L 14 P 1113/97

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 12 P 738/96
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 14 P 1113/97
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 9. Juli 1997 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der 1957 geborene Kläger begehrt von der Beklagten die Bewilligung von Pflegesachleistungen bei häuslicher Pflege anstelle des von der Beklagten bewilligten Pflegegeldes für selbst beschaffte Pflegehilfen nach den Vorschriften des Elften Buches Sozialgesetzbuch – Soziale Pflegeversicherung – (SGB XI).

Bei dem Kläger, der bei der Beklagten pflegeversichert ist, besteht der Zustand nach Poliomyelitis mit einer kompletten Lähmung beider Beine sowie ausgedehnter Teillähmung beider Arme. Der Kläger bezog seit dem 1. Juni 1991 Leistungen bei Schwerpflegebedürftigkeit – Pflegegeld – gemäß den §§ 53 ff. a.F. Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V). Hilfe zur Pflege erhielt (und erhält) der Kläger auch von der Stadt K. im Rahmen der Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG), und zwar durch Übernahme der Kosten für einen persönlichen Assistenten, dessen Arbeitgeber der Kläger selbst in einem vom ihm gegründeten Betrieb ist. Die zuständige Krankenkasse hatte den Antrag des Klägers auf Übernahme dieser Kosten der persönlichen Assistenz abgelehnt (Bescheid vom 27. April 1992). Die ablehnenden Bescheide wurden in den anschließenden Gerichtsverfahren – rechtskräftig – bestätigt (Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 20. November 1996 – L-1/Kr-864/95 –).

Mit Einführung der Pflegeversicherung wurde der Kläger (ohne gesonderte Antragstellung) ab dem 1. April 1995 der Pflegestufe II zugeordnet. Mit Datum vom 23. März 1995 beantragte der Kläger Sachleistungen der Pflegeversicherung, und zwar mit der Maßgabe, seinen eigenen Betrieb im Privathaushalt als Anbieter der Sachleistung zur Deckung seines Hilfebedarfs anzuerkennen.

Mit Bescheid vom 18. Mai 1995 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie zahle ihm vom 1. April 1995 an Pflegegeld der Pflegestufe II.

Mit seinem gegen diesen Bescheid erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, er verlange "bedarfsgerechte Sicherstellung der Sachleistung und der hierfür erforderlichen Koordinierung der personellen Hilfe (Pflege nach dem SGB XI und dem BSHG)”, zumal er sich privat als auch beruflich im In- und Ausland aufhalte und gelegentlich auch außerhalb seiner Wohnung übernachten müsse.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Mai 1996, dem Kläger zugestellt mit Postzustellungsurkunde am 15. Mai 1996, wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Möglichkeit der Anerkennung des Pflegebetriebes des Klägers als einer Pflegeeinrichtung im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes sei nicht gegeben. Nach § 77 SGB XI könne eine Pflegesachleistung zwar auch dadurch erbracht werden, daß die Pflegekasse mit geeigneten Pflegekräften einen Einzelvertrag eingehe. Ein Vertragsabschluß zwischen dem Kläger selbst, als dem Pflegebedürftigen, und der Pflegekasse scheide indes nach den gesetzlichen Bestimmungen aus. Der Vertrag könne lediglich zwischen der Pflegekraft und der Pflegekasse geschlossen werden, wobei jedoch die an die Pflegekraft gebundenen gesetzlichen Voraussetzungen zu erfüllen wären. Zudem sei zu berücksichtigen, daß § 77 SGB XI nach der amtlichen Begründung dazu diene, die Versorgungsangebote der ambulanten Pflegeeinrichtungen durch gezielte, wohnortnahe Hilfen zu ergänzen und daher restriktiv auszulegen sei. Angehörige und auch ehrenamtliche Pflegepersonen würden als Vertragspartner der Kassen für Betreuungsverträge nach § 77 SGB XI daher grundsätzlich ausscheiden. Bei den vorliegenden Gegebenheiten handele es sich im Falle des Klägers um einen Fall von selbst beschaffter Pflegehilfe i.S.v. § 37 SGB XI, die lediglich aus dem Pflegegeld finanziert bzw. bezuschußt werden könne. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, daß das Ziel der Leistung bei häuslicher Pflege darin bestehe, Pflegebedürftigen möglichst lange das Verbleiben in der häuslichen Umgebung zu ermöglichen. Die Pflegesachleistungen seien deshalb an den betreffenden Haushalt bzw. den Haushalt, in denen der Pflegebedürftige aufgenommen wurde, gebunden.

