Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 18 R 35/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 R 296/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 R 417/08 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Düsseldorf vom 28.09.2006, sowie unter Aufhebung des Bescheides vom 06.06.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2006 verurteilt, eine Ghettobeitragszeit der Klägerin im Zeitraum vom 01.10.1941 bis einschließlich März 1943 festzustellen und der Klägerin Regelaltersrente ab 01.07.1997 unter Berücksichtigung von Ersatzzeiten, nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Revision wird nicht zugelassen. Die Beklagte trägt die Kosten des gesamten Verfahrens einschließlich des Widerspruchsverfahrens.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Altersrente unter Berücksichtigung von Ghetto-Beitragszeiten im Ghetto Wilna. Streitig ist, inwieweit Ghetto-Beitragszeiten im Zeitraum vom 01.10.1941 bis Juni 1943 festzustellen sind.
Die am 00.00.1927 geborene Klägerin ist jüdischen Glaubens und Verfolgte des Nationalsozialismus. Sie lebt in Israel und besitzt die israelische Staatsangehörigkeit.
Sie hat zur israelischen Sozialversicherung für 227 Monate Beiträge entrichtet.
Die Klägerin wurde im Jahr 1941 zwangsweise in das Ghetto Wilna gebracht. Während ihres Aufenthaltes im Ghetto Wilna verrichtete sie landwirtschaftliche Tätigkeiten.
Am 23.10.2002 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Altersrente unter Berücksichtigung von Ghetto-Beitragszeiten. Sie gab an, sie habe sich von Juni 1941 bis ca. September 1943 zwangsweise im Ghetto Wilna aufgehalten. Dort habe sie in der Landwirtschaft in einer Kindergruppe gearbeitet. Hierfür habe sie als Arbeitsverdienst Sonderverpflegung mit Essens-Karten erhalten. Diese Angaben ergänzte die Klägerin in einem Fragebogen vom 05.05.2005 dahingehend, dass sie auf den Feldern gearbeitet habe. Beim Fußmarsch zur Arbeit sei sie leicht bewacht worden, während der Arbeit wiederum nicht kontrolliert worden. Die Arbeit habe sie durch eigenes Bemühen über den Judenrat erhalten. Konkret habe die Arbeit darin bestanden, Kartoffeln einzusammeln, die Kraut- und Karottenernte durchzuführen, rote Rüben zu pflanzen und zu ernten, zeitweise auch Gurken und Tomaten zu ernten. Ansonsten habe sie die Felder gereinigt und Ernte- und Säarbeiten verrichtet. Für diese ganztägige Arbeit habe sie Verpflegung, übrig gebliebenes Gemüse und einmal wöchentlich "wenig Geld" erhalten. Eventuelle Zeugen zu dieser Tätigkeit seien sämtlich verstorben.
Die Beklagte zog die Akte des Landesamtes für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg - Wiedergutmachungsstelle - bei und wertete diese aus. In einem in der dortigen Entschädigungsakte befindlichen Antrag auf Gewährung einer Entschädigung wegen Schaden an Freiheit mit Datum vom 04.06.1950, gab die Klägerin an, vom 01.10.1941 bis Juni 1943 im Ghetto Wilna ihrer Freiheit beraubt gewesen zu sein. Diese Angaben der Klägerin wurden durch eidesstattliche Erklärung der Zeuginnen D G und D N vom 15.09.1963 bestätigt. Sie seien mit der Klägerin im Ghetto Wilna bis zum Jahre 1943 zusammen gewesen. Im Ghetto sei die Klägerin an Bauch-Typhus erkrankt und habe Magenbeschwerden bekommen. Sie habe stark abgenommen und sei dann ins Zwangsarbeitslager verschickt worden. Gegenüber einem im Entschädigungsverfahren beauftragten ärztlichen Gutachter schilderte die Klägerin ihr Verfolgungsschicksal im Ghetto als sehr hart. Sie habe Zwangsarbeit verrichten müssen, es habe Hunger und Schläge gegeben, immer wieder seien Menschen von den Nazis abgeholt worden. Ihre Familie sei dort umgekommen.
Unter Auswertung der beigezogenen Entschädigungsakte und der Angaben der Klägerin lehnte die Beklagte die Gewährung einer Altersrente mit Bescheid vom 06.06.2005 ab. Es sei nicht glaubhaft, dass die Klägerin eine aus eigenem Willensentschluss zustande gekommene Beschäftigung gegen Entgelt ausgeübt habe. Im Übrigen habe die Klägerin unterschiedliche Angaben zur Entlohnung gemacht. Nach den Angaben im Rentenantragsvordruck vom 20.07.2003 habe sie eine Sonderverpflegung mit Essens-Karten angegeben, während im Fragebogen vom 05.05.2005 von einer Entlohnung in Geld die Rede sei. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26.01.2006 als unbegründet zurück. Es sei nicht erkennbar, aus welchen Gründen der angefochtene Bescheid fehlerhaft sein solle, zumal konkrete Anhaltspunkte nicht vorgebracht seien.
Hiergegen hat die Klägerin fristgerecht Klage zum Sozialgericht Düsseldorf erhoben. Zur Begründung hat sie darauf verwiesen, sie habe die Tätigkeiten in der Landwirtschaft freiwillig ausgeübt. Diese Arbeit sei ihr von der Arbeitsverwaltung des Judenrates vermittelt worden. Sie habe für die Tätigkeit Lohn in Form von Sachbezügen, wie z. B. einmal wöchentlich Lebensmittel zur Mitnahme, erhalten. Daneben habe sie Kleidung, eine bessere Unterkunft und Heizmaterial bekommen. Zusätzlich seien aber auch Lebensmittel-Coupons und Bargeld gewährt worden. Zwar falle ihr die Erinnerung schwer, sie sei sich aber sicher, die gleiche Entlohnung wie alle anderen Beschäftigten erhalten zu haben. Zur weiteren Begründung der Klage hat die Klägerin eine eidesstattliche Erklärung vom 08.01.2006 vorgelegt, wonach sie die Feldarbeit wegen der besonderen Versorgung und Mitnahmemöglichkeit von Lebensmitteln gewählt habe. Die Angaben im Entschädigungsverfahren seien darauf zurückzuführen, dass ihr damals "aufgetragen worden sei" nur von den unmenschlichen Bedingungen und allen Krankheiten zu berichten, um die "Gesundheitsrente" zu erhalten.
Die Klägerin hat beantragt,
Die Beklagte zu verurteilen, unter Aufhebung des Bescheides vom 06.06.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2006, die Tätigkeiten von Juni 1941 bis September 1943 als glaubhaft gemachte Beitragszeiten nach dem ZRBG anzuerkennen und die Regelaltersrente ab 01.07.1997 unter Berücksichtigung der weiteren Verfolgungszeiten als Ersatzzeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf die angefochtenen Bescheide verwiesen.
Das Sozialgericht hat die Entschädigungsakten der Klägerin beigezogen und ausgewertet.
Mit Urteil vom 28.09.2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und ausgeführt, die Angaben im Entschädigungsverfahren sprächen gegen eine Aufnahme von Tätigkeiten im Ghetto aus eigenem Willensentschluss. Den dortigen Angaben lasse sich entnehmen, dass die Arbeiten Zwangsarbeiten gewesen sein. Hierfür sprächen die wörtlich bezeichneten "ungewohnten schweren Zwangsarbeiten" und der beschriebene "ständig nagende Hunger". Im übrigen sei auch nicht glaubhaft, dass die Tätigkeit entgeltlich gewesen sei. Bereits die eigenen Angaben der Klägerin hierzu seien nicht in Übereinstimmung zu bringen.
Hiergegen richtet sich die fristgemäße Berufung der Klägerin, die vorträgt, das auch das Ghetto Wilna, in der Region "Ostland", dem Geltungsbereich des "Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto" (ZRBG) unterliege. Selbst die Beklagte gehe davon aus, dass leichte Beschäftigungen in Werkstätten dort nicht auszuschließen seien. Zur weiteren Begründung verweist die Klägerin darauf, dass Zwangsarbeit nur bei schweren und gefährlichen Arbeiten in Arbeitsbrigaden unterstellt werden könne. Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,
die Beklagte zu verurteilen, ihren Bescheid vom 06.06.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2006 aufzuheben und die Tätigkeiten vom 01.10.1941 bis Juni 1943 als glaubhaft gemachte Beitragszeiten nach dem ZRBG festzustellen und die Regelaltersrente ab dem 01.07.1997 unter Berücksichtigung der weiteren Verfolgungszeit als Ersatzzeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Die konkreten Angaben der Klägerin und der im Entschädigungsverfahren gehörten Zeuginnen ließen eine freiwillige entgeltliche Beschäftigung als nicht glaubhaft gemacht erscheinen.
Der Senat hat Auskünfte der Jewish Claims Conference (JCC) eingeholt, wonach die Klägerin eine Entschädigung aufgrund des Verfolgungsschicksals im Ghetto Riga in den Jahren 1943 bis 1945 erhält. Eine Rente nach dem Artikel-2-Fonds bezieht sie danach nicht. Daneben hat die Klägerin weitere Erklärungen zu ihrem Verfolgungsschicksal mit Datum vom 29.11.2007 und undatiert (bei Gericht eingegangen am 30.11.2007) abgegeben. In den Erklärungen hat die Klägerin angegeben, sie habe für die Arbeit Gehalt und Essen am Arbeitsplatz und Gemüse zum Mitnehmen erhalten. Sie habe gegenüber Yad Vashem, dem Holocaust Memorial Center und der Steven Spielberg Foundation keinerlei Angaben gemacht, um sich an diese Zeit nicht mehr erinnern zu müssen. Im Übrigen sei sie stolz gewesen, ihre Tante H und die Eltern durch die Arbeit mitversorgt zu haben. Mit dem Geld habe sie anfangs auch noch alles erhalten können, später sei dies schwieriger geworden.
