L 18 AS 94/08

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 27 AS 1574/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AS 94/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 20. November 2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger wendet sich gegen die teilweise Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) II für die Zeit vom
1. Juni 2005 bis 30. September 2005 und die insoweit von der Beklagten geltend gemachte Erstattungsforderung von 1.642,61 EUR.

Der 1946 geborene Kläger lebt mit seiner 1944 geborenen Ehefrau in einer gemeinsamen Wohnung. Die Ehefrau bezog im maßgebenden Zeitraum Altersrente für Frauen in Höhe eines monatlichen Zahlbetrages von 554,24 EUR. Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 24. März 2005 für die Zeit vom 1. April 2005 bis 30. September 2005 Alg II in Höhe von monatlich 583,31 EUR (Regelleistung = monatlich 331,- EUR zuzüglich Kosten für Unterkunft und Heizung = monatlich 252,31 EUR). Am 17. Mai 2005 nahm der Kläger eine versicherungspflichtige Beschäftigung bei der L B- und Agesellschaft mbH auf (monatliches Nettoarbeitsentgelt = 673,20 EUR, jeweils fällig am 15. des Folgemonats).

Mit Bescheiden vom 18. November 2005 und 28. Dezember 2005 stellte die Beklagte die Leistungen für den Bewilligungszeitraum vom 1. April 2005 bis 30. September 2005 neu fest, und zwar zunächst für die Zeit vom 01. April 2005 bis 30. September 2005 in einer Höhe von monatlich 550,31 EUR (Bescheid vom 18. November 2005) und sodann für die Zeit vom 01. April 2005 bis 31. Mai 2005 in Höhe von monatlich 550,31 EUR, vom 01. Juni 2005 bis 30. Juni 2005 in Höhe von monatlich 331,83 EUR sowie vom 01. Juli 2005 bis 30. September 2005 in Höhe von monatlich 75,60 EUR. Zugleich hob die Beklagte die "bisher in diesem Zusammenhang ergangenen Entscheidungen insoweit" auf. Gegen den ebenfalls unter dem 28. Dezember 2005 verlautbarten Änderungsbescheid für den Bewilligungszeitraum vom 1. Oktober 2005 bis 31. März 2006 legte der Kläger "für den Zeitraum 1.01.2006 bis 31.03.2006" Widerspruch ein Schreiben vom 10. Januar 2006). Mit Bescheid vom 14. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. August 2006 hob die Beklagte die Bewilligung von Alg II für die Zeit vom 1. Juni 2005 bis 31. Dezember 2005 "teilweise in Höhe von 2.934,71 EUR" auf und forderte eine Erstattung dieses Betrages.

Im Klageverfahren hat die Beklagte den angefochtenen Bescheid vom 14. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. August 2006 für die Zeit vom 1. Oktober 2005 bis 31. Dezember 2005 aufgehoben und macht nunmehr nur noch eine Erstattungsforderung für die Zeit vom 01. Juni 2005 bis 30. September 2005 in Höhe von 1.642,61 EUR gemäß der von ihr vorgelegten Berechnung geltend. Nach Annahme dieses Teilanerkenntnisses hat der Kläger bei dem Sozialgericht (SG) beantragt, den angefochtenen Bescheid in der Fassung des Teilanerkenntnisses aufzuheben, "soweit die Erstattungsforderung der Beklagten 1.292,10 EUR übersteigt". Das SG P hat diese Klage mit Urteil vom 20. November 2007 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei in dem noch zur Prüfung stehenden Umfang nicht begründet. Die Beklagte habe die Bewilligung von Alg II für die Zeit vom 1. Juni 2005 bis 30. September 2005 zu Recht teilweise in der genannten Höhe aufgehoben und die Erstattung von 1.642,61 EUR verlangt. Rechtsgrundlage hierfür sei § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) i. V. mit § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X), § 330 Abs. 2 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III). Der Kläger habe in dem noch streitigen Zeitraum lediglich Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Berücksichtigung des Arbeitsentgelts gehabt, das er aus seiner Beschäftigung monatlich bezogen habe. Das insoweit erzielte und jeweils im Folgemonat zugeflossene monatliche Nettoarbeitsentgelt von 673,20 EUR sei daher anzurechnen gewesen. Der Beklagten stehe hinsichtlich der Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung kein Ermessensspielraum zu. Auch die Erstattungshöhe sei nicht zu beanstanden. Die Erstattungspflicht folge aus § 50 Abs. 1 SGB X.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter; auf seine Schriftsätze vom 11. Januar 2008, 28. März 2008 und 28. Mai 2008 wird Bezug genommen. Er hat hilfsweise die Aufrechnung mit einer Schadensersatzforderung aus Amtspflichtverletzung in Höhe von 1.642,61 EUR erklärt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts P vom 20. November 2007 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 14. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. August 2006 aufzuheben, soweit die Beklagte darin eine Erstattungsforderung von 1.642,61 EUR geltend macht.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen verwiesen. Die Alg II-Akten der Beklagten und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.