Der Kläger hat am 13. Juni 1996 (Eingang) beim Sozialgericht Kassel Klage erhoben und vorgetragen, das Wahlrecht zwischen der Sachleistung nach § 36 SGB XI und der Geldleistung nach § 37 SGB XI könne nicht deshalb eingeschränkt werden, weil er das "Arbeitgebermodell” praktiziere. Wenn er nicht die Sachleistung über § 36 SGB XI erhalte, würde er nicht nur deshalb benachteiligt sein, weil das Pflegegeld im Verhältnis zu der Sachleistung wesentlich geringer sei, sondern auch durch eine Reihe weiterer Leistungskürzungen, die sich dadurch ergeben würden, daß in der Regel abhängig beschäftigte Assistenten – und keine ehrenamtlichen Pflegepersonen – die Arbeit leisten würden. Die bei ihm erforderliche Pflege sei optimal nur dann zu organisieren, wenn er selbst bestimmen könne, welche Person zu welchem Zeitpunkt und an welchem Einsatzort bei ihm tätig werde.

Während des Klageverfahrens hat die Beklagte dem Kläger rückwirkend ab dem 1. April 1995 Pflegegeld der Pflegestufe III bewilligt (Bescheid vom 26. Februar 1997).

Mit Urteil vom 9. Juli 1997 hat das Sozialgericht Kassel die Klage abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, die Beklagte halte auch für die Zukunft zu Recht daran fest, daß der Kläger allein Anspruch auf die Gewährung von Pflegegeld habe. Soweit die Kammer mit Urteil vom 10. Mai 1995 (S-12/Kr-303/93) bezüglich der Gewährung von Pflegegeld bis zum 31. März 1995 nach dem SGB V entschieden habe, daß der Anspruch auf häusliche Pflegehilfe auf Pflegeleistungen im häuslichen Bereich beschränkt und nicht überall dort zu erbringen sei, wo die Pflegeleistungen gerade benötigt würden, gelte für die Pflegesachleistung in der sozialen Pflegeversicherung nach § 36 SGB XI nichts anderes. Auch im SGB XI sei für die Erbringung der Pflegesachleistungen wesentliche Anspruchsvoraussetzung geblieben, daß der Pflegebedürftige in seinem Haushalt oder in einem anderen Haushalt, in dem er aufgenommen sei, gepflegt werde.