Darüber hinaus hat der Senat Beweis erhoben durch Beiziehung des unter anderem im Verfahren S 20 RJ 1843/04 vor dem Sozialgericht Hamburg erstatteten historischen Gutachtens des Prof. Dr. Golczewski und des Gutachtens des Dr. Tauber aus dem Verfahren S 15 R 116/05 vom 19.01.2007, sowie der Unterlagen der Beklagten zum Ghetto Wilna. Der Senat hat dieses Gutachten zur Region Reichskomissariat Ostland, Weißrussland, zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig und überwiegend begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und beschweren die Klägerin im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) , soweit die Beklagte die Feststellung von sogenannten Ghettobeitragszeiten im Zeitraum von 1.10.1941 bis einschließlich März 1943 abgelehnt hat. Über diesen Zeitraum hinausgehende Beitrags-Zeiten hat die Beklagte mit den angefochtenen Bescheiden zutreffend verneint abgelehnt. Die Klägerin hat Anspruch auf Altersrente.
Der Anspruch auf Altersrente folgt nach ständiger Rechtsprechung des Senats, allein aus dem 6. Buch Sozialgesetzbuch ( SGB VI ) , ohne dass das Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto ( ZRBG ) eine eigenständige Anspruchsgrundlage darstellen würde ( vgl. hierzu mit weiteren Nachweisen , Urteil des erkennenden Senats vom 28.1.2008, Az.: L 8 RJ 139/04 ). Anspruchsgrundlage ist daher auch im Falle der Klägerin § 35 SGB VI. Trotz Auslandswohnsitzes der Klägerin ist diese Vorschrift anwendbar ( vgl. BSG , Urteil vom 14.7.1999, B 13 RJ 75/98 R ; BSG, Urteil vom 13.8.2001, B 13 RJ 59/00 R ).
Nach § 35 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Altersrente , wenn sie das 65. Lebensjahr vollendet und die allgemeine Wartezeit von 5 Jahren erfüllt haben. Als auf die Wartezeit anrechenbare Versicherungszeiten kommen hier nur Beitrags - und Ersatzzeiten im Sinne der §§ 50 Abs.1 Nr. 1 , 51 Abs.1 und 4 SGB VI in Betracht. Dabei finden nach § 250 Abs. 1 SGB VI Ersatzzeiten allerdings nur dann Berücksichtigung, wenn vor Beginn der Rente zumindest ein Beitrag wirksam entrichtet worden ist oder als wirksam entrichtet gilt, denn Ersatzzeiten sollen nach dem Gesetzeswortlaut nur " Versicherten", das heißt Personen zugute kommen, die bereits Beitragszeiten erbracht haben ( BSG Urteil vom 7.10.2004, B 13 RJ 59/03 R mit weiteren Nachweisen ).
Da anderweitige Beitragszeiten von der Klägerin nicht behauptet worden sind, hatte der Senat zu prüfen, inwieweit die im Zeitraum ab Oktober 1941 bis Juni 1943 verrichtete Tätigkeit der Klägerin im Ghetto Wilna eine Beitragszeit zu begründen geeignet ist. Dies ist zumindest für den Zeitraum 1.10.1941 bis März 1943 der Fall. Darüber hinausgehende Beitragszeiten lassen sich zugunsten der Klägerin nicht feststellen.
Beitragszeiten sind Zeiten, für die nach dem Bundesrecht oder den Reichsversicherunsgesetzen Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind ( § 55 Abs. 1 Satz 1, 247 Abs.3 Satz 1 SGB VI ) oder als gezahlt gelten ( § 55 Abs. 1 Satz 2 SGB VI ).
Für die Tätigkeit der Klägerin im Ghetto Wilna gelten Beiträge im oben genannten Zeitraum als gezahlt.
1. Nach § 2 Abs.1 ZRBG gelten Beiträge als gezahlt für Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto. Voraussetzung ist gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 ZRBG , dass die Verfolgten sich zwangsweise in einem Ghetto aufgehalten haben, das in einem vom Deutschen Reich besetzten oder ihm eingegliederten Gebiet gelegen hat. ( siehe unter a )) und dort eine Beschäftigung aus eigenem Willensentschluß gegen Entgelt ausgeübt haben ( siehe hierzu unter b )). Ferner darf für die betreffenden Zeiten nicht bereits eine Leistung aus einem System der sozialen Sicherheit erbracht werden. Die Anspruchsvoraussetzungen für einen Anspruch nach dem ZRBG müssen glaubhaft gemacht werden ( § 1 Abs. 2 ZRBG in Verbindung mit § 3 Gesetz zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung ( WGSVG )). Glaubhaft gemacht ist eine Tatsache , wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche verfügbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist, das heißt mehr für als gegen sie spricht, wobei gewisse noch verbleibende Zweifel unschädlich sind ( vgl. BSG , Beschluss vom 8.8.2001, B 9 V 23/01 B SozR - 3900 § 15 Nr. 4 ).
Für den Senat ist glaubhaft, dass die Klägerin als Verfolgte des Nationalsozialismus anzusehen ist. Dies steht aufgrund der glaubhaften Schilderung des durch Verfolgung erlittenen Unrechts ebenso fest, wie aufgrund der Anerkennung durch Bescheid nach dem Bundesentschädigungsgesetz (BEG). Zugleich steht fest, das die Klägerin keine anderweitige Leistung aus einem System der sozialen Sicherheit für die geltend gemachten Zeiträume erhält. Weder erhält die Klägerin aus der deutschen Rentenversicherung entsprechende Leistungen , noch werden in der israelischen Sozialversicherung Zeiten vor dem 1.1.1954 berücksichtigt, wie dem Senat aus einer Vielzahl von Verfahren bekannt ist. Anderweitige soziale Sicherungssysteme aus denen der Klägerin Leistungen für die hier geltend gemachten Zeiträume beanspruchen könnte, sind nicht ersichtlich.
a) Die Klägerin hat im streitigen Zeitraum in Wilna gelebt, das ab Juni 1941 und damit im streitigen Zeitraum vom deutschen Reich besetzten Gebiet ( vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 2 ZRBG ) gelegen hat. Mit den historischen Unterlagen der Beklagten geht der Senat davon aus, dass ab dem 6.9.1941 bis zum 23./24.9.1943 in Wilna ein geschlossenes Ghetto bestanden hat.
Zur Auslegung des Begriffs " Ghetto" schließt sich der Senat Inhalt und Begründung des 13.Senats des LSG Nordrhein – Westfalen vom 15.12.2006 ( L 13 RJ 112/04 ; Sozialgerichtsbarkeit.de ) an. Danach ist ein Ghetto eine Stadt, ein Stadtteil oder ein Viertel, in dem die jüdische Bevölkerung untergebracht wurde, und zwar im Wege der Absonderung, Konzentration und Internierung. Eine Schließung des Ghettos, im Sinne einer Umzäunung oder bewaffneten Bewachung nach dem Vorbild z.B. des Ghettos Lodz ist dabei nicht erforderlich. Der Beginn der Absonderung ist regelmäßig mit der Verpflichtung der jüdischen Bevölkerung anzunehmen, ein Kennzeichen zu tragen, dass sie als Juden von der anderen Bevölkerung unterscheidet. Weiteres charakteristisches Kennzeichen ist die Verhängung eines Judenbanns für einzelne Stadtbereiche und die Verhängung strenger Wirschafts - und Verkehrsbeschränkungen. Das Merkmal der Konzentration der jüdischen Bevölkerung ist insbesondere gekennzeichnet durch eine Beschränkung der Freizügigkeit im Verhältnis zu anderen Städten und ( zusätzlich ) innerhalb des Stadtgebiets, die Zuweisung des Wohngebiets, wobei eine bloße Zwangsumsiedlung aus einzelnen Stadtgebieten noch nicht zur Konzentration führt, die Einrichtung einer speziellen jüdischen Verwaltung ( " Judenrat" ) und eines jüdischen Ordnungsdienstes ( " Ghettopolizei") sowie die Bildung einer spezifischen jüdischen Arbeitsorganisation ( "jüdisches Arbeitsamt" ). Nicht notwendig ist dagegen, dass in den Konzentrationsbezirken ausschließlich jüdische Bevölkerung gelebt hat. Die internierungsähnlichen Umstände ergeben sich im Regelfall aus den jeweiligen Wohn- und Lebensumständen. Für eine Internierung der jüdischen Bevölkerung kann es insbesondere sprechen, dass ihr nur ein geringerer Wohnraum als vor der Ghettoisierung zugestanden wird.
Nach diesen Kriterien geht der Senat davon aus, dass in Wilna am 6.9.1941 ein Ghetto errichtet worden ist. Das ergibt sich aus den im Wege des Urkundsbeweises in das Verfahren eingeführten historischen Unterlagen der Beklagten zum Ghetto Wilna. Inhaltlich ist diesen historischen Erkenntnissen auch die Klägerin nicht entgegengetreten.
