L 19 AS 13/08

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 21 (13) AS 35/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 AS 13/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 66/08 R
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
Revisionen mit Urteil zurückgewiesen
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 11.02.2008 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten der Kläger werden nicht erstattet. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger begehren die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 01.01.bis zum 30.04.2005.

Die Klägerin zu 1) ist russische Staatsangehörige und mit dem russischen Staatsangehörigen S D (Leistungsbezieher) verheiratet. Das Ehepaar hat fünf Kinder, den am 00.00.1987 geborenen Sohn U, den am 00.00.1988 geborenen Sohn T, den am 00.00.1990 geborenen Sohn B, den am am 00.00.1993 geborenen Sohn M und den am 00.00.1999 geborenen Sohn N (Kläger zu 2).

Im September 2001 reiste der Leistungsbezieher mit seinen Söhnen T, B und M in die Bundesrepublik ein. Den Antrag des Leistungsbeziehers und seiner drei Söhne auf Anerkennung als Asylberechtigte lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge durch Bescheid vom 18.03.2002 ab. Hinsichtlich des Leistungsbeziehers wurde das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs.1 Ausländergesetzes (AuslG) bestandskräftig festgestellt. Die Söhne T, B und M wurden zur Ausreise aufgefordert. Durch Bescheide vom 24.06.2005 stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge fest, dass bei den Söhnen T, B und M die Voraussetzungen des § 60 Abs.1 Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) vorliegen und hob die Abschiebungsanordnung auf. Die Bestandskraft dieser Bescheide trat am 25.06.2005 ein.

Im Januar 2002 reiste die Klägerin mit ihren beiden Söhnen U und N (Kläger zu 2) in die Bundesrepublik ein. Den Antrag der Klägerin und ihrer beiden Söhne auf Anerkennung als Asylberechtigte lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge durch Bescheid vom 25.11.2002 ab. Es stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen und forderte die Klägerin mit ihren beiden Söhnen zur Ausreise auf. Durch Bescheid vom 10.08.2005 stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge fest, dass bei der Klägerin zu 1) und ihren beiden Söhnen U und N (Kläger zu 2) die Voraussetzungen des § 60 Abs.1 AufenthG vorliegen und hob die Abschiebungsanordnung auf. Die Bestandskraft des Bescheides trat am 24.08.2005 ein.

Am 11.05.2004 erteilte der Kreis I dem Leistungsbezieher eine Aufenthaltsbefugnis mit der Auflage, dass eine selbständige oder vergleichbare Erwerbstätigkeit nicht gestattet ist. Eine arbeitsgenehmigungspflichtige Erwerbstätigkeit war nur gemäß gültiger Arbeitsgenehmigung gestattet. Die Klägerin zu 1) war in der Zeit vom 01.01 bis zum 30.04.2005 im Besitz einer Aufenthaltsgestattung zur Durchführung des Asylverfahrens mit der Auflage, dass eine selbständige oder vergleichbare Erwerbstätigkeit nicht gestattet ist. Eine arbeitserlaubnispflichtige Erwerbstätigkeit war nur gemäß gültiger Arbeitserlaubnis gestattet. Die Söhne M, T, B und N besaßen eine Duldung mit der Auflage, dass keine Erwerbstätigkeit gestattet war. In der Zeit vom 01.01 bis zum 30.04.2005 besaß der Sohn U eine Aufenthaltsgestattung zur Durchführung des Asylverfahrens mit der Auflage, dass eine selbständige oder vergleichbare Erwerbstätigkeit nicht gestattet ist. Eine arbeitsgenehmigungspflichtige Erwerbstätigkeit war nur gemäß gültiger Arbeitsgenehmigung gestattet.

Bis zum 31.12.2004 bezog der Leistungsbezieher von der Beigeladenen Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Er wohnte mit seiner Familie in der Zeit vom 01.01. bis zum 30.04.2005 in der Gemeinschaftsunterkunft, L Straße 00, M. Die monatliche Benutzungsgebühr betrug 695,24 EUR. Die Söhne B, T, M und N besuchten im streitbefangenen Zeitraum die Schule.