II.

Der Senat hat gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Berufung durch Beschluss zurückweisen können, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind hierzu vorher gehört worden (§ 153 Abs. 4 Satz 2 SGG).

Beteiligter des Verfahrens ist nur der Kläger, nicht aber dessen mit ihm in dem streitigen Zeitraum in einer Bedarfsgemeinschaft (vgl. § 7 Abs. 3 Nr. 3a SGB II) lebende Ehefrau. Als Bezieherin einer Rente wegen Alters konnte sie selbst keine Leistungen nach dem SGB II erhalten (vgl. § 7 Abs. 4 SGB II). Die insoweit nur wirtschaftlich mitbetroffene Ehefrau war auch nicht gemäß § 75 Abs. 2 SGG notwendig beizuladen, weil durch die Entscheidung über das streitige Rechtsverhältnis aufgrund des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 4 SGB II in ihre Rechtssphäre nicht unmittelbar eingriffen wird (vgl. BSG, Urteil vom 23. November 2006 – B 11b AS 1/06 R = SozR 4-4200 § 20 Nr. 3).

Die Berufung des Klägers, mit der dieser seine erstinstanzlich erhobene Anfechtungsklage iS von § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG (nur) insoweit weiter verfolgt, als er sich gegen die von der Beklagten mit Bescheid vom 14. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. August 2006 und in der Fassung des am 20. November 2007 abgegebenen Teilanerkenntnisses noch geltend gemachte Erstattungsforderung von 1.642,61 EUR wendet, ist nicht begründet. Denn der Kläger ist zur Erstattung dieses Betrages gemäß § 50 Abs. 1 SGB X verpflichtet.

Nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist. Soweit die Beklagte die Bewilligung von Alg II für die Zeit vom 1. Juni 2005 bis 30. September 2005 teilweise in Höhe eines Leistungsbetrages von insgesamt 1.642,61 EUR aufgehoben hat, d. h. ausweislich des Widerspruchsbescheides vom 22. August 2006 für Juni 2005 in Höhe v. 218,48 EUR und für die Monate Juli bis September 2005 in Höhe von jeweils 474,71 EUR, ist die entsprechende Aufhebungsentscheidung in Bestandskraft erwachsen und damit für die Beteiligten und das Gericht bindend (vgl. § 77 SGG). Dies folgt zum Einen daraus, dass der rechtskundig vertretene Kläger zuletzt im Termin zur mündlichen Verhandlung bei dem SG ausdrücklich den Bescheid vom 14. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. August 2006 und in der Fassung des Teilanerkenntnisses vom 20. November 2007 nur noch insoweit angefochten hat, "soweit die Erstattungsforderung der Beklagten 1.292,20 EUR übersteigt". Gegen die dieser Erstattungsforderung zugrunde liegende Aufhebungsentscheidung hat sich der rechtskundig vertretene Kläger, der mit seiner Klageschrift vom 19. September 2006 noch die Aufhebung der angefochtenen Bescheide in Gänze begehrt hatte, damit ersichtlich nicht mehr gewandt.