Für den Senat bestehen keine Zweifel , dass die Klägerin sich im Ghetto aufgehalten hat, auch wenn diese offensichtlich täglich außerhalb des Ghettos landwirtschaflich gearbeitet hat, da sie täglich in das Ghetto zurückgekehrt ist.
b) Es ist für den Senat auch glaubhaft, dass die Klägerin die landwirtschaftlichen Arbeiten ausgeübt hat. Damit hat die Klägerin die Voraussetzungen des § 1 Abs.1 Nr. 1 ZRBG erfüllt, nämlich eine Arbeit aus eigenem Willensentschluß aufgenommen ( § 1 Abs. 1 Nr.1 a ZRBG) und diese Tätigkeit gegen Éntgelt ( § 1 Abs. 1 Nr. 1 b ZRBG) ausgeübt.
aa) Der erkennende Senat hält es weiterhin für erforderlich, den in § 1 Abs. 1 Nr. 1 ZRBG beschriebenen Typus der Beschäftigung von der Zwangsarbeit nach dem Vorbild des sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses abzugrenzen ( s.hierzu Urteil des Senats vom 28.1.2008, Az.: L 8 RJ 139/04 rechtskräftig, mit weiteren Nachweisen ) Maßgebend hierfür sind die Kriterien, die das BSG in der sogenannten Ghetto - Rechtsprechung ( vgl. BSG, Urteil vom 18.6.1997, 5 RJ 66/95 ; vom 21.4.1999, B 5 RJ 48/98 R ; vom 14.7.1999, a.a.O.) entwickelt hat. Danach ist neben der freiwilligen Aufnahme und Ausübung der Arbeit auch die Gewährung eines Entgelts erforderlich, das nach Art und Höhe eine versicherungspflichtige Beschäftigung begründen kann.
bb)
Der Senat hält es für glaubhaft gemacht, dass die Klägerin zumindest in der Zeit von 1.10.1941 bis einschließlich März 1943 landwirtschaftliche Arbeiten in Wilna verrichtet hat.
Dass die Klägerin diese Arbeiten ausgeübt hat, ergibt sich aus ihren wiederholten Erklärungen im Verwaltungs- und Klageverfahren. Bereits bei dem Antrag auf Gewährung einer Altersrente hat die Klägerin ihre Beschäftigung in der Landwirtschaft mit den Worten " auf den Feldern, in der Landwirtschaft" beschrieben. Der Senat hält diese wiederholten Angaben zur Beschäftigung in der Landwirtschaft auch deshalb für glaubhaft, da die Klägerin diese inhaltlich stark konturiert und beschrieben hat. So war die Klägerin sehr wohl noch in der Lage diese Arbeiten jeweils in Teiltätigkeiten aufzuspalten und inhaltlich näher zu beschreiben ( " rote Rüben pflanzen, Tomaten und Gurken zeitweise" ). In Anbetracht der im Klageverfahren durchgängigen Berufung auf die verrichteten Feldarbeiten hat der Senat die Verrichtung dieser Arbeiten als glaubhaft gemacht angesehen.
Gegen diese Annahme sprechen auch nicht fehlende Angaben hierzu in der beigezogenen Entschädigungsakte. Denn nachvollziehbar verweist die Klägerin auf die unterschiedliche Motivlage im Entschädigungsverfahren, wobei die besondere Zwanghaftigkeit des Aufenthaltes im Ghetto noch betont werden sollte.
Gegen eine durchgängige Beschäftigung der Klägerin in der Landwirtschaft im streitigen Zeitraum ergeben sich keine durchgreifenden Bedenken.
cc) Für den Senat ist auch glaubhaft, dass es sich bei der von der Klägerin ausgeübten Beschäftigung um eine Beschäftigung aus eigenem Willensentschluß ( 1 ) im Ghetto Wilna ( 2 ) gehandelt hat.
(1) Die Klägerin hat bei ihrer Tätigkeit in der Landwirtschaft eine Beschäftigung aus eigenem Willensentschluß ausgeübt. Der Senat folgt dabei den Kriterien, die vom BSG zur Abgrenzung zur versicherungspflichtigen Beschäftigung und zur Zwangsarbeit entwickelt worden sind ( vgl. BSG, Urteil vom 14.7.1999 und vom 23.8.2001, aaO ).
Danach lässt sich feststellen, dass nach den eigenen glaubhaften Bekundungen der Klägerin, diese offensichtlich Weisungen hinsichtlich des Ortes , der Zeit und der Arbeit unterlegen hat. Die Klägerin war als Mitglied der landwirtschaftlichen " Kindergruppe" in die Arbeitsorganisation eingebunden. Unerheblich sind die zur Aufnahme der Arbeit führenden Beweggründe und sonstigen Lebensumstände im Ghetto (vgl. Urteil des Senats des BSG vom 12.12.2007 - L 8 R 187/07 -). Es ist auch nicht anspruchsvernichtend , dass die Klägerin auf dem Weg zur Arbeit einer Bewachung unterlegen hat, weil diese ausschließlich dazu diente, eine Flucht aus dem Ghetto zu verhindern und daher nicht den Arbeitsumständen zuzurechnen ist. Dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Aufnahme der Arbeit erst 14 Jahre alt war ist gleichfalls unschädlich, zumal der Gesetzgeber beschränkt Geschäftsfähige ab Vollendung des 7.Lebensjahres auch schon seinerzeit für grundsätzlich in der Lage gehalten hat, die Entscheidung zur Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses zu treffen ( vgl. § 113 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch ). Demgegenüber ist die Tätigkeit der Klägerin nicht so weitgehend von hoheitlichen Eingriffen überlagert worden, denen sie sich nicht entziehen konnte, dass dies der Annahme einer Beschäftigung aus eigenem Willensentschluß entgegen stünde. Keine der in den Akten befindlichen Erklärungen zu den Arbeitsumständen lässt erkennen, dass die Arbeit der Klägerin dort konkret hoheitlich veranlasst worden ist bzw. dass auf der Arbeitsstelle eine Bewachung oder z.B. hoheitlich veranlasste Misshandlungen stattgefunden hätten. Allein, dass in der Entschädigungsakte von " Zwangsarbeit" die Rede ist, lässt noch keine andere Schlussfolgerung zu, wie der erkennende Senat im oben genannten Urteil L 8 R 187/07 vom 12.12.2007 mit näherer Begründung dargelegt hat. Die Freiwilligkeit erscheint schon daher dem Senat als glaubhaft gemacht, da die Klägerin die besonders guten Verpflegungsmöglichkeiten bei der landwirtschaftlichen Arbeit wiederholt betont hat. Dies steht in Übereinstimmung mit den historischen Erkenntnissen des Sachverständigen Dr. Tauber, wonach die Arbeit in "Bewirtschaftungsbetrieben" zu den begehrtesten und gesuchtesten Arbeitsplätzen zählte.
Allerdings gilt die Annahme der Freiwilligkeit nur unter Berücksichtigung der historischen Fakten. So steht für den Senat nach dem historischen Gutachten des Dr. Tauber fest, dass ab dem April 1943 im Ghetto Wilna mindestens 15- jährige Kinder einem Arbeitszwang unterlagen. In diesem Zusammenhang spricht das historische Gutachten von einer "Strafandrohung zur Arbeit". Ab diesem Zeitpunkt vermag der Senat daher nicht mehr von einem freiwilligen Arbeitsverhältnis der 1927 geborenen Klägerin auszugehen. Die Zeiträume nach März 1943 können daher vorliegend nicht als Zeiträume im Sinne des ZRBG Anerkennung finden.
(2) Ihre Beschäftigung hat die Klägerin auch im Ghetto Wilna verrichtet, auch wenn die Felder als Arbeitsstätte außerhalb des Ghettos lagen. Denn auch Arbeiten außerhalb des räumlichen Bereichs des Ghettos werden von § 1 Abs. 1 Satz 1 ZRBG erfasst, wenn sie Ausfluss einer im Ghetto aufgenommenen Beschäftigung sind. Hierfür reicht es , dass die Arbeit dem Verfolgten von einem Unternehmer oder einer Ghetto - Autorität, hier nach den Angaben der Klägerin, dem örtlichen Judenrat, im Ghetto angeboten worden ist. Dies ist der Fall bei der Klägerin, die glaubhaft gemacht hat, die Arbeit durch Vermittlung des Judenrates des Ghettos Wilna erhalten zu haben.
dd) Darüber hinaus ist auch glaubhaft gemacht, dass die Klägerin die Beschäftigung in der Landwirtschaft gegen Entgelt im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 b ) ZRBG verrichtet hat.
