Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 12 Kg 1405/93
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 KG 1250/94
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Bemerkung
verb. m. L 6 KG 32/95
I. Auf die Berufungen des Klägers und der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 24. November 1994 abgeändert. Unter Abänderung des Bescheides vom 11. Mai 1993 und des Widerspruchsbescheides vom 20. Oktober 1993 und unter Berücksichtigung des angenommenen Teilanerkenntnisses vom 16. Dezember 1998 wird die Beklagte verurteilt, dem Kläger für die Zeit ab Januar 1994 bis Dezember 1995 für dessen Kinder J., M. und E. Kindergeld nach Maßgabe des Deutsch-jugoslawischen Abkommens über soziale Sicherheit zu gewähren. Im übrigen werden die Berufungen zurückgewiesen und die Klage abgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger 1/5 der außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob und ggf. in welcher Höhe dem Kläger ab Oktober 1992 bis einschließlich Dezember 1995 ein Anspruch auf Kindergeld zusteht.
Der 1958 geborene Kläger lebte erstmals in der Zeit von Juni 1975 bis Mai 1978 in der Bundesrepublik Deutschland. Er ist mit P. M. (geb. 1960) verheiratet. Die Eheleute M. sind – ebenso wie ihre Kinder J. (geh. 1980), M. (geb. 1984) und E. (geb. 1988) – Staatsangehörige von B.-H ...
Im Juli 1991 reiste der Kläger als Bürgerkriegsflüchtling mit seiner Familie aus B.-H. erneut in die Bundesrepublik Deutschland ein. Vom Oberbürgermeister der Stadt R. wurde dem Kläger und seiner Familie auf den am 26. Juli 1991 gestellten Antrag erstmals am 21. Oktober 1991 eine bis zum 17. Januar 1992 gültige Aufenthaltsbewilligung erteilt. Diese wurde am 15. November 1991 in eine bis zum 13. Januar 1992 gültige Duldung umgewandelt. Die zunächst bis zum 12. Mai 1992 verlängerte Duldung wurde in der Folgezeit bis zum 31. Mai 1992 und danach sukzessive für Zeiträume zwischen jeweils fünf bzw. sechs Monate über den Ablauf des vorliegend streitbefangenen Zeitraums hinaus verlängert. Die Duldungen ab Mai 1992 beruhten auf dem Erlaß des Hessischen Ministeriums des Innern und für Europaangelegenheiten vom 7. Mai 1992 (unveröffentlicht; Az. ). Mit diesem Erlaß wurde im Einvernehmen mit dem Bundesminister des Innern die Abschiebung von Personen aus B.-H. gem. § 54 Ausländergesetz (AuslG) ausgesetzt und die nachgeordneten Behörden angewiesen, den Aufenthalt dieses Personenkreises nach §§ 55, 56 AuslG zu dulden. Der Erlaß vom 7. Mai 1992 war ursprünglich bis zum 7. November 1992 befristet. Er wurde in der Folgezeit – wiederum im Einvernehmen mit dem Bundesminister des Innern – für die Dauer von jeweils sechs Monaten über den streitbefangenen Zeitraum hinaus verlängert (Erlasse vom 10.9.1992, 10.3.1992, 22.9.1993 usw.).
Nach seiner Rückkehr in die Bundesrepublik Deutschland stand der Kläger hier erstmals wieder ab dem 30. November 1991 in einem Sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis. In den Jahren 1992 bis 1995 wurden vom Kläger unterschiedliche Arbeitsverhältnisse begründet, zeitweise waren diese durch Zeiten von Arbeitslosigkeit unterbrochen. Nach Maßgabe der Bescheide über Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag des Finanzamtes Groß-Gerau für die Jahre 1992 (Bescheid vom 21.9.1993), 1993 (Bescheid vom 11.4.1994), 1994 (Bescheid vom 11.7.1995) und für 1995 (Bescheid vom 11.9.1996) erzielte der Kläger folgende Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit:
1992 37.540,– DM
1993 28.479,– DM
1994 11.960,– DM
1995 14.368,– DM
Einkommens- und Kirchensteuer fielen beim Kläger in dieser Zeit nicht an. Neben seinen Bezügen aus nicht selbständiger Arbeit sowie dem bezogenen Arbeitslosengeld und der gezahlten Arbeitslosenhilfe erhielt der Kläger erstmals ab Dezember 1992 ergänzende Leistungen für sich und seine Familie nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG).
Am 19. November 1992 beantragte der Kläger für die Kinder J., M. und E. bei der Beklagten die Gewährung von Kindergeld. Durch Bescheid vom 23. Dezember 1992 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab. Dieser Bescheid wurde vom Kläger zunächst nicht angefochten. Nachdem der Kläger am 4. April 1993 und am 4. Mai 1993 nochmals um die Gewährung von Kindergeld nachgesucht hatte, lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 11. Mai 1993 den Antrag des Klägers erneut ab. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 20. Oktober 1993 zurückgewiesen. Zur Begründung führte die Beklagte aus, der Kläger verfüge nicht über den nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) geforderten Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland, so daß ihm der Anspruch auf Kindergeld nicht zustehe. Sein Verbleib in der Bundesrepublik Deutschland werde lediglich geduldet. Diese Duldung reiche zur Anspruchsbegründung nicht aus.
