L 6 B 139/07 SF

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 27 SF 2171/06
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 B 139/07 SF
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Unter der Geltung des RVG muss das Sozialgericht in seiner Entscheidung über eine Erinnerung nach § 197 Abs. 2 SGG auch über die Kosten des Erinnerungsverfahrens entscheiden (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 30. November 2006 - Az.: L 6 B 221/06 SB). Erfolgt die Entscheidung in einem eigenen Beschluss, ist er nicht angreifbar.
Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 10. April 2007 wird als unzulässig verworfen.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe:

I.

In dem Verfahren Az.: S 27 RJ 2197/02 wandte sich der Beschwerdeführer mit seiner Klage am 10. Oktober 2002 gegen den Bescheid der Beschwerdegegnerin und Beklagten (Landesversicherungsanstalt Thüringen) vom 24. April 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. September 2002, mit dem diese den Bescheid über die gewährte Altersrente für langjährig Versicherte wegen Überschreitens der zulässigen Hinzuverdienstgrenze aufgehoben und die gezahlte Rente zurückgefordert hatte. Die Vollmacht seiner Prozessbevollmächtigten datiert vom 23. September 2002. Am 17. August 2005 erledigte sich das Verfahren durch Annahme eines Vergleichsangebots der Beschwerdegegnerin, die sich u.a. bereit erklärt hatte, vier Fünftel der außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeführers zu tragen.

Am 16. Dezember 2005 reichten dessen Prozessbevollmächtigte einen "Kostenausgleichsantrag" ein, mit dem sie die Festsetzung von Kosten in Höhe von insgesamt 1.137,99 Euro beantragten. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 22. Mai 2005 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die von der Beschwerdegegnerin zu erstattenden Gebühren auf 634,78 Euro fest. Auf die Erinnerung des Beschwerdeführers setzte das Sozialgericht mit Beschluss vom 27. November 2006 die zu erstattenden Gebühren auf 910,39 Euro fest.

Am 11. Januar 2007 hat der Beschwerdeführer beantragt, der Beschwerdegegnerin die Kosten des Erinnerungsverfahrens nach einem Streitwert von 275,61 Euro festzusetzen und vorgetragen, in Erinnerungsverfahren entstünden Betragsrahmengebühren nach Nr. 3501 des Vergütungsverzeichnisses (VV) zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). Mit Beschluss vom 10. April 2007 hat das Sozialgericht den ausdrücklich gestellten Antrag auf Streitwertfestsetzung sowie den Antrag, der Beschwerdegegnerin die Kosten des Erinnerungsverfahrens aufzuerlegen, abgelehnt. Voraussetzung der Streitwertfestsetzung sei, dass weder der Beschwerdeführer noch die Beschwerdegegnerin zu den in § 183 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) genannten Personen gehörten. Diese Voraussetzung liege hier nicht vor. Die Entscheidung über die Erinnerung ergehe nach § 128 Abs. 5 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGO) gebührenfrei. Das RVG sei nicht einschlägig, weil ein Rechtsmittel gegen ein am 1. Juli 2004 noch anhängiges gerichtliches Verfahren nicht eingelegt worden sei.

Dagegen hat der Beschwerdeführer Beschwerde gegen die Kostenentscheidung eingelegt und vorgetragen, gemäß § 61 Abs. 1 S. 2 RVG sei das RVG einschlägig. Unter Beachtung von § 14 RVG sei die Mittelgebühr von 87,50 Euro anzusetzen. Die Streitwertfestsetzung sei nicht Gegenstand der Beschwerde.

Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 10. April 2007 aufzuheben und der Beschwerdegegnerin die Kosten des Erinnerungsverfahrens aufzuerlegen.

Die Beschwerdegegnerin beantragt sinngemäß,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Für das Kostenfestsetzungs- und Erinnerungsverfahren nach der BRAGO habe ein Prozessbevollmächtigter keinen besonderen Gebührenanspruch.

Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 23. Juli 2007) und sie dem Thüringer Landessozialgericht vorgelegt.

II.

Die Beschwerde ist unzulässig und war daher zu verwerfen.

Im vorliegenden Fall eröffnet das Gesetz keine Beschwerdemöglichkeit.