(1) Zur Bestimmung des Entgelts i. S. d. § 1 ZRBG geht der Senat von folgenden Grundsätzen aus:
Entgelt in diesem Sinne ist als ein die Versicherungspflicht in der deutschen Rentenversicherung begründendes Entgelt anzusehen (BSG, Urteil vom 7.10.2004, aaO). Maßgebend sind hierbei die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung ( RVO) in der im Streitzeitraum geltenden Fassung ( aF). Zum Entgelt gehören dabei nach § 1160 RVO aF neben Gehalt oder Lohn auch Gewinnanteile, Sach- und andere Bezüge, die der Versicherte, wenn auch nur gewohnheitsmäßig , statt des Gehalts oder Lohnes oder neben ihm von dem Arbeitgeber oder einem Dritten erhält. Jedoch war eine Beschäftigung, für die als Entgelt nur freier Unterhalt gewährt wurde, versicherungsfrei ( § 1227 RVO aF; BSG, Urteil vom 30.11.1983, 4 RJ 87/92; vom 7.10.2004, aao; Mentzel/Schulz/Sitzler, Kommentar zum Versicherungsgesetz für Angestellte, 1913, § 7 Anmerkung 3; RVO mit Anmerkungen, Kommentar zur RVO herausgegeben von Mitgliedern des Reichsversicherungsamtes 1930, § 1227 RVO, Anmerkung 1 ff.). Als freier Unterhalt im Sinne von § 1227 RVO aF ist dabei dasjenige Maß von wirtschaftlichen Gütern anzusehen, das zur unmittelbaren Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse des Arbeitnehmers erforderlich ist, nicht aber das, was darüber hinaus geht. Zum freien Unterhalt gehören insbesondere Unterkunft, Beköstigung und Kleidung. Die betreffenden Sachbezüge müssen nach Art und Maß zur Bestreitung des freien Unterhalts geeignet und bestimmt sein. Bei Gewährung von Lebensmitteln ist zu prüfen, ob sie nach Umfang und Art des Bedarfes unmittelbar zum Verbrauch oder Gebrauch gegeben werden ( dann freier Unterhalt) oder aber zur beliebigen Verfügung, wie es z.B. bei Deputaten der Fall ist. Die Grenze des freien Unterhalts ist dann überschritten, wenn die gewährte Menge erheblich das Maß des persönlichen Bedarfs übersteigt. Das ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die gewährten Sachbezüge ausreichen, nicht nur den freien Unterhalt des Beschäftigten selbst, sondern auch eines nicht bei demselben Arbeitgebers beschäftigten Familienangehörigen sicherzustellen (vgl. Verband deutscher Rentenversicherer, Kommentar zur RVO, 5. Auflage 1954, § 1228 Rn5). Stehen Art und Umfang gewährter Lebensmittel bzw. Sachbezüge nach Ausschöpfung aller sonstigen Beweismittel , z.B. der glaubhaften Angaben der Klägerin bzw. des Klägers, vernommener Zeugen, Angaben in einem Sachverständigengutachten oder aufgrund eindeutiger historischer Quellen nicht fest, so kann ein entsprechender Umfang im Einzelfall als glaubhaft gemacht angesehen werden, wenn die gute Möglichkeit besteht, dass ein Dritter, insbesondere ein Familienangehöriger, hiervon über einen erheblichen Zeitraum zumindest entscheidend mitversorgt worden ist ( so genanntes Hilfskriterium bei Beweisnot; vgl. Senat, Urteil vom 6.6.2007 aaO ). Da andererseits unter den freien Unterhalt im Sinne des § 1227 RVO aF nur Sachleistungen fallen, berührt die Vorschrift nicht die Versicherungspflicht von Geldleistungen, auch wenn diese den unbedingt zum Lebensunterhalt erforderlichen Betrag nicht erreichten.
Die Ausgabe von Lebensmittelkarten oder - Coupons unter Ghettobedingungen ist dabei als Gewährung von Sachbezügen, nicht als Geldleistung anzusehen, wenn sie nicht frei tauschbar waren. Ebenso wie die im Reichsgebiet während des zweiten Weltkrieges an die dortige Bevölkerung ausgegebenen Lebensmittelkarten stellen sie dann lediglich eine Urkunde zur Bescheinigung dar, dass der Inhaber das auf der Karte bescheinigte Lebensmittel in der dort genannten Menge erhalten durfte ( vgl. Reichsgericht, Urteil vom 13.11.1917, V 523/17 ) Insoweit dienten sie insbesondere der Verwaltung und Verteilung rationierter Verbrauchsgüter. Während die Inhaber von Lebensmittelkarten im Reichsgebiet jedoch neben der Abgabe der Karte, die hierauf bescheinigten Lebensmittel noch bezahlen mussten, fand in den Ghettos regelmäßig keine zusätzliche Barzahlung statt. Allein die Abgabe des Lebensmittel - Coupons begründete daher den Anspruch auf Übereignung der entsprechenden Lebensmittel nach Art und Menge, freilich ggf. nach Maßgabe des vorhandenen Vorrats. Dieser Unterschied rechtfertigt es jedoch nicht, die den Verfolgten in Ghettos ausgehändigten Lebensmittelkarten / - Coupons als Geldleistungen und Ersatz hierfür anzusehen. Vielmehr beschränkte sich ihre Funktion darauf, die Zuteilung von Lebensmitteln an die Inhaber der Coupons zu organisieren. Es macht daher wertungsmäßig keinen Unterschied, ob die Betreffenden die Lebensmittel unmittelbar in Naturalien oder auf dem Umweg des Eintausches eines entsprechenden Coupons im Ghetto in einem Geschäft oder beim Judenrat erhielten, zumal für die jeweilige Organisation der Lebensmittelversorgung auch rein praktische, an den örtlichen Bedingungen orientierte Erwägungen maßgebend gewesen sein mögen. In diesem Zusammenhang bedarf es auch keiner Untersuchung, ob im Einzelfall Tauschgeschäfte mit Lebensmittel - Coupons möglich waren, zumal derartige Geschäfte grundsätzlich auch mit bereits in Natur gewährten Lebensmitteln vorstellbar erscheinen. Die Gewährung von Lebensmittel - Coupons überschreitet danach den versicherungsfreien Unterhalt im Sinne des § 1227 RVO aF nur dann, wenn die auf den Coupons bezeichneten Lebensmittel nach Art und Umfang das Maß des persönlichen Bedarfs übersteigen und somit als zur freien Verfügung gewährt angesehen werden können.
(2) Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist glaubhaft, dass die Klägerin für die landwirtschaftliche Arbeit im Ghetto Wilna mehr als lediglich freien Unterhalt erhalten hat. Sie hat in den verschiedenen abgegebenen Erklärungen durchgängig erklärt, Verpflegung am Feld und minimal Geld erhalten zu haben. Mit ihrer Erklärung vom 8.1.2006, erneut bestätigt durch Erklärung vom 11.3.2008, hat die Klägerin ebenfalls glaubhaft ergänzt , auch Lebensmittelcoupons erhalten zu haben. In diesem Zusammenhang hat die Klägerin überzeugend betont, hierdurch auch Verwandte über einen längeren Zeitraum, nämlich Eltern und eine Tante, unterstützt zu haben. Für den Senat ist damit die Mitversorgung der genannten Verwandten glaubhaft gemacht.
Der Senat hat keine Bedenken diese erfolgte Sachverhaltsergänzung durch die Klägerin zu übernehmen, da in Anbetracht des großen zeitlichen Abstands zu den historischen Geschehnissen und unter Berücksichtigung des Lebensalters der Klägerin keine überspannten Anforderungen an die Glaubhaftmachung gestellt werden können. Immerhin zeichnen sich die ergänzenden Erklärungen der Klägerin durch eine plastische und ungekünstelte Sachverhaltsergänzung aus und gewinnen auch daraus an Überzeugungskraft. Es kann den Klägern nicht grundsätzlich verwehrt bleiben, nach längerer Prüfung des Erinnerungsvermögens, den Sachverhalt zu ergänzen und zu konkretisieren.
Im Sinne des Hilfskriteriums bei bestehender Beweisnot sieht der Senat die Entlohnung in solcher Höhe als gewährt an, das der bloße freie Unterhalt bereits überschritten ist. Denn die Klägerin war durch die Naturalverpflegung am Feld zumindest notdürftig eigenversorgt.
In diesem Zusammenhang kommt es allerdings nicht mehr auf die von der Klägerin, nach ihren eigenen Angaben ins Ghetto, geschmuggelten Lebensmittel/Feldfrüchte an, da diese gerade nicht fester Entgeltbestandteil sein sollten, da ansonsten ein Hineinschmuggeln in das Ghetto nicht erforderlich gewesen wäre. Hierzu zeigen gerade die Ausführungen im historischen Gutachten des Dr. Tauber das zumindest ab Ende April 1942 der Schmuggel von Lebensmitteln bei Androhung der Todesstrafe verboten war.
Das gewonnene Ergebnis ist für den Senat auch darin begründet, dass die Klägerin glaubhaft von " geringem Geld " das sie für die Feldarbeit erhalten hat, berichtet hat. Diese geringen Geldbeträge zeigen dem Senat ebenfalls , dass aus Sicht des damaligen Arbeitgebers eine Lohnhöhe erreicht werden sollte, die den bloßen freien Unterhalt überschreiten sollte. Ansonsten wäre aus Sicht des Arbeitgebers die zusätzliche Gewährung von Geld unterblieben. Gerade diese Gewährung von Geld, stellt für den Senat ein Hilfsindiz dar, das nur den Schluß auf ein vom Arbeitgeber beabsichtigtes Überschreiten der Lohnhöhe , über den freien Unterhalt hinaus, zulässt.
Anhaltspunkte dafür, dass das von der Klägerin empfangene Bargeld die rechtlich maßgebliche ein / Drittel - bzw. ein / Sechstel - Grenze des in Wilna für Tätigkeiten dieser Art maßgeblichen Ortslohns unterschritten haben sollte, sind weder ersichtlich noch von der Beklagten substantiiert geltend gemacht. Auch insoweit verweist der erkennende Senat zur näheren Herleitung dieser Grenze auf das bereits zitierte Senatsurteil L 8 R 187/07 vom 12.12.2007, das unter www.sozialgerichtsbarkeit.de abrufbar ist.
2. Da bereits die von der Klägerin im Zeitraum vom 1.10.1941 bis einschließlich März 1943 verrichteten Arbeiten als Beitragszeiten nach ZRBG zu berücksichtigen sind, bedarf es keines Rückgriffes auf die Vorschriften des Fremdrentengesetzes ( FRG) oder des WGSVG um die Anerkennung von Beitragszeiten zu prüfen.
Denn die Beklagte hat gem. Art. 20 Absatz 1 Satz 1 des Deutsch-Israelischen Sozialversicherungsabkommen (DISVA) die für die Klägerin in der israelischen Sozialversicherung gespeicherten 227 Beitragsmonate für die Wartezeitberechnung einzubeziehen. Damit hat die Klägerin die erforderliche Wartezeit für eine Altersrente erfüllt. Darüber hinaus hat die Beklagte durch Ersatzzeiten im Rahmen des § 250 Absatz 1 Satz 1 SGB VI festzustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da die Entscheidung allein auf tatrichterlicher Würdigung des Sachverhalts beruht und grundsätzliche Fragen nicht berührt sind. Denn das gewährte Entgelt bestand i. W. aus Bargeld, das nach allen zum ZRBG vertretenen Auffassungen den Entgeltbegriff des § 1 ZRBG erfüllt.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Altersrente unter Berücksichtigung von Ghetto-Beitragszeiten im Ghetto Wilna. Streitig ist, inwieweit Ghetto-Beitragszeiten im Zeitraum vom 01.10.1941 bis Juni 1943 festzustellen sind.