Auf die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Darmstadt durch Urteil vom 24. November 1994 die Bescheide vom 23. Dezember 1992 und vom 11. Mai 1993 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Oktober 1993 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Kindergeld für die Zeit von Oktober 1992 bis Dezember 1993 für seine Kinder J., M. und E. in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Im übrigen hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und die Beklagte dazu verpflichtet, dem Kläger die Hälfte der außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Das Sozialgericht hat die Auffassung vertreten, nach § 1 Abs. 1 und Abs. 3 BKGG i.d.F. des 2. Gesetzes zur Änderung des Bundeserziehungsgeldgesetzes und anderer Vorschriften vom 6. Dezember 1991 (BGBl. I, S. 2142) stehe dem Kläger ein Anspruch auf Kindergeld für die Zeit bis Dezember 1993 zu. Für diese Zeit verfüge der Kläger über einen Wohnsitz oder einen gewöhnlichen Aufenthalt. Einschlägig sei insoweit § 1 Abs. 3 BKGG, nach dem ein Anspruch für Ausländer ohne Aufenthaltsgenehmigung nur dann bestehe, wenn der Ausländer nach den §§ 51, 53 oder 54 AuslG auf unbestimmte Zeit nicht abgeschoben werden könne, frühestens jedoch für die Zeit nach einem gestatteten oder geduldeten ununterbrochenen Aufenthalt von einem Jahr. Spätestens ab Oktober 1991 sei im Falle des Klägers davon auszugehen gewesen, daß eine Abschiebung auf unbestimmte Zeit nicht habe erfolgen können. Für die Zeit ab Januar 1994 sei demgegenüber ein Anspruch auf Kindergeld nicht mehr gegeben. § 1 Abs. 3 Satz 1 BKGG i.d.F. des 1. Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms vom 21. Dezember 1993 (1. SKWPG – BGBl. 1 S. 2353) begründe für einen Ausländer einen Anspruch auf Kindergeld nämlich nur, wenn dieser im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis sei. Der Aufenthalt des Klägers werde aber lediglich nur geduldet. Verfassungsrechtlich sei diese Neuregelung unbedenklich.
Das sozialgerichtliche Urteil wurde der Beklagten und dem Kläger jeweils am 13. Dezember 1994 zugestellt. Hiergegen richtete sich die am 29. Dezember 1994 eingegangene Berufung der Beklagten und die am 13. Januar 1995 eingelegte Berufung des Klägers.
Für die Zeit bis einschließlich Dezember 1993 hält die Beklagte daran fest, daß auch zu dieser Zeit der Kläger über keine Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland verfügt habe. Ihm stehe deshalb auch in dieser Zeit kein Anspruch auf Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz zu. Hinsichtlich der Zeit ab Januar 1994 teilt die Beklagte die Ansicht des Sozialgerichts.
In der mündlichen Verhandlung vom 16. Dezember 1998 wurde von der Beklagten für die Zeit von Oktober 1992 bis einschließlich Dezember 1993 ein Anspruch auf Kindergeld nach Maßgabe der Leistungssätze des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit vom 12. Oktober 1968 i.d.F. des Änderungsabkommens vom 30. September 1974 (Deutsch-jugoslawisches Abkommen über Soziale Sicherheit) anerkannt. Der Kläger hat dieses Teilanerkenntnis angenommen.
Die Beklagte beantragt nunmehr,
unter Zurückweisung der Berufung des Klägers das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 24. November 1994 abzuändern und die Klage auch insoweit abzuweisen, als mit ihr Kindergeld über das abgegebene Teilanerkenntnis hinaus begehrt wird,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt,
unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 24. November 1994 mit der Maßgabe abzuändern, daß die Beklagte verurteilt wird, unter vollständiger Aufhebung des Bescheides vom 11. Mai 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Oktober 1993 und unter Berücksichtigung des angenommenen Teilanerkenntnisses vom 16. Dezember 1998, ihm auch für die Zeit von Januar 1994 bis einschließlich Dezember 1995 Kindergeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Der Kläger ist der Auffassung, der Umstand, daß ihm gegenüber lediglich eine Duldung ausgesprochen worden sei, stehe der Annahme eines Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes in der Bundesrepublik Deutschland nicht entgegen, da der Zeitpunkt einer evtl. Rückkehr nach B.-H. jedenfalls ungewiß sei. Im übrigen gehöre er zum Kreis der europarechtlich geschützten Arbeitnehmer. Zwar habe er kein Asyl beantragt, der Abschiebeschutz des § 51 Abs. 1 AuslG sei diesem Tatbestand jedoch gleichzustellen. Dies jedenfalls müsse den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs vom 10. Oktober 1996 (Rs C 345/94 und C 312/94) entnommen werden.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vertrags der Beteiligten wird im übrigen auf den gesamten weiteren Inhalt der Gerichtsakte, die beigezogene Sozialhilfeakte der Stadt R., die Ausländerakte der Stadt R. und die Leistungsakte der Beklagten (KG-Nr. ) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegten Berufungen (§ 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG –) sind zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Abs. 1 SGG liegen nicht vor.
