Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 S 8/71
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1) Haben der Kammervorsitzende und ein personengleicher Beisitzer beim Erlaß eines Urteils in einem vorangegangenen abgeschlossenen Rechtsstreit derselben Beteiligten mitgewirkt, so ist deshalb für die künftige Sachentscheidung keine Befangenheit zu besorgen.
2) Erläßt das Sozialgericht einen unrichtigen Beschluß und hebt diesen in ebenfalls unrichtiger Form wieder auf, dann liegen zwar prozessuale Mängel vor. Diese rechtfertigen aber nicht den Schluß auf unsachliche Erwägungen im Sinne des § 60 SGG in Verbindung mit § 42 ZPO in Bezug auf die künftige Entscheidung des Sozialgerichts.
2) Erläßt das Sozialgericht einen unrichtigen Beschluß und hebt diesen in ebenfalls unrichtiger Form wieder auf, dann liegen zwar prozessuale Mängel vor. Diese rechtfertigen aber nicht den Schluß auf unsachliche Erwägungen im Sinne des § 60 SGG in Verbindung mit § 42 ZPO in Bezug auf die künftige Entscheidung des Sozialgerichts.
Die Gesuche des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin auf Ablehnung des Vorsitzenden der 5. Kammer des Sozialgerichts XX, Richter Dr. G. sowie des Sozialrichters H. S. wegen Besorgnis der Befangenheit werden abgelehnt.
Gründe:
Die Klägerin hat sich mit der am 25. November 1970 beim Sozialgericht Darmstadt erhobenen Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 3. Juli 1970 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juli 1970 gewandt, mit dem ihr Antrag auf Erteilung eines Zugunstenbescheides abgelehnt worden ist. Dieser Antrag hatte sich auf dem Sachbescheid des Beklagten vom 9. August 1965 bezogen. Damit war ihr Schadensausgleich nach § 40 a des Bundesversorgungsgesetzes (BVG versagt worden, da sich bei Eingruppierung ihres kriegsverschollenen Ehemannes in die Leistungsgruppe IV der Angestellten kein auszahlbarer Betrag ergeben hatte. Durch rechtskräftig gewordenes Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 25. Juli 1968, bei dessen Erlaß Sozialgerichtsrat Dr. G. als Vorsitzender und Sozialrichter S. als einer der beiden Beisitzer mitgewirkt hatten, war dieser Bescheid bestätigt worden.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Darmstadt am 5. April 1971 hat der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin beantragt, "die Befangenheit des Gerichts wegen der Tätigkeit des Richters und eines Beisitzers im vorausgegangenen Rechtszug, der mit Urteil vom 25. Juli 1968 abgeschlossen wurde, festzustellen”. Der Vertreter des Beklagten hat sich diesem Antrag abgeschlossen. Das Sozialgericht hat unter Vorsitz des Richters Dr. G. und u.a. unter Mitwirkung des Sozialrichters S. den aus der Sitzungsniederschrift zu entnehmenden Beschluß verkündet, wonach das Gericht an der Entscheidung des Rechtsstreits verhindert sei (§ 41 Ziff. 6 ZPO), weil der Vorsitzende und dieser Sozialrichter bei der Entscheidung des Rechtsstreits S 5/V-221/66 am 25. Juli 1963 mitgewirkt hätten.
