L 5 KR 28/07

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 6 R 4248/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 28/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 29.11.2006 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anfrageverfahren zum Status des Klägers während seiner Tätigkeit für die Beigeladene.

Der 1952 geborene Kläger ist Anästhesist und übt diesen Beruf aus als niedergelassener Arzt mit eigener Praxis in H ... Zudem arbeitete er im Jahr 2002 in einer der Kliniken der Beigeladenen, dem Krankenhaus W. , als Urlaubs- und Verhinderungs-Vertretung der dort beschäftigten Anästhesistin. In dieser Tätigkeit wurde er gemäß Vertrag mit der Beigeladenen vom 11.01.2002 nicht als Arbeitnehmer, sondern als Selbständiger behandelt. Um diesen Status klären zu lassen, stellte der Kläger am 12.08.2001 bei der Beklagten einen entsprechenden Antrag. Mit Bescheid vom 10.06.2002/Widerspruchsbescheid vom 06.07.2004, beide sowohl dem Kläger als auch der Beigeladenen gegenüber erlassen, entschied die Beklagte auf eine abhängige Beschäftigung. Zum 01.01.2003 änderten die Beigeladene und der Kläger die Vertragsbeziehungen dahingehend, dass der Kläger zusammen mit einem Kollegen in Form einer BGB-Gesellschaft Vertragspartner der Beigeladenen wurde und er die Anästhesie-Leistungen nicht mehr höchstpersönlich schuldete.

Gegen die Statusentscheidung der Beklagten haben sowohl der Kläger als auch die Beigeladene Klage erhoben. Der Kläger hat sich an das für ihn örtlich zuständige Sozialgericht Bayreuth mit der dort am 02.08.2004 eingegangen Klage (Az: S 6 R 4248/04) gewandt, die Beigeladene an das für sie örtlich zuständige Sozialgericht Regensburg mit der dort am 28.07.2004 eingegangen Klage (Az: S 10 KR 258/04). Das Sozialgericht Regensburg hat den Kläger des vorliegenden Verfahrens nicht beigeladen. Es hat auf Antrag der dortigen Beteiligten Ruhen des Verfahrens angeordnet (Beschluss vom 30.09.2004) und gemäß Aktenordnung nach 6-monatigem Ruhen als erledigt ausgetragen (Abschlussverfügung vom 13.04.2005).

Mit Urteil vom 29.11.2006 hat das Sozialgericht Bayreuth die Entscheidung der Beklagten aufgehoben und ein abhängiges, versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis des Klägers festgestellt.

Dagegen hat die Beklagte Berufung eingelegt und beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 29.11.2006 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 10.06.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2004 abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Beigezogen waren die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Akten des Sozialgerichts Regensburg (Az: S 10 258/04). Darauf sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, §§ 141, 153 Sozialgerichtsgesetz - SGG) und auch begründet. Das Sozialgericht war nicht berechtigt, die angefochtenen Entscheidungen aufzuheben, weil die Klage wegen anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässig war.

Im Einverständnis aller Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung, § 124 Abs. 2 SGG.

Streitgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 10.06.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.07.2004. Dieser ist zugleich Gegenstand des Rechtsstreits vor dem Sozialgericht Regensburg (Az: S 10 258/04). Es handelt sich insoweit nicht um zwei verschiedene Entscheidungen der Beklagten, sondern um eine einzige, die gegenüber dem Kläger und der Beigeladenen er-gangen ist. Diese Entscheidung, die die Beklagte gem. § 7a SGB IV zu treffen hat, besagt, dass der Kläger in seiner Tätigkeit als Vertreter der festangestellten Anästhesistin des Klinikums W. Beschäftigter der Beigeladenen gem. § 7 Abs. 1 SGB IV ist - jedenfalls in der Zeit bis 31.12.2002, als der Kläger höchstpersönlich zur Leistungserbringung verpflichtet war.

Gegen diese Entscheidung hat die Beigeladene Klage zum Sozialgericht Regensburg (Az: S 10 258/04) erhoben, die dort am 28.07.2004 eingegangen ist. Seither besteht dort Rechtshängigkeit der Sache. Die erst am 02.08.2004 beim Sozialgericht Bayreuth eingegangene Klage (Az: S 6 R 4248/04) ist deshalb wegen anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässig, §§ 94, 202 SGG i.V.m. § 17 Abs. 1 GVG (vgl. Pietrek in: jurisPK SGB IV, Stand der Aktualisierung vom 09.06.2006, § 7a SGB IV RNr. 144 unter Hinweis auf Meyer-Ladewig/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 8. Auflage, § 94 RNr. 7c).

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist es nicht von entscheidender Bedeutung, dass das Sozialgericht Regensburg den Kläger (noch) nicht beigeladen hat. Zwar bestimmt § 17 Abs. 1 S. 2 GVG, dass während der Rechtshängigkeit die Sache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden kann und der Kläger ist mangels Beiladung nicht Partei des Rechtsstreits vor dem Sozialgericht Regensburg. Jedoch enthält § 17 Abs. 1 GVG in beiden Sätzen eine Gesamtregelung, wie sich die Rechtshängigkeit einer Sache auswirkt. Einander widersprechende gerichtliche Entscheidungen sollen vermieden und ein Beteiligter nicht zur Mehrfachverteidigung gezwungen werden (Meyer-Ladewig/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 8. Auflage, § 94 RNr. 7 mwN). Dieser Gesetzeszweck ist nur zu erreichen, wenn auch in den Fällen wie dem vorliegenden, in welchem zwei Bescheidsadressaten von ihrem Klagerecht Gebrauch machen und zwar unabhängig davon, ob das angerufene Sozialgericht die Beiladung des jeweils anderen Bescheidsadressaten ausgesprochen hat oder nicht. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich wie hier um eine notwendige Beiladung gem. § 75 Abs. 2 SGG handelt.

Andernfalls könnte die Regelung zur örtlichen Zuständigkeit gem. § 57 SGG, die auch eine Bestimmung des gesetzlichen Richters iSd Art. 101 Abs. 1 S. 2 Grundgesetz enthält, durch eine dem SGG fremde gewillkürte Zuständigkeit ersetzt werden. Zudem kämen die Grundsätze der Rechtshängigkeit nicht ausreichend zur Geltung, wenn sie davon abhängig wären, ob ein Sozialgericht der Pflicht zur notwendigen Beiladung nach § 75 Abs. 2 SGG nachgekommen ist oder (noch) nicht. Es macht vorliegend deshalb auch keinen relevanten Unterschied, dass das Verfahren vor dem Sozialgericht Regensburg zum Ruhen gebracht und nach sechs Monaten Ruhen ausgetragen wurde. Denn es muss auf jederzeit möglichen Antrag eines Beteiligten vom Gericht wieder aufgenommen werden.

Im Ergebnis war also das Sozialgericht Bayreuth nicht berechtigt, über die Klage gegen den Bescheid vom 10.06.2002/Widerspruchsbescheid vom 06.07.2004 inhaltlich zu entscheiden und diesen aufzuheben. Auf die Berufung der Beklagten wird deshalb das Urteil vom 29.11.2006 aufgehoben und die Klage wegen anderweitiger Rechtshängigkeit als unzulässig abgewiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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