Unter der Geltung der BRAGO werden mit den Pauschgebühren nach dem dann einschlägigen § 116 Abs. 1 BRAGO die gesamten Kosten für den Rechtszug abgegolten, einschließlich der Kosten für das gesamte Kostenfestsetzungsverfahren und einer weiteren etwaigen Erinnerung (vgl. SG Oldenburg, Beschluss vom 27. Dezember 1979 – Az.: S 4 Ar 13/75, nach juris; Hartmann, Kostengesetze, 32. Auflage 2003, § 116 BRAGO Rdnr. 3). Der Beschluss des Sozialgerichts vom 27. November 2006 war nach § 197 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nicht anfechtbar; eine weitere Beschwerdemöglichkeit existiert nicht, auch nicht über den Umweg eines zusätzlichen Antrags über die Gebühren des Erinnerungsverfahrens.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist das RVG nicht einschlägig. Nach § 61 Abs. 1 RVG ist die BRAGO weiter anzuwenden, wenn ein unbedingter Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit im Sinne des § 15 RVG vor dem 1. Juli 2004 erteilt oder der Rechtsanwalt vor diesem Zeitpunkt gerichtlich bestellt oder beigeordnet worden ist (Satz 1); ist er am 1. Juli 2004 in derselben Angelegenheit und, wenn ein gerichtliches Verfahren anhängig ist, in demselben Rechtszug bereits tätig, gilt für das Verfahren über ein Rechtsmittel, das nach diesem Zeitpunkt eingelegt worden ist, das RVG (Satz 2). Hier datiert die zugrunde liegende Vollmacht vom 23. September 2002, also unter der Geltung der BRAGO. Wie die Vorinstanz im Ergebnis zu Recht ausgeführt hat, ist die Erinnerung kein Rechtsmittel (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 36. Auflage 2006, § 60 RVG Rdnr. 29 und 33; Gummer/Hesser in Zöller, Zivilprozessordnung, 25. Auflage 2005, Vor § 511 Rdnr. 3). Bei diesem handelt es sich um einen Rechtsbehelf, durch den eine Entscheidung vor ihrer Rechtskraft zur Nachprüfung einer höheren Instanz gestellt wird (vgl. Gummer/Hesser in Zöller, a.a.O., Vor § 511 Rdnr. 4); zu ihrem Wesen gehören zwingend der sog. Devolutiveffekt (Anfallwirkung: Übergang auf die höhere Instanz) und der Suspensiveffekt (Hemmungswirkung: Der Eintritt der formellen Rechtskraft wird aufgeschoben). Beim Erinnerungsverfahren erfolgt dagegen eine Überprüfung in derselben Instanz; es fehlt somit an der Anfallwirkung.

Der Senat weist zur Vollständigkeit darauf hin, dass die Beschwerde auch bei Geltung des RVG unzulässig gewesen wäre. Dann wäre nach der internen Senatszuständigkeit der Senatsvorsitzende allein für die Entscheidung zuständig gewesen (§ 33 Abs. 8 S. 1 RVG). Unter der Geltung des RVG muss das Sozialgericht in seiner Entscheidung über die Erinnerung auch über die Kosten des Erinnerungsverfahrens entscheiden (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 30. November 2006 – Az.: L 6 B 221/06 SB; nach juris; Rohwer-Kahlmann, Aufbau und Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit, Loseblattsammlung, Stand: VIII/2004, § 197 Rdnr. 18); der gesamte Beschluss wäre dann allerdings nach § 197 Abs. 2 SGG nicht angreifbar gewesen (so zu Recht SG Berlin, Beschluss vom 10. September 2007 – Az.: S 48 SB 2223/05, nach juris). Es könnte dem Beschwerdeführer nicht zugute kommen, wenn das Sozialgericht auf seinen ausdrücklichen Antrag gesondert in einem eigenen Beschluss (abschlägig) entscheidet; dies begründet keine weitergehenden Rechte.

Angesichts der eindeutigen gesetzlichen Regelung ist es unerheblich, dass das Sozialgericht nach seiner Rechtsmittelbelehrung eine Beschwerdemöglichkeit bejaht hat. Rechtliche Konsequenzen für das Verfahren hat dies nicht.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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