In der mündlichen Verhandlung vom 17. Mai 1971 hat der Vorsitzende zusammen mit zwei anderen Sozialrichtern diesen Beschluß durch einen zweiten Beschluß aufgehoben, da keine besondere Vorschrift im Gesetz enthalten sei. Nach Erörterung der Sach- und Rechtslage hat der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin den Antrag vom 5. April 1971 wiederholt und erneut die Besorgnis der Befangenheit geltend gemacht. Der Vertreter des Beklagten hat einen Sachantrag gestellt. Das Sozialgericht hat in dieser Sitzung alsdann beschlossen, den Rechtsstreit dem Hessischen Landessozialgericht nach § 60 Abs. 1 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zur Entscheidung über die Ablehnung vorzulegen. Gegen den Beschluß vom 17. Mai 1971 hat der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin Beschwerde beim Sozialgericht Darmstadt eingelegt, die der Beklagte zurückzuweisen begehrt hat. Der Prozeßbevollmächtigte begründet das Ablehnungsgesuch damit, daß am 5. April 1971 derselbe Vorsitzende und ein personengleicher Beisitzer mit der Entscheidung über die Klage gegen den negativen Zugunstenbescheid vom 3. Juli 1970 befaßt gewesen seien, die bei der Urteilsfindung am 25. Juli 1963 über den zugrundeliegenden Sachbescheid mitgewirkt hätten. Auch bestehe die Vermutung des Befangenseins des Vorsitzenden wegen der unzulässigen Form der Behandlung des ersten Antrags auf Ablehnung in der Sitzung vom 5. April 1971 nicht selbst aufheben dürfen, schon gar nicht unter Mitwirkung zweier anderer Beisitzer. Der Beklagte hält nicht für ersichtlich, weshalb erneut die Besorgnis der Befangenheit geltend gemacht worden sei, nachdem das Sozialgericht durch seine Aufhebung des Beschlusses vom 5. April 1971 gerade dokumentiert habe, daß er nicht befangen sei. Der gesetzliche Richter sei im übrigen das jeweils in der geschäftsplanmäßigen Besetzung tagende Gericht. Wegen der übrigen Ausführungen der Beteiligten wird auf den Inhalt der Sozialgerichtsakten Bezug genommen.
Am 30. November 1971 haben der Vorsitzende Dr. G. und der Sozialrichter S. übereinstimmende schriftlich erklärt, sie hielten sich nicht für befangen.
Die Gesuche auf Ablehnung des Vorsitzenden der 5. Kammer des Sozialgerichts Darmstadt und des Sozialrichters S. wegen Besorgnis der Befangenheit sind nicht begründet.
Was den ersten Antrag aus der Sitzung des Sozialgerichts vom 5. April 1971 angeht, so war er dahin gegangen, die Befangenheit "des Gerichts” wegen der Tätigkeit des vorsitzenden Richters und eines Beisitzers im "vorausgegangenen Rechtszug”: festzustellen. Hierzu ist zunächst zu sagen, daß sich nach einhelliger Lehre und Rechtsprechung die Besorgnis der Befangenheit immer nur auf Einzelpersonen, nicht aber auf das Gericht als Ganzes beziehen kann. Schon an diesem Grunderfordernis fehlt es hier. Selbst wenn dieser Formulierung, das Gericht mangels Unbefangenheit abzulehnen, aber deshalb, weil dann der Berufs- und nur ein ehrenamtlicher Richter namentlich erwähnt worden sind, keine entscheidende Bedeutung beigemessen wird, ist das Gesuch vom 5. April 1971 aber immer noch unbegründet, weil die richterliche Tätigkeit in einem vorangegangenen und abgeschlossenen Streitverfahren keine Besorgnis der Befangenheit erkennen läßt. Die Tatsache allein, daß ein Sozialgericht eine Klage durch Urteil abweist, ist nach objektiven Gesichtspunkten keine solche, welche auf Parteinahme zu Gunsten eines Beteiligten in einer anderen Klagesache schließen läßt. Denn weder die Bestätigung eines Verwaltungsaktes in einem sozialgerichtlichen Verfahren noch umgekehrt dessen Aufhebung beinhaltet Parteilichkeit oder schließt sie gar zwangsläufig ein. Abweisung eines Rechtsmittels oder Stattgabe sind Ausdruck der richterlichen Tätigkeit, die kraft Gesetzes übertragen worden ist und kraft Amtes ausgeübt wird. Sieht der Unterlegene darin einen Akt der Parteinahme für den anderen Beteiligten, so ist das mit dem Verhalten eines vernünftig denkenden Prozeßführenden, sei er nun aktiv oder passiv legitimiert, objektiv niemals zu vereinbaren. Diese Gedanken kommen in gleicher Weise zum Tragen, wenn dieselben Beteiligten sich in einem späteren Rechtsstreit vor demselben Gericht wiederfinden.
