L 26 B 1160/07 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
26
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 95 AS 13121/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 26 B 1160/07 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 27. Juni 2007 wird geändert. Der Antragstellerin wird für das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vor dem Sozialgericht Berlin mit Wirkung vom 19. Juni 2007 Prozesskostenhilfe gewährt und Rechtsanwältin I T, B, beigeordnet. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen. Kosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Nachdem die Antragstellerin auf richterlichen Hinweis vom 24. August 2007 hin die Beschwerde in der Hauptsache zurückgenommen hat, war vom Senat noch über die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Berlin vom 27. Juni 2007, soweit hierin die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt worden ist, sowie über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren zu entscheiden.

Die zulässige Beschwerde, soweit sie sich gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe richtet, ist begründet. Der Antragstellerin ist für das Verfahren vor dem SG Berlin Prozesskostenhilfe nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit §§ 114 Satz 1, 115, 119 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) zu gewähren.

Nach den genannten Vorschriften ist die Gewährung von Prozesskostenhilfe davon abhängig, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. Die Prüfung der Erfolgsaussichten soll jedoch nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Daher beurteilt das angerufene Gericht die Erfolgsaussicht regelmäßig ohne abschließende tatsächliche und rechtliche Würdigung des Streitstoffes. Eine hinreichende Aussicht auf Erfolg ist gegeben, wenn im Ergebnis dieser Prüfung eine "reale Chance zum Obsiegen" besteht, während sie bei einer "nur entfernten Erfolgschance" abzulehnen ist. Für eine hinreichende Erfolgsaussicht genügt, dass jedenfalls ein Teilerfolg des Antragstellers mit seinem Antrag wahrscheinlich erscheint.

An diesen Grundsätzen gemessen hatte das Antragsverfahren, mit dem die Antragstellerin am 14. Juni 2007 beim Sozialgericht Berlin die vorläufige Bewilligung von Leistungen begehrt hat, hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die Antragstellerin hatte zuvor am 20. September 2006 einen Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gestellt, auf den hin der Antragsgegner weitere Unterlagen angeforderte hatte. Es seien die kopierte Rückseite des Personalausweises, eine Meldebescheinigung, eine schriftliche Erklärung, wovon sie bisher gelebt habe, eine Verdienstbescheinigung der letzten drei Monate und das Kündigungsschreiben, der Bescheid über die Bewilligung über Leistungen der Agentur für Arbeit und die Kontoauszüge der letzten 2 Monate einzureichen. Am 11. Dezember 2006 ging der Bewilligungsbescheid über Arbeitslosengeld vom 7. Dezember 2006 ein. Weiterer Rücklauf erfolgte nicht. Am 27. Februar 2007 beantragte die Antragstellerin erneut Leistungen und vermerkte auf Blatt 1 des Antrages "Was ist mit meinem Antrag Alg II vom September 06 passiert?". Sie reichte dazu Anfang März 2007 eine Bescheinigung über erzieltes Nebeneinkommen, einen aktuellen Kontoauszug, einen Auszug ihres Sparbuches sowie weitere Unterlagen ein. Mit Schreiben vom 5. April 2007 forderte der Antragsgegner erneut (im Schreiben fettgedruckt) die Kopie der Rückseite des Personalausweises, eine schriftliche Erklärung, wovon die Antragstellerin gelebt habe, Angaben zur Haushaltsgemeinschaft, den Hauptmietvertrag und Kontoauszüge durchgehend seit dem 1. August 2006 sowie (lediglich angekreuzt) Verdienstnachweise über den Nebenverdienst seit 1. März 2007, den Bewilligungsbescheid der Agentur für Arbeit und weitere Nachweise und Erklärungen an. Sofern die Belege nicht bis zum 24. April 2007 eingereicht würden, werde die Leistung versagt. Ein Rücklauf erfolgte nicht. Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts versagte der Antragsgegner mit Bescheiden vom 24. Mai 2007. Im Verfahren vor dem Sozialgericht wies der Antragsgegner am 20. Juni 2007 auf die fehlende Mitwirkung hin. Er bewilligte Leistungen vom 1. April 2007 an mit Bescheid vom 29. Juni 2007.

Die Antragstellerin bestreitet im Beschwerdeverfahren gegen die ablehnende Entscheidung des SG vom 27. Juni 2007 die Mitwirkungsaufforderungen und die Bescheide vom 24. Mai 2007 erhalten zu haben. Im Haus wohne eine Nachbarin mit ähnlichem Nachnamen, die aufgrund psychischer Probleme fehlgeleitete Post an sie nicht weiterleite.

