L 5 KR 73/07

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 14 KR 315/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 73/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 15. Januar 2007 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über das Bestehen der Versicherungspflicht der Klägerin in der Zeit ab 1. Januar 1997.

Die 1969 geborene Klägerin stellte mit Schreiben vom 7. März 2006 bei der DAK C. den Antrag auf Überprüfung ihrer Sozialversicherungspflicht. Sie habe 1987 ihre Lehre als Einzelhandelskauffrau beendet und seither mit voller Verantwortung im Familienbetrieb ihrer Eltern gearbeitet. In den Geschäftsablauf sei sie ihren Eltern gegenüber ebenbürtig eingebunden und unterliege keinem Weisungsrecht. 1997 sei das Warenangebot erheblich erweitert worden, sodass ein weiteres Geschäft habe er- öffnet werden müssen. Dieses Geschäft habe sie seit Beginn selbst geleitet und dabei den Einkauf und Verkauf getätigt, an Messen teilgenommen sowie das Personal selbst ein- und ausgestellt. Sie sei deshalb nicht als Angestellte tätig, zumal sie das Geschäft eines Tages übernehmen werde. Deshalb leiste sie auch eine wesentlich höhere wöchentliche Arbeitszeit und habe auf höheren Lohn verzichtet, da das Gesamtbetriebsergebnis beachtet werden müsse. Ihre Arbeitszeit gestalte sie nach Belieben. Sie gab an, an sechs bis sieben Tagen wöchentlich circa 80 Stunden zu arbeiten. Die Tätigkeit werde nicht aufgrund einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung ausgeübt, an Weisungen sei sie nicht gebunden und könne die Tätigkeit frei bestimmen. Aufgrund besonderer Fachkenntnisse wirke sie an der Führung des Betriebes mit, die Mitarbeit sei durch Gleichberechtigung zum Betriebsinhaber geprägt. Ein Urlaubsanspruch oder eine Kündigungsfrist sei nicht vereinbart (gesetzlich), bei Arbeitsunfähigkeit werde für sechs Wochen das Arbeitsentgelt fortgezahlt. Das Gehalt bestimme sie selbst anhand des Betriebsergebnisses, deshalb falle es niedriger aus. Es werde auf ein privates Bankkonto überwiesen. Vom Arbeitsentgelt werde Lohnsteuer entrichtet und das Arbeitsentgelt als Betriebsausgabe verbucht. Der Betrieb werde als Einzelunternehmen geführt, sie selbst sei nicht am Betrieb beteiligt und habe auch keine Darlehen und Bürgschaften oder Sicherheiten übernommen. Diese Angaben wurden von der Klägerin selbst und im Namen der Firma S. von ihrem Vater bestätigt. Zeugnisse über die Berufsausbildung und Weiterbildungskurse wurden vorgelegt.

Die Beklagte leitete den Vorgang an die damalige Deutsche Rentenversicherung Niederbayern-Oberpfalz zur Abstimmung der versicherungsrechtlichen Beurteilung weiter. Nach deren Auffassung steht die Klägerin in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zum Arbeitgeber. Für eine abweichende Beurteilung bestehe kein Raum.

Mit Bescheid vom 22. Mai 2006 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die überwiegenden Merkmale die für die Annahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung sprechen. Maßgebend sei das Gesamtbild des Beschäftigungsverhältnisses. Gegen die versicherungspflichtige Beschäftigung sprächen zwar das Fehlen von arbeitsvertraglichen Vereinbarungen und eine fehlende beziehungsweise eine geminderte Weisungsgebundenheit gegenüber dem Arbeitgeber aufgrund familienhafter Rücksichtnahme. Ausschlaggebend sei aber, dass die Indizien für die Annahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung überwiegen. Dabei handle es sich um den Anspruch auf Entgeltfortzahlung für mindestens sechs Wochen, die regelmäßige Zahlung des Arbeitsentgelts, das als Betriebsausgabe verbucht werde, sowie der Bezug sonstiger Vergütungen wie Urlaubs- oder Weihnachtsgeld. Für die abhängige Beschäftigung sprächen auch die Überweisung der Bezüge auf ein privates Girokonto sowie die Abführung von Lohnsteuer und die fehlende Beteiligung am Betrieb. Außerdem müsste ohne die Mitarbeit der Klägerin eine andere Arbeitskraft eingestellt werden.