Befangenheit, so wie sie § 60 Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 42 ZPO versteht, ist darin nicht zu besorgen. Denn dafür muß ein Grund vorliegen, der nach objektiven und vernünftigen Erwägungen Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters in Bezug auf dessen künftige sachliche Entscheidung zu rechtfertigen geeignet ist. Ein einsichtiger Beteiligter, und nur auf einen solchen kommt es an, wird jedoch nicht annehmen, der Berufsrichter und ein Beisitzer würden unsachlich sein, nur weil sie in einer vorausgegangenen abgeschlossenen Streitsache derselben Beteiligten nicht in einem "vorausgegangenen Rechtszug”, in bestimmter Weise entschieden haben. Damit haben sie sich keinesfalls "festgelegt”. Das hat der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin im übrigen auch selbst nie behauptet, ebenso wenig wie Tatsachen vorgetragen worden sind, die sich auf nicht sachliche Umstände beim Zustandekommen des Urteils vom 25. Juli 1968 beziehen könnten, wenn der Senat insoweit unterstellt, solche dürften nach Einlassen zur Sache später überhaupt noch mit Erfolg reklamiert werden (vgl. hier zu § 43 ZPO). Alles in alles ist ein Ablehnungsgrund für den Antrag vom 5. April 1971 nicht ersichtlich, geschweige denn im Sinne des § 44 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht.
Dem in der Verhandlung vom 17. Mai 1971 wiederholten und dann noch mit der zusätzlichen Begründung versehenen Ablehnungsgesuch, die Behandlung des Beschlusses vom 5. April 1971 rechtfertige die Besorgnis der Befangenheit, war gleichfalls nicht stattzugeben. Soweit es sich auf das ursprüngliche Gesuch bezog, gilt das oben Ausgeführte. Mit Recht haben sich der Kammervorsitzende und der Beisitzer S. insoweit nicht für befangen erklärt. Das später nachgeschobene Vorbringen im Hinblick auf die Beschlüsse vom 5. April und 17. Mai 1971 bietet jedoch gleichermaßen keinen Anhalt, an der Unparteilichkeit des Vorsitzenden, auf welchen es sich allein bezieht, objektiv zu zweifeln. Er hat zwar prozessuale Fehler gemacht, indem er einmal den ersten Kammerbeschluß verkündet und die Sache nicht, wie § 60 Abs. 1 Satz 2 SGG in Verbindung mit § 43 ZPO vorschreibt, an das Hessische Landessozialgericht zur Entscheidung abgegeben hat, zum anderen den – falschen – Beschluß vom 5. April 1971 durch den zweiten wieder aufgehoben hat. Damit hat er gegen prozeßrechtliche Vorschriften verstoßen. Daraus zu schließen, er habe sich insoweit vom unsachlichen, gegen eine Partei gerichtete Erwägungen leiten lassen, gar noch um dieser zu schaden, geht jedoch nicht an. Denn in Wahrheit hat er versucht, seinen Fehler aus der Welt zu schaffen, den er mit dem auf § 41 Ziff. 6 ZPO gestützten ersten Beschluß begangen hatte. Tatsächlich war diese Vorschrift nicht einschlägig, weil sie sich u.a. nur auf einen früheren Rechtszug, nicht aber auf eine abgeschlossene Rechtsstreitigkeit derselben Beteiligten bezieht, mögen die zugrundeliegenden Ansprüche auch annähernd aus derselben Anspruchsquelle herrühren (vgl. hierzu BSG, SozEntsch. I/4 § 60 Nr. 1). Daß der Vorsitzende später selbst zu dieser Erkenntnis gekommen war, ist aus der Begründung des Beschlusses vom 17. Mai 1971 zu entnehmen, die Aufhebung sei deshalb erfolgt, da keine besondere Vorschrift im Gesetz enthalten sei. Hätte er, wie es richtig gewesen wäre, die Streitsache mit dem Beschluß vom 5. April 1971 zur weiteren Veranlassung an das Hessische Landessozialgericht abgegeben, wäre derselbe mangels Rechtsgrundlage gleichermaßen aufgehoben worden. Rückschlüsse auf Parteilichkeit zu Lasten der Klägerin lassen sich mithin aus dem Verhalten des Vorsitzenden nicht ziehen. Anhaltspunkte für unsachliche Erwägungen im Sinne des § 42 ZPO finden sich nicht, sondern nur solche für die mangelhafte Anwendung prozessualer Vorschriften. Das gibt indessen keinen Grund, die Befangenheit in Bezug auf die künftige Sachentscheidung zu besorgen, wenn der Maßstab des vernünftigen Prozeßführenden