Die am 00.00.1927 geborene Klägerin ist jüdischen Glaubens und Verfolgte des Nationalsozialismus. Sie lebt in Israel und besitzt die israelische Staatsangehörigkeit.
Sie hat zur israelischen Sozialversicherung für 227 Monate Beiträge entrichtet.
Die Klägerin wurde im Jahr 1941 zwangsweise in das Ghetto Wilna gebracht. Während ihres Aufenthaltes im Ghetto Wilna verrichtete sie landwirtschaftliche Tätigkeiten.
Am 23.10.2002 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Altersrente unter Berücksichtigung von Ghetto-Beitragszeiten. Sie gab an, sie habe sich von Juni 1941 bis ca. September 1943 zwangsweise im Ghetto Wilna aufgehalten. Dort habe sie in der Landwirtschaft in einer Kindergruppe gearbeitet. Hierfür habe sie als Arbeitsverdienst Sonderverpflegung mit Essens-Karten erhalten. Diese Angaben ergänzte die Klägerin in einem Fragebogen vom 05.05.2005 dahingehend, dass sie auf den Feldern gearbeitet habe. Beim Fußmarsch zur Arbeit sei sie leicht bewacht worden, während der Arbeit wiederum nicht kontrolliert worden. Die Arbeit habe sie durch eigenes Bemühen über den Judenrat erhalten. Konkret habe die Arbeit darin bestanden, Kartoffeln einzusammeln, die Kraut- und Karottenernte durchzuführen, rote Rüben zu pflanzen und zu ernten, zeitweise auch Gurken und Tomaten zu ernten. Ansonsten habe sie die Felder gereinigt und Ernte- und Säarbeiten verrichtet. Für diese ganztägige Arbeit habe sie Verpflegung, übrig gebliebenes Gemüse und einmal wöchentlich "wenig Geld" erhalten. Eventuelle Zeugen zu dieser Tätigkeit seien sämtlich verstorben.
Die Beklagte zog die Akte des Landesamtes für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg - Wiedergutmachungsstelle - bei und wertete diese aus. In einem in der dortigen Entschädigungsakte befindlichen Antrag auf Gewährung einer Entschädigung wegen Schaden an Freiheit mit Datum vom 04.06.1950, gab die Klägerin an, vom 01.10.1941 bis Juni 1943 im Ghetto Wilna ihrer Freiheit beraubt gewesen zu sein. Diese Angaben der Klägerin wurden durch eidesstattliche Erklärung der Zeuginnen D G und D N vom 15.09.1963 bestätigt. Sie seien mit der Klägerin im Ghetto Wilna bis zum Jahre 1943 zusammen gewesen. Im Ghetto sei die Klägerin an Bauch-Typhus erkrankt und habe Magenbeschwerden bekommen. Sie habe stark abgenommen und sei dann ins Zwangsarbeitslager verschickt worden. Gegenüber einem im Entschädigungsverfahren beauftragten ärztlichen Gutachter schilderte die Klägerin ihr Verfolgungsschicksal im Ghetto als sehr hart. Sie habe Zwangsarbeit verrichten müssen, es habe Hunger und Schläge gegeben, immer wieder seien Menschen von den Nazis abgeholt worden. Ihre Familie sei dort umgekommen.
Unter Auswertung der beigezogenen Entschädigungsakte und der Angaben der Klägerin lehnte die Beklagte die Gewährung einer Altersrente mit Bescheid vom 06.06.2005 ab. Es sei nicht glaubhaft, dass die Klägerin eine aus eigenem Willensentschluss zustande gekommene Beschäftigung gegen Entgelt ausgeübt habe. Im Übrigen habe die Klägerin unterschiedliche Angaben zur Entlohnung gemacht. Nach den Angaben im Rentenantragsvordruck vom 20.07.2003 habe sie eine Sonderverpflegung mit Essens-Karten angegeben, während im Fragebogen vom 05.05.2005 von einer Entlohnung in Geld die Rede sei. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26.01.2006 als unbegründet zurück. Es sei nicht erkennbar, aus welchen Gründen der angefochtene Bescheid fehlerhaft sein solle, zumal konkrete Anhaltspunkte nicht vorgebracht seien.
Hiergegen hat die Klägerin fristgerecht Klage zum Sozialgericht Düsseldorf erhoben. Zur Begründung hat sie darauf verwiesen, sie habe die Tätigkeiten in der Landwirtschaft freiwillig ausgeübt. Diese Arbeit sei ihr von der Arbeitsverwaltung des Judenrates vermittelt worden. Sie habe für die Tätigkeit Lohn in Form von Sachbezügen, wie z. B. einmal wöchentlich Lebensmittel zur Mitnahme, erhalten. Daneben habe sie Kleidung, eine bessere Unterkunft und Heizmaterial bekommen. Zusätzlich seien aber auch Lebensmittel-Coupons und Bargeld gewährt worden. Zwar falle ihr die Erinnerung schwer, sie sei sich aber sicher, die gleiche Entlohnung wie alle anderen Beschäftigten erhalten zu haben. Zur weiteren Begründung der Klage hat die Klägerin eine eidesstattliche Erklärung vom 08.01.2006 vorgelegt, wonach sie die Feldarbeit wegen der besonderen Versorgung und Mitnahmemöglichkeit von Lebensmitteln gewählt habe. Die Angaben im Entschädigungsverfahren seien darauf zurückzuführen, dass ihr damals "aufgetragen worden sei" nur von den unmenschlichen Bedingungen und allen Krankheiten zu berichten, um die "Gesundheitsrente" zu erhalten.
Die Klägerin hat beantragt,
Die Beklagte zu verurteilen, unter Aufhebung des Bescheides vom 06.06.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2006, die Tätigkeiten von Juni 1941 bis September 1943 als glaubhaft gemachte Beitragszeiten nach dem ZRBG anzuerkennen und die Regelaltersrente ab 01.07.1997 unter Berücksichtigung der weiteren Verfolgungszeiten als Ersatzzeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf die angefochtenen Bescheide verwiesen.
Das Sozialgericht hat die Entschädigungsakten der Klägerin beigezogen und ausgewertet.
Mit Urteil vom 28.09.2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und ausgeführt, die Angaben im Entschädigungsverfahren sprächen gegen eine Aufnahme von Tätigkeiten im Ghetto aus eigenem Willensentschluss. Den dortigen Angaben lasse sich entnehmen, dass die Arbeiten Zwangsarbeiten gewesen sein. Hierfür sprächen die wörtlich bezeichneten "ungewohnten schweren Zwangsarbeiten" und der beschriebene "ständig nagende Hunger". Im übrigen sei auch nicht glaubhaft, dass die Tätigkeit entgeltlich gewesen sei. Bereits die eigenen Angaben der Klägerin hierzu seien nicht in Übereinstimmung zu bringen.
Hiergegen richtet sich die fristgemäße Berufung der Klägerin, die vorträgt, das auch das Ghetto Wilna, in der Region "Ostland", dem Geltungsbereich des "Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto" (ZRBG) unterliege. Selbst die Beklagte gehe davon aus, dass leichte Beschäftigungen in Werkstätten dort nicht auszuschließen seien. Zur weiteren Begründung verweist die Klägerin darauf, dass Zwangsarbeit nur bei schweren und gefährlichen Arbeiten in Arbeitsbrigaden unterstellt werden könne. Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,
die Beklagte zu verurteilen, ihren Bescheid vom 06.06.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2006 aufzuheben und die Tätigkeiten vom 01.10.1941 bis Juni 1943 als glaubhaft gemachte Beitragszeiten nach dem ZRBG festzustellen und die Regelaltersrente ab dem 01.07.1997 unter Berücksichtigung der weiteren Verfolgungszeit als Ersatzzeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Die konkreten Angaben der Klägerin und der im Entschädigungsverfahren gehörten Zeuginnen ließen eine freiwillige entgeltliche Beschäftigung als nicht glaubhaft gemacht erscheinen.
Der Senat hat Auskünfte der Jewish Claims Conference (JCC) eingeholt, wonach die Klägerin eine Entschädigung aufgrund des Verfolgungsschicksals im Ghetto Riga in den Jahren 1943 bis 1945 erhält. Eine Rente nach dem Artikel-2-Fonds bezieht sie danach nicht. Daneben hat die Klägerin weitere Erklärungen zu ihrem Verfolgungsschicksal mit Datum vom 29.11.2007 und undatiert (bei Gericht eingegangen am 30.11.2007) abgegeben. In den Erklärungen hat die Klägerin angegeben, sie habe für die Arbeit Gehalt und Essen am Arbeitsplatz und Gemüse zum Mitnehmen erhalten. Sie habe gegenüber Yad Vashem, dem Holocaust Memorial Center und der Steven Spielberg Foundation keinerlei Angaben gemacht, um sich an diese Zeit nicht mehr erinnern zu müssen. Im Übrigen sei sie stolz gewesen, ihre Tante H und die Eltern durch die Arbeit mitversorgt zu haben. Mit dem Geld habe sie anfangs auch noch alles erhalten können, später sei dies schwieriger geworden.