In der Zeit vom 01.01 bis zum 28.02.2005 bezogen die Klägerin zu 1) und der Kläger zu 2) von der Beigeladenen Leistungen nach § 3 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) in Höhe von 530,97 EUR (199,70 EUR Grundleistung für Klägerin zu 1) + 132,93 EUR Grundleistung für den Kläger zu 2) + 198,64 EUR Unterkunftskostenanteil) monatlich. In der Zeit vom 01.03. bis zum 30.04.2005 erhielt die Klägerin zu 1) von der Beigeladenen Leistungen nach § 2 AsylbLG in Höhe von 375,32 EUR (276,00 EUR Hilfe zum Lebensunterhalt + 99,32 EUR Unterkunftskosten) monatlich sowie der Kläger zu 2) in Höhe von 306,32 EUR (207,00 EUR Hilfe zum Lebensunterhalt + 99,32 EUR Unterkunftskosten) monatlich. Die Beigeladene bewilligte dem Sohn U für die in der Zeit vom 01.01. bis zum 28.02.2005 Leistungen nach § 3 AsylbLG in Höhe von 298,72 EUR (199,40 EUR Grundleistung + 99,32 EUR Unterkunftskosten) monatlich sowie für die Zeit vom 01.03. bis zum 30.04.2005 Leistungen nach § 2 AsylbLG in Höhe von 375,32 EUR (231,00 EUR Hilfe zum Lebensunterhalt + 99,32 EUR Unterkunftskosten) monatlich. Das im Februar erzielte Einkommen von 70,00 EUR rechnete die Beigeladene auf den Leistungsanspruch des Sohnes U für den Monat März 2005 in Höhe von 43,80 EUR an. Die Söhne T und B bezogen von der Beigeladenen in der Zeit vom 01.01. bis zum 30.04.2005 Leistungen nach § 2 AsylbLG in Höhe von jeweils 375,32 EUR (276,00 EUR Hilfe zum Lebensunterhalt + + 99,32 EUR Unterkunftskosten) monatlich. Der Sohn M erhielt von der Beigeladenen in der in der Zeit vom 01.01. bis zum 30.04.2005 Leistungen nach § 2 AsylbLG in Höhe von 306,32 EUR (207,00 EUR Hilfe zum Lebensunterhalt + 99,32 EUR Unterkunftskosten) monatlich.

Die Familienkasse gewährte dem Ehepaar für Januar 2005 Kindergeld in Höhe von insgesamt 820,00 EUR für fünf Kinder und für Monate Februar bis April 2005 Kindergeld in Höhe von insgesamt 641,00 EUR für vier Kinder. Das Kindergeld wurde von der Familienkasse an die Beigeladene abgeführt.

Im November 2004 beantragte der Leistungsbezieher bei der Beklagten die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für sich und seine Familienangehörigen. Durch Bescheid vom 07.12.2004, adressiert an den Leistungsbezieher, bewilligte die Beklagte dem Leistungsbezieher und dem mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 394,01 EUR monatlich für die Zeit vom 01.01. bis zum 31.01.2005 sowie von 394,13 EUR monatlich für die Zeit vom 01.02. bis zum 30.04.2005.

Hiergegen legte der Leistungsbezieher Widerspruch ein. Er machte geltend, in dem Bescheid seien nur Leistungen an ihn bewilligt worden. Er beantrage die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II für die Klägerin zu 1) sowie seine minderjährigen Kinder. Nach ihrem Wortlaut fänden die den Anspruch ausschließenden Regelungen des § 7 Abs. 1 - 4 SGB II nur auf erwerbsfähige Hauptleistungsberechtigte Anwendung, nicht jedoch auf eine zur Bedarfsgemeinschaft gehörende Ehefrau und minderjährige Kinder. Diese hätten als Familienangehörige im Rahmen der Bedarfsgemeinschaft Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II, ggfls. auf Sozialgeld nach § 28 SGB II, auch wenn sie selbst nicht erwerbstätig seien und nach ihrem Aufenthaltsstatus unter das AsylbLG fielen. Unter dem 28.01.2005 meldete die Beigeladene Erstattungsansprüche hinsichtlich der Gewährung von Leistungen an die Klägerin zu 1) und die minderjährigen Kinder des Leistungsbeziehers an. Am 05.07.2005 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.