angelegt wird. Sollten aus geschehener Veranlassung von dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin weiter prozessuale oder auch materiell-rechtliche Mängel befürchtet werden, so ist die Einlegung des Rechtsmittels gegen die – gedachtermaßen – unrichtige zukünftige Entscheidung des Sozialgerichts Darmstadt das richtige Mittel. Ein Gesuch auf Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit ist insofern kein Korrektiv, weil der Umstand, daß ihm Fehler unterlaufen sind, nicht zwangsläufig den Schluß beinhaltet, daß dieser Fehler aus gegen eine Partei gerichteten Gründen gemacht worden sind. Andere Ablehnungsgründe sind in Bezug auf das zweite Gesuch aber nicht glaubhaft dargetan worden. Wäre die Rüge des Entzuges des gesetzlichen Richters rechtlich relevant, so bezöge auch sie sich nur auf einen Verfahrensfehler.
Über das in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 5. April 1971 von dem Vertreter des Beklagten angebrachtes Ablehnungsgesuch hätte der Senat nicht zu befinden, da es, wie aus dem späteren Vorbringen des Beklagten klar entnommen werden kann, als zurückgenommen anzusehen ist. Anders läßt sich insbesondere der Antrag nicht erklären, die Beschwerde gegen den Beschluß vom 17. Mai 1971 zurückzuweisen.
Diese Beschwerde war ihrerseits ebenfalls nicht Gegenstand der hier zu treffenden Entscheidung. Denn insoweit liegt mangels Tätigwerden der 5. Kammer des Sozialgerichts, deren Vorsitzender wegen des Ablehnungsgesuchs nicht fungieren durfte, noch keine Entscheidungsreife im Sinne des § 174 SGG vor. Das Sozialgericht wird seiner Verpflichtung insoweit nunmehr nachzukommen und darüber zu befinden haben, ob es die Beschwerde für begründet hält oder nicht. Unabhängig davon und vorab sollte sich der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin aber darüber schlüssig werden, ob er den Rechtsbehelf der Beschwerde gegen den Beschluß vom 17. Mai 1971 aufrechterhalten will. Abgesehen von begründeten Zweifeln an der Zulässigkeit der Beschwerde wäre zu bedenken, ob sie dem Interesse der Klägerin dient, ihre Klagesache zügig mit dem Ziele nicht nur im Theoretischen haftenbleibender Entscheidungen bearbeitet zu wissen.
Dieser Beschluß kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
Die Klägerin hat sich mit der am 25. November 1970 beim Sozialgericht Darmstadt erhobenen Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 3. Juli 1970 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juli 1970 gewandt, mit dem ihr Antrag auf Erteilung eines Zugunstenbescheides abgelehnt worden ist. Dieser Antrag hatte sich auf dem Sachbescheid des Beklagten vom 9. August 1965 bezogen. Damit war ihr Schadensausgleich nach § 40 a des Bundesversorgungsgesetzes (BVG versagt worden, da sich bei Eingruppierung ihres kriegsverschollenen Ehemannes in die Leistungsgruppe IV der Angestellten kein auszahlbarer Betrag ergeben hatte. Durch rechtskräftig gewordenes Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 25. Juli 1968, bei dessen Erlaß Sozialgerichtsrat Dr. G. als Vorsitzender und Sozialrichter S. als einer der beiden Beisitzer mitgewirkt hatten, war dieser Bescheid bestätigt worden.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Darmstadt am 5. April 1971 hat der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin beantragt, "die Befangenheit des Gerichts wegen der Tätigkeit des Richters und eines Beisitzers im vorausgegangenen Rechtszug, der mit Urteil vom 25. Juli 1968 abgeschlossen wurde, festzustellen”. Der Vertreter des Beklagten hat sich diesem Antrag abgeschlossen. Das Sozialgericht hat unter Vorsitz des Richters Dr. G. und u.a. unter Mitwirkung des Sozialrichters S. den aus der Sitzungsniederschrift zu entnehmenden Beschluß verkündet, wonach das Gericht an der Entscheidung des Rechtsstreits verhindert sei (§ 41 Ziff. 6 ZPO), weil der Vorsitzende und dieser Sozialrichter bei der Entscheidung des Rechtsstreits S 5/V-221/66 am 25. Juli 1963 mitgewirkt hätten.