Gegen das ihm am 25. Juli 1997 zugestellte Urteil hat der Kläger am 22. August 1997 (Eingang) beim Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt Berufung eingelegt und geltend gemacht, es sei sachlich und rechtlich nicht haltbar, daß nach den Vorschriften des Pflegeversicherungsgesetzes Pflegesachleistungen nur durch solche Organisationen erbracht werden könnten, die mit den Pflegekassen einen Versorgungsvertrag abgeschlossen hätten, während die durch den Pflegebedürftigen selbst organisierte Pflege nur durch Pflegegeld "gedeckt” werde. Diese Konstruktion stelle einen Verstoß gegen das in § 2 Abs. 1 SGB XI bestimmte Selbstbestimmungsrecht des Pflegebedürftigen dar. Zum anderen widerspreche die unterschiedliche Behandlung auch Art. 3 Grundgesetz (GG), denn wenn der Kläger sich auf das Pflegegeld einlasse, würden ihm erhebliche Nachteile ins Haus stehen, die der Gesetzgeber offensichtlich übersehen habe. Diese Nachteile seien, daß ihm in einem solchen Falle keine Verhinderungspflege zustehe, daß der Pflegeperson keine Unfallversicherung gewährt werde und darüber hinaus die Pflegepersonen nur unter engen Voraussetzungen in die Rentenversicherung aufgenommen werden könnten. Zudem kämen im Falle des Pflegegeldes Härtefallregelungen nicht in Betracht, die bei der Sachleistung zum Zuge kämen und das Pflegegeld sei zudem noch vorrangig auf Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz anzurechnen. Ein weiterer Verstoß gegen Art. 3 GG sei daraus zu entnehmen, daß die Personen, die das Pflegegeld in Anspruch nehmen würden, sich einer Supervision unterziehen müßten. Wenn man als Rechtsgrundlage § 77 SGB XI anwenden müßte, so sei zu berücksichtigen, daß der Ausschluß von Verträgen mit Verwandten oder Verschwägerten des Pflegebedürftigen bis zum 3. Grad sowie mit Personen, die mit dem Pflegebedürftigen in häuslicher Gemeinschaft leben, aus verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu vertreten sei. Das Recht, die Pflegesachleistung auch außerhalb der Wohnung des Pflegebedürftigen in Anspruch zu nehmen, ergebe sich ebenfalls aus § 2 Abs. 1 SGB XI, wonach dem Pflegebedürftigen ein unabhängiges, selbst bestimmtes Leben ermöglicht werden solle und damit der häusliche Bereich nicht auf die Wohnung selbst beschränkt werden dürfe, sondern vielmehr die gesamte Lebensführung des Klägers umfassen müsse.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 9. Juli 1997 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18. Mai 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Mai 1996 sowie unter Änderung des Bescheides vom 26. Februar 1997 zu verurteilen, ihm anstelle des bewilligten Pflegegeldes für die Zukunft Pflegesachleistungen nach der Maßgabe zu gewähren, daß er selbst bestimmen könne, welche Person und zu welchem Zeitpunkt und an welchem Einsatzort bei ihm tätig werde.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, das abweisende Urteil des Sozialgerichts Kassel sei zutreffend.

Wegen weiterer Einzelheiten sowie zum Vorbringen der Beteiligten im übrigen wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte sowie auf die beigezogene Verfahrensakte in dem Verfahren über die Höhe von Geldleistungen wegen Schwerpflegebedürftigkeit (L-1/Kr-864/95) sowie auf die ebenfalls beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig; sie ist form- und fristgerecht eingelegt sowie an sich statthaft (§§ 151 Abs. 1, 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).

In der Sache ist die Berufung nicht begründet. Das Sozialgericht Kassel hat die Klage durch Urteil vom 9. Juli 1997 zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen der Beklagten sind nicht zu beanstanden.

Das Klagebegehren des Klägers, das darauf gerichtet ist, ihm Sachleistungen mit der Maßgabe zu gewähren, daß er selbst bestimmt, welche Person zu welchem Zeitpunkt an welchem Einsatzort bei ihm tätig wird, findet im Pflegeversicherungsgesetz keine rechtliche Grundlage. Bei der von ihm selbst organisierten Pflege kommt nach den Vorschriften des Pflegeversicherungsgesetzes nur Pflegegeld für selbst beschaffte Pflegehilfen in Betracht, welches ihm die Beklagte (unter Zuordnung der Pflegestufe III) bewilligt hat.

Die Vorschriften des Pflegeversicherungsgesetzes sehen die Pflegesachleistung nach § 36 SGB XI als Leistung bei häuslicher Pflege zwar vorrangig vor. Nach § 36 Abs. 1 Satz 3 und Satz 4 SGB XI kann die häusliche Pflegehilfe als Sachleistung indes nur erbracht werden durch geeignete Pflegekräfte, die entweder von der Pflegekasse oder bei ambulanten Pflegeeinrichtungen, mit denen die Pflegekasse einen Versorgungsvertrag abgeschlossen hat, angestellt sind, oder durch Einzelpersonen, mit denen die Pflegekasse einen Vertrag nach § 77 Abs. 1 SGB XI abgeschlossen hat.

