L 6 KR 756/03

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 3 KR 246/03
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 KR 756/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 75/07 B
Datum
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 20. Mai 2003 insoweit aufgehoben und die Klage insoweit abgewiesen, als die Beklagte auch zur Kostenerstattung in Höhe von 3.646,68 EUR für Maßnahmen, die im Rahmen der ICSI/IVF unmittelbar am Körper der Ehefrau des Klägers durchgeführt wurden, verurteilt worden ist.

Die Beklagte hat dem Kläger zwei Fünftel seiner außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten im Berufungsverfahren noch um die restliche Kostenerstattung für Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft durch intrazytoplasmatische Spermainjektion (ICSI) in Verbindung mit einer In-Vitro-Fertilisation (IVF).

Der bei der Beklagten krankenversicherte Kläger wandte sich mit Schreiben vom 6. Juni 2001 an die Rechtsvorgängerin der Beklagten und bat um Auskunft zur Erstattung der Kosten für eine IVF oder ICSI. Nach dem Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Thüringen vom 17. August 2001 ergab sich aus seinen Spermiogrammbefunden eine Indikation zur Durchführung der ICSI. Unter dem 19. November 2001 lehnte die Rechtsvorgängerin der Beklagten eine Kostenerstattung ab, weil der Kläger nicht verheiratet sei.

Am 13. Juli 2002 heiratete er seine Lebenspartnerin, die bei der DBV-Winterthur Krankenversicherung AG privat krankenversichert und als Beamtin beihilfeberechtigt ist. Unter dem 21. August 2002 teilte ihm die Rechtsvorgängerin der Beklagten u.a. Folgendes mit: " ... Nach Prüfung Ihrer Unterlagen freuen wir uns Ihnen mitteilen zu können, dass wir die Kosten für diese Behandlung unter folgenden Voraussetzungen erstatten: Die BKK POST übernimmt die Kosten in Höhe der einfachen Sätze der Gebührenordnung Ärzte (GOÄ) – abzüglich eines 14prozentigen Ostabschlages – nach folgenden Kriterien: &61485; Nach ärztlicher Feststellung besteht hinreichende Aussicht, dass durch die ICSI-Behandlung eine Schwangerschaft herbeigeführt werden kann. &61485; Sie müssen verheiratet sein. &61485; Es werden ausschließlich Ei- und Samenzellen des Ehegatten verwendet. &61485; Vor Behandlungsbeginn soll eine Aufklärung und Beratung unter Berücksichtigung der medizinischen und psychosozialen Gesichtspunkte durch einen Arzt stattfinden, der den Eingriff nicht selbst durchführt. Für die ICSI-Methode erstatten wir bis zu vier Behandlungsversuche, wobei hier herkömmliche Versuche zur künstlichen Befruchtung (IVF) angerechnet werden. "

Der Kläger reichte nach Beendigung der ersten ICSI-Maßnahme bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten eine Verordnung über Medikamente der Ehefrau vom 7. Oktober 2002 ein. Mit Bescheid vom 17. Oktober 2002 lehnte diese eine Erstattung der Kosten der Verordnung ab. Mit seinem Widerspruch legte der Kläger weitere Verordnungen und Rechnungen vor.

Unter dem 18. November 2002 lehnte die private Krankenversicherung der Ehefrau des Klägers eine Kostenbeteiligung ab.

Mit Widerspruchsbescheid vom 30. Dezember 2002 wies die Rechtsvorgängerin der Beklagten den Widerspruch unter Hinweis auf § 27a Abs. 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) zurück und führte aus, für die Kosten der Maßnahmen am Körper der Ehefrau sei deren private Krankenversicherung zuständig.

Der Kläger hat am 29. Januar 2003 vor dem Sozialgericht Gotha Klage erhoben, mit der er die Übernahme der gesamten Kosten durch die Beklagte begehrt hat. In der Folgezeit hat der Kläger Rechnungen für eine im April 2003 durchgeführte zweite ISCI-Maßnahme zum Zwecke der Kostenerstattung eingereicht.