Dagegen richtete sich der Widerspruch. Das Gesamtbild der Arbeitsleistung der Klägerin spreche gegen die Annahme eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses. Dabei sei es nicht zwingendes Merkmal, dass eine Inhaberschaft oder eine Unternehmensbeteiligung bestehe. Zu fordern sei für die Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses eine persönliche Abhängigkeit, die sich durch Eingliederung in den Betrieb und eine Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers in Bezug auf Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung definiere. Die Entrichtung von Lohnsteuer oder die Verbuchung des Arbeitsentgelts als Betriebsausgabe stelle ein bloßes Indiz dar, das in Hinblick auf die selbstbestimmte Tätigkeit der Klägerin, die über die eigene Arbeitskraft, den Arbeitsort und die Arbeitszeit frei verfügen könne, in den Hintergrund trete.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13. September 2006 zurück und stellte zur Begründung darauf ab, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in den Fällen, in denen auch nur eine geringe Weisungsgebundenheit bestehe und kein Unternehmerrisiko vorhanden sei, ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliege. Dies gelte selbst dann, wenn ein Weisungsrecht tatsächlich nicht ausgeübt werde. Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis setze im Übrigen auch Entgeltlichkeit voraus, wobei das Entgelt einen angemessenen Gegenwert für die geleistete Arbeit darstellen müsse und mithin über einen freien Unterhalt, Taschengeld oder eine Anerkennung für Gefälligkeiten hinausgehen müsse. Weitere Abgrenzungskriterien seien, ob das gezahlte Arbeitsentgelt der Lohnsteuerpflicht unterliege, als Betriebsausgabe verbucht werde und dem Angehörigen zur freien Verfügung ausgezahlt werde. Da die Klägerin nicht Mitinhaberin der Buchhandlung sei, liege weder eine Mitunternehmerschaft vor, noch werde ein Unternehmerrisiko von ihr getragen. Im Übrigen deute der Vortrag, dass das Unternehmen zukünftig von der Klägerin übernommen werden solle, darauf hin, dass der Firmeninhaber bislang die Geschäfte gerade nicht aus der Hand geben wollte. Die Klägerin sei daher abhängig beschäftigt und damit sozialversicherungspflichtig.

Dagegen richtete sich die zum Sozialgericht Regensburg erhobene Klage, zu deren Begründung auf das Vorbringen im Widerspruchsverfahren Bezug genommen wurde. Darüber hinaus könne aus dem Umstand, dass die Klägerin bisher zur Sozialversicherung gemeldet wurde nicht auf den Status geschlossen werden, denn hier habe - nicht zuletzt bedingt durch die fehlende Aufklärung durch die Beklagte - eine Unkenntnis der Beteiligten vorgelegen, die nicht erkannt haben, dass keine abhängige Beschäftigung bestehe.

Die IHK R. teilte auf Anfrage des Sozialgerichts mit, dass der Unternehmer E. S. Mitglied der Industrie- und Handelskammer sei. Das Unternehmen sei am 1. April 1969 angemeldet worden, es handle sich um einen Kleingewerbetreibenden im Einzelhandel mit Büchern, Zeitschriften, Zeitungen und Schreibwaren. Das Finanzamt C. teilte auf Anfrage mit, dass die Klägerin Arbeitnehmerin in der Buchhandlung S. sei und für sie eine Steuererklärung mit der Anlage N vorliege.

Unter Hinweis auf ein Urteil des BSG (21. April 1993 - Az. 11 RAr 67/92) vertrat der Klägerbevollmächtigte die Auffassung, dass die steuerlichen Grundsätze in Hinblick auf die unterschiedlichen Schutzzwecke nicht auf das Sozialversicherungsrecht zu übertragen seien. Die Beurteilung der Frage, ob ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliege, richte sich einzig nach dem Sozialversicherungsrecht. In seiner Entscheidung zum Alleingesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH habe das BSG abschließend klargestellt, dass die steuerliche Behandlung für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung völlig außer Acht zu bleiben habe.