Nachdem der Kreis I der Klägerin zu 1) und ihren fünf Kindern Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Abs. 2 AufenthG erteilt hatte, beziehen die Söhne B und M seit dem 01.07.2005 Leistungen nach dem SGB II sowie die Klägerin zu 1) und ihre Söhne U, T und N (Kläger zu 2.) ab dem 01.09.2005 Leistungen nach dem SGB II.

Am 25.07.2005 haben der Leistungsbezieher, die Klägerin zu 1) sowie ihre fünf Kinder Klage mit dem Begehren erhoben, der Klägerin zu 1) sowie den fünf Söhnen Leistungen nach dem SGB II zu gewähren.

Sie haben die Auffassung vertreten, dass der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 SGB II nicht für Angehörige gelte, die nach § 7 Abs. 2 SGB II einen eigenen Leistungsanspruch gegenüber der Beklagten hätten. Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 SGB II hinsichtlich der Bezieher von Leistungen nach dem AsylbLG beziehe sich nur auf Leistungsberechtigte nach § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II. Die Bestimmung des § 7 Abs. 2 SGB II begründe einen eigenen Leistungsanspruch für Angehörige eines Leistungsberechtigten nach § 7 Abs. 1 SGB II, die zu der Bedarfsgemeinschaft gehörten, und schaffe damit die Möglichkeit, dass auch Familienangehörige Leistungen nach dem SGB II erhielten.

Die Beklagte hat vorgetragen, dass nach § 7 SGB II u.a. ein gewöhnlicher Aufenthalt Voraussetzung für die Leistungsberechtigung sei. Ausländer hätten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik und erhielten Leistungen nach dem SGB II, wenn die Voraussetzungen nach § 8 Abs. 2 SGB II vorlägen. Dies gelte nicht für Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG. Dementsprechend liege bei Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG generell ein gewöhnlicher Aufenthalt in der Bundesrepublik nicht vor und hätten Asylbewerber und ausreisepflichtige Personen generell keinen Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitsuchende, weil es sich bei dem AsylbLG um ein besonderes Sicherungsgesetz handele, das eigenständige und abschließende Regelungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sowie zur Annahme und Durchführung von Arbeitsgelegenheit für einen engen Personenkreis von Ausländern enthalte. Alle Personen, die nach § 1 Abs. 1 AsylbLG berechtigt seien, seien generell von dem Bezug von SGB II-Leistungen ausgeschlossen. Im Übrigen stelle § 7 SGB II nicht auf eine tatsächliche Gewährung von Leistungen nach dem AsylbLG ab.

Das Sozialgericht (SG) hat die Stadt M beigeladen.

Das SG Detmold hat durch Urteil vom 11.02.2008 die Klagen abgewiesen.

Es hat ausgeführt, dass die Familienangehörigen des Leistungsbeziehers nicht leistungsberechtigt im Sinne von § 7 SGB II seien. Das AsylbLG verdränge als lex specialis das SGB II. Aus dem Wortlaut des § 7 Abs. 1 SGB II ergebe sich eindeutig, dass nicht nur der erwerbsfähige Hilfebedürftige, sondern alle übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 1 SGB II von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sein sollten. Dies habe der Gesetzgeber in den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 5/1516 S. 52) klar zum Ausdruck gebracht, wonach Asylbewerber und ausreisepflichtige geduldete Personen als Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG keine Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende erhielten. Die Familienangehörigen des Leistungsbeziehers fielen unter den in der Gesetzesbegründung genannten Kriterien. Denn bei ihnen handele es sich um streitbefangenen Bewilligungszeitraum um Asylbewerber, weil ihre Asylverfahren damals noch nicht abgeschlossen gewesen seien und sie noch kein dauerndes Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik gehabt hätten. Der in § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II normierte Leistungsausschluss für Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG verstieße nicht gegen höherrangiges Verfassungsrecht. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 und 20 Abs. 1 Grundgesetz (GG) sei nicht erkennbar.