Selbst wenn dies unter Berücksichtigung der Begründung seiner Berufungsschrift bei verständiger Würdigung (vgl. § 123 SGG) doch der Fall gewesen sein sollte, wäre die Klage gegen die entsprechende Teilaufhebungsentscheidung der Beklagten für den vorliegend in Rede stehenden Zeitraum unzulässig. Denn bereits mit den Änderungsbescheiden vom 18. November 2005 und zuletzt vom 28. Dezember 2005 für den hier maßgeblichen Bewilligungszeitraum und damit den noch streitigen Zeitraum vom 1. Juni 2005 bis 30. September 2005 hatte die Beklagte für den Monat Juni 2005 eine Leistungshöhe von nur noch 331,83 EUR und für die Monate Juli bis September 2005 von jeweils 75,60 EUR festgesetzt sowie die hierzu bislang ergangenen Bewilligungsentscheidungen insoweit aufgehoben, ohne dass sich der Kläger gegen diese Verwaltungsentscheidungen mit dem insoweit gegebenen Rechtsbehelf gewandt hätte. Er hatte vielmehr mit Schreiben vom 10. Januar 2006 ausdrücklich nur gegen den – vorliegend nicht streitgegenständlichen - Änderungsbescheid vom 28. Dezember 2005 "für den Zeitraum 1.01.2006 bis 31.03.2006" Widerspruch eingelegt; der Änderungsbescheid für den vorliegend in Rede stehenden Zeitraum, der ebenfalls vom 28. Dezember 2005 datiert, ist somit in Bestandskraft erwachsen und für die Beteiligten und das Gericht in der Sache bindend (§ 77 SGG). Spätestens in dem Widerspruchsbescheid vom 22. August 2006 hat die Beklagte die geltend gemachte Erstattungsforderung für die Zeit vom 1. Juni 2005 bis 30. September 2005 auch nachvollziehbar für die einzelnen Monate beziffert (Juni 2005 = 218,48 EUR zuzüglich 3x 474,71 EUR für die Monate Juli bis September 2005).

Infolge der bindenden Aufhebungsentscheidung der Beklagten hatte der Senat nicht zu prüfen, ob die von der Beklagten für die Zeit vom 1. Juni 2005 bis 30. September 2005 getroffene Teilaufhebungsentscheidung in der Sache objektiv rechtmäßig war. Die Erstattungspflicht ist vielmehr insoweit zwingende Folge der bindenden Aufhebungsentscheidung nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X.

Die von dem Kläger erklärte Aufrechnung mit einer Schadensersatzforderung aus Amtspflichtverletzung in Höhe von 1.642,61 EUR kann sich gegenüber der in den angefochtenen Bescheiden verlautbarten Erstattungsentscheidung nach § 50 Abs. 1 SGB X schon deshalb nicht auswirken, weil Streitgegenstand der hiergegen gerichteten Anfechtungsklage (nur) das Bestehen der Erstattungsforderung dem Grunde nach sein kann. Diese bleibt aber auch bei Erfüllung derselben Rechtsgrund der Zahlung, so dass eine Aufrechnung – ebenso wie im Übrigen eine Erfüllung durch Zahlung - die Rechtmäßigkeit der Festsetzung einer Erstattungsforderung nicht berührt (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Juni 1983 – 8 C 43/81 = NVwZ 1984, 168-169; VerwGH Baden-Württemberg, Urteil vom 13. Dezember 1989 – 5 S 3807/88 = NVwZ 1990, 684-685). Eine als selbständige Einzelfallregelung zu wertende Zahlungsaufforderung, die sich mit der Aufrechnungserklärung erledigt haben könnte, lässt sich den angefochtenen Bescheiden demgegenüber nicht entnehmen. Vielmehr nimmt der Bescheid vom 14. Februar 2006 lediglich die sich aus § 50 Abs. 1 SGB X ergebende Rechtsfolge in Bezug und verweist ausdrücklich darauf, dass die "Kasse" die "Zahlungsweise, die Fälligkeit, das Kassenzeichen und die Bankverbindung noch gesondert mitteilen" werde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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