Die Berufungen sind jedoch nur teilweise begründet. Dem Kläger steht – über das von der Beklagten abgegebene Teilanerkenntnis hinaus – Kindergeld nach den Sätzen des Deutschjugoslawischen Abkommens über Soziale Sicherheit auch für die Zeit bis zum Ablauf des streitbefangenen Zeitraums, also bis Dezember 1995, zu. Dagegen hat der Kläger für den streitbefangenen Zeitraum keinen weitergehenden Anspruch auf Kindergeld nach den Kindergeldsätzen des Bundeskindergeldgesetzes in der bis zum 31. Dezember 1995 maßgeblichen Fassung.
Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch richtet sich in Bezug auf die hier einschlägigen Regelungen für die Zeit bis einschließlich Dezember 1993 nach den Bestimmungen des Bundeskindergeldgesetzes i.d.F. des Gesetzes zur Neuregelung des Ausländerrechts vom 9. Juli 1990 (BGBl. 1, S. 1354).
Nach § 1 Abs. 3 dieser Gesetzesfassung haben Ausländer, die sich ohne Aufenthaltsgenehmigung im Geltungsbereich des Bundeskindergeldgesetzes aufhalten, nur dann einen Anspruch auf Kindergeld, wenn sie nach den §§ 51, 53 oder 54 Ausländergesetz (AuslG) auf unbestimmte Zeit nicht abgeschoben werden können, frühestens jedoch für die Zeit nach einem gestatteten oder geduldeten ununterbrochenen Aufenthalt von einem Jahr.
Zwar hielt sich der Kläger im Oktober 1992, also für den Zeitpunkt, ab dem er einen Anspruch geltend macht, ununterbrochen bereits seit mehr als einem Jahr in der Bundesrepublik Deutschland auf. Für ihn lag im streitbefangenen Zeitraum jedoch keine Aufenthaltsgenehmigung vor. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 22.1.1998 – B 14 KG 2/97 R) kann dabei bei der vorliegenden Fallgestaltung auch nicht von einem Abschiebehindernis von unbestimmter Dauer ausgegangen werden, da der Abschiebestopp, wie er vom Hessischen Ministerium des Innern für Flüchtlinge aus B.-H. im Einvernehmen mit dem Bundesminister des Innern verfugt worden war, jeweils zeitlich befristet gewesen ist. Auch auf die "Zukunftsoffenheit” der erteilten Duldungen (vgl. dazu z.B. BSG Urteil v. 30.9.1993 – 4 RA 49/92 = SozR 3 – 6710 Art. 1 Nr. 1) kommt es insoweit nicht an, da Flüchtlinge aus B.-H. aufgrund der bloßen Duldung nach dieser Rechtsprechung des 14. Senats des BSG (a.a.O.) kein materielles Aufenthaltsrecht gehabt haben, vielmehr nach § 56 Abs. 1 AuslG ausreisepflichtig gewesen sind. Die frühere Prognose-Rechtsprechung des 10. Senats des BSG zum gewöhnlichen Aufenthalt von Asylbewerbern (vgl. z.B. Urteil v. 25.7.1997 – 10 RKg 13/93 m.w.N.) kann unter diesen Voraussetzungen nach der Neufassung des § 1 Abs. 3 BKGG durch das Gesetz zur Neuregelung des Ausländerrechts vom 9. Juli 1990 (a.a.O.) nicht mehr zur Anwendung kommen. Darauf, ob und für welche Zeitdauer der Kläger im streitbefangenen Zeitraum in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden bzw. Lohnersatzleistungen erhalten hat, kommt es nach der zitierten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht an. Lohn- bzw. Einkommensteuer hat der Kläger im streitbefangenen Zeitraum ohnehin nicht gezahlt, so daß sich auch aus diesen steuerrechtlichen Gegebenheiten kein Anspruch des Klägers ableiten läßt.
Dies gilt auch ab Januar 1994. Denn in der durch das 1. Gesetz zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms vom 21. Dezember 1993 (BGBl. I, S. 2353) eingeführten Neuregelung des § 1 Abs. 3 BKGG wird nunmehr für ausländische Staatsangehörige ausdrücklich der Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Aufenthaltserlaubnis gefordert, wenn ein Anspruch auf Kindergeld gegeben sein soll. Über keinen dieser Aufenthaltstitel hat der Kläger im streitbefangenen Zeitraum verfugt, so daß ihm von Januar 1994 bis Dezember 1995 ebenfalls kein Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz zusteht.
Indes hat der Kläger einen Anspruch auf Kindergeld nach Maßgabe des Deutsch-jugoslawischen Abkommens über Soziale Sicherheit in Höhe der nach diesem Abkommen maßgeblichen Leistungssätze. Dieser Anspruch besteht über den Monat Dezember 1993 hinaus, also auch für denjenigen Teil des streitbefangenen Zeitraums, für den die Beklagte insoweit kein Anerkenntnis abgegeben hat.