Gegen das am 29.02.2008 zugestellte Urteil haben die Klägerin zu 1) und der Kläger zu 2) am 10.03.2008 Berufung eingelegt.

Sie verfolgen ihr Begehren weiter. Sie halten ihre Auffassung aufrecht, das sich Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II nur auf den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen i.S.v. § 7 Abs. 1 SGB II, nicht aber auf Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 Nr. 3a und Nr. 4 SGB II beziehe. Der vom SG zitierten Gesetzesbegründung sei nicht zu entnehmen, dass der Leistungsausschuss aus Abs. 1 auch für Familienangehörige gelten solle, die zusammen mit einem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft lebten. Dabei sei zu berücksichtigen, dass bei der Neufassung des § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II nur in den neu eingefügten Nrn. 1 u. 2 in den jeweiligen Leistungsausschluss ausdrücklich die Familienangehörigen mit einbezogen seien. Dies sei erforderlich gewesen, da andernfalls der an dieser Stelle normierte Leistungsausschluss nicht auf die Familien-angehörigen erstreckt hätte. Für den Personenkreis der Leistungsberechtigten nach § 1 AsylbLG fehle es aber an einer solchen Erweiterung auf Familienangehörige, obwohl die Vorschrift inzwischen mehrmals geändert worden sei. Somit ergebe sich, wie beispielsweise auch für die ebenfalls nach § 7 Abs. 1 SGB II ausgeschlossenen erwerbsunfähigen Ehegatten oder Kinder, ein Anspruch aus § 7 Abs. 2 SGB II. Dies entspreche auch der Gesetzessystematik. Im Gegensatz dazu bestehe z. B. für Auszubildende tatsächlich ein weitergehender Leistungsausschluss, da dieser systematisch folgerichtig in Abs. 5 geregelt worden sei. Wenn ein Leistungsausschluss für die Familienangehörigen, die grundsätzlich zum Personenkreis des § 1 Abs. 1a AsylbLG gehörten, beabsichtigt gewesen wäre, hätte der Gesetzgeber dies unmissverständlich in einem der Anspruchsnorm des § 7 Abs. 2 SGB II folgenden Absätzen regeln können. Davon habe er jedoch abgesehen und dies auch nicht anlässlich der inzwischen erfolgten Änderung des SGB II nachgeholt. Gegen die Auffassung, das AsylbLG verdränge als lex specialis das SGB II, spreche auch, dass nach § 9 Abs. 2 AsylbLG andere Sozialleistungen, zu denen auch das SGB II gehöre, gegenüber dem Leistungsanspruch nach dem AsylbLG vorrangig seien. Vor diesem Hintergrund sei auch der in § 9 Abs. 1 AsylbLG explizit geregelte Ausschluss von Leistungen nach dem SGB XII zu beachten, der mit § 23 Abs. 2 SGB XII korrespondiere und nicht erforderlich wäre, wenn die Auffassung des SG zuträfe. Andererseits fehle es an einem entspechenden Ausschluss von Leistungen nach dem SGB II im AsylbLG. Sie hätten nach § 7 Abs. 2 SGB II einen Leistungsanspruch auf Sozialgeld nach § 28 SGB II. Dieser bestehe unabhängig von der in § 7 Abs. 1 SGB II definierten Eigenschaft als erwerbsfähiger Hilfebedürftiger, da es der Wille des Gesetzgebers gewesen sei, die Leistungen für die Bedarfsgemeinschaft aus einer Hand zu gewähren.