In der mündlichen Verhandlung vom 17. Mai 1971 hat der Vorsitzende zusammen mit zwei anderen Sozialrichtern diesen Beschluß durch einen zweiten Beschluß aufgehoben, da keine besondere Vorschrift im Gesetz enthalten sei. Nach Erörterung der Sach- und Rechtslage hat der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin den Antrag vom 5. April 1971 wiederholt und erneut die Besorgnis der Befangenheit geltend gemacht. Der Vertreter des Beklagten hat einen Sachantrag gestellt. Das Sozialgericht hat in dieser Sitzung alsdann beschlossen, den Rechtsstreit dem Hessischen Landessozialgericht nach § 60 Abs. 1 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zur Entscheidung über die Ablehnung vorzulegen. Gegen den Beschluß vom 17. Mai 1971 hat der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin Beschwerde beim Sozialgericht Darmstadt eingelegt, die der Beklagte zurückzuweisen begehrt hat. Der Prozeßbevollmächtigte begründet das Ablehnungsgesuch damit, daß am 5. April 1971 derselbe Vorsitzende und ein personengleicher Beisitzer mit der Entscheidung über die Klage gegen den negativen Zugunstenbescheid vom 3. Juli 1970 befaßt gewesen seien, die bei der Urteilsfindung am 25. Juli 1963 über den zugrundeliegenden Sachbescheid mitgewirkt hätten. Auch bestehe die Vermutung des Befangenseins des Vorsitzenden wegen der unzulässigen Form der Behandlung des ersten Antrags auf Ablehnung in der Sitzung vom 5. April 1971 nicht selbst aufheben dürfen, schon gar nicht unter Mitwirkung zweier anderer Beisitzer. Der Beklagte hält nicht für ersichtlich, weshalb erneut die Besorgnis der Befangenheit geltend gemacht worden sei, nachdem das Sozialgericht durch seine Aufhebung des Beschlusses vom 5. April 1971 gerade dokumentiert habe, daß er nicht befangen sei. Der gesetzliche Richter sei im übrigen das jeweils in der geschäftsplanmäßigen Besetzung tagende Gericht. Wegen der übrigen Ausführungen der Beteiligten wird auf den Inhalt der Sozialgerichtsakten Bezug genommen.
Am 30. November 1971 haben der Vorsitzende Dr. G. und der Sozialrichter S. übereinstimmende schriftlich erklärt, sie hielten sich nicht für befangen.
Die Gesuche auf Ablehnung des Vorsitzenden der 5. Kammer des Sozialgerichts Darmstadt und des Sozialrichters S. wegen Besorgnis der Befangenheit sind nicht begründet.