Darüber hinaus hat der Senat Beweis erhoben durch Beiziehung des unter anderem im Verfahren S 20 RJ 1843/04 vor dem Sozialgericht Hamburg erstatteten historischen Gutachtens des Prof. Dr. Golczewski und des Gutachtens des Dr. Tauber aus dem Verfahren S 15 R 116/05 vom 19.01.2007, sowie der Unterlagen der Beklagten zum Ghetto Wilna. Der Senat hat dieses Gutachten zur Region Reichskomissariat Ostland, Weißrussland, zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig und überwiegend begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und beschweren die Klägerin im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) , soweit die Beklagte die Feststellung von sogenannten Ghettobeitragszeiten im Zeitraum von 1.10.1941 bis einschließlich März 1943 abgelehnt hat. Über diesen Zeitraum hinausgehende Beitrags-Zeiten hat die Beklagte mit den angefochtenen Bescheiden zutreffend verneint abgelehnt. Die Klägerin hat Anspruch auf Altersrente.
Der Anspruch auf Altersrente folgt nach ständiger Rechtsprechung des Senats, allein aus dem 6. Buch Sozialgesetzbuch ( SGB VI ) , ohne dass das Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto ( ZRBG ) eine eigenständige Anspruchsgrundlage darstellen würde ( vgl. hierzu mit weiteren Nachweisen , Urteil des erkennenden Senats vom 28.1.2008, Az.: L 8 RJ 139/04 ). Anspruchsgrundlage ist daher auch im Falle der Klägerin § 35 SGB VI. Trotz Auslandswohnsitzes der Klägerin ist diese Vorschrift anwendbar ( vgl. BSG , Urteil vom 14.7.1999, B 13 RJ 75/98 R ; BSG, Urteil vom 13.8.2001, B 13 RJ 59/00 R ).
Nach § 35 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Altersrente , wenn sie das 65. Lebensjahr vollendet und die allgemeine Wartezeit von 5 Jahren erfüllt haben. Als auf die Wartezeit anrechenbare Versicherungszeiten kommen hier nur Beitrags - und Ersatzzeiten im Sinne der §§ 50 Abs.1 Nr. 1 , 51 Abs.1 und 4 SGB VI in Betracht. Dabei finden nach § 250 Abs. 1 SGB VI Ersatzzeiten allerdings nur dann Berücksichtigung, wenn vor Beginn der Rente zumindest ein Beitrag wirksam entrichtet worden ist oder als wirksam entrichtet gilt, denn Ersatzzeiten sollen nach dem Gesetzeswortlaut nur " Versicherten", das heißt Personen zugute kommen, die bereits Beitragszeiten erbracht haben ( BSG Urteil vom 7.10.2004, B 13 RJ 59/03 R mit weiteren Nachweisen ).
Da anderweitige Beitragszeiten von der Klägerin nicht behauptet worden sind, hatte der Senat zu prüfen, inwieweit die im Zeitraum ab Oktober 1941 bis Juni 1943 verrichtete Tätigkeit der Klägerin im Ghetto Wilna eine Beitragszeit zu begründen geeignet ist. Dies ist zumindest für den Zeitraum 1.10.1941 bis März 1943 der Fall. Darüber hinausgehende Beitragszeiten lassen sich zugunsten der Klägerin nicht feststellen.
Beitragszeiten sind Zeiten, für die nach dem Bundesrecht oder den Reichsversicherunsgesetzen Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind ( § 55 Abs. 1 Satz 1, 247 Abs.3 Satz 1 SGB VI ) oder als gezahlt gelten ( § 55 Abs. 1 Satz 2 SGB VI ).
Für die Tätigkeit der Klägerin im Ghetto Wilna gelten Beiträge im oben genannten Zeitraum als gezahlt.
1. Nach § 2 Abs.1 ZRBG gelten Beiträge als gezahlt für Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto. Voraussetzung ist gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 ZRBG , dass die Verfolgten sich zwangsweise in einem Ghetto aufgehalten haben, das in einem vom Deutschen Reich besetzten oder ihm eingegliederten Gebiet gelegen hat. ( siehe unter a )) und dort eine Beschäftigung aus eigenem Willensentschluß gegen Entgelt ausgeübt haben ( siehe hierzu unter b )). Ferner darf für die betreffenden Zeiten nicht bereits eine Leistung aus einem System der sozialen Sicherheit erbracht werden. Die Anspruchsvoraussetzungen für einen Anspruch nach dem ZRBG müssen glaubhaft gemacht werden ( § 1 Abs. 2 ZRBG in Verbindung mit § 3 Gesetz zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung ( WGSVG )). Glaubhaft gemacht ist eine Tatsache , wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche verfügbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist, das heißt mehr für als gegen sie spricht, wobei gewisse noch verbleibende Zweifel unschädlich sind ( vgl. BSG , Beschluss vom 8.8.2001, B 9 V 23/01 B SozR - 3900 § 15 Nr. 4 ).
Für den Senat ist glaubhaft, dass die Klägerin als Verfolgte des Nationalsozialismus anzusehen ist. Dies steht aufgrund der glaubhaften Schilderung des durch Verfolgung erlittenen Unrechts ebenso fest, wie aufgrund der Anerkennung durch Bescheid nach dem Bundesentschädigungsgesetz (BEG). Zugleich steht fest, das die Klägerin keine anderweitige Leistung aus einem System der sozialen Sicherheit für die geltend gemachten Zeiträume erhält. Weder erhält die Klägerin aus der deutschen Rentenversicherung entsprechende Leistungen , noch werden in der israelischen Sozialversicherung Zeiten vor dem 1.1.1954 berücksichtigt, wie dem Senat aus einer Vielzahl von Verfahren bekannt ist. Anderweitige soziale Sicherungssysteme aus denen der Klägerin Leistungen für die hier geltend gemachten Zeiträume beanspruchen könnte, sind nicht ersichtlich.
a) Die Klägerin hat im streitigen Zeitraum in Wilna gelebt, das ab Juni 1941 und damit im streitigen Zeitraum vom deutschen Reich besetzten Gebiet ( vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 2 ZRBG ) gelegen hat. Mit den historischen Unterlagen der Beklagten geht der Senat davon aus, dass ab dem 6.9.1941 bis zum 23./24.9.1943 in Wilna ein geschlossenes Ghetto bestanden hat.
Zur Auslegung des Begriffs " Ghetto" schließt sich der Senat Inhalt und Begründung des 13.Senats des LSG Nordrhein – Westfalen vom 15.12.2006 ( L 13 RJ 112/04 ; Sozialgerichtsbarkeit.de ) an. Danach ist ein Ghetto eine Stadt, ein Stadtteil oder ein Viertel, in dem die jüdische Bevölkerung untergebracht wurde, und zwar im Wege der Absonderung, Konzentration und Internierung. Eine Schließung des Ghettos, im Sinne einer Umzäunung oder bewaffneten Bewachung nach dem Vorbild z.B. des Ghettos Lodz ist dabei nicht erforderlich. Der Beginn der Absonderung ist regelmäßig mit der Verpflichtung der jüdischen Bevölkerung anzunehmen, ein Kennzeichen zu tragen, dass sie als Juden von der anderen Bevölkerung unterscheidet. Weiteres charakteristisches Kennzeichen ist die Verhängung eines Judenbanns für einzelne Stadtbereiche und die Verhängung strenger Wirschafts - und Verkehrsbeschränkungen. Das Merkmal der Konzentration der jüdischen Bevölkerung ist insbesondere gekennzeichnet durch eine Beschränkung der Freizügigkeit im Verhältnis zu anderen Städten und ( zusätzlich ) innerhalb des Stadtgebiets, die Zuweisung des Wohngebiets, wobei eine bloße Zwangsumsiedlung aus einzelnen Stadtgebieten noch nicht zur Konzentration führt, die Einrichtung einer speziellen jüdischen Verwaltung ( " Judenrat" ) und eines jüdischen Ordnungsdienstes ( " Ghettopolizei") sowie die Bildung einer spezifischen jüdischen Arbeitsorganisation ( "jüdisches Arbeitsamt" ). Nicht notwendig ist dagegen, dass in den Konzentrationsbezirken ausschließlich jüdische Bevölkerung gelebt hat. Die internierungsähnlichen Umstände ergeben sich im Regelfall aus den jeweiligen Wohn- und Lebensumständen. Für eine Internierung der jüdischen Bevölkerung kann es insbesondere sprechen, dass ihr nur ein geringerer Wohnraum als vor der Ghettoisierung zugestanden wird.
Nach diesen Kriterien geht der Senat davon aus, dass in Wilna am 6.9.1941 ein Ghetto errichtet worden ist. Das ergibt sich aus den im Wege des Urkundsbeweises in das Verfahren eingeführten historischen Unterlagen der Beklagten zum Ghetto Wilna. Inhaltlich ist diesen historischen Erkenntnissen auch die Klägerin nicht entgegengetreten.