Das Sozialgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 20. Mai 2003 verpflichtet, die Kosten für zwei durchgeführte ICSI-Behandlungen sowie für zwei weitere Versuche zu erstatten bzw. zu übernehmen. Nach Ansicht des Gerichts stellt das Schreiben der Beklagten vom 21. August 2002 eine verbindliche Kostenzusage für die gesamte Maßnahme dar. Der Kläger habe daraus nicht ersehen können, dass die Kosten für Maßnahmen bei seiner Ehefrau nicht zu erstatten seien. Von seinem Empfängerhorizont habe dieser das Schreiben nur so verstehen können, dass die Kosten von bis zu vier Behandlungsversuchen in voller Höhe erstattet würden. Zwar sei das Schreiben nur an den Kläger adressiert, der Antrag habe sich jedoch auf die ICSI beider Eheleute bezogen. Ob durch § 27a Abs. 3 SGB V die Kostenübernahme bei Maßnahmen hinsichtlich der Ehefrau ausgeschlossen sei, könne offen bleiben.

Dagegen hat die Beklagte am 1. September 2003 Berufung eingelegt und zur Begründung die Auffassung vertreten, dass ihre Kostenzusage vom 21. August 2002 sich nicht auf Maßnahmen am Körper der Ehefrau erstreckt habe. Sie sei ausschließlich an den Kläger und nicht auch an seine privat krankenversicherte Ehefrau adressiert, welcher aufgrund fehlender Mitgliedschaft bei der Beklagten keine Leistungen zustehen könnten. Die Kostenübernahme sei vorbehaltlich einer anhand gesetzlicher Bestimmungen und geltender Gebührensätze vorzunehmenden Prüfung der vom Kläger einzureichenden Rechnungen zugesichert worden und beschränke sich auf einfache Sätze der GOÄ.

Die Beklagte beantragt zuletzt,

das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 20. Mai 2003 insoweit aufzuheben und die Klage insoweit abzuweisen, als sie auch zur Kostenerstattung in Höhe von 3.646,68 EUR für Maßnahmen, die im Rahmen der ICSI/IVF unmittelbar am Körper der Ehefrau des Klägers durchgeführt wurden, verurteilt worden ist.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er bezieht sich zur Begründung auf das angefochtene Urteil des Sozialgerichts und vertritt darüber hinaus die Auffassung, dass die Kosten für Maßnahmen, die direkt am Körper seiner Ehefrau durchgeführt würden, von der Beklagten auch im Falle der Verneinung einer entsprechenden Kostenzusage, zumindest zur Hälfte, zu erstatten seien. Diese beliefen sich abzüglich einer Kulanzkostenerstattung der Beihilfe seiner Ehefrau auf insgesamt 3.646,68 EUR.

Mit Schreiben vom 25. November und vom 2. Dezember 2003 hat die Beklagte die vom Kläger begehrten Kosten für die ersten beiden ICSI-Versuche hinsichtlich der extrakorporalen Maßnahmen in Höhe von ca. 2581 EUR ohne Anerkennung einer Rechtspflicht erstattet. Mit Schreiben vom 25. März 2004 hat sie außerdem die Kosten der extrakorporalen Maßnahmen des dritten Versuchs anerkannt.

Mit Beschluss vom 4. Dezember 2003 hat der Senat den Antrag des Klägers, die Beklagte im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm die die Kosten für die bislang durchgeführten ISCI-Versuche zu erstatten bzw. ihn von den Kosten weiterer zwei Versuche freizustellen, abgelehnt. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs 1. i.V.m. § 136 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) auf die Gründe des den Beteiligten bekannten Beschlusses (Az.: L 6 KR 825/03 ER) verwiesen.

Im Ergebnis der mündlichen Verhandlung vom 29. März 2004 hat der Senat ein Gutachten der Dr. B. vom Medizinischen Dienst der Spitzenverbände der Krankenkassen e.V. zu Frage der Zuordnung der bisher angefallenen Kosten zu Maßnahmen am Körper der Ehefrau, am Körper des Ehemannes und zu extrakorporalen Kosten eingeholt. In Folge des Gutachtens vom 17. Dezember 2004 sowie der ergänzenden Stellungnahme vom 30. September 2005 hat die Beklagte sodann sämtliche noch offenen Kosten für extrakorporale Maßnahmen sowie für Maßnahmen am Körper des Klägers, und zwar auch für den inzwischen durchgeführten vierten ICSI-Versuch erstattet. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 11. Mai 2006 den Rechtstreit insoweit für erledigt erklärt.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten und der beigezogenen Gerichtsakten (u.a. Az.: L 6 KR 825/03 ER und Az.: S 3 KR 245/03 ER) Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige und statthafte Berufung der Beklagten ist begründet, weil dem Kläger kein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die am Körper der Ehefrau durchgeführten Behandlungsmaßnahmen zusteht.