Vorliegend will der Kläger indes gerade nicht die Erbringung der häuslichen Pflegehilfe durch Pflegekräfte, die den genannten Vorschriften genügen. Vielmehr begehrt er die Sachleistung in Form von einer Kostenübernahme für die Leistungserbringung von den Pflegekräften, mit denen er selbst einen Dienst- oder Arbeitsvertrag abgeschlossen hat. Im Rahmen dieses sogenannten "Arbeitgebermodells” oder "Assistenzmodells” kann der Kläger indes Sachleistungen nach § 36 SGB XI nicht beanspruchen. Die genannten Vorschriften schließen gerade aus, daß der Pflegebedürftige die Pflegesachleistung ohne weiteres bei jedem abrufen kann, sondern bestimmen, daß dieses nur bei Personen bzw. Einrichtungen möglich ist, die den Anforderungen der Leistungserbringung i.S.v. § 36 Abs. 1 SGB XI entsprechen.

Bei selbst beschaffter und sicher gestellter Pflege, bei der wie vorliegend Personen für die Pflege eingesetzt werden, die den Anforderungen des § 36 Abs. 1 SGB XI an die dort genannten Pflegekräfte nicht entsprechen, sieht das Gesetz anstelle der häuslichen Pflegehilfe nur die Beantragung von Pflegegeld vor, welches indes deutlich niedriger ist als der Wert der Sachleistung nach § 36 SGB XI und in der hier maßgeblichen Pflegestufe III 1.300,– DM beträgt, während die Sachleistungen in der entsprechenden Stufe einen Gesamtwert von 2.800,– DM haben.

Eine "Ausweichmöglichkeit”, über die der Kläger sein Klageziel verwirklichen könnte, ergibt sich auch nicht über § 77 SGB XI, wonach zur Sicherstellung der häuslichen Pflege und hauswirtschaftlichen Versorgung die zuständige Pflegekasse einen Vertrag mit einzelnen geeigneten Pflegekräften schließen kann, soweit und solange eine Versorgung nicht durch einen zugelassenen Pflegedienst gewährleistet werden kann (§ 77 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz SGB XI). Durch das Erste Gesetz zur Änderung des Elften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (1. SGB XI-Änderungsgesetz vom 14. Juni 1996 – BGBl. I, S. 830 – mit Wirkung ab dem 25. Juni 1996 –) ist in Satz 3 der Vorschrift nunmehr ausdrücklich klargestellt worden, daß die Pflegekräfte, mit denen die Pflegekasse einen Vertrag nach § 77 Abs. 1 Satz 1 SGB XI schließt, mit dem Pflegebedürftigen selbst kein Beschäftigungsverhältnis eingehen dürfen. Hiermit wird vom Gesetzgeber gerade bezweckt, daß bei selbst sichergestellter Pflege ausschließlich Pflegegeld und nicht die höhere Sachleistung bezogen werden kann (BT-Drucksache 13/3696 zu Buchstabe b zu Nr. 25, S. 16; Spellbring, in: Hauck/Wilde, Sozialgesetzbuch, SGB XI, Soziale Pflegeversicherung, Stand: 1. Februar 1999, § 77 Rdnr. 12; Dalichau/Grüner/Müller-Alten, Sozialgesetzbuch, XI. Buch, Stand: 11. Juli 1998, Bd. I, § 36 Anm. II 2. S. 16, Bundessozialgericht – BSG – Urteil vom 18. März 1999 – B 3 P 9/98 R –).