Das Deutsch-jugoslawische Abkommen über Soziale Sicherheit i.d.F. des Änderungsabkommens vom 30. September 1974 (a.a.O.) findet im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik B.-H. auch weiterhin Anwendung. In der "Bekanntmachung über die Fortgeltung der deutsch-jugoslawischen Verträge im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik B.-H.” vom 16. November 1992 (BGBl. 1992 II, S. 1196) ist dies ausdrücklich klargestellt worden.
Das Abkommen sieht in Art. 28 Abs. 1 vor, daß eine Person, die im Gebiet des einen Vertragsstaates beschäftigt ist und den Rechtsvorschriften dieses Staates unterliegt, nach dessen Rechtsvorschriften für Kinder, die sich im Gebiet des anderen Vertragsstaates gewöhnlich aufhalten, Anspruch auf Kindergeld so hat, als hielten sich die Kinder gewöhnlich im Gebiet des ersten Vertragsstaates auf.
Von dieser an das Beschäftigungsland gebundenen Gleichstellung wird im Bezug auf das Kindergeld auch der Kläger umfaßt. Daß die Kinder des Klägers nicht in B.-H., sondern mit dem Kläger – in der Bundesrepublik Deutschland leben, kann nach Auffassung des Senats nicht zu einem Ausschluß des nach Abkommensrecht zu zahlenden Kindergeldes fuhren. Dies gilt ungeachtet des Umstandes, daß das Abkommen dem Grundsatz nach allerdings für solche Lebenssachverhalte geschaffen worden ist, bei denen der Wohnsitz insbesondere von Familienangehörigen nicht im Beschäftigungsland liegt. Dies kann dem Kläger jedoch in Bezug auf das Kindergeld nicht zum Nachteil gereichen. Denn seine Situation und die seiner Familie ist gerade dadurch gekennzeichnet, daß es sich bei ihm und seinen Familienangehörigen um Bürgerkriegsflüchtlinge handelt, denen – jedenfalls für die Dauer des streitbefangenen Zeitraums – eine Rückkehr in den anderen Vertragsstaat – hier also nach B.-H., nicht zumutbar gewesen ist. Der Aufenthalt der Familie des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland war gerade aus diesem Grunde nach der maßgeblichen Erlaßlage geduldet worden. In Bezug auf das Kindergeld kann der Kläger deshalb nicht schlechter gestellt werden, als wenn sich sein Kind – wie dies dem Wortlaut des Abkommens entspräche – in B.-H. aufhalten würde (vgl. insoweit zum Recht der Familienversicherung, BSG Urteil vom 30.4.1997 – 12 RK 29/96 = SozR 3 – 2500 § 10 Nr. 11).
Diese durch das Beschäftigungsland-Prinzip erfolgte Gleichstellung ist allerdings in Art. 28 Abs. 2 des Abkommens hinsichtlich der Höhe der Leistungsansprüche eingeschränkt worden. Da der Kläger für seine Kinder keinen unmittelbaren Anspruch auf Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz in der bis zum 31. Dezember 1995 maßgeblichen Fassung ableiten kann, sein Anspruch vielmehr lediglich auf dem Abkommensrecht beruht, muß er sich auch diese eingeschränkte Gleichstellung entgegenhalten lassen. Er kann deshalb lediglich Kindergeld in Höhe der Abkommensätze beanspruchen, wie dies in Art. 28 Abs. 2 Satz 2 des Abkommens vorgesehen ist. Der darin enthaltene Verweis auf die mit anderen Anwerbeländern vereinbarten höchsten Sätze führt zu den Kindergeldsätzen nach Maßgabe des Dritten Abkommens vom 12. Juli 1974 zur Änderung des Abkommens vom 29. Oktober 1959 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Spanischen Staat über Soziale Sicherheit (BGBl. II 1975, S. 376). Für das erste Kind ist danach ein Betrag von 10,– DM, für das zweite Kind in Höhe von 25,– DM und für das dritte Kind in Höhe von 60,– DM monatlich festgelegt worden, Beträge, die auch durch die nachfolgend abgeschlossenen Sozialversicherungsabkommen bisher nicht erhöht worden sind und die deshalb in gleichfalls unveränderter Form in Art. 46 des Einführungsgesetzes zum Einkommensteuerreformgesetz (EG-EStRG (hier in der Fassung vom 26.2.1993, BGBl. I S. 278)) Eingang gefunden haben.
An dieser – wenn auch nur eingeschränkt geltenden – Gleichstellung durch das Deutsch-jugoslawische Abkommen über Soziale Sicherheit hat sich – entgegen der Ansicht der Beklagten – für die Zeit ab Januar 1994 nichts geändert. Die Neufassung des § 1 Abs. 3 BKGG durch das 1. SKWPG ist insoweit ohne Einfluß auf die durch das Abkommen eingeräumten Rechte geblieben.