Die Klägerin zu 1. beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 11.02.2008 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheids vom 07.12.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.07.2005 zu verurteilen, ihr Regelleistungen nach § 20 SGB II für die Zeit vom 01.01. bis zum 30.04.2005 nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu gewähren.

Der Kläger zu 2. beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 11.02.2008 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 07.12.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 04.07.2005 zu verurteilen, ihm Sozialgeld nach § 28 SGB II nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten der Beklagten und der Beigeladenen sowie der beigezogenen Ausländerakten des Kreises I über den Leistungsbezieher und dessen Familienangehörige Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der Beratung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte ohne mündlichen Verhandlung nach §§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden, da sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben.

Streitgegenstand des Berufungsverfahren ist der Bescheid vom 07.12.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.07.2005, insofern in diesem Bescheid der Anspruch der Klägerin zu 1) auf Gewährung von Regelleistung nach § 20 SGB II sowie des Klägers zu 2) auf Gewährung von Sozialgeld nach § 28 SGB II abgelehnt wird. Der Leistungsbezieher hat seine Berufung im Erörterungstermin vom 26.05.2008 zurückgenommen. Die Verfahren der Kinder U, T und M sind durch Vergleich beendet wurden. Die Klägerin zu 1) und der Kläger zu 2) haben ihr Begehren im Erörterungstermin vom 26.05.2008 auf die Gewährung von Regelleistung nach § 20 SGB II bzw. § 28 SGB II begrenzt. Den Anspruch auf Übernahme von Kosten für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II verfolgen sie im Verfahren nicht weiter.

Die Leistungsbescheide für die nachfolgenden Bewilligungszeiträume sind nicht nach § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Verfahrens geworden (siehe BSG, Urteil vom 27.02.2008, B 14/7b AS 64/06 R m.w.N.).

Die zulässigen Berufungen sind unbegründet.

Das SG hat die Klagen zu Recht abgewiesen.

Die Kläger sind nicht beschwert im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig. Die Beklagte ist nicht verpflichtet den Klägern Regelleistungen nach § 20 SGB II bzw. § 28 SGB II für die Zeit vom 01.01. bis zum 30.04.2005 zu gewähren. Denn die Kläger sind nach § 7 Abs. 1 S. 2. Hs. 2 SGB II i.d.F. ab dem 01.01.2005 nicht leistungsberechtigt.

Ein Anspruch der Klägerin zu 1) auf Regelleistung nach §§ 20, 19 S. 1 Nr. 1 SGB II ist nicht gegeben.