Der Kläger kann sich auch nicht auf die Vertrauensschutzregelung des § 77 Abs. 1 Satz 5 SGB XI berufen (abgesehen davon, daß bezüglich einer solchen Klage nicht er selbst, sondern die einzelne Pflegekraft aktiv legitimiert wäre). § 77 Abs. 1 Satz 5 SGB XI gewährt nur den Arbeitgebermodellen, d.h. Beschäftigungsverhältnissen zwischen Pflegebedürftigen und Pflegepersonen, Bestandsschutz bei denen 1. das Beschäftigungsverhältnis vor dem 1. Mai 1996 bestanden hat und 2. die vor dem 1. Mai 1996 erbrachten Pflegeleistungen von der zuständigen Pflegekasse aufgrund eines von ihr mit der Pflegekraft abgeschlossenen Vertrages vergütet worden sind. Diese Voraussetzungen – die Vergütung aufgrund eines Vertrages mit der Pflegekasse – sind vorliegend nicht gegeben.

Auch wenn der ausdrückliche gesetzliche Ausschluß von sog. Arbeitgebermodellen in § 77 Abs. 1 Satz 3 SGB XI erst am 25. Juni 1996 in Kraft getreten ist, also erst während des Klageverfahrens, hat der Kläger (abgesehen davon, daß auch diesbezüglich seine Aktivlegitimation zweifelhaft ist) nicht etwa einen Anspruch auf Behebung der Folgen einer gesetzeswidrigen Weigerung der Beklagten, mit einer von ihm bestimmten Pflegekraft rechtzeitig einen Pflegevertrag abzuschließen. Die allein dafür in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen, wie der sozialrechtliche Herstellungsanspruch, ein Anspruch auf Folgenbeseitigung oder ein Anspruch auf Schadenersatz greifen hier nicht. Die Beklagte hat sich nicht rechtswidrig verhalten. Die Gesetzesänderung kann nur als Klarstellung für die Zukunft und als nachträgliche Bestätigung für die Vergangenheit verstanden werden. Mit der Bestandsschutzregelung in § 77 Abs. 1 Satz 5 SGB XI hat der Gesetzgeber nur das Vertrauen der Betroffenen auf die Rechtmäßigkeit eines nicht der objektiven Gesetzeslage entsprechenden Verwaltungshandelns der Pflegekassen als schutzwürdig anerkannt; daraus folgt nicht, daß diese Praxis der Gesetzeslage entsprochen hat (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 18. März 1999 – a.a.O. –).

Entgegen der Auffassung des Klägers verstößt die im Pflegeversicherungsgesetz getroffene Regelung zu Leistungen bei häuslicher Pflege weder gegen den in § 2 Abs. 1 SGB XI bestimmten Grundsatz der Selbstbestimmung, noch gegen Grundrechte.