Mit Gerichtsbescheid vom 15. Januar 2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Anhaltspunkte für eine nicht selbstständige Tätigkeit seien vor allem das Weisungsrecht des Arbeitgebers und eine Eingliederung in dessen Arbeitsorganisation und somit die Abhängigkeit vom Arbeitgeber. Diese Beurteilung erfolge nach den tatsächlichen Verhältnissen. Somit sprächen für eine selbstständige Tätigkeit die freie Gestaltung der Tätigkeit und ein bestehendes Unternehmerrisiko zum Beispiel durch Einsatz eigener finanzieller Mittel bei ungewisser Erfolgsaussicht. Da Merkmale sowohl für als auch gegen ein Beschäftigungsverhältnis vorlägen, sei aufgrund des Gesamtbildes zu entscheiden. Vertragliche Gestaltungen könnten dabei nur indizielle Wirkung entfalten. Entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten bestehe eine weitgehende Übereinstimmung zwischen den Regelungen des Sozialrechts und des Steuerrechts. Im hier vorliegenden Fall deute die Tatsache der Versteuerung der Einkünfte der Klägerin als abhängig Beschäftigte daraufhin, dass man bewusst bisher die Arbeitnehmereigenschaft der Klägerin und keine Arbeitgebereigenschaft gewählt habe. Gerade zum Stichtag 1. Januar 1997 wäre Gelegenheit gewesen, die bereits seit 1985 bestehende abhängige Beschäftigung der Klägerin zu ändern, als sie die von ihr so bezeichnete Geschäftsführertätigkeit aufnahm. Da der Vater die Klägerin aber gerade nicht als Mitinhaberin des Unternehmens geführt habe, wie der Auszug aus dem Register der IHK zeige, sollte sie bewusst kein Unternehmerrisiko übernehmen, sondern nur leitende Angestellte sein. Indiz dafür sei auch, dass ihr monatliches Gehalt auf ein privates Konto überwiesen werde. An dieser Einschätzung ändere auch nichts, dass die Klägerin keinen Urlaub nehme und familiäre Rücksichten genommen würden.

Dagegen richtet sich die Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht.

Im Erörterungstermin wurde am 20. August 2007 der Betriebsinhaber als Zeuge einvernommen. Dieser führte aus, dass seine Tochter und er zwei Geschäfte betreiben, die räumlich durch zwei Häuser voneinander getrennt seien. Das Schreibwarengeschäft, das auf seinen Namen im Grundbuch eingetragen sei, habe acht Mitarbeiter und werde von ihm geleitet. Die 1998 in gemieteten Räumen untergebrachte Filiale habe vier Mitarbeiter und werde von der Tochter geleitet. Entlassungen und Neueinstellungen würden von ihm entschieden, soweit sie das Schreibwarengeschäft betreffen, im Übrigen von seiner Tochter. Der Gewinn aus beiden Geschäften fließe in ein neues Geschäftshaus, das gerade im Bau sei und auf seinen Namen im Grundbuch eingetragen sei. Auf Anregung des Steuerberaters sei die Tochter weiterhin als Arbeitnehmerin gemeldet, dafür seien steuerliche Gründe ausschlaggebend. Sie beziehe ein fixes monatliches Gehalt von 2500 Euro. Sie beziehe auch vermögenswirksame Leistungen seit 22 Jahren. Die Klägerin gab an, dass die von ihr eingestellten Mitarbeiter Arbeitsverträge erhalten, die vom Vater unterschrieben seien.