Nach § 19 S. 1 Nr. 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige u.a. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Regeleistung i.S.v. § 20 SGB II). Dahinstehen kann, ob es sich bei der Klägerin zu 1) um eine erwerbsfähige Hilfebedürftige i.S.v. § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II, insbesondere in Hinblick auf ihre Erwerbsfähigkeit nach §§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 , 8 Abs. 2 SGB II, handelt. Denn nach § 7 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 SGB II ist ein Anspruch der Klägerin zu 1) ausgeschlossen. Nach § 7 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 SGB II erhalten Ausländer Leistungen nach dem SGB II, wenn die Voraussetzungen nach § 8 Abs. 2 SG&61472;II vorliegen. Dies gilt nicht für Leistungsberechtigte nach § 1 AsylbLG (§ 7 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 SGB II). Im streitbefangenen Zeitraum ist die Klägerin zu 1) eine Leistungsberechtigte i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 AsylbLG gewesen. Danach sind Ausländer nach dem AsylbLG leistungsberechtigt, die sich tatsächlich im Bundesgebiet aufhalten und die eine Aufenthaltsgestattung nach dem Asylverfahrensgesetz besitzen. Im streitbefangenen Zeitraum hat die Klägerin zu 1) eine Aufenthaltsgestattung zur Durchführung des Asylverfahrens besessen. Sie hat auch tatsächlich Leistungen nach dem AsylbLG im streitbefangenen Zeitraum, zunächst Leistungen nach § 3 AsylbLG und nach Ablauf der ab dem 01.03.2002 berechneten Frist von 36 Monaten Leistungen ab März 2005 nach § 2 AsylbLG, bezogen. Der Bezug von Leistungen nach § 2 AsylbLG lässt den Ausschluss der Anspruchsberechtigung nach § 7 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 SGB II nicht entfallen (siehe Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2 Aufl., § 7 Rdz. 20; Brühl/Schoch, LPK-SGB II, 2 Aufl., § 7 Rdz. 23; Adolph in Linhart/Adolph, SGB II, SGB XII, AsylbLG, Stand Oktober 2007, § 7 SGB II Rdz. 46). Bei dem AsylbLG handelt es sich um ein besonderes Sicherungssystem, das aus dem Asylkompromiss entstanden ist und eigenständige und abschließende Regelungen über Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (§§ 3,4,6 AsylbLG) und Arbeitgelegenheiten (§ 5 AsylbLG) enthält (BT-Drucks. 15/1516 S. 52). Nach § 2 AsylbLG ist zwar das Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) abweichend von den Bestimmungen der§§ 3 bis 7 AsylbLG anzuwenden, wenn ein Ausländer über die Dauer von 36 Monaten Leistungen nach dem AsylbLG erhalten haben. Durch den Bezug von Leistungen nach § 2 AsylbLG wird ein Ausländer aber nicht zum Leistungsempfänger nach dem SGB XII mit der Konsequenz, dass im Falle seiner Erwerbsfähigkeit über § 21 SGB XII bzw. § 5 Abs. 2 SGB II ein Zugang zum SGB II eröffnet wird. Auch bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 2 AsylbLG verliert ein Ausländer nicht die formale Stellung eines Leistungsberechtigten i.S.v. § 1 AsylbLG (siehe Adolph in Linhart/Adolph, SGB II, SGB XII, AsylbLG, Stand Oktober 2007, § 1 AsylbLG Rdz. 18).