In dem durch das Abkommen begründeten Umfang steht dem Kläger nach alledem bis zum Ende des streitbefangenen Zeitraums Kindergeld zu. Hinsichtlich der weitergehenden Ansprüche war demgegenüber seine Berufung abzuweisen und auf die Berufung der Beklagten das sozialgerichtliche Urteil entsprechend abzuändern.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision hat der Senat nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger 1/5 der außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob und ggf. in welcher Höhe dem Kläger ab Oktober 1992 bis einschließlich Dezember 1995 ein Anspruch auf Kindergeld zusteht.
Der 1958 geborene Kläger lebte erstmals in der Zeit von Juni 1975 bis Mai 1978 in der Bundesrepublik Deutschland. Er ist mit P. M. (geb. 1960) verheiratet. Die Eheleute M. sind – ebenso wie ihre Kinder J. (geh. 1980), M. (geb. 1984) und E. (geb. 1988) – Staatsangehörige von B.-H ...
Im Juli 1991 reiste der Kläger als Bürgerkriegsflüchtling mit seiner Familie aus B.-H. erneut in die Bundesrepublik Deutschland ein. Vom Oberbürgermeister der Stadt R. wurde dem Kläger und seiner Familie auf den am 26. Juli 1991 gestellten Antrag erstmals am 21. Oktober 1991 eine bis zum 17. Januar 1992 gültige Aufenthaltsbewilligung erteilt. Diese wurde am 15. November 1991 in eine bis zum 13. Januar 1992 gültige Duldung umgewandelt. Die zunächst bis zum 12. Mai 1992 verlängerte Duldung wurde in der Folgezeit bis zum 31. Mai 1992 und danach sukzessive für Zeiträume zwischen jeweils fünf bzw. sechs Monate über den Ablauf des vorliegend streitbefangenen Zeitraums hinaus verlängert. Die Duldungen ab Mai 1992 beruhten auf dem Erlaß des Hessischen Ministeriums des Innern und für Europaangelegenheiten vom 7. Mai 1992 (unveröffentlicht; Az. ). Mit diesem Erlaß wurde im Einvernehmen mit dem Bundesminister des Innern die Abschiebung von Personen aus B.-H. gem. § 54 Ausländergesetz (AuslG) ausgesetzt und die nachgeordneten Behörden angewiesen, den Aufenthalt dieses Personenkreises nach §§ 55, 56 AuslG zu dulden. Der Erlaß vom 7. Mai 1992 war ursprünglich bis zum 7. November 1992 befristet. Er wurde in der Folgezeit – wiederum im Einvernehmen mit dem Bundesminister des Innern – für die Dauer von jeweils sechs Monaten über den streitbefangenen Zeitraum hinaus verlängert (Erlasse vom 10.9.1992, 10.3.1992, 22.9.1993 usw.).
Nach seiner Rückkehr in die Bundesrepublik Deutschland stand der Kläger hier erstmals wieder ab dem 30. November 1991 in einem Sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis. In den Jahren 1992 bis 1995 wurden vom Kläger unterschiedliche Arbeitsverhältnisse begründet, zeitweise waren diese durch Zeiten von Arbeitslosigkeit unterbrochen. Nach Maßgabe der Bescheide über Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag des Finanzamtes Groß-Gerau für die Jahre 1992 (Bescheid vom 21.9.1993), 1993 (Bescheid vom 11.4.1994), 1994 (Bescheid vom 11.7.1995) und für 1995 (Bescheid vom 11.9.1996) erzielte der Kläger folgende Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit:
1992 37.540,– DM
1993 28.479,– DM
1994 11.960,– DM
1995 14.368,– DM
Einkommens- und Kirchensteuer fielen beim Kläger in dieser Zeit nicht an. Neben seinen Bezügen aus nicht selbständiger Arbeit sowie dem bezogenen Arbeitslosengeld und der gezahlten Arbeitslosenhilfe erhielt der Kläger erstmals ab Dezember 1992 ergänzende Leistungen für sich und seine Familie nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG).
Am 19. November 1992 beantragte der Kläger für die Kinder J., M. und E. bei der Beklagten die Gewährung von Kindergeld. Durch Bescheid vom 23. Dezember 1992 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab. Dieser Bescheid wurde vom Kläger zunächst nicht angefochten. Nachdem der Kläger am 4. April 1993 und am 4. Mai 1993 nochmals um die Gewährung von Kindergeld nachgesucht hatte, lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 11. Mai 1993 den Antrag des Klägers erneut ab. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 20. Oktober 1993 zurückgewiesen. Zur Begründung führte die Beklagte aus, der Kläger verfüge nicht über den nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) geforderten Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland, so daß ihm der Anspruch auf Kindergeld nicht zustehe. Sein Verbleib in der Bundesrepublik Deutschland werde lediglich geduldet. Diese Duldung reiche zur Anspruchsbegründung nicht aus.