Für den Senat bestehen keine Zweifel , dass die Klägerin sich im Ghetto aufgehalten hat, auch wenn diese offensichtlich täglich außerhalb des Ghettos landwirtschaflich gearbeitet hat, da sie täglich in das Ghetto zurückgekehrt ist.
b) Es ist für den Senat auch glaubhaft, dass die Klägerin die landwirtschaftlichen Arbeiten ausgeübt hat. Damit hat die Klägerin die Voraussetzungen des § 1 Abs.1 Nr. 1 ZRBG erfüllt, nämlich eine Arbeit aus eigenem Willensentschluß aufgenommen ( § 1 Abs. 1 Nr.1 a ZRBG) und diese Tätigkeit gegen Éntgelt ( § 1 Abs. 1 Nr. 1 b ZRBG) ausgeübt.
aa) Der erkennende Senat hält es weiterhin für erforderlich, den in § 1 Abs. 1 Nr. 1 ZRBG beschriebenen Typus der Beschäftigung von der Zwangsarbeit nach dem Vorbild des sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses abzugrenzen ( s.hierzu Urteil des Senats vom 28.1.2008, Az.: L 8 RJ 139/04 rechtskräftig, mit weiteren Nachweisen ) Maßgebend hierfür sind die Kriterien, die das BSG in der sogenannten Ghetto - Rechtsprechung ( vgl. BSG, Urteil vom 18.6.1997, 5 RJ 66/95 ; vom 21.4.1999, B 5 RJ 48/98 R ; vom 14.7.1999, a.a.O.) entwickelt hat. Danach ist neben der freiwilligen Aufnahme und Ausübung der Arbeit auch die Gewährung eines Entgelts erforderlich, das nach Art und Höhe eine versicherungspflichtige Beschäftigung begründen kann.
bb)
Der Senat hält es für glaubhaft gemacht, dass die Klägerin zumindest in der Zeit von 1.10.1941 bis einschließlich März 1943 landwirtschaftliche Arbeiten in Wilna verrichtet hat.
Dass die Klägerin diese Arbeiten ausgeübt hat, ergibt sich aus ihren wiederholten Erklärungen im Verwaltungs- und Klageverfahren. Bereits bei dem Antrag auf Gewährung einer Altersrente hat die Klägerin ihre Beschäftigung in der Landwirtschaft mit den Worten " auf den Feldern, in der Landwirtschaft" beschrieben. Der Senat hält diese wiederholten Angaben zur Beschäftigung in der Landwirtschaft auch deshalb für glaubhaft, da die Klägerin diese inhaltlich stark konturiert und beschrieben hat. So war die Klägerin sehr wohl noch in der Lage diese Arbeiten jeweils in Teiltätigkeiten aufzuspalten und inhaltlich näher zu beschreiben ( " rote Rüben pflanzen, Tomaten und Gurken zeitweise" ). In Anbetracht der im Klageverfahren durchgängigen Berufung auf die verrichteten Feldarbeiten hat der Senat die Verrichtung dieser Arbeiten als glaubhaft gemacht angesehen.
Gegen diese Annahme sprechen auch nicht fehlende Angaben hierzu in der beigezogenen Entschädigungsakte. Denn nachvollziehbar verweist die Klägerin auf die unterschiedliche Motivlage im Entschädigungsverfahren, wobei die besondere Zwanghaftigkeit des Aufenthaltes im Ghetto noch betont werden sollte.
Gegen eine durchgängige Beschäftigung der Klägerin in der Landwirtschaft im streitigen Zeitraum ergeben sich keine durchgreifenden Bedenken.
cc) Für den Senat ist auch glaubhaft, dass es sich bei der von der Klägerin ausgeübten Beschäftigung um eine Beschäftigung aus eigenem Willensentschluß ( 1 ) im Ghetto Wilna ( 2 ) gehandelt hat.
(1) Die Klägerin hat bei ihrer Tätigkeit in der Landwirtschaft eine Beschäftigung aus eigenem Willensentschluß ausgeübt. Der Senat folgt dabei den Kriterien, die vom BSG zur Abgrenzung zur versicherungspflichtigen Beschäftigung und zur Zwangsarbeit entwickelt worden sind ( vgl. BSG, Urteil vom 14.7.1999 und vom 23.8.2001, aaO ).
Danach lässt sich feststellen, dass nach den eigenen glaubhaften Bekundungen der Klägerin, diese offensichtlich Weisungen hinsichtlich des Ortes , der Zeit und der Arbeit unterlegen hat. Die Klägerin war als Mitglied der landwirtschaftlichen " Kindergruppe" in die Arbeitsorganisation eingebunden. Unerheblich sind die zur Aufnahme der Arbeit führenden Beweggründe und sonstigen Lebensumstände im Ghetto (vgl. Urteil des Senats des BSG vom 12.12.2007 - L 8 R 187/07 -). Es ist auch nicht anspruchsvernichtend , dass die Klägerin auf dem Weg zur Arbeit einer Bewachung unterlegen hat, weil diese ausschließlich dazu diente, eine Flucht aus dem Ghetto zu verhindern und daher nicht den Arbeitsumständen zuzurechnen ist. Dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Aufnahme der Arbeit erst 14 Jahre alt war ist gleichfalls unschädlich, zumal der Gesetzgeber beschränkt Geschäftsfähige ab Vollendung des 7.Lebensjahres auch schon seinerzeit für grundsätzlich in der Lage gehalten hat, die Entscheidung zur Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses zu treffen ( vgl. § 113 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch ). Demgegenüber ist die Tätigkeit der Klägerin nicht so weitgehend von hoheitlichen Eingriffen überlagert worden, denen sie sich nicht entziehen konnte, dass dies der Annahme einer Beschäftigung aus eigenem Willensentschluß entgegen stünde. Keine der in den Akten befindlichen Erklärungen zu den Arbeitsumständen lässt erkennen, dass die Arbeit der Klägerin dort konkret hoheitlich veranlasst worden ist bzw. dass auf der Arbeitsstelle eine Bewachung oder z.B. hoheitlich veranlasste Misshandlungen stattgefunden hätten. Allein, dass in der Entschädigungsakte von " Zwangsarbeit" die Rede ist, lässt noch keine andere Schlussfolgerung zu, wie der erkennende Senat im oben genannten Urteil L 8 R 187/07 vom 12.12.2007 mit näherer Begründung dargelegt hat. Die Freiwilligkeit erscheint schon daher dem Senat als glaubhaft gemacht, da die Klägerin die besonders guten Verpflegungsmöglichkeiten bei der landwirtschaftlichen Arbeit wiederholt betont hat. Dies steht in Übereinstimmung mit den historischen Erkenntnissen des Sachverständigen Dr. Tauber, wonach die Arbeit in "Bewirtschaftungsbetrieben" zu den begehrtesten und gesuchtesten Arbeitsplätzen zählte.
Allerdings gilt die Annahme der Freiwilligkeit nur unter Berücksichtigung der historischen Fakten. So steht für den Senat nach dem historischen Gutachten des Dr. Tauber fest, dass ab dem April 1943 im Ghetto Wilna mindestens 15- jährige Kinder einem Arbeitszwang unterlagen. In diesem Zusammenhang spricht das historische Gutachten von einer "Strafandrohung zur Arbeit". Ab diesem Zeitpunkt vermag der Senat daher nicht mehr von einem freiwilligen Arbeitsverhältnis der 1927 geborenen Klägerin auszugehen. Die Zeiträume nach März 1943 können daher vorliegend nicht als Zeiträume im Sinne des ZRBG Anerkennung finden.
(2) Ihre Beschäftigung hat die Klägerin auch im Ghetto Wilna verrichtet, auch wenn die Felder als Arbeitsstätte außerhalb des Ghettos lagen. Denn auch Arbeiten außerhalb des räumlichen Bereichs des Ghettos werden von § 1 Abs. 1 Satz 1 ZRBG erfasst, wenn sie Ausfluss einer im Ghetto aufgenommenen Beschäftigung sind. Hierfür reicht es , dass die Arbeit dem Verfolgten von einem Unternehmer oder einer Ghetto - Autorität, hier nach den Angaben der Klägerin, dem örtlichen Judenrat, im Ghetto angeboten worden ist. Dies ist der Fall bei der Klägerin, die glaubhaft gemacht hat, die Arbeit durch Vermittlung des Judenrates des Ghettos Wilna erhalten zu haben.
dd) Darüber hinaus ist auch glaubhaft gemacht, dass die Klägerin die Beschäftigung in der Landwirtschaft gegen Entgelt im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 b ) ZRBG verrichtet hat.
(1) Zur Bestimmung des Entgelts i. S. d. § 1 ZRBG geht der Senat von folgenden Grundsätzen aus:
Entgelt in diesem Sinne ist als ein die Versicherungspflicht in der deutschen Rentenversicherung begründendes Entgelt anzusehen (BSG, Urteil vom 7.10.2004, aaO). Maßgebend sind hierbei die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung ( RVO) in der im Streitzeitraum geltenden Fassung ( aF). Zum Entgelt gehören dabei nach § 1160 RVO aF neben Gehalt oder Lohn auch Gewinnanteile, Sach- und andere Bezüge, die der Versicherte, wenn auch nur gewohnheitsmäßig , statt des Gehalts oder Lohnes oder neben ihm von dem Arbeitgeber oder einem Dritten erhält. Jedoch war eine Beschäftigung, für die als Entgelt nur freier Unterhalt gewährt wurde, versicherungsfrei ( § 1227 RVO aF; BSG, Urteil vom 30.11.1983, 4 RJ 87/92; vom 7.10.2004, aao; Mentzel/Schulz/Sitzler, Kommentar zum Versicherungsgesetz für Angestellte, 1913, § 7 Anmerkung 3; RVO mit Anmerkungen, Kommentar zur RVO herausgegeben von Mitgliedern des Reichsversicherungsamtes 1930, § 1227 RVO, Anmerkung 1 ff.). Als freier Unterhalt im Sinne von § 1227 RVO aF ist dabei dasjenige Maß von wirtschaftlichen Gütern anzusehen, das zur unmittelbaren Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse des Arbeitnehmers erforderlich ist, nicht aber das, was darüber hinaus geht. Zum freien Unterhalt gehören insbesondere Unterkunft, Beköstigung und Kleidung. Die betreffenden Sachbezüge müssen nach Art und Maß zur Bestreitung des freien Unterhalts geeignet und bestimmt sein. Bei Gewährung von Lebensmitteln ist zu prüfen, ob sie nach Umfang und Art des Bedarfes unmittelbar zum Verbrauch oder Gebrauch gegeben werden ( dann freier Unterhalt) oder aber zur beliebigen Verfügung, wie es z.B. bei Deputaten der Fall ist. Die Grenze des freien Unterhalts ist dann überschritten, wenn die gewährte Menge erheblich das Maß des persönlichen Bedarfs übersteigt. Das ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die gewährten Sachbezüge ausreichen, nicht nur den freien Unterhalt des Beschäftigten selbst, sondern auch eines nicht bei demselben Arbeitgebers beschäftigten Familienangehörigen sicherzustellen (vgl. Verband deutscher Rentenversicherer, Kommentar zur RVO, 5. Auflage 1954, § 1228 Rn5). Stehen Art und Umfang gewährter Lebensmittel bzw. Sachbezüge nach Ausschöpfung aller sonstigen Beweismittel , z.B. der glaubhaften Angaben der Klägerin bzw. des Klägers, vernommener Zeugen, Angaben in einem Sachverständigengutachten oder aufgrund eindeutiger historischer Quellen nicht fest, so kann ein entsprechender Umfang im Einzelfall als glaubhaft gemacht angesehen werden, wenn die gute Möglichkeit besteht, dass ein Dritter, insbesondere ein Familienangehöriger, hiervon über einen erheblichen Zeitraum zumindest entscheidend mitversorgt worden ist ( so genanntes Hilfskriterium bei Beweisnot; vgl. Senat, Urteil vom 6.6.2007 aaO ). Da andererseits unter den freien Unterhalt im Sinne des § 1227 RVO aF nur Sachleistungen fallen, berührt die Vorschrift nicht die Versicherungspflicht von Geldleistungen, auch wenn diese den unbedingt zum Lebensunterhalt erforderlichen Betrag nicht erreichten.
