L 14 R 115/07

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 R 431/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 R 115/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 28. September 2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt eine Altersrente wegen Schwerbehinderung ohne Abzüge.

Nach Auslaufen von Krankengeld Ende Juni 2004 erhielt der Kläger mit nicht mit Widerspruch angefochtenen Bescheid vom 22.09.2004 aufgrund eines Antrags seiner Bevollmächtigten vom 11.08.2004 auf Erwerbsminderungsrente rückwirkend ab 01.07.2004 Altersrente für schwerbehinderte Menschen; dabei wurde im Bescheid festgehalten, dass für den Kläger ein Abschlag von 3 % vorzunehmen sei.

Bereits vorher - am 28.10.2002 - hatte der Kläger Antrag auf abschlagsfreie Altersrente gestellt. Dieser Antrag wurde mit streitgegenständlichem Bescheid vom 19.02.2003 mit der Begründung abgelehnt, dass aufgrund der medizinischen Feststellung der Versicherungsfall der teilweisen Erwerbsminderung am 28.10.2002 eingetreten sei. Nachdem weder eine teilweise Erwerbsminderungsrente noch eine Altersrente wegen Schwerbehinderung mit Abschlag gewünscht sei, werde der Antrag auf Gewährung einer abschlagsfreien Altersrente abgelehnt. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 23.06.2004 als unbegründet zurückgewiesen. Der Kläger habe eine Ausbildung als Landmaschinenmechaniker durchlaufen und sei später als Schlosser und dann bis April 1999 als Kfz-Mechaniker beschäftigt gewesen. Bis zum Beginn der Arbeitsunfähigkeit am 21.01.2003 habe der Kläger noch leichte Fahrertätigkeiten und Hausmeistertätigkeiten bei gleicher Vergütung bei seinem bisherigen Arbeitgeber ausgeübt. Ausweislich des ausdrücklichen und unmissverständlichen Vorbringens der Bevollmächtigten des Klägers sei Gegenstand des Verfahrens und des Bescheides ausschließlich die Gewährung einer abschlagsfreien Rente gewesen. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor, weil der Kläger am 16.11.2000 weder schwerbehindert noch berufsunfähig oder erwerbsunfähig gewesen sei. Er habe bis zum Beginn der letzten Arbeitsunfähigkeit am 21.01.2003 eine zumutbare Verweisungstätigkeit im Sinn von § 43 Abs.2 Satz 2 SGB VI ausgeübt. Nach dem Ergebnis der ärztlichen Untersuchungen sei der Versicherungsfall erst am 28.10.2002 und damit nach dem Stichtag am 16.11.2000 eingetreten; die Gewährung einer abschlagsfreien Altersrente käme nach der Übergangsregelung nicht in Betracht. Die Beklagte habe den Anspruch des Klägers auf Rente wegen Erwerbsminderung bzw. Altersrente mit Abschlag dem Grunde nach anerkannt, habe die Rentenleistung aber gegen den Willen der Bevollmächtigten nicht erbringen können.

Die hiergegen erhobene Klage wies das Sozialgericht Augsburg mit Urteil vom 28.09.2006 als unbegründet ab. Die Beklagte habe anerkannt, dass der Kläger seinen erlernten Beruf als Kfz-Mechaniker im Jahr 1999 aus gesundheitsbedingten Gründen aufgegeben habe. Jedoch käme eine Rente wegen Berufsunfähigkeit nur dann in Betracht, wenn der Kläger nicht nur seinen erlernten Beruf, sondern auch zumutbare Verweisungstätigkeiten nicht mehr vollschichtig hätte ausüben können. Zumutbare Verweisungstätigkeiten wie z.B. die Arbeit eines Telefonisten habe der Kläger jedenfalls bis zum 28.10.2002 nach den ärztlichen Feststellungen zumutbar ausüben können. Erst danach sei das Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter sechs Stunden täglich gesunken. Im Übrigen habe der Kläger weiter bei seinem bisherigen Arbeitgeber bis zum Beginn der letzten Arbeitsunfähigkeit am 21.01.2003 mit gleicher tariflicher Entlohnung (Lohngruppe 5) wie früher als Kfz-Meister im Rahmen einer für den Arbeitgeber wichtigen und verantwortungsvollen Tätigkeit gearbeitet. Aufgrund dessen könne davon ausgegangen werden, dass der Kläger keiner beruflichen Herabsetzung ausgesetzt gewesen sei. Die Entlohnung und Wertigkeit der ausgeübten Tätigkeit spreche dafür.