Auf die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Darmstadt durch Urteil vom 24. November 1994 die Bescheide vom 23. Dezember 1992 und vom 11. Mai 1993 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Oktober 1993 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Kindergeld für die Zeit von Oktober 1992 bis Dezember 1993 für seine Kinder J., M. und E. in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Im übrigen hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und die Beklagte dazu verpflichtet, dem Kläger die Hälfte der außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Das Sozialgericht hat die Auffassung vertreten, nach § 1 Abs. 1 und Abs. 3 BKGG i.d.F. des 2. Gesetzes zur Änderung des Bundeserziehungsgeldgesetzes und anderer Vorschriften vom 6. Dezember 1991 (BGBl. I, S. 2142) stehe dem Kläger ein Anspruch auf Kindergeld für die Zeit bis Dezember 1993 zu. Für diese Zeit verfüge der Kläger über einen Wohnsitz oder einen gewöhnlichen Aufenthalt. Einschlägig sei insoweit § 1 Abs. 3 BKGG, nach dem ein Anspruch für Ausländer ohne Aufenthaltsgenehmigung nur dann bestehe, wenn der Ausländer nach den §§ 51, 53 oder 54 AuslG auf unbestimmte Zeit nicht abgeschoben werden könne, frühestens jedoch für die Zeit nach einem gestatteten oder geduldeten ununterbrochenen Aufenthalt von einem Jahr. Spätestens ab Oktober 1991 sei im Falle des Klägers davon auszugehen gewesen, daß eine Abschiebung auf unbestimmte Zeit nicht habe erfolgen können. Für die Zeit ab Januar 1994 sei demgegenüber ein Anspruch auf Kindergeld nicht mehr gegeben. § 1 Abs. 3 Satz 1 BKGG i.d.F. des 1. Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms vom 21. Dezember 1993 (1. SKWPG – BGBl. 1 S. 2353) begründe für einen Ausländer einen Anspruch auf Kindergeld nämlich nur, wenn dieser im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis sei. Der Aufenthalt des Klägers werde aber lediglich nur geduldet. Verfassungsrechtlich sei diese Neuregelung unbedenklich.
Das sozialgerichtliche Urteil wurde der Beklagten und dem Kläger jeweils am 13. Dezember 1994 zugestellt. Hiergegen richtete sich die am 29. Dezember 1994 eingegangene Berufung der Beklagten und die am 13. Januar 1995 eingelegte Berufung des Klägers.
Für die Zeit bis einschließlich Dezember 1993 hält die Beklagte daran fest, daß auch zu dieser Zeit der Kläger über keine Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland verfügt habe. Ihm stehe deshalb auch in dieser Zeit kein Anspruch auf Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz zu. Hinsichtlich der Zeit ab Januar 1994 teilt die Beklagte die Ansicht des Sozialgerichts.
In der mündlichen Verhandlung vom 16. Dezember 1998 wurde von der Beklagten für die Zeit von Oktober 1992 bis einschließlich Dezember 1993 ein Anspruch auf Kindergeld nach Maßgabe der Leistungssätze des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit vom 12. Oktober 1968 i.d.F. des Änderungsabkommens vom 30. September 1974 (Deutsch-jugoslawisches Abkommen über Soziale Sicherheit) anerkannt. Der Kläger hat dieses Teilanerkenntnis angenommen.
Die Beklagte beantragt nunmehr,
unter Zurückweisung der Berufung des Klägers das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 24. November 1994 abzuändern und die Klage auch insoweit abzuweisen, als mit ihr Kindergeld über das abgegebene Teilanerkenntnis hinaus begehrt wird,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt,
unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 24. November 1994 mit der Maßgabe abzuändern, daß die Beklagte verurteilt wird, unter vollständiger Aufhebung des Bescheides vom 11. Mai 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Oktober 1993 und unter Berücksichtigung des angenommenen Teilanerkenntnisses vom 16. Dezember 1998, ihm auch für die Zeit von Januar 1994 bis einschließlich Dezember 1995 Kindergeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Der Kläger ist der Auffassung, der Umstand, daß ihm gegenüber lediglich eine Duldung ausgesprochen worden sei, stehe der Annahme eines Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes in der Bundesrepublik Deutschland nicht entgegen, da der Zeitpunkt einer evtl. Rückkehr nach B.-H. jedenfalls ungewiß sei. Im übrigen gehöre er zum Kreis der europarechtlich geschützten Arbeitnehmer. Zwar habe er kein Asyl beantragt, der Abschiebeschutz des § 51 Abs. 1 AuslG sei diesem Tatbestand jedoch gleichzustellen. Dies jedenfalls müsse den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs vom 10. Oktober 1996 (Rs C 345/94 und C 312/94) entnommen werden.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vertrags der Beteiligten wird im übrigen auf den gesamten weiteren Inhalt der Gerichtsakte, die beigezogene Sozialhilfeakte der Stadt R., die Ausländerakte der Stadt R. und die Leistungsakte der Beklagten (KG-Nr. ) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegten Berufungen (§ 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG –) sind zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Abs. 1 SGG liegen nicht vor.