Was den ersten Antrag aus der Sitzung des Sozialgerichts vom 5. April 1971 angeht, so war er dahin gegangen, die Befangenheit "des Gerichts” wegen der Tätigkeit des vorsitzenden Richters und eines Beisitzers im "vorausgegangenen Rechtszug”: festzustellen. Hierzu ist zunächst zu sagen, daß sich nach einhelliger Lehre und Rechtsprechung die Besorgnis der Befangenheit immer nur auf Einzelpersonen, nicht aber auf das Gericht als Ganzes beziehen kann. Schon an diesem Grunderfordernis fehlt es hier. Selbst wenn dieser Formulierung, das Gericht mangels Unbefangenheit abzulehnen, aber deshalb, weil dann der Berufs- und nur ein ehrenamtlicher Richter namentlich erwähnt worden sind, keine entscheidende Bedeutung beigemessen wird, ist das Gesuch vom 5. April 1971 aber immer noch unbegründet, weil die richterliche Tätigkeit in einem vorangegangenen und abgeschlossenen Streitverfahren keine Besorgnis der Befangenheit erkennen läßt. Die Tatsache allein, daß ein Sozialgericht eine Klage durch Urteil abweist, ist nach objektiven Gesichtspunkten keine solche, welche auf Parteinahme zu Gunsten eines Beteiligten in einer anderen Klagesache schließen läßt. Denn weder die Bestätigung eines Verwaltungsaktes in einem sozialgerichtlichen Verfahren noch umgekehrt dessen Aufhebung beinhaltet Parteilichkeit oder schließt sie gar zwangsläufig ein. Abweisung eines Rechtsmittels oder Stattgabe sind Ausdruck der richterlichen Tätigkeit, die kraft Gesetzes übertragen worden ist und kraft Amtes ausgeübt wird. Sieht der Unterlegene darin einen Akt der Parteinahme für den anderen Beteiligten, so ist das mit dem Verhalten eines vernünftig denkenden Prozeßführenden, sei er nun aktiv oder passiv legitimiert, objektiv niemals zu vereinbaren. Diese Gedanken kommen in gleicher Weise zum Tragen, wenn dieselben Beteiligten sich in einem späteren Rechtsstreit vor demselben Gericht wiederfinden.
Befangenheit, so wie sie § 60 Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 42 ZPO versteht, ist darin nicht zu besorgen. Denn dafür muß ein Grund vorliegen, der nach objektiven und vernünftigen Erwägungen Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters in Bezug auf dessen künftige sachliche Entscheidung zu rechtfertigen geeignet ist. Ein einsichtiger Beteiligter, und nur auf einen solchen kommt es an, wird jedoch nicht annehmen, der Berufsrichter und ein Beisitzer würden unsachlich sein, nur weil sie in einer vorausgegangenen abgeschlossenen Streitsache derselben Beteiligten nicht in einem "vorausgegangenen Rechtszug”, in bestimmter Weise entschieden haben. Damit haben sie sich keinesfalls "festgelegt”. Das hat der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin im übrigen auch selbst nie behauptet, ebenso wenig wie Tatsachen vorgetragen worden sind, die sich auf nicht sachliche Umstände beim Zustandekommen des Urteils vom 25. Juli 1968 beziehen könnten, wenn der Senat insoweit unterstellt, solche dürften nach Einlassen zur Sache später überhaupt noch mit Erfolg reklamiert werden (vgl. hier zu § 43 ZPO). Alles in alles ist ein Ablehnungsgrund für den Antrag vom 5. April 1971 nicht ersichtlich, geschweige denn im Sinne des § 44 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht.
Dem in der Verhandlung vom 17. Mai 1971 wiederholten und dann noch mit der zusätzlichen Begründung versehenen Ablehnungsgesuch, die Behandlung des Beschlusses vom 5. April 1971 rechtfertige die Besorgnis der Befangenheit, war gleichfalls nicht stattzugeben. Soweit es sich auf das ursprüngliche Gesuch bezog, gilt das oben Ausgeführte. Mit Recht haben sich der Kammervorsitzende und der Beisitzer S. insoweit nicht für befangen erklärt. Das später nachgeschobene Vorbringen im Hinblick auf die Beschlüsse vom 5. April und 17. Mai 1971 bietet jedoch gleichermaßen keinen Anhalt, an der Unparteilichkeit des Vorsitzenden, auf welchen es sich allein bezieht, objektiv zu zweifeln. Er hat zwar prozessuale Fehler gemacht, indem er einmal den ersten Kammerbeschluß verkündet und die Sache nicht, wie § 60 Abs. 1 Satz 2 SGG in Verbindung mit § 43 ZPO vorschreibt, an das