Gegen das Urteil des Sozialgerichts hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Der Kläger habe sich sozialadäquat verhalten, indem er bis zum Januar 2003 weitergearbeitet habe trotz gesundheitlicher Einschränkungen. Der Rentenversicherungsträger habe es unterlassen festzustellen, ob am Stichtag 16.11.2000 Berufsunfähigkeit vorgelegen habe. Es stelle sich die Rechtsfrage, ob nur ein tatsächlicher Rentenbezug zu einer abschlagsfreien Altersrente führe, oder ob das behauptete Vorliegen von Berufsunfähigkeit ausreiche. Im letzteren Fall seien seitens der Beklagten und des SG weitere Ermittlungen notwendig gewesen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 28.09.2006 sowie den Bescheid vom 19.02.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.06.2004 aufzuheben und die Beklagte in Abänderung des Bescheides vom 22.09.2004 zu verurteilen, dem Kläger Altersrente für schwerbehinderte Menschen nach § 236a SGB VI ab Antragstellung abschlagsfrei zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Gewährung einer abschlagsfreien Altersrente für schwerbehinderte Menschen setze Erwerbsunfähigkeit bzw. Berufsunfähigkeit nach dem bis zum 31.12.2000 geltenden Recht bzw. die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft bis zum Stichtag 16.11.2000 voraus. Dies sei nach den ärztlichen Feststellungen nicht der Fall gewesen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakten sowie die Verwaltungsakten der Beklagten.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Bevollmächtigte des Klägers mit ihrem Antrag vom 11.08.2004 dem Klagebegehren in Bezug auf den Bescheid vom 19.02.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.06.2004 den Boden entzogen hat. Auch kann dahingestellt bleiben, ob der aufgrund des Antrags vom 11.08.2004 ergangene Bescheid vom 22.09.2004, den die Bevollmächtigte des Klägers nicht angefochten hat, in Bestandskraft erwachsen ist und damit das Klagebegehren schon deshalb aussichtslos macht oder - in weiter Auslegung des § 96 SGG - zum Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens wurde. Auch kann dahingestellt bleiben, welcher Bedeutung gegebenenfalls § 34 Abs.4 SGB VI in der ab 01.08.2004 geltenden Fassung insoweit zukommt.

Denn auch wenn der Bescheid vom 22.09.2004 Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens geworden sein sollte, scheitert das Klage- und Berufungsbegehren daran, dass die Voraussetzungen des § 236a SGB VI für die Gewährung einer abschlagsfreien Altersrente für schwerbehinderte Menschen nicht vorliegen.

Zutreffend ist die Beklagte davon ausgegangen, dass der im Februar 1943 geborene Kläger nach der Grundregel des § 236a SGB VI i.V.m. § 77 SGB VI erst zum 01.05.2005 abschlagsfrei in Rente hätten gehen können und für jeden Monat der vorzeitigen Inanspruchnahme 0,003 %, insgesamt also für zehn Kalendermonate um 0,030 % vermindert werden musste bei der vorzeitigen Insanspruchnahme der Rente ab 01.07.2004.

Warum die Bevollmächtigte den Kläger dahingehend beraten hat, das bereits vom Arbeitsamt bewilligte Arbeitslosengeld nicht für zehn Monate bis zum 01.05.2005 in Anspruch zu nehmen und statt dessen unmittelbar in Anschluss an das Auslaufen des Krankengeldbezugs am Ende Juni 2004 einen Rentenantrag zu stellen, bleibt deren Geheimnis. Nicht nur, dass der Bezug von Arbeitslosengeld bis zum 01.05.2005 wegen der damit verbundenen Leistung von Pflichtbeiträgen die Rente erhöht hätte; vielmehr wäre es zu keinem Abschlag gekommen.