Aus § 7 Abs. 7 S. 1 SGB II i.V.m. § 28 Abs. 1SGB II läßt sich ebenfalls keine Leistungsberechtigung herleiten. § 2 Abs. 2 S. 1 SGB II sieht vor, dass Personen, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft leben, Leistungen nach dem SGB II erhalten und begründet damit für erwerbsunfähige Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft einen Leistungsanspruch (siehe Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2 Aufl., § 7 Rdz. 26). Erwerbsfähige Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft haben in der Regel einen Leistungsanspruch aus § 7 Abs. 1 SGB II. Die Klägerin bildet als nicht dauernd getrennt lebender Ehegatte mit dem Leistungsbezieher, der als erwerbsfähiger Hilfebedürftiger i.S.v. § 7 Abs. 1 SGB II im streitbefangenen Zeitraum Leistungen von der Beklagten bezogen hat, nach § 7 Abs. 3 Nr. 3a SGB II eine Bedarfsgemeinschaft. Dahinstehen kann, ob die Klägerin zu 1) nicht erwerbsfähig i.S.v. § 8 SGB II im streitbefangenen Zeitraum gewesen ist. Denn der in § 7 Abs. 1 S. 2. Hs. 2 SGB II vorgeschehene Ausschluss der Leitungsberechtigung beschränkt sich - wie das SG zutreffend ausgeführt hat - nicht nur auf die Leistungsberechtigten i.S.v. § 7 Abs. 1 SGB II, sondern erfasst auch die Leistungsberechtigten nach § 7 Abs. 2 SGB II, also auch nicht erwerbsfähige Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft (siehe Peters in Estelmann, SGB II, Stand Oktober 2006, § 7 Rdz. 21; Knickrehm in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2 Aufl., § 28 Rdz. 16; Brühl/Schoch, LPK-SGB II, 2 Aufl., § 7 Rdz. 22 ). Nach der Konzeption des SGB II beziehen sich die in § 7 Abs. 1 S. 2 Hs. 2, Abs. 4 und Abs. 5 SGB II geregelten Leistungsausschlüsse sowohl auf Leistungsberechtigte nach Abs. 1 wie nach Abs. 2. Eine Beschränkung des Leistungsausschlusses auf erwerbsfähige Leistungsberechtigte i.S.v. § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II lässt sich weder aus dem Wortlaut der Bestimmung noch aus dem gesetzgeberischen Willen entnehmen. Aus dem in § 7 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 SGB II verwandten Begriff "Leistungsberechtigte nach § 1 AsylbLG" kann nicht geschlossen werde, dass sich der Leistungsausschluss nur auf erwerbsfähige Leistungsberechtigte nach § 1 AsylbLG bezieht und dessen Familienangehörigen nicht mitumfasst. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 AsylbLG sind nicht nur Ausländer, die die Voraussetzungen von § 1 Abs. 1 Nrn. 1 - 5 AsylbLG erfüllen, sondern auch deren Familienangehörige - Ehegatten, Lebenspartner und minderjährige Kinder -, die die Voraussetzungen der Nrn. 1- 5 nicht erfüllen, nach dem AsylbLG leistungsberechtigt. Damit umfasst der Begriff des "Leistungsberechtigten nach § 1 AsylbLG" auch die Familienangehörigen eines Leistungsberechtigten nach § 1 Abs. 1 Nrn. 1 - 5 AsylbLG und ist die Erwähnung von Familienangehörigen zur Bestimmung der Reichweite des Leistungsausschlusses nicht erforderlich, wobei vorliegend zu beachten ist, dass es sich bei der Klägerin zu 1) nicht um eine Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 AsylbLG, sondern nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 AsylbLG handelt. Auch aus der Tatsache, dass in der Vorschrift des § 9 Abs. 1 AsylbLG der in § 7 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 SGB II statuierte Ausschluss von Leistungen nach dem SGB II für Leistungsberechtigte nach AsylbLG nicht aufgeführt wird, kann nicht gefolgert werden, dass der Gesetzgeber den Bezug von Leistungen nach dem SGB II durch Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG, die Familienangehörige eines erwerbsfähigen Hilfebedürftigen i.S.v. § 7 Abs. 1 SGB II sind, zulassen wollte. Denn nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers schließt die Regelung des § 7 Abs. 1 S. 2. Hs. 2 SGB II generell Leistungsberechtigte nach § 1 AsylbLG aus dem Anwendungsbereich des SGB II aus (BT- Drucks. 15/4491 S.14). Die Bildung von sog. "gemischten Bedarfsgemeinschaften", d. h. von Bedarfsgemeinschaften, deren Mitglieder von unterschiedlichen Leistungsträger Sozialleistungen, die sich gegenseitig ausschließen, beziehen , wie z. B. der Bezug von Leistungen nach dem SGB II durch einen Ehegatten und der Bezug von Leistungen nach dem SGB XII durch den anderen Ehegatte (siehe zum Begriff der gemischten Bedarfsgemeinschaft BSG, Urteil vom 16.10.2007, B 8/9b SO 2/06 R), ist nach der gesetzlichen Konzeption auch vorgesehen.

Der Kläger zu 2) ist ebenfalls nicht leistungsberechtigt nach § 7 SGB II. Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II sind nicht gegeben, da er im streitbefangenen Zeitraum das 15. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte. Als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 Nr. 2 SGB II hat der Kläger zu 2) keinen Anspruch auf Sozialgeld nach § 28 Abs. 1, 7 Abs. 2 SGB II. Denn der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 SGB II greift zu seinen Ungunsten ein. Der Kläger zu 2) ist im streitbefangenen Zeitraum ein Leistungsberechtigter nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG gewesen, da er ein Duldung nach § 60a AufenthG besessen hat.

Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 2. Hs. 2 SGB II ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung und sieht von einer weiteren Darstellung der Gründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wird nach § 160 Abs. 2 SGG zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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