUR zu berücksichtigen, sodass sich zzgl. der Kosten für eine Monatskarte in Höhe von 86,00 EUR abzusetzende Fahrtkosten in Höhe von 141,20 EUR errechneten. Stattdessen hat die Antragsgegnerin jedoch im verfahrensgegenständlichen Bescheid – ihren Ausführungen in den Schriftsätzen vom 24. April und 21. Juli 2008 zufolge: wider eigener Überzeugung –Fahrtkosten in Höhe von 212,80 EUR als absetzbar angesehen.

Unter Ansatz der von den Antragstellern angegebenen Positionen errechnete sich damit ein anrechenbares Einkommen von 340,45 EUR, das sich unter weiterer Berücksichtigung der Kosten für die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung in Höhe von monatlich 8,11 EUR - eine Rechtsgrundlage für den Abzug der Kfz-Steuern in Höhe von monatlich 12,65 EUR ist hingegen nicht ersichtlich - auf 332,34 EUR reduzierte. Tatsächlich hat jedoch die Antragsgegnerin – wenn auch unter Ansatz offensichtlich falscher Daten bei der Berechnung der Fahrtkosten – nur 266,10 EUR und damit einen um 66,24 EUR geringeren Betrag als anrechenbar angesehen.

Während mithin ein um 63,85 EUR höherer Anspruch der Antragsteller auf Kosten der Unterkunft nicht auszuschließen ist, spricht zugleich viel dafür, dass ihr Einkommen um weitere 66,24 EUR anrechenbar gewesen wäre, mit der Folge, dass in diesem Umfang die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts überzahlt werden. Der Senat verkennt nicht, dass die Antragsgegnerin insoweit nicht einfach – wie sie offenbar meint – die Gewährung zu geringer Kosten der Unterkunft mit der Überzahlung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts rechtfertigen kann. Denn ein etwaiger höherer Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung kann nicht mit der Begründung verweigert werden, dass die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts überhöht gewährt werden. Es handelt sich diesbezüglich vielmehr um jeweils abtrennbare, die Behörde mit der Bekanntgabe der Bescheide bindende Verfügungssätze, von denen sie sich nur unter den Voraussetzungen der §§ 45, 48 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches lösen kann, auch wenn die Bescheide nicht bestandskräftig sind (vgl. BSG, Urteil vom 27. Februar 2008 – B 14 AS 23/07 R – zitiert nach juris, Rn. 18).

Für das einstweilige Rechtsschutzverfahren bedeutet dies jedoch, dass das Vorliegen einer Notlage und damit eines Anordnungsgrundes auszuschließen ist. Zweck des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens ist es, Betroffene vor irreparablen Nachteilen zu schützen, die durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Ein derartiger Sachverhalt ist in der Regel nur bei einer konkreten Gefährdung der Existenz oder der drohenden Vernichtung der Lebensgrundlage gegeben. Zumindest aber müssen erhebliche wirtschaftliche Nachteile drohen (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage 2005, § 86b Rn. 28 m.w.N.). Ein mit diesen Fällen vergleichbarer Sachverhalt ist vorliegend jedoch nicht gegeben, spricht doch nach obigen Ausführungen viel dafür, dass den Antragstellern aktuell sogar höhere Leistungen ausgezahlt werden als ihnen tatsächlich zustehen. Auch haben die Antragsteller nichts vorgetragen, das eine entsprechend schwerwiegende Notlage begründen könnte. Da sie in einem – offenbar unbelasteten - Eigenheim leben, droht ihnen keine Wohnungslosigkeit. Im Übrigen ist schon angesichts des Umfangs des bei der Berechnung des anrechenbaren Einkommens der Antragstellerin berücksichtigten Freibetrages auszuschließen, dass sie durch einen Verweis auf das Hauptsacheverfahren in eine Notlage geraten könnten.

Für den Zeitraum vor Mai 2008 gilt im Ergebnis nichts anderes.

Soweit das Sozialgericht in seine Betrachtungen die den Antragstellern in der Zeit vom 1. November 2007 bis zum 30. April 2008 gewährten Leistungen einbezogen hat, kam es darauf bereits im Hinblick auf den am 21. April 2008 beim Gericht gestellten Antrag, die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Antragstellern "zukünftig" weitergehende Leistungen zu gewähren, jedenfalls für den Zeitraum bis einschließlich 20. April 2008, nicht an.

Für die Zeit vom 21. bis zum 30. April 2008 liegt indes offensichtlich kein Anordnungsgrund vor, und zwar unabhängig davon, ob aktuell überhaupt noch eine Leistungsgewährung für die Vergangenheit in Betracht käme. Mit Bescheid vom 1. Oktober 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. April 2008 gewährte die Antragsgegnerin den Antragstellern für den Zeitraum vom 1. November 2007 bis zum 30. April 2008 monatliche Leistungen in Höhe von insgesamt 533,56 EUR. Erstrebt haben die Antragsteller insoweit jedoch ausweislich ihrer Widerspruchsbegründung vom 11. Oktober 2007 monatlich 597,66 EUR, mithin einen Differenzbetrag von 64,10 EUR, der hier – unabhängig von der Berechnung – allenfalls zu einem Drittel (die letzten zehn Tage des Monats April) zu berücksichtigen wäre. Eine etwaige Unterzahlung um ca. 10,00 EUR je Antragsteller vermag jedoch – zumal im Hinblick auf den gewährten Freibetrag - keine Notlage zu begründen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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