Schriftsätzlich ließ die Klägerin vortragen, die Auffassung des Senats sei ebenso wie die erstinstanzliche Entscheidung von einem unerträglichen Maß an einer offenbar ergebnisorientierten Begründung geprägt. Das Sozialgericht habe von einer gefestigten Rechtsprechung gesprochen, obwohl es sich nur um seine eigene Auffassung handle. Die Beklagte habe lediglich die Eigentumsverhältnisse am Betrieb überprüft. Im Übrigen sei allein auf die steuerrechtliche Handhabung für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung abgestellt worden. Es dürfe im Übrigen auch nicht übersehen werden, dass die Einzugsstellen vom Gesetzgeber den Auftrag erhalten hätten, eigenständig den Sozialversicherungsstatus der Beitragszahler zu überprüfen. Diesem Prüfungsauftrag nach § 28 h Abs. 2 S. 1 SGB IV sei die Beklagte seit der Beschäftigung der Klägerin nicht nachgekommen. Sie habe sich lediglich auf die Entgegennahme der Meldungen und der Beiträge durch schlichtes Verwaltungshandeln beschränkt. Die Beteiligten seien zwingend auf eine objektive Beurteilung durch die Prüfstellen angewiesen. Sofern wie hier im Zuge der Tätigkeit eines Familienangehörigen diese Prüfung gerade nicht stattfinde und über Jahre grundlos Sozialversicherungsbeiträge abgeführt würden, müssten in einem späteren Feststellungsverfahren die Beiträge zurückgefordert werden können. Die steuerliche Behandlung des Arbeitsentgelts stelle bei objektiv-rechtlicher Betrachtung keine brauchbare Indizwirkung für eine Sozialversicherungspflicht dar. Auch das Bundessozialgericht gehe in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Frage, ob ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliege, sich einzig nach dem Sozialversicherungsrecht beurteile. Im Falle der Klägerin fehle es an einer Abhängigkeit, denn es sei gerade keine Weisungsgebundenheit erkennbar. Nicht zu teilen sei die Auffassung, dass Weisungsstrukturen in Familienunternehmen vielfach in der Außendarstellung nicht mehr erkennbar seien und deshalb dieser Aspekt im Rahmen der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung zugunsten anderer Unterscheidungsmerkmale in den Hintergrund treten müsse. Diese Auffassung halte einer kritischen Überprüfung nicht stand. Allein der Umstand, dass kein Scheinarbeitsverhältnis vorliege, rechtfertige noch nicht die Differenzierung, ob es sich um ein abhängiges oder ein selbstständiges Beschäftigungsverhältnis handle. Die Klägerin treffe sämtliche Personalentscheidungen, lege fest, welche Waren zu welchen Preisen von welchem Händler eingekauft werden und übe also insoweit entsprechende unternehmerische Tätigkeiten aus. Somit gebe es keine maßgeblichen unternehmerischen Entscheidungen, welche nicht die Klägerin selbst treffe.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 15. Januar 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 22. Mai 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. September 2006 aufzuheben und festzustellen, dass die Klägerin im Rahmen ihrer Tätigkeit in der Firma S. Buchhandlung seit 1. Januar 1997 nicht der Versicherungspflicht zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliegt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf die bisherigen Ausführungen und hält den Gerichtsbescheid für zutreffend.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts Regensburg und des Bayerischen Landessozialgerichts Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 144, 145 151 SGG), erweist sich jedoch als unbegründet.

Das Sozialgericht hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin versicherungspflichtig, da abhängig beschäftigt ist.

Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen der Versicherungs- beziehungsweise Beitragspflicht in den verschiedenen Zweigen der Sozialversicherung (§ 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI bezüglich der Rentenversicherung, § 25 Abs. 1 SGB III und deren Vorläufervorschrift § 168 Abs. 1 AFG für die Arbeitslosenversicherung, § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V für die Krankenversicherung und § 20 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX für die Pflegeversicherung).

Die Definition der Beschäftigung im Unterschied zur selbstständigen Tätigkeit ergibt sich aus § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Ein Arbeitsverhältnis ist anzunehmen, wenn ein Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies anzunehmen, wenn der Beschäftigte in den Betriebsablauf eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt, wobei dieses sich je nach der Verantwortungsbereitschaft in einem engen oder auch einem weiten Rahmen bewegen kann. Der Arbeitnehmer ist auch frei von Geschäftsrisiken beziehungsweise wirtschaftlichem Engagement und besitzt keine eigene Betriebsstätte. Eigenes Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit kennzeichnen dagegen die selbstständige Tätigkeit.

Nach der Rechtsprechung des BSG wird der Begriff der Nichtselbstständigkeit also durch eine Vielzahl von Merkmalen konkretisiert, wobei Hauptmerkmal die persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber ist (vergleiche Seewald in Kasseler-Kommentar § 7 SGB IV Anm. 47). Diese Merkmale, die untereinander nicht eindeutig oder zuverlässig gewichtet werden können, sind am ehesten als Bestandteile eines Prüfungskatalogs aufzufassen. Das Ergebnis einer Gesamtprüfung führt dabei zu Teilergebnissen die wie Indizien im Rahmen der nachfolgenden Gesamtbewertung zusammengetragen, situativ gewichtet werden und im Rahmen einer Abwägung zur Entscheidung führen (Seewald a.a.O.). Entscheidend ist welche Merkmale überwiegen, daher sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen.

Entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten ist dabei die steuerrechtliche Behandlung der erzielten Einkünfte ein gewichtiges Indiz. Zwar ist die Versicherungspflicht ausschließlich nach Sozialversicherungsrecht und ohne rechtliche Bindung an die Entscheidungen der Finanzbehörden und Finanzgerichte zu beurteilen und der Versicherungsträger sowie die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit sind daher einer selbstständigen Prüfung im Einzelfall nicht enthoben, dennoch stellt die steuerrechtliche Behandlung einen wichtigen Anhaltspunkt für die versicherungsrechtliche Beurteilung einer Tätigkeit dar. Die Lohnsteuerpflicht spricht demzufolge für das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses während andererseits die Veranlagung zur Einkommensteuer und Gewerbesteuerpflicht auf eine selbstständige Tätigkeit hindeutet (Seewald Kasseler-Kommentar § 7 SGB IV Anm. 79).