Die Beklagte hat die Kostenerstattung nicht zu Unrecht abgelehnt (§ 13 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 SGBV), weil sich die Leistungspflicht der Beklagten unabhängig von den Ursachen der Kinderlosigkeit nach der bei Behandlungsbeginn maßgeblichen (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 19. Juni 2001 – Az.: B 1 KR 23/00 R in SozR 3-2500 § 28 Nr. 6) Regelung des § 27a Abs. 3 SGB V nur auf Maßnahmen am Körper des Klägers sowie alle extrakorporalen Maßnahmen erstreckt. Dementsprechend hat die Beklagte den entsprechenden Teil des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers im Laufe des Berufungsverfahrens vollständig anerkannt. Dagegen bleibt die Kostenerstattung für die am Körper der Ehefrau durchgeführten ICSI-Behandlungen nach der ständigen, den Beteiligten bekannten Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 3. April 2001 – Az.: B 1 KR 22/00 R in SozR 3-2500 § 27a Nr. 2 und Az.: B 1 KR 40/00 R in SozR 3-2500 § 27a Nr. 3 sowie vom 22. März 2005 – Az.: B 1 KR 11/03 R in SozR 4-2500 § 27a Nr. 1), der sich der Senat anschließt, ausgeschlossen. Die entsprechenden Einwände des Klägers, u.a. dass das BSG nicht von einem solchen Ausschluss ausgehe bzw. andere, nicht übertragbare Fallkonstellationen entschieden habe, kann der Senat im Hinblick auf die insoweit eindeutigen Aussagen in den genannten BSG-Entscheidungen (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 22. März 2005 – Az.: B 1 KR 11/03 R, a.a.O.: " d) Eine Krankenkasse ist gegenüber ihrem Versicherten hingegen nicht leistungspflichtig für Maßnahmen, die unmittelbar und ausschließlich am Körper des [nicht bei ihr versicherten] Ehegatten ihres Versicherten ausgeführt werden [vgl BSGE 88, 51, 54 f = SozR 3-2500 § 27a Nr 2 S 14 und SozR 3-2500 § 27a Nr 3 S 26]. Es ist dann ggf Sache des Ehegatten, bei seiner eigenen Krankenkasse bzw privaten Versicherung oder Beihilfestelle die unmittelbar und ausschließlich seinen Körper betreffende Behandlung zur künstlichen Befruchtung geltend zu machen ") nicht nachvollziehen. Auch sein Verweis auf die Ausführungen von Schmeilzl/Krüger "Künstliche Befruchtung: Wer trägt die Kosten?" in NZS 2006, S. 630, 635 ist unverständlich, denn dort heißt es ausdrücklich: " Der Anspruch erstreckt sich dann auch auf extrakorporale Maßnahmen " und eben nicht auf Maßnahmen am Körper des nicht bei der Beklagten versicherten Ehegatten. Extrakorporale Maßnahmen stehen im vorliegenden Berufungsverfahren nicht mehr in Streit.

Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts kann auch aus dem Schreiben der Beklagten vom 21. August 2002 kein umfassender, auch diejenigen Maßnahmen betreffender Kostenerstattungsanspruch hergeleitet werden, die am Körper der nicht bei der Beklagten versicherten Ehefrau des Klägers durchgeführt wurden. Insoweit wird gemäß § 153 Abs. 2 SGG in entsprechender Anwendung zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die Gründe des Senatsbeschlusses vom 4. Dezember 2003 (a.a.O.) verwiesen. Relevante Einwände hiergegen hat der Kläger mit seinem Berufungsvorbringen nicht geltend gemacht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Der Senat hat hierbei die im Rahmen des Berufungsverfahrens von der Beklagten abgegebenen Teilanerkenntnisse, die Kosten für die extrakorporalen Maßnahmen der ersten beiden Versuche in Höhe von ca. 2581 EUR betreffend, berücksichtigt und es für billig erachtet, der Beklagten zwei Fünftel der außergerichtlichen Kosten des Klägers aufzuerlegen.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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