L 1 RA 126/05

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 18 RA 468/03
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 RA 126/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten, Zeiten der Zugehörigkeit der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) und die während dieser Zeiten erzielten Entgelte festzustellen.

Die 19xx geborene Klägerin war seit 6. Dezember 1974 berechtigt, die Berufsbezeichnung "Ingenieur" zu führen. Ab 1. Januar 1975 betrug der monatliche Arbeitsverdienst der Klägerin 690,00 Mark. Ab 1. April 1975 trat die Klägerin der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) bei. Nach den Eintragungen im Sozialversicherungsausweis war die Klägerin im Juni 1990 im VE Einzelhandelsbetrieb (HO) Quedlinburg als Leiterin allgemeine Verwaltung beschäftigt. Der VE Einzelhandelsbetrieb (HO) Quedlinburg (Betriebsnummer: 92192218) war im statistischen Betriebsregister der DDR die Statistiknummer 5 22 46 (Einzelhandelsbetriebe Industriewaren – Lebensmittel – Gaststätten) zugeordnet. Nach den Eintragungen im Register der volkseigenen Wirtschaft endete die Rechtsfähigkeit des VE Einzelhandelsbetrieb (HO) Quedlinburg am 28. Juni 1990. Außerdem geht aus den Eintragungen hervor, dass Rechtsnachfolger die SEKA Handelsgesellschaft mbH geworden ist. Nach dem Handelsregisterauszug der SEKA Handelsgesellschaft mbH wurde diese am 28. Juni 1990 ins Handelsregister eingetragen. Aus den Eintragungen geht weiterhin hervor, dass der Gesellschaftsvertrag am 28. Mai 1990 abgeschlossen wurde. Gegenstand des Unternehmens war die Einzel- und Großhandelstätigkeit mit Waren aller Art, die Durchführung und Vermittlung von gastronomischen Beherbergungsleistungen sowie von Dienstleistungen, der Ex- und Import von Waren sowie die Produktion von Frischwaren.

Am 30. Mai 2002 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften. Mit Bescheid vom 19. März 2003 lehnte die Beklagte den Antrag für den Zeitraum vom 1. Dezember 1974 bis 30. Juni 1990 ab. Eine Versorgungsanwartschaft im Sinne von § 1 Abs. 1 AAÜG sei nicht entstanden. Weder habe eine positive Versorgungszusage (Anwartschaft) zu Zeiten der DDR vorgelegen noch sei am 30. Juni 1990 (Schließung der Zusatzversorgungssysteme) eine Beschäftigung ausgeübt worden, die aus bundesrechtlicher Sicht dem Kreis der obligatorisch Versorgungsberechtigten zuzuordnen wäre. Den gegen den Bescheid erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 1. Juli 2003 zurück.

Am 1. August 2003 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Magdeburg erhoben. Mit Urteil vom 21. April 2005 hat das Sozialgericht Magdeburg die Klage abgewiesen und zur Begründung u. a. ausgeführt, die Klägerin habe am 30. Juni 1990 nicht in einem volkseigenem Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens bzw. in einem gleichgestellten Produktionsbetrieb gearbeitet. In der Zweiten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 24. Mai 1951 (GBl. DDR Nr. 62, S. 487; im Folgenden 2. DB) seien zwar lediglich volkseigene und den volkseigenen Betrieben gleichgestellte Betriebe genannt, der Differenzierung in § 1 Abs. 2 der 2. DB zwischen volkseigenen Produktionsbetrieben einerseits und gleichgestellten Betrieben andererseits sei jedoch zu entnehmen, dass die zusätzliche Altersversorgung ihrer Art nach nur für Angehörige von volkseigenen Produktionsbetrieben vorgesehen gewesen sei. Auch zu DDR-Zeiten sei grundsätzlich zwischen volkseigenen Produktionsbetrieben und anderen volkseigenen Betrieben unterschieden worden. Beim volkseigenen Einzelhandelsbetrieb habe es sich auch nicht um einen gleichgestellten Betrieb gehandelt. In der entsprechenden Aufzählung in der 2. DB seien die Handelsorganisationen und –betriebe nicht genannt. Diese Aufzählung sei jedoch nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes abschließend. Das Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 24. Mai 2005 zugestellt worden.