Das Arbeitnehmerverhältnis ist im übrigen dadurch gekennzeichnet, dass es frei von Geschäftsrisiken beziehungsweise wirtschaftlichem Engagement und der Erbringung von Kapitaleinlagen ist. Der Arbeitnehmer besitzt grundsätzlich auch keine eigene Betriebsstätte und der Arbeitgeber verfügt über seine Arbeitskraft.

Bei der Bewertung dieser Kriterien überwiegen im Falle der Klägerin die Gesichtspunkte, die für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprechen, denn nach ihrem eigenen Vortrag ist sie weder in Form einer Gesellschafterstellung noch durch sonstige Kapitaleinlagen am Geschäft ihres Vaters beteiligt. Allein ein späterer Erbanspruch kann die selbstständige Tätigkeit und das Unternehmerrisiko derzeit nicht herbeiführen. Die Buchhandlung S. ist vielmehr ein Einzelhandelsgeschäft das von dem als Inhaber eingetragenen Vater der Klägerin unternehmerisch betrieben wird. Auch wenn die Klägerin - wie vorgetragen - in unternehmerische Entscheidungen eingebunden ist, erwächst ihr daraus weder eine Haftung noch ein Gewinnanspruch. Das von ihr bezogene monatliche fixe Gehalt spricht ebenfalls gegen ein solches unternehmerisches Risiko. Es soll nicht in Abrede gestellt werden, dass die Klägerin am wirtschaftlichen Wohlergehen in der Firma interessiert ist und alles ihr mögliche dazu beiträgt, ein positives Geschäftsergebnis zu erzielen und dafür insbesondere eine das übliche Maß übersteigende Arbeitszeit erbringt. Dennoch reicht dies nicht aus, um eine Unternehmereigenschaft zu bejahen. Von Angestellten mit eigenverantwortlichem Tätigkeitsbereich wird auch bei unstreitig abhängigen Beschäftigungsverhältnissen erwartet, dass sie mehr als die tariflich vereinbarten Arbeitszeiten ableisten.

Sicherlich erfüllt die Tätigkeit, die die Klägerin im Betrieb ihres Vaters bis heute ausübt, zumindest nach Erlangung einer Berufserfahrung auch Merkmale, die für eine selbstständige Tätigkeit sprechen, andererseits sind doch wesentliche Elemente vorhanden, die grundsätzlich das abhängige Beschäftigungsverhältnis kennzeichnen, so dass in Zusammenschau der Gesamtumstände die Elemente der abhängigen Beschäftigung überwiegen. Besonders hervorzuheben ist dabei, dass die Klägerin in keiner Weise am Geschäftsergebnis beteiligt ist und auch von ihr keine Eigenmittel im Betrieb stecken, so dass ein unternehmerisches Risiko nicht erkannt werden kann. Vielmehr zeigen gerade die letzten unternehmerischen Entscheidungen, dass der Inhaber, also der Vater der Klägerin, gerade das unternehmerische Handeln noch nicht aus der Hand geben wollte. Dies wird besonders dadurch untermauert, dass er gegenüber allen offiziellen Stellen also z.B. bei der IHK, aber auch im Grundbuch als Inhaber der Firma auftritt und diese Position allein für seine Person dokumentiert ist. Gerade die zuletzt getroffene unternehmerische Entscheidung, ein neues Geschäftshaus zu errichten und dabei allein im Grundbuch eingetragen zu werden, zeigt, dass der Vater keine Beteiligung der Tochter bisher tatsächlich verwirklichen wollte. Dies mag in Hinblick auf den ebenfalls im Geschäft beschäftigten Sohn, der nach Vortrag der Klägerseite keine leitende Funktion innehat aufgrund der familienrechtlichen Positionen (Erbansprüche) verständlich sein, kann aber der Klägerin nicht den Status der selbstständigen Mitunternehmerin verschaffen. In gleicher Weise zu interpretieren ist, dass die Klägerin nicht unmittelbar am Geschäftsergebnis beteiligt ist, Gewinn oder Verlust des Geschäftes sich also nicht unmittelbar auf ihr Einkommen auswirken. Sie bezieht vielmehr ein festes Gehalt, das zudem auf ein privates - nur von ihr zu nützendes - Konto überwiesen wird und dessen Höhe nicht unmittelbar vom Geschäftsergebnis beeinflusst wird. Nach der Rechtsprechung des BSG ist die Art der Kontoführung ein geeignetes Abgrenzungskriterium (BSG Urteil vom 17. Mai 2001, Az. B 12 KR 34/00 R Rn. 19).