Unzutreffend hat das SG bei diesem Sachverhalt mit Beschluss vom 27. Juni 2007 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Es ist bei summarischer Prüfung nicht erkennbar, dass der Antragsgegner berechtigt war, die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts wegen fehlender Mitwirkung (§ 66 Sozialgesetzbuch Erstes Buch) zu versagen. Jedenfalls die Regelleistung hätte ohne weitere Ermittlungen gewährt werden müssen. Die Formulare hatte die Antragstellerin vollständig ausgefüllt. Widersprüche sind hier bei summarischer Prüfung nicht erkennbar. Die angeforderten Unterlagen lagen teilweise seit Oktober 2006, teilweise seit März 2007 vor (etwa der Bewilligungsbescheid der Agentur für Arbeit, die Rentenversicherungsnummer, eine Kopie der Chipkarte der Krankenversicherung, die Kontoverbindung, die Erklärung der Mutter, dass sie nicht in der von ihr angemieteten Wohnung und also mit der Antragstellerin nicht in Haushaltsgemeinschaft lebe, die aktuellen Konto- und Sparbuchauszüge, die Bescheinigung über Nebeneinkommen für Februar 2007 etc.), im Übrigen ist nicht im Ansatz erkennbar, dass der Antragsgegner die Bewilligung der Regelleistung von den anforderten Erklärungen abhängig machen durfte (etwa von der mehrfach geforderten kopierten Rückseite des Personalausweises, einer Meldebescheinigung, eines Sozialversicherungsausweises, sämtlicher Kontoauszüge etc.). Insbesondere die angeforderte Erklärung, wovon die Antragstellerin bei der offensichtlich verzögerten Bearbeitung durch den Antragsgegner gelebt hat, verwundert, zumal die Bewilligung von Arbeitslosengeld und Kontobewegungen auf dem Sparbuch aktenkundig sind. Insgesamt ist festzustellen, dass hier Bearbeitungsverzögerungen eingetreten sind, die sich mit der fehlenden Mitwirkung der Antragstellerin nicht erklären lassen. Bei summarischer Prüfung war der Antrag jedenfalls im Hinblick auf die Regelleistung spätestens mit Einreichung der Unterlagen Ende Februar/Anfang März 2007 bewilligungsreif. Im Übrigen wird aus dem Vermerk auf dem zweiten Antrag offenkundig, dass die Antragstellerin über die geforderten Mitwirkungshandlungen nicht informiert war. Es spricht damit einiges für die Richtigkeit ihres Vortrages, die Schreiben und die Bescheide nicht erhalten zu haben, zumal sich aus der Verwaltungsakte nicht ergibt, wann diese Bescheide abgesandt worden sein sollen. Bei einer für die Antragstellerin nicht nachvollziehbar gewordenen verzögerten Bearbeitung über rund 8 Monate bestand ein Bedürfnis für eine einstweilige Regelung durch das Gericht. Zumindest ein Teilerfolg des Antrages war damit hinreichend wahrscheinlich.

Die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erscheint vorliegend erforderlich, § 121 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 73a SGG.

Anspruch auf Prozesskostenhilfe besteht nach den §§ 117, 119 ZPO i.V.m. § 73a SGG erst ab dem Zeitpunkt der Bewilligungsreife (vgl. nur Philippi in Zöller, ZPO, 26. Aufl., § 119 Rn. 39; Hartmann in Baumbach, ZPO, 66. Aufl., § 119 Rn. 11 f.), vorliegend mit Wirkung vom 19. Juni 2007. Die vollständige Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse lag an diesem Tag vor.

Für das Beschwerdeverfahren schied die Bewilligung von Prozesskostenhilfe dagegen aus. Aus den im Schreiben vom 24. August 2007 dargelegten Gründen bestand für die Beschwerde in der Hauptsache zu keinem Zeitpunkt Aussicht auf Erfolg, da sie nach Erlass der erledigenden Bescheide am 29. Juni 2007 von Beginn an wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig war. In Bezug auf die Prozesskostenhilfe sind Zulassungs- und Beschwerdeverfahren ein einheitliches Verfahren, so dass für die Führung eines Beschwerdeverfahrens insoweit die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ausgeschlossen ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 73 a SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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