Die Ausgabe von Lebensmittelkarten oder - Coupons unter Ghettobedingungen ist dabei als Gewährung von Sachbezügen, nicht als Geldleistung anzusehen, wenn sie nicht frei tauschbar waren. Ebenso wie die im Reichsgebiet während des zweiten Weltkrieges an die dortige Bevölkerung ausgegebenen Lebensmittelkarten stellen sie dann lediglich eine Urkunde zur Bescheinigung dar, dass der Inhaber das auf der Karte bescheinigte Lebensmittel in der dort genannten Menge erhalten durfte ( vgl. Reichsgericht, Urteil vom 13.11.1917, V 523/17 ) Insoweit dienten sie insbesondere der Verwaltung und Verteilung rationierter Verbrauchsgüter. Während die Inhaber von Lebensmittelkarten im Reichsgebiet jedoch neben der Abgabe der Karte, die hierauf bescheinigten Lebensmittel noch bezahlen mussten, fand in den Ghettos regelmäßig keine zusätzliche Barzahlung statt. Allein die Abgabe des Lebensmittel - Coupons begründete daher den Anspruch auf Übereignung der entsprechenden Lebensmittel nach Art und Menge, freilich ggf. nach Maßgabe des vorhandenen Vorrats. Dieser Unterschied rechtfertigt es jedoch nicht, die den Verfolgten in Ghettos ausgehändigten Lebensmittelkarten / - Coupons als Geldleistungen und Ersatz hierfür anzusehen. Vielmehr beschränkte sich ihre Funktion darauf, die Zuteilung von Lebensmitteln an die Inhaber der Coupons zu organisieren. Es macht daher wertungsmäßig keinen Unterschied, ob die Betreffenden die Lebensmittel unmittelbar in Naturalien oder auf dem Umweg des Eintausches eines entsprechenden Coupons im Ghetto in einem Geschäft oder beim Judenrat erhielten, zumal für die jeweilige Organisation der Lebensmittelversorgung auch rein praktische, an den örtlichen Bedingungen orientierte Erwägungen maßgebend gewesen sein mögen. In diesem Zusammenhang bedarf es auch keiner Untersuchung, ob im Einzelfall Tauschgeschäfte mit Lebensmittel - Coupons möglich waren, zumal derartige Geschäfte grundsätzlich auch mit bereits in Natur gewährten Lebensmitteln vorstellbar erscheinen. Die Gewährung von Lebensmittel - Coupons überschreitet danach den versicherungsfreien Unterhalt im Sinne des § 1227 RVO aF nur dann, wenn die auf den Coupons bezeichneten Lebensmittel nach Art und Umfang das Maß des persönlichen Bedarfs übersteigen und somit als zur freien Verfügung gewährt angesehen werden können.
(2) Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist glaubhaft, dass die Klägerin für die landwirtschaftliche Arbeit im Ghetto Wilna mehr als lediglich freien Unterhalt erhalten hat. Sie hat in den verschiedenen abgegebenen Erklärungen durchgängig erklärt, Verpflegung am Feld und minimal Geld erhalten zu haben. Mit ihrer Erklärung vom 8.1.2006, erneut bestätigt durch Erklärung vom 11.3.2008, hat die Klägerin ebenfalls glaubhaft ergänzt , auch Lebensmittelcoupons erhalten zu haben. In diesem Zusammenhang hat die Klägerin überzeugend betont, hierdurch auch Verwandte über einen längeren Zeitraum, nämlich Eltern und eine Tante, unterstützt zu haben. Für den Senat ist damit die Mitversorgung der genannten Verwandten glaubhaft gemacht.
Der Senat hat keine Bedenken diese erfolgte Sachverhaltsergänzung durch die Klägerin zu übernehmen, da in Anbetracht des großen zeitlichen Abstands zu den historischen Geschehnissen und unter Berücksichtigung des Lebensalters der Klägerin keine überspannten Anforderungen an die Glaubhaftmachung gestellt werden können. Immerhin zeichnen sich die ergänzenden Erklärungen der Klägerin durch eine plastische und ungekünstelte Sachverhaltsergänzung aus und gewinnen auch daraus an Überzeugungskraft. Es kann den Klägern nicht grundsätzlich verwehrt bleiben, nach längerer Prüfung des Erinnerungsvermögens, den Sachverhalt zu ergänzen und zu konkretisieren.
Im Sinne des Hilfskriteriums bei bestehender Beweisnot sieht der Senat die Entlohnung in solcher Höhe als gewährt an, das der bloße freie Unterhalt bereits überschritten ist. Denn die Klägerin war durch die Naturalverpflegung am Feld zumindest notdürftig eigenversorgt.
In diesem Zusammenhang kommt es allerdings nicht mehr auf die von der Klägerin, nach ihren eigenen Angaben ins Ghetto, geschmuggelten Lebensmittel/Feldfrüchte an, da diese gerade nicht fester Entgeltbestandteil sein sollten, da ansonsten ein Hineinschmuggeln in das Ghetto nicht erforderlich gewesen wäre. Hierzu zeigen gerade die Ausführungen im historischen Gutachten des Dr. Tauber das zumindest ab Ende April 1942 der Schmuggel von Lebensmitteln bei Androhung der Todesstrafe verboten war.
Das gewonnene Ergebnis ist für den Senat auch darin begründet, dass die Klägerin glaubhaft von " geringem Geld " das sie für die Feldarbeit erhalten hat, berichtet hat. Diese geringen Geldbeträge zeigen dem Senat ebenfalls , dass aus Sicht des damaligen Arbeitgebers eine Lohnhöhe erreicht werden sollte, die den bloßen freien Unterhalt überschreiten sollte. Ansonsten wäre aus Sicht des Arbeitgebers die zusätzliche Gewährung von Geld unterblieben. Gerade diese Gewährung von Geld, stellt für den Senat ein Hilfsindiz dar, das nur den Schluß auf ein vom Arbeitgeber beabsichtigtes Überschreiten der Lohnhöhe , über den freien Unterhalt hinaus, zulässt.
Anhaltspunkte dafür, dass das von der Klägerin empfangene Bargeld die rechtlich maßgebliche ein / Drittel - bzw. ein / Sechstel - Grenze des in Wilna für Tätigkeiten dieser Art maßgeblichen Ortslohns unterschritten haben sollte, sind weder ersichtlich noch von der Beklagten substantiiert geltend gemacht. Auch insoweit verweist der erkennende Senat zur näheren Herleitung dieser Grenze auf das bereits zitierte Senatsurteil L 8 R 187/07 vom 12.12.2007, das unter www.sozialgerichtsbarkeit.de abrufbar ist.
2. Da bereits die von der Klägerin im Zeitraum vom 1.10.1941 bis einschließlich März 1943 verrichteten Arbeiten als Beitragszeiten nach ZRBG zu berücksichtigen sind, bedarf es keines Rückgriffes auf die Vorschriften des Fremdrentengesetzes ( FRG) oder des WGSVG um die Anerkennung von Beitragszeiten zu prüfen.
Denn die Beklagte hat gem. Art. 20 Absatz 1 Satz 1 des Deutsch-Israelischen Sozialversicherungsabkommen (DISVA) die für die Klägerin in der israelischen Sozialversicherung gespeicherten 227 Beitragsmonate für die Wartezeitberechnung einzubeziehen. Damit hat die Klägerin die erforderliche Wartezeit für eine Altersrente erfüllt. Darüber hinaus hat die Beklagte durch Ersatzzeiten im Rahmen des § 250 Absatz 1 Satz 1 SGB VI festzustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da die Entscheidung allein auf tatrichterlicher Würdigung des Sachverhalts beruht und grundsätzliche Fragen nicht berührt sind. Denn das gewährte Entgelt bestand i. W. aus Bargeld, das nach allen zum ZRBG vertretenen Auffassungen den Entgeltbegriff des § 1 ZRBG erfüllt.
Rechtskraft
Aus
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NRW
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