Geht man - was aufgrund des wirren Vorbringens der Bevollmächtigten des Klägers nicht ohne weiteres nachvollziehbar ist - davon aus, dass der Kläger eine abschlagsfreie Rente erst im Anschluss an das Krankengeld, das ja ebenfalls zu einer Rentenerhöhung beim Kläger geführt hat -, also erst ab 01.07.2004 beantragt hat und nicht bereits auf der Grundlage des Antrags aus dem Jahr 2002 ab diesem Zeitpunkt eine abschlagsfreie Rente haben will (mit der Folge, dass diese wegen Nichteinbezugs der Pflichtbeiträge ab dem Jahr 2002 niedriger ausfallen würde), so ist im Ergebnis festzustellen, dass die Beklagte in ihrem Bescheid vom 22.09.2004 zutreffend davon ausgegangen ist, dass die Voraussetzungen für eine abschlagsfreie Gewährung der Altersrente wegen Schwerbehinderung zum 01.07.2004 nicht vorlagen.

Denn entscheidend für die Gewährung einer abschlagsfreien Altersrente für schwerbehinderte Menschen bzw. wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit ist das Vorliegen von Berufsunfähigkeit bzw. Erwerbsunfähigkeit nach dem bis zum 31.12.2000 geltenden Recht bzw. die Feststellung des Vorliegens einer Schwerbehinderteneigenschaft zum Stichtag am 16.11.2000.

Aus den ärztlichen Unterlagen, insbesondere dem Entlassungsbericht der Klinik Bad S. vom April 2002 ergibt sich, dass der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig sogar noch mittelschwere Arbeiten verrichten konnte. Dieses Leistungsbild schließt das Vorliegen von Erwerbsunfähigkeit zum Stichtag am 16.11.2000 aus.

Insoweit hat das SG überzeugend dargelegt, dass die vorhandenen ärztlichen Unterlagen im Rahmen der vorzunehmenden Beweiswürdigung ergeben, dass der Kläger bis zum 28.10.2002 ein Leistungsvermögen von mehr als sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und auch bezüglich der von ihm bis zum 21.01.2003 noch inne gehabten Stelle bezüglich einer Verweisungstätigkeit als Mechaniker in seinem früheren Betrieb hatte.

Unter Bezugnahme auf die vorliegende Arbeitgeberauskunft hat das SG überzeugend dargelegt, dass der Kläger aus gesundheitlichen Gründen ab April 1999 nicht mehr als Kfz-Mechaniker arbeiten konnte, aber in seinem bisherigen Betrieb noch Fahr- und Hausmeistertätigkeiten (Instandhaltung am und im Gebäude, Reinigungsarbeiten, Fahrzeugpflege, Werkstatt- und Geländepflege) ohne Beeinträchtigung der Restgesundheit ausgeübt hat. Die Beklagte hat anerkannt, dass der Kläger in seinem erlernten Beruf als Kfz-Mechaniker seit 1999 aus gesundheitsbedingten Gründen nicht mehr tätig sein konnte. Der Versicherungsfall der Berufsunfähigkeit war damals jedoch noch nicht eingetreten, da der Kläger zumutbar Verweisungstätigkeiten noch vollschichtig ausüben konnte und nach der Arbeitgeberauskunft auch ausgeübt hat, da der Kläger nach Auskunft des Arbeitgebers seine Vergütungsgruppe aus der früheren Beschäftigung als Kfz-Mechanikers beim gleichen Arbeitgeber trotz der geänderten Tätigkeit beibehalten hat.

Einen Antrag auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft hat der Kläger vor dem Stichtag am 16.11.2000 nicht gestellt, seine Bevollmächtigte auch nicht dazu geraten.

Nach alledem ist die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, nachdem der Kläger mit seinem Begehren auf abschlagsfreie Rente eine Erfolg hatte.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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