Die Berufungen sind jedoch nur teilweise begründet. Dem Kläger steht – über das von der Beklagten abgegebene Teilanerkenntnis hinaus – Kindergeld nach den Sätzen des Deutschjugoslawischen Abkommens über Soziale Sicherheit auch für die Zeit bis zum Ablauf des streitbefangenen Zeitraums, also bis Dezember 1995, zu. Dagegen hat der Kläger für den streitbefangenen Zeitraum keinen weitergehenden Anspruch auf Kindergeld nach den Kindergeldsätzen des Bundeskindergeldgesetzes in der bis zum 31. Dezember 1995 maßgeblichen Fassung.
Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch richtet sich in Bezug auf die hier einschlägigen Regelungen für die Zeit bis einschließlich Dezember 1993 nach den Bestimmungen des Bundeskindergeldgesetzes i.d.F. des Gesetzes zur Neuregelung des Ausländerrechts vom 9. Juli 1990 (BGBl. 1, S. 1354).
Nach § 1 Abs. 3 dieser Gesetzesfassung haben Ausländer, die sich ohne Aufenthaltsgenehmigung im Geltungsbereich des Bundeskindergeldgesetzes aufhalten, nur dann einen Anspruch auf Kindergeld, wenn sie nach den §§ 51, 53 oder 54 Ausländergesetz (AuslG) auf unbestimmte Zeit nicht abgeschoben werden können, frühestens jedoch für die Zeit nach einem gestatteten oder geduldeten ununterbrochenen Aufenthalt von einem Jahr.
Zwar hielt sich der Kläger im Oktober 1992, also für den Zeitpunkt, ab dem er einen Anspruch geltend macht, ununterbrochen bereits seit mehr als einem Jahr in der Bundesrepublik Deutschland auf. Für ihn lag im streitbefangenen Zeitraum jedoch keine Aufenthaltsgenehmigung vor. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 22.1.1998 – B 14 KG 2/97 R) kann dabei bei der vorliegenden Fallgestaltung auch nicht von einem Abschiebehindernis von unbestimmter Dauer ausgegangen werden, da der Abschiebestopp, wie er vom Hessischen Ministerium des Innern für Flüchtlinge aus B.-H. im Einvernehmen mit dem Bundesminister des Innern verfugt worden war, jeweils zeitlich befristet gewesen ist. Auch auf die "Zukunftsoffenheit” der erteilten Duldungen (vgl. dazu z.B. BSG Urteil v. 30.9.1993 – 4 RA 49/92 = SozR 3 – 6710 Art. 1 Nr. 1) kommt es insoweit nicht an, da Flüchtlinge aus B.-H. aufgrund der bloßen Duldung nach dieser Rechtsprechung des 14. Senats des BSG (a.a.O.) kein materielles Aufenthaltsrecht gehabt haben, vielmehr nach § 56 Abs. 1 AuslG ausreisepflichtig gewesen sind. Die frühere Prognose-Rechtsprechung des 10. Senats des BSG zum gewöhnlichen Aufenthalt von Asylbewerbern (vgl. z.B. Urteil v. 25.7.1997 – 10 RKg 13/93 m.w.N.) kann unter diesen Voraussetzungen nach der Neufassung des § 1 Abs. 3 BKGG durch das Gesetz zur Neuregelung des Ausländerrechts vom 9. Juli 1990 (a.a.O.) nicht mehr zur Anwendung kommen. Darauf, ob und für welche Zeitdauer der Kläger im streitbefangenen Zeitraum in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden bzw. Lohnersatzleistungen erhalten hat, kommt es nach der zitierten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht an. Lohn- bzw. Einkommensteuer hat der Kläger im streitbefangenen Zeitraum ohnehin nicht gezahlt, so daß sich auch aus diesen steuerrechtlichen Gegebenheiten kein Anspruch des Klägers ableiten läßt.
Dies gilt auch ab Januar 1994. Denn in der durch das 1. Gesetz zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms vom 21. Dezember 1993 (BGBl. I, S. 2353) eingeführten Neuregelung des § 1 Abs. 3 BKGG wird nunmehr für ausländische Staatsangehörige ausdrücklich der Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Aufenthaltserlaubnis gefordert, wenn ein Anspruch auf Kindergeld gegeben sein soll. Über keinen dieser Aufenthaltstitel hat der Kläger im streitbefangenen Zeitraum verfugt, so daß ihm von Januar 1994 bis Dezember 1995 ebenfalls kein Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz zusteht.
Indes hat der Kläger einen Anspruch auf Kindergeld nach Maßgabe des Deutsch-jugoslawischen Abkommens über Soziale Sicherheit in Höhe der nach diesem Abkommen maßgeblichen Leistungssätze. Dieser Anspruch besteht über den Monat Dezember 1993 hinaus, also auch für denjenigen Teil des streitbefangenen Zeitraums, für den die Beklagte insoweit kein Anerkenntnis abgegeben hat.