Dem in § 2 Abs. 1 normierten Grundsatz, daß die Leistungen der Pflegeversicherung den Pflegebedürftigen helfen sollen, trotz ihres Hilfebedarfs ein möglichst selbständiges und selbst bestimmtes Leben zu fuhren, das der Würde des Menschen entspricht, ist – unter anderem – durch das Wirtschaftlichkeitsgebot in § 29 SGB XI eine Grenze gesetzt. Danach müssen die Leistungen wirksam und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht übersteigen. Leistungen, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen – so heißt es in der Vorschrift – können Pflegebedürftige nicht beanspruchen, dürfen die Pflegekassen nicht bewilligen und dürfen die Leistungserbringer nicht zu Lasten der sozialen Pflegeversicherung bewirken. Diesem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 29 SGB XI sowie der gebotenen Qualitätssicherung entsprechen § 36 Abs. 1 Satz 3 und Satz 4 SGB XI, wonach die Pflegesachleistung nur fachkundig erbracht werden kann. Auf die Fachkunde haben die Pflegekassen Einfluß durch Anstellung der geeigneten Pflegekraft oder durch Abschluß von Versorgungsverträgen mit ambulanten Pflegeeinrichtungen im Sinne des SGB XI, d.h. solchen Einrichtungen, die unter ständiger Verantwortung einer ausgebildeten Pflegefachkraft die Pflegebedürftigen versorgen (§ 71 SGB XI). Demgegenüber haben die Pflegekassen bei selbst beschaffter Pflegehilfe nur begrenzten Einfluß auf die Qualität durch die Verpflichtung des Pflegebedürftigen, in bestimmten zeitlichen Abständen Pflegeeinsätze durch Pflegeeinrichtungen abzurufen (§ 37 Abs. 3 SGB XI). Es ist daher gerechtfertigt, daß der Gesetzgeber hinsichtlich der Höhe des Pflegegeldes bei selbst beschaffter Pflegehilfe wesentlich unter dem Grenzwert für die Pflegesachleistung geblieben ist, um eine Umgehung der Pflegesachleistungsregelungen u.a. durch die Begründung von Beschäftigungsverhältnissen zwischen Pflegebedürftigen und Pflegenden zu vermeiden (s. dazu auch Dalichau/Grüner/Müller-Alten, a.a.O., § 37 Anm. II 2., S. 28). Daß das Pflegeversicherungsgesetz nicht alle Modelle der Hilfe, insbesondere der selbst organisierten Hilfe, berücksichtigt, ist auch unter dem Gesichtspunkt des begrenzten Finanzbugets nicht zu beanstanden, denn eine umfassende Versorgung von Pflegefällen allein aus der Pflegeversicherung ist nicht durchführbar (s. dazu BSG, Urteil vom 18. März 1999 – B 3 P 9/98 R –). Der Kläger kann auch das von ihm bevorzugte Arbeitgebermodell fortfuhren, aber nicht auf Kosten der Pflegekassen, sondern (wie bisher) auf Kosten des Sozialhilfeträgers, wobei das nach dem SGB XI geleistete Pflegegeld auf die Leistungen nach § 69 b Abs. 1 BSHG anzurechnen ist (s. dazu auch Spellbring, in: Hauck/Wilde, a.a.O., Rdnr. 13).

Schließlich liegt in den in §§ 36, 37 SGB XI getroffenen Regelungen der Leistungen bei häuslicher Pflege kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Zwischen den "geeigneten Pflegekräften” nach § 36 Abs. 1 Satz 3 SGB XI und Pflegekräften bzw. Pflegepersonen, die der Kläger selbst bestimmt und die den Anforderungen des § 36 Abs. 1 Satz 3 SGB XI nicht genügen, besteht ein Unterschied, der wie oben ausgeführt, eine Ungleichbehandlung sachlich rechtfertigt. Soweit der Kläger im Rahmen seiner selbst organisierten Hilfe Angehörige heranzieht, kommt hinzu, daß die Pflege durch diese einer sittlichen Pflicht und gesetzlichen Beistandsleistungspflicht entspricht, die es rechtfertigt, mit dem Pflegegeld lediglich eine finanzielle Anerkennung vorzusehen, die gegenüber dem Wert der Sachleistung deutlich geringer ist (s. Urteil des Senats vom 26. März 1998 – L-14/P-868/97 –; BSG, Urteil vom 18. März 1999 – a.a.O. –).

Soweit der Kläger geltend gemacht hat, er begehre die Sachleistungen mit der Maßgabe, daß diese an jedem Einsatzort zu erbringen seien, den er bestimme, hat das Sozialgericht Kassel zutreffend festgestellt, daß sich der Anspruch auf häusliche Pflegehilfe nach § 36 SGB XI grundsätzlich auf Sachleistungen im häuslichen Bereich beschränkt (eine Ausnahme ergibt sich nach § 34 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 SGB XI i.d.F. durch das 1. SGB XI-Änderungsgesetz nur bei vorübergehendem Auslandsaufenthalt von bis zu 6 Wochen im Kalenderjahr). Der Senat sieht daher aus den Gründen des erstinstanzlichen Urteils zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 153 Abs. 2 SGG ab und nimmt insoweit Bezug auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des Sozialgerichts.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen; Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor, da das BSG die hier streitigen Fragen zum sogenannten Arbeitgebermodell in seinen Entscheidungen vom 18. März 1999 (B 3 P 8/98 R und B 3 P 9/98 R) geklärt hat.
Rechtskraft
Aus
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