Hessische Landessozialgericht zur Entscheidung abgegeben hat, zum anderen den – falschen – Beschluß vom 5. April 1971 durch den zweiten wieder aufgehoben hat. Damit hat er gegen prozeßrechtliche Vorschriften verstoßen. Daraus zu schließen, er habe sich insoweit vom unsachlichen, gegen eine Partei gerichtete Erwägungen leiten lassen, gar noch um dieser zu schaden, geht jedoch nicht an. Denn in Wahrheit hat er versucht, seinen Fehler aus der Welt zu schaffen, den er mit dem auf § 41 Ziff. 6 ZPO gestützten ersten Beschluß begangen hatte. Tatsächlich war diese Vorschrift nicht einschlägig, weil sie sich u.a. nur auf einen früheren Rechtszug, nicht aber auf eine abgeschlossene Rechtsstreitigkeit derselben Beteiligten bezieht, mögen die zugrundeliegenden Ansprüche auch annähernd aus derselben Anspruchsquelle herrühren (vgl. hierzu BSG, SozEntsch. I/4 § 60 Nr. 1). Daß der Vorsitzende später selbst zu dieser Erkenntnis gekommen war, ist aus der Begründung des Beschlusses vom 17. Mai 1971 zu entnehmen, die Aufhebung sei deshalb erfolgt, da keine besondere Vorschrift im Gesetz enthalten sei. Hätte er, wie es richtig gewesen wäre, die Streitsache mit dem Beschluß vom 5. April 1971 zur weiteren Veranlassung an das Hessische Landessozialgericht abgegeben, wäre derselbe mangels Rechtsgrundlage gleichermaßen aufgehoben worden. Rückschlüsse auf Parteilichkeit zu Lasten der Klägerin lassen sich mithin aus dem Verhalten des Vorsitzenden nicht ziehen. Anhaltspunkte für unsachliche Erwägungen im Sinne des § 42 ZPO finden sich nicht, sondern nur solche für die mangelhafte Anwendung prozessualer Vorschriften. Das gibt indessen keinen Grund, die Befangenheit in Bezug auf die künftige Sachentscheidung zu besorgen, wenn der Maßstab des vernünftigen Prozeßführenden angelegt wird. Sollten aus geschehener Veranlassung von dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin weiter prozessuale oder auch materiell-rechtliche Mängel befürchtet werden, so ist die Einlegung des Rechtsmittels gegen die – gedachtermaßen – unrichtige zukünftige Entscheidung des Sozialgerichts Darmstadt das richtige Mittel. Ein Gesuch auf Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit ist insofern kein Korrektiv, weil der Umstand, daß ihm Fehler unterlaufen sind, nicht zwangsläufig den Schluß beinhaltet, daß dieser Fehler aus gegen eine Partei gerichteten Gründen gemacht worden sind. Andere Ablehnungsgründe sind in Bezug auf das zweite Gesuch aber nicht glaubhaft dargetan worden. Wäre die Rüge des Entzuges des gesetzlichen Richters rechtlich relevant, so bezöge auch sie sich nur auf einen Verfahrensfehler.
Über das in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 5. April 1971 von dem Vertreter des Beklagten angebrachtes Ablehnungsgesuch hätte der Senat nicht zu befinden, da es, wie aus dem späteren Vorbringen des Beklagten klar entnommen werden kann, als zurückgenommen anzusehen ist. Anders läßt sich insbesondere der Antrag nicht erklären, die Beschwerde gegen den Beschluß vom 17. Mai 1971 zurückzuweisen.
Diese Beschwerde war ihrerseits ebenfalls nicht Gegenstand der hier zu treffenden Entscheidung. Denn insoweit liegt mangels Tätigwerden der 5. Kammer des Sozialgerichts, deren Vorsitzender wegen des Ablehnungsgesuchs nicht fungieren durfte, noch keine Entscheidungsreife im Sinne des § 174 SGG vor. Das Sozialgericht wird seiner Verpflichtung insoweit nunmehr nachzukommen und darüber zu befinden haben, ob es die Beschwerde für begründet hält oder nicht. Unabhängig davon und vorab sollte sich der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin aber darüber schlüssig werden, ob er den Rechtsbehelf der Beschwerde gegen den Beschluß vom 17. Mai 1971 aufrechterhalten will. Abgesehen von begründeten Zweifeln an der Zulässigkeit der Beschwerde wäre zu bedenken, ob sie dem Interesse der Klägerin dient, ihre Klagesache zügig mit dem Ziele nicht nur im Theoretischen haftenbleibender Entscheidungen bearbeitet zu wissen.
Dieser Beschluß kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
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