Das Deutsch-jugoslawische Abkommen über Soziale Sicherheit i.d.F. des Änderungsabkommens vom 30. September 1974 (a.a.O.) findet im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik B.-H. auch weiterhin Anwendung. In der "Bekanntmachung über die Fortgeltung der deutsch-jugoslawischen Verträge im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik B.-H.” vom 16. November 1992 (BGBl. 1992 II, S. 1196) ist dies ausdrücklich klargestellt worden.
Das Abkommen sieht in Art. 28 Abs. 1 vor, daß eine Person, die im Gebiet des einen Vertragsstaates beschäftigt ist und den Rechtsvorschriften dieses Staates unterliegt, nach dessen Rechtsvorschriften für Kinder, die sich im Gebiet des anderen Vertragsstaates gewöhnlich aufhalten, Anspruch auf Kindergeld so hat, als hielten sich die Kinder gewöhnlich im Gebiet des ersten Vertragsstaates auf.
Von dieser an das Beschäftigungsland gebundenen Gleichstellung wird im Bezug auf das Kindergeld auch der Kläger umfaßt. Daß die Kinder des Klägers nicht in B.-H., sondern mit dem Kläger – in der Bundesrepublik Deutschland leben, kann nach Auffassung des Senats nicht zu einem Ausschluß des nach Abkommensrecht zu zahlenden Kindergeldes fuhren. Dies gilt ungeachtet des Umstandes, daß das Abkommen dem Grundsatz nach allerdings für solche Lebenssachverhalte geschaffen worden ist, bei denen der Wohnsitz insbesondere von Familienangehörigen nicht im Beschäftigungsland liegt. Dies kann dem Kläger jedoch in Bezug auf das Kindergeld nicht zum Nachteil gereichen. Denn seine Situation und die seiner Familie ist gerade dadurch gekennzeichnet, daß es sich bei ihm und seinen Familienangehörigen um Bürgerkriegsflüchtlinge handelt, denen – jedenfalls für die Dauer des streitbefangenen Zeitraums – eine Rückkehr in den anderen Vertragsstaat – hier also nach B.-H., nicht zumutbar gewesen ist. Der Aufenthalt der Familie des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland war gerade aus diesem Grunde nach der maßgeblichen Erlaßlage geduldet worden. In Bezug auf das Kindergeld kann der Kläger deshalb nicht schlechter gestellt werden, als wenn sich sein Kind – wie dies dem Wortlaut des Abkommens entspräche – in B.-H. aufhalten würde (vgl. insoweit zum Recht der Familienversicherung, BSG Urteil vom 30.4.1997 – 12 RK 29/96 = SozR 3 – 2500 § 10 Nr. 11).
Diese durch das Beschäftigungsland-Prinzip erfolgte Gleichstellung ist allerdings in Art. 28 Abs. 2 des Abkommens hinsichtlich der Höhe der Leistungsansprüche eingeschränkt worden. Da der Kläger für seine Kinder keinen unmittelbaren Anspruch auf Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz in der bis zum 31. Dezember 1995 maßgeblichen Fassung ableiten kann, sein Anspruch vielmehr lediglich auf dem Abkommensrecht beruht, muß er sich auch diese eingeschränkte Gleichstellung entgegenhalten lassen. Er kann deshalb lediglich Kindergeld in Höhe der Abkommensätze beanspruchen, wie dies in Art. 28 Abs. 2 Satz 2 des Abkommens vorgesehen ist. Der darin enthaltene Verweis auf die mit anderen Anwerbeländern vereinbarten höchsten Sätze führt zu den Kindergeldsätzen nach Maßgabe des Dritten Abkommens vom 12. Juli 1974 zur Änderung des Abkommens vom 29. Oktober 1959 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Spanischen Staat über Soziale Sicherheit (BGBl. II 1975, S. 376). Für das erste Kind ist danach ein Betrag von 10,– DM, für das zweite Kind in Höhe von 25,– DM und für das dritte Kind in Höhe von 60,– DM monatlich festgelegt worden, Beträge, die auch durch die nachfolgend abgeschlossenen Sozialversicherungsabkommen bisher nicht erhöht worden sind und die deshalb in gleichfalls unveränderter Form in Art. 46 des Einführungsgesetzes zum Einkommensteuerreformgesetz (EG-EStRG (hier in der Fassung vom 26.2.1993, BGBl. I S. 278)) Eingang gefunden haben.
An dieser – wenn auch nur eingeschränkt geltenden – Gleichstellung durch das Deutsch-jugoslawische Abkommen über Soziale Sicherheit hat sich – entgegen der Ansicht der Beklagten – für die Zeit ab Januar 1994 nichts geändert. Die Neufassung des § 1 Abs. 3 BKGG durch das 1. SKWPG ist insoweit ohne Einfluß auf die durch das Abkommen eingeräumten Rechte geblieben.
In dem durch das Abkommen begründeten Umfang steht dem Kläger nach alledem bis zum Ende des streitbefangenen Zeitraums Kindergeld zu. Hinsichtlich der weitergehenden Ansprüche war demgegenüber seine Berufung abzuweisen und auf die Berufung der Beklagten das sozialgerichtliche Urteil entsprechend abzuändern.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision hat der Senat nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
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