Am 25. Mai 2005 hat die Klägerin Berufung eingelegt. Sie ist der Ansicht, die Rentenüberleitung sei gescheitert. Die Überführung der DDR-Rentenansprüche in gesamtdeutsches Recht müsse sich daran messen lassen, ob einem ehemaligen DDR-Bürger eine vergleichbare Rentenabsicherung zuteil werde, wie einem Bürger der Altbundesländer. Ehemalige DDR-Bürger würden aber in dieser Hinsicht in vielfältiger Weise benachteiligt. Es erhalte kein Bürger, der Ansprüche und Anwartschaften in der DDR erworben habe, ein den Lebensstandard wahrendes Alterseinkommen, das aus einer Pflichtversichertenrente plus einer zusätzlichen Rente bzw. Versorgung bestehe. Die Klägerin habe nicht erahnen können, dass sie anstelle einer vollen Versichertenrente aus der Pflichtversicherung der DDR eine volle Pflichtversicherungsleistung in der Bundesrepublik nur dann bekäme, wenn sie bereits eine rechtskräftige Zuerkennung für eine Zusatzversorgung, also für eine Aufstockung der Versichertenrente in Richtung Vollversorgung, in der Hand gehabt hätte oder wenn sie eine ca. 20jährige Mitgliedschaft in der FZR (bei Beiträgen für das gesamte Einkommen) hätte aufweisen können. Die rentenrechtlichen Bestimmungen der DDR hätten sich zum Zeitpunkt der Wende in einem Umgestaltungsprozess befunden, der eine Erhöhung der Altersansprüche zur Folge gehabt hätte. Durch die Wiedervereinigung sei dieser Prozess unterbrochen worden. Die Überführung der in der DDR erworbenen Rentenansprüche und ihre Behandlung nach den aktuellen Regelungen führten dazu, dass Renten gezahlt würden, die oftmals nur geringfügig höher seien als das Grundsicherungsniveau. Dies sei gravierend, da Rentenansprüche oftmals die einzigen Vermögenswerte der ostdeutschen Rentner seien. Altersversorgungen aus betrieblichen Systemen und privater Vorsorge gäbe es faktisch nicht. Schon deshalb müssten alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, die einen Fortschritt zu einer angemessenen Versorgung zumindest in Richtung einer ungekürzten, die Existenz sichernde Versichertenrente erbrächten. Dies sei auch aus humanitären Gründen geboten. In diesem Zusammenhang sei die nachträgliche Zuerkennung der Mitgliedschaft in der AVItech nicht nur zu erwägen gewesen und in ihren Wirkungen zu berechnen, sondern auch aus den im beruflichen Lebenslauf erkennbaren Fakten notwendig zu gewähren. Dadurch, dass bei der Klägerin davon ausgegangen werde, dass sie am Stichtag als Ingenieurin nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb bzw. diesem gleichgestellten Betrieb beschäftigt gewesen sei, werde ihr nach einer jahrelangen anerkennenswerten Arbeit genau das verwehrt, was zur Anerkennung der Leistungen der Angehörigen der technischen Intelligenz der DDR durch die Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (GBl. der DDR I, Nr. 93, S. 844; im Folgenden VO-AVItech) offensichtlich, wie schon die Bezeichnung der Verordnung besage, gewährt werden sollte. Im Ergebnis dessen wirke die Rentenregelung wie eine nachträgliche Sanktion für den Teil der Lebensleistung, der in der DDR erbracht worden sei. Um das ganze finanzielle Ausmaß der Folgen der Rentenüberleitung für die Klägerin zu erkennen, sei die Beklagte als Rentenversicherungsträger beizuladen und entsprechend Beweis darüber zu erheben, welche Rentenansprüche die Klägerin zu DDR-Zeiten erworben hätte bzw. hat (zur weiteren Begründung des Beweisantrages S. 37, 38, 62, 123 Gerichtsakte (GA)). Dies sei unabdingbar, damit das Gericht eine ausreichende Tatsachengrundlage für seine Entscheidung habe. Im Übrigen stünden vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) Verfahren zur Entscheidung an, die sich mit der Behandlung von in der DDR erworbenen Rentenansprüchen beschäftigten. Diese seien abzuwarten und das Verfahren daher ruhend zu stellen bzw. auszusetzen (siehe S. 37, 61, 156 GA).

Im Übrigen könne der Auslegung der Formulierung "volkseigene und ihnen gleichgestellte Betriebe" nicht gefolgt werden. Dass danach nur noch eine die Formulierung "volkseigene Produktionsbetriebe" eingrenzende Auslegung stattfinde, wie sie derzeit von den Sozialgerichten durchgeführt werde, sei deshalb nicht mit der Regelung vereinbar, weil es in dem einzigen Absatz, in dem dieser Begriff auftauche, um die breitere Anwendbarkeit der AVItech und nicht um eine Eingrenzung gehe: VEB seien bereits in dem Geltungsbereich enthalten, wissenschaftliche Institute, Versuchsstationen, technische Hochschulen usw. hingegen nicht. Es sei nicht nachvollziehbar, wie eine einzelne, auf keine Änderung der Verordnung hinzielende Begriffsverwendung zum Ausgangspunkt für die Ausgrenzung von VEB genommen werden kann, die nicht gleichgestellt werden mussten, weil für sie originär die Regelung von vornherein galt. Die Klägerin trägt weiter vor, sie werde in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) u. a. dadurch verletzt, dass anderen ihr vergleichbaren Berufstätigen der ehemaligen DDR die Zusatzversorgung gewährt werde. Auf die weiteren umfangreichen Ausführungen der Klägerin wird verwiesen (S. 14 – 18, 37 – 45, 82 – 96, 123 – 130, 156 – 158, 187 – 198 GA).

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihr unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Magdeburg vom 21. April 2005 sowie des Bescheides vom 19. März 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Juli 2003 die Beschäftigungszeit vom 1. Dezember 1974 bis zum 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zu dem Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz (Ziff. 1 Anlage 1) zum AAÜG anzuerkennen und die tatsächlichen Arbeitsentgelte in diesem Zeitraum festzustellen,

die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in ihrer Funktion als Versicherungsträger beizuladen (§ 75 SGG),

Beweis zu erheben (im Einzelnen S. 37 RS, 123 GA),

das Verfahren zum Ruhen zu bringen, hilfsweise auszusetzen und

hilfsweise das Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit diverser rentenrechtlicher Vorschriften vorzulegen (im Einzelnen ab S. 38 GA).

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält die Voraussetzungen für die gewünschten Feststellungen für nicht gegeben. Die Klägerin sei am 30. Juni 1990 nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens oder in einem gleichgestellten Betrieb tätig gewesen.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen. Zum Zeitpunkt der Entscheidung war ein Rentenstreitverfahren vor einem Sozialgericht nicht anhängig.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i. V. m. § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG statthafte Berufung hat keinen Erfolg.

Entgegen dem Antrag der Klägerin war der Rechtsstreit nicht ruhend zu stellen, weil dies gemäß § 202 SGG i.V.m. § 252 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) einen Antrag aller Beteiligten voraussetzt. Die Beklagte hat einen solchen Antrag nicht gestellt.

Auch dem Antrag auf Aussetzung des Verfahrens war nicht stattzugeben. Nach § 114 Abs. 2 SGG kann das Gericht anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung eines anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsstelle auszusetzen ist, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegen-stand des anderen abhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsstelle festzustellen ist. Eine unmittelbare Anwendung dieser Vorschrift kommt vorliegend nicht in Betracht. Allerdings ist eine entsprechende Anwendung beispielsweise dann akzeptiert, wenn genau wegen der streiterheblichen Frage bereits eine Verfassungsbeschwerde beim BVerfG anhängig ist, die eine Klärung erwarten lässt (vgl. BSG, Urteil vom 1. April 1992, Az: 7 RAr 16/91, SozR 3-1500 § 114 Nr. 3). Hier ist es allerdings umgekehrt so, dass die Klärung der entscheidungserheblichen Fragen durch das BVerfG bereits erfolgt ist (Beschluss 26. Oktober 2005, Az: 1 BvR 1921/04 u. a., SozR 4-8560 § 22 Nr. 1; siehe insb. 1 BvR 1144/05: Der Beschwerdeführer erlangte im Beitrittsgebiet 1982 den Titel eines "Ingenieurs für Hochbau". Anschließend war er als Ingenieur in einem volkseigenen Betrieb und später in dessen Nachfolgegesellschaft mbH tätig. Die GmbH wurde am 29. Juni 1990 registerrechtlich eingetragen. Eine Versorgungszusage wurde nicht erteilt. Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde gegen die ablehnenden Entscheidungen der Beklagten und der Gerichte nicht zur Entscheidung angenommen. Das BVerfG hatte zwar bereits Zweifel an der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde, ist jedoch auch ausdrücklich auf die Unbegründetheit eingegangen). Diese Rechtsprechung ist dem Vertreter der Klägerin darüber hinaus bekannt: er hat den Beschwerdeführer im Verfahren 1 BvR 1144/05 vertreten.

Auch der EGMR hat sich in jüngster Vergangenheit in mehreren Entscheidungen mit der Frage der Überführung in der DDR erworbener Rentenansprüche auseinandergesetzt und mit der behaupteten Verletzung von Art. 14 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EuMRK) (Diskriminierungsverbot), Art. 7 EuMRK (Keine Strafe ohne Gesetz) und Art. 1 des Zusatzprotokolls Nr. 1 zur EuMRK (Schutz des Eigentums) begründete Individualbeschwerden als unzulässig abgewiesen (siehe Klose u.a. gegen Bundesrepublik Deutschland, Entscheidung vom 25. September 2007, 12923/03; Peterke und Lembcke gegen Bundesrepublik Deutschland, Entscheidung vom 4. Dezember 2007, 4290/03; Pokorny gegen Bundesrepublik Deutschland, Entscheidung vom 11. Dezember 2007, 74664/01).

Der Senat musste die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (jetzt Deutsche Rentenversicherung Bund) in ihrer Eigenschaft als Versicherungsträger nicht nach § 75 Abs. 2 SGG zum Rechtsstreit beiladen. Nach § 75 Abs. 2 SGG sind Dritte zum Rechtsstreit beizuladen, wenn sie am streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass eine Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Nach der neueren Rechtssprechung des BSG handelt es sich bei der Deutschen Rentenversicherung Bund in ihrer Eigenschaft als Versicherungsträger nicht um eine Dritte i. S. d. § 75 Abs. 2 SGG (BSG, Urteil vom 23. August 2007, Az: B 4 RS 7/06 R, Rdnr. 19). Sowohl die Datenfeststellung nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG, i.d.F.v. Artikel 244 der Neunten Zuständigkeitsanpassungsverordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl. I, S. 2407)) als auch die Rentenbescheiderteilung erfolgt vom selben Rechtssubjekt Deutsche Rentenversicherung Bund. Ein Rechtssubjekt Deutsche Rentenversicherung Bund als Zusatzversorgungsträger gibt es nicht.

Gegenstand der Berufung ist die Verpflichtung der Beklagten, Feststellungen nach dem AAÜG für den Zeitraum vom 1. Dezember 1975 bis zum 30. Juni 1990 zu treffen.

Die Berufung ist nicht begründet, weil der Bescheid der Beklagten vom 13. März 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Juli 2003 die Klägerin nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert. Sie hat nämlich keinen Anspruch gegen die Beklagte, den begehrten Zeitraum als Zugehörigkeitszeit nach § 8 Abs. 3 Satz 1 i. V.m. Abs. 2 und § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG feststellen zu lassen, denn das AAÜG ist im Fall der Klägerin nicht anwendbar.

Der Senat lässt offen, ob für die Klage bezüglich des gesamten zur Feststellung durch die Beklagte geltend gemachten Zeitraumes ein allgemeines Rechtsschutzbedürfnis besteht. Er folgt der Auffassung, wonach eine Klage auch dann als unbegründet abgewiesen werden kann, wenn die Prozessökonomie dies erfordert (BGH, Urteil vom 14. März 1978, Az: VI ZR 68/76, NJW 1978, 2031, 2032 m.w.N.; Ulmer in: Hennig, SGG, vor § 51 Rn. 33). Diese Auffassung entspricht dem Zweck der Prüfung des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses, die Rechtsprechung von Entscheidungen zu entlasten, die für die Beteiligten unergiebig sind. Diesem Zweck wird die Abweisung als unzulässig wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses nicht gerecht, wenn – wie hier – über die im Streit stehende sachliche Rechtsfrage ohnehin zu entscheiden ist. Unterschiedliche rechtliche Wirkungen für die Beteiligten ergeben sich dabei nicht; die ggf. zu Lasten des Klägers eintretende Rechtskraft des Urteils bezüglich der Abweisung als unbegründet hat keine anderen Folgen, als die im Falle der Abweisung als unzulässig ebenso eintretende Bestandskraft des angefochtenen Bescheides. Nach Darstellungen des Klägervertreters erzielte die Klägerin zumindest im Zeitraum vom 1. Januar 1975 bis zum 31. März 1975 Arbeitsentgelt in Höhe von 270,00 Mark und vom 1. März 1990 bis zum 30. Juni 1990 in Höhe von 100,00 Mark, wofür keine Beiträge gezahlt worden sind, die sich aber nach Anerkennung als AAÜG-Entgelt rentensteigernd auswirken könnten (z. Zt. rd. 0,92 EUR /mtl.: 270 - 2,6272 (Hochwertung 1975 nach Anlage 10 zum SGB VI) / 21808,00 (Durchschnittsentgelt 1975 siehe Anlage 1 zum SGB VI) = 0,0325 EP; 100 - 3,0707 / 41946,00 = 0,0073; gesamt EP: 0,0398 - 23,09 EUR (aktueller Rentenwert / Ost).

Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG gilt das AAÜG für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind.

Eine Versorgung ist der Klägerin unstreitig nicht zugesagt worden. Der Senat kann offen lassen, inwieweit er sich der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) anschließt, wonach die Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG im Wege der Unterstellung vorliegen kann, denn auch die vom Bundessozialgericht dafür aufgestellten Voraussetzungen liegen nicht vor.

Nach der Rechtsprechung des BSG ist die Anwendung des AAÜG nämlich auch für Personen eröffnet, die nach der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage auf Grund der zu Bundesrecht gewordenen zwingenden Bestimmungen eines Zusatzversorgungssystems einen Anspruch auf eine Einbeziehung bzw. Versorgungszusage gehabt hätten (BSG, Urteil vom 9. April 2002, Az: B 4 RA 31/01 R, SozR 3-8570 § 1 AAÜG, Nr. 2, S. 8). Nach der Rechtsprechung des BSG hängt der Anspruch im hier allein in Frage kommenden Fall gemäß § 1 VO-AVItech i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 2. DB von drei Voraussetzungen ab. Generell war dieses System eingerichtet für (1) Personen, die berechtigt waren, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen und (2) die entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt haben, und zwar (3) in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (BSG, Urteil vom 10. April 2002, Az: B 4 RA 18/01 R, SozR 3-8570 § 1 AAÜG, Nr. 8, S. 74).

Der Senat teilt die Auffassung des BSG, wonach zumindest noch am 30. Juni 1990 ein Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage bestanden haben muss, um auch für den Fall einer erweiternden Auslegung des § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG den Begriff der Anwartschaft auszufüllen. Dies ergibt die Auslegung des § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG, weil "aufgrund einer Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem" im Sinne der Vorschrift Anwartschaften nur nach den Versorgungsregelungen der DDR erworben werden konnten. Gegenstand einer Rechtsposition vor dem Versorgungsfall selbst konnte danach außer einer erteilten Versorgungszusage ggf. der Anspruch auf eine solche Zusage sein. Die Fortwirkung der maßgeblichen Rechtspositionen bis zum 30. Juni 1990 setzt § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG voraus, weil sonst - mit Ausnahme der in § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG bundesrechtlich ausdrücklich durch Unterstellung getroffenen Regelung - keine Position besteht, die im Sinne von § 4 Abs. 5 AAÜG in die Rentenversicherung überführt werden könnte. Denn schon überführungsfähige "Anwartschaften" nach § 22 Abs. 3 des Rentenangleichungsgesetzes (RAG) vom 28. Juni 1990 (GBl. der DDR I S. 495) konnten bei Inkrafttreten der Vorschrift am 1. Juli 1990 (§ 35 RAG) nur Positionen sein, die im Versorgungsfall einen Versorgungsanspruch begründet hätten. Dies war nur angesichts noch gültiger Versorgungszusagen möglich. Entsprechend kann auch der Anspruch auf deren Erteilung nach den gesetzlichen Voraussetzungen, soweit er auf Grund der geltenden Versorgungsvorschriften schon vor Schließung der Zusatzversorgungssysteme erloschen war, von einer Auslegung des Begriffs der Anwartschaft in § 1 Abs. 1 S. 1 AAÜG nicht betroffen sein.

Die Klägerin war am 30. Juni 1990 nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens beschäftigt. Auf die von der Klägerin vertretene Ansicht, wonach sich aus der 2. DB eine Beschränkung auf volkseigene Produktionsbetriebe nicht ableiten ließe, kommt es vorliegend nicht an, da die Klägerin am 30. Juni 1990 in einer GmbH beschäftigt war. Dabei handelt es sich nicht um einen VEB.

Bei der SEKA Handelsgesellschaft mbH handelte es sich auch nicht um einen gleichgestellten Betrieb nach § 1 Abs. 2 2. DB.

Den volkseigenen Produktionsbetrieben der Industrie oder des Bauwesens gleichgestellt sind nur solche "Einrichtungen" i.S. des Zusatzversorgungssystems der technischen Intelligenz (Anl. 1 Nr. 1 zum AAÜG), die in § 1 Abs. 2 2. DB abschließend aufgeführt sind (BSG, Urteil vom 26. Oktober 2004, Az: B 4 RA 23/04 R, Soz-R 4-8570 § 1 AAÜG, Nr. 6, S. 31). Einer Analogie ist der Text der 2. DB nicht zugänglich. Der Einigungsvertrag hat grundsätzlich nur die Überführung bestehender Versorgungsansprüche und -anwartschaften von "Einbezogenen" in das Bundesrecht versprochen und Neueinbeziehungen ausdrücklich untersagt. Das Verbot der Neueinbeziehung auf Grund von der DDR erlassenen Versorgungsregelungen ist verfassungsgemäß. Eine Erweiterung des einbezogenen Personenkreises durch vollziehende Gewalt oder Rechtsprechung über die in § 1 Abs. 1 AAÜG selbst angelegte Modifikation hinaus ist nicht erlaubt (Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz) und würde das Einbeziehungsverbot unterlaufen (BSG, a.a.O., S. 36). Eine Handelsgesellschaft mbH ist auch keine der aufgezählten Versorgungsbetriebe, die durch den Zusatz "(Gas, Wasser, Energie)" auf Betriebe zur Versorgung mit leitungsgebunden zur Verfügung stehenden Gütern beschränkt sind.

Den Beweisanträgen der Klägerin war nicht nachzugehen. Soweit sie sich auf ihre Leistungsansprüche wegen Alters beziehen, nicht aber auf die nach dem AAÜG zu treffenden Feststellungen, betreffen sie nicht den Streitgegenstand; soweit sie sich auf die konkreten Beschäftigungsverhältnisse der Klägerin beziehen, besteht kein Aufklärungsbedarf, weil der Senat die diesbezüglichen tatsächlichen Angaben ohne Änderung des Ergebnisses als wahr unterstellen kann.

Der Senat sieht sich auch nicht veranlasst, das Verfahren gem. Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG auszusetzen und mit entsprechender Fragestellung dem BVerfG vorzulegen. Nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG ist ein gerichtliches Verfahren auszusetzen, wenn ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig hält, und, wenn es sich um die Verletzung des Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Zweifel an der Vereinbarkeit der anzuwendenden Regelungen mit dem Grundgesetz genügen nicht, vielmehr muss das Gericht von der Verfassungswidrigkeit überzeugt sein (Schmidt-Bleibtreu in Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG – Kommentar zum Grundgesetz, 9. Aufl., Art. 100, Rdnr. 4). Das BVerfG hat sich bereits mit der erweiternden Auslegung des § 1 AAÜG und die daraus folgende Rechtsprechungspraxis des Bundessozialgerichts befasst (z.B. Beschluss vom 4. August 2004, 1 BvR 1557/01 SozR 4-8570 § 5 Nr 4 (Diplomchemiker); Beschluss 26. Oktober 2005, siehe bereits oben). Das BVerfG hat die vom BSG entwickelte Rechtsprechung einer fiktiven Einbeziehung nicht beanstandet und die sich aus der ebenfalls für unbedenklich erachteten Stichtagsregelung des 30. Juni 1990 und der Zugrundelegung des Wortlauts der Versorgungsordnung ergebenden Ungleichbehandlungen für sachlich gerechtfertigt angesehen. Der Senat geht daher nicht von einer Verfassungswidrigkeit der angewandten Normen aus. Soweit die Klägerin die Verfassungsmäßigkeit weiterer Normen bezweifelt oder andere Problembereiche der verfassungsrechtlichen Überprüfung durch das BVerfG zugängig machen möchte, so handelt es sich nicht um streitentscheidende Fragen. Die Entscheidungserheblichkeit ist aber Voraussetzung für eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
Saved