Soweit die Klägerin vorgetragen hat, dass ihr Gehalt in Hinblick auf die schwierige Geschäftssituation so niedrig gewählt wurde, ergeben sich dafür keine Hinweise, denn über wechselnde oder gleichbleibend schlechte Geschäftsergebnisse ist nichts ersichtlich, dagegen spricht hingegen die derzeitige Errichtung eines Neubaus.

Entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten ist die steuerliche Behandlung des Einkommens der Klägerin durchaus ein geeignetes Indiz für die Abhängigkeit ihrer Beschäftigung, so dass sowohl die Zahlung von Lohnsteuer als auch die Verbuchung ihres Gehalts als Betriebsausgabe ein Hinweis auf die Abhängigkeit des Beschäftigungsverhältnisses ist. Ohne Interesse ist dabei, aus welchen Gründen die Beteiligten dies so gestaltet haben, denn letztlich ist nicht die Motivation maßgeblich für die Beurteilung, sondern vielmehr die tatsächlich gewählte Ausgestaltung des Beschäftigungsverhältnisses. Dabei ist es unzutreffend, wenn die Klagepartei davon ausgeht, es unterliege ihrer Disposition, die Wirkung des bestehenden Beschäftigungsverhältnisses auf bestimmte Rechtsgebiete (z.B. Steuerrecht) zu beschränken (so auch BSG Urteil vom 24. Januar 2007 Az. B 12 KR 31/06 R Rn. 20).

Zu betonen ist auch, dass die Beteiligten jahrelang und aus freien Stücken das Arbeitsverhältnis der Klägerin in dieser Weise gestaltet haben. Wenn nun heute die Tätigkeit der Klägerin von den Beteiligten anders bewertet wird, folgt daraus nicht die Fehlerhaftigkeit des bisher als richtig angesehenen Versichertenstatus. Denn zumindest bis 1997 ist auch von der Klägerseite eingeräumt worden, dass ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorgelegen habe. Warum 1997 dann keine Änderung vorgenommen wurde, zum Beispiel durch Gründung einer Gesellschaft oder durch einen ausdrücklichen Geschäftsführervertrag zwischen dem Inhaber und der Klägerin oder durch andere Gestaltungsvarianten, kann nicht nachvollzogen werden. In dem von den Beteiligten zwar nicht schriftlich geschlossenen Arbeitsvertrag, aber dem tatsächlich gelebten Arbeitsverhältnis ist zumindest vom Beginn der Tätigkeit an für lange Zeit tatsächlich von einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis auszugehen. Deshalb ist nicht grundsätzlich für die Vergangenheit von der Fehlerhaftigkeit des zunächst als richtig anzusehenden Versichertenstatus auszugehen. So gilt auch hier der Grundsatz, dass die Beurteilung von Versicherungsverhältnissen rückwirkend grundsätzlich nicht geändert werden solle. Denn es sprechen rechtlich keine vernünftigen Gründe dafür, nunmehr rückwirkend in das jahrelang mit Billigung aller Beteiligten bestehende Versicherungsverhältnis einzugreifen, zumal schwerwiegende Fehler, Ungereimtheiten oder die Erschleichung eines Versicherungsschutzes auszuschließen sind. Dem Gedanken der Kontinuität des Versicherungslebens, wonach Änderungen erst für die Zukunft gelten sollen, ist damit der Vorzug zu geben (siehe Urteil des BSG vom 8. Dezember 1999, Az. B 12 KR 12/99 R Rdnr. 24 sowie Urteil des BayLSG vom 18. Oktober 2007, Az. L 4 KR 79/06).

Nicht erkennbar ist, dass es in der Vergangenheit in Zusammenhang mit der Versicherungspflicht der Klägerin einen Beratungsanlass, der von einem der Träger hätte wahrgenommen werden müssen, gegeben hat. Es ist auch von der Klägerseite nicht vorgetragen, dass um Beratung oder Auskunft nachgesucht wurde und diese dann nicht oder fehlerhaft erfolgt sei. Ein Anlass für eine Spontanberatung kann aber nicht erkannt werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf der Erwägung, das die Klägerin mit ihrem Begehren ohne Erfolg bleibt (§§ 183, 193 SGG).

Gründe, gemäß § 160 Abs. 1 und 2 SGG